Entscheidungsdatum: 27.04.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 016 646.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Die Bezeichnung
ONU
ist am 10. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35:
Aktualisierung und Pflege von Daten in Computer-Datenbanken; Beratung auf dem Gebiet des Marketing; Beratung in Bezug auf die Zusammenstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Betriebswirtschaftliche Projektleitung von Bauprojekten; Computergestützte Aktualisierung und Pflege von Daten in Datenbanken; Erstellen von Statistiken; Geschäftsführung von Hotels; Online-Werbung; Sponsorensuche; Verbreitung von Werbeanzeigen; Werbung und Marketing;
Klasse 36:
Beratung bei der Bewertung von Immobilien; Beratung beim Kauf von Immobilien; Beratung in Bezug auf Immobilienbesitz; Beratung in Immobilienangelegenheiten; Beratung über Immobilien; Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Computergestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen betreffend das Timesharing im Immobilienbereich [Immobilienwesen]; Dienstleistungen betreffend den Erwerb von Immobilien für Dritte [Immobilienwesen]; Dienstleistungen betreffend die Verwaltung des Timesharing in Bezug auf Immobilien [Immobilienwesen]; Dienstleistungen der Immobilienberatung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Dienstleistungen des Immobilieninvestments; Dienstleistungen des Immobilienwesens; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den Verkauf und die Vermietung von Gebäuden; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den Verkauf und die Vermietung von Unternehmen; Dienstleistungen eines Immobilienbüros; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Immobilienvermittlers; Dienstleistungen eines Maklers; Dienstleistungen für Immobilieninvestments; Dienstleistungen für Investitionen in Immobilien; Dienstleistungen im Bereich Immobilienwesen; Dienstleistungen zur Abtretung von Immobilienpachtverträgen [Immobilienwesen]; Einziehen von Miet- und Pachterträgen; Einziehen von Mieterträgen; Einziehung von Forderungen aus Immobilienvermietungen; Ermitteln von Immobilienwerten; Erstellung von Kapitalanlageplänen bezüglich Immobilien; Erteilen von Auskünften über den Immobilienmarkt; Erteilen von Auskünften über Immobilien; Erteilen von Auskünften über Liegenschaften [Immobilien]; Finanzielle Bewertung von Immobilien; Finanzielle Förderung; Gebäudeverwaltung; Immobilien verwalten; Immobilienberatung; Immobilienbewertung; Immobilienvermietungsdienste; Immobilienvermittlung; Immobilienverpachtung; Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Immobilienwesen; Investieren in Immobilien; Investmentgeschäfte; Maklerdienste; Maklerdienste zur Vermietung von Gebäuden; Maklerdienste zur Vermittlung von Miet- und Pachtverträgen für Grundstücke; Organisation von Finanzierungen für Bauprojekte; Recherchedienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilien [Immobilienwesen]; Recherchedienstleistungen im Zusammenhang mit der Auswahl von Immobilien [Immobilienwesen]; Vermietung von Büros [Immobilien]; Vermietung von Immobilien; Vermittlung der Vermietung von Immobilien; Vermittlung von Grundstücken; Vermittlung von Immobilien für Dritte; Vermittlung von Mietverträgen [für Immobilien]; Vermittlung von Mitinhaberschaften an Immobilien; Vermittlung von Pachtverträgen [für Immobilien]; Vermittlung von Verpachtungen und Vermietungen von Immobilien; Verwaltung von Immobilien und Grundbesitz; Verwaltung von Immobilienbeständen; Verwaltung von Immobilienportfolios; Wohnungsvermittlung [Immobilien];
Klasse 37:
Auskünfte in Bauangelegenheiten; Auskünfte über Reparaturen; Bauberatung; Bauwesen; Beratungsdienste in Bezug auf den Umbau von Immobilien; Reinigung von Immobilien; Renovierung von Immobilien;
Klasse 38:
Bereitstellung des Zugriffs auf Computerdatenbanken; Bereitstellung des Zugriffs auf globale Computernetzwerke und andere elektronische Datenbanken; Bereitstellung des Zugriffs auf Inhalte, Webseiten und Internetportale; Elektronische Anzeigenvermittlung [Telekommunikation]; Elektronische Nachrichtenübermittlung [E-Mail];
Klasse 41:
Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Berufsberatung [Aus- und Weiterbildungsberatung]; Coaching; Karriere- und Berufsberatung;
Klasse 42:
Aktualisieren von Computer-Software; Beratung auf dem Gebiet der Informationstechnologie [IT]; Beratungsdienste bezüglich Bauanträgen; Cloud-Computing; Computersystemanalysen; Design von Computer-Datenbanken; Design, Pflege und Update von Computersoftware; Dienstleistungen eines Innenarchitekten; Dienstleistungen in der Architektur; Elektronische Datenspeicherung; Erstellen und Aktualisieren von Homepages für Computernetzwerke; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellen, Aktualisieren und Anpassen von Computerprogrammen; Hosting-Dienste, Software as a Service (SaaS) und Vermietung von Software; Server-Hosting; Software as a Service [SaaS];
Klasse 43:
Betrieb von Hotels; Betrieb von Hotels und -anlagen; Betrieb von Motels; Betrieb von Pensionen; Betrieb von Restaurants in Hotels; Buchung von Unterkünften in Hotels; Vermietung von Ferienhäusern; Vermietung von Gästezimmern; Zimmervermittlung; Zimmervermittlung [Hotels, Pensionen].
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA die unter der Nummer 30 2014 016 646.1 geführte Anmeldung für alle beanspruchten Dienstleistungen zurückgewiesen.
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung stehe die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG entgegen. Danach seien von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die Wappen, Flaggen oder andere Kennzeichen, Siegel oder Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen enthielten, die nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt von der Eintragung als Marke ausgeschlossen seien. Die Bezeichnung „ONU“ sei als französische Abkürzung für die Vereinten Nationen unstrittig nach der Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt (BGBL. I 1963, 781) vom 12.09.1963 von der Eintragung als Marke ausgeschlossen. Eine Eintragung sei nur dann möglich, wenn der Anmelder zur Führung des dort aufgeführten Zeichens befugt sei (§ 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG) oder die angemeldete Marke nicht geeignet sei, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen (§ 8 Abs. 4 Satz 3 MarkenG).
Der Anmelder habe eine Befugnis, dass er das Zeichen führen dürfe, nicht vorgelegt.
Auch sei die Marke durchaus als geeignet anzusehen, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation der ONU bzw. UNO hervorzurufen. Die hier beanspruchten Dienstleistungen wendeten sich einerseits an den Durchschnittsverbraucher, der die Buchstabenfolge „ONU“ zwar regelmäßig nicht in Verbindung mit der Organisation der Vereinten Nationen, die hier landläufig mit „UNO“ bezeichnet werde, bringen werde. Andererseits würden die hier beanspruchten Dienstleistungen aber in nicht unerheblichem Umfang auch solchen Verkehrskreisen begegnen, welche die Bezeichnungen „ONU“ und „UNO“ als jeweils alternative Bezeichnungen für die „Organisation des Nations Unies“ bzw. „United Nations Organisation“ erfassten. Französisch sei als „Sprache der Diplomatie“ daher dem Englischen zumindest gleichzusetzen, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die - abgekürzten - englischen und französischen Bezeichnungen der internationaler Organisationen vielfach entweder nebeneinander Verwendung fänden (NATO - OTAN) und/oder aber alternativ (WIPO - OMPI). Mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 18. Oktober 2009 (Aktenzeichen 25 W (pat) 3/09 - „Vital Life Europe“) führt die Markenstelle weiter aus, dass ein unzutreffender Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation auch in solchen Bereichen bejaht werden könne, in denen diese lenkend, regulierend und auch informierend tätig sei. Die UNO/ONU nähme – zum Teil auch durch ihre Unterorganisationen vielfältige Aufgaben war (Schulbau durch UNICEF; UN Campus in Bonn als weiteres Bauprojekt), so dass von unmittelbaren und mittelbaren Bezügen zwischen der UNO/ONU und den hier beanspruchten Dienstleistungen auszugehen sei. Daher sei das angemeldete Zeichen als geeignet anzusehen, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung hervorzurufen.
Gegen die Zurückweisung ihrer Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, dass das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG vorliegend nicht anzuwenden sei, da die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Tatbestands nach § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG vorlägen. Denn die Abkürzung ONU werde weder von den angesprochenen Verkehrskreisen als solches mit den Vereinten Nationen in Verbindung gebracht, noch gäben die konkreten Dienstleistungen Anlass, eine solche Verbindung anzunehmen. ONU sei als französische Bezeichnung für die Vereinten Nationen dem deutschen Durchschnittsverbraucher schon nicht geläufig, denn die weltweit bekannte Abkürzung sei das englischsprachige UNO. Zudem kämen der Abkürzung ONU noch weitere Bedeutungsinhalte wie beispielsweise Ohio Northern University oder Ohio Nazaren University zu. Selbst wenn aber von einer Verbindung der relevanten Verkehrskreise zu den Vereinten Nationen ausgegangen werde, sei kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitsbereich der UN und den angemeldeten Dienstleistungen zu erkennen. Mit Ausnahme der Dienstleistungen im Zusammenhang mit Immobilienwesen sei eine Begründung, worin eine Verbindung zwischen der Bezeichnung und den beanspruchten Dienstleistungen bestehe, im Beschluss der Markenstelle nicht erläutert worden und auch nicht zu erkennen. Aus den Zielen und Grundsätzen der Charta der UN sei kein sachlicher Zusammenhang zu erkennen, im Rahmen der humanitären Tätigkeit der UNO würden die beanspruchten Dienstleistungen schlichtweg nicht angeboten. Auch eine Verbindung mit den beanspruchten Immobiliendienstleistungen sei nicht gegeben. Dabei sei schon das Einbeziehen der Tätigkeit der UNICEF, die nicht mit der ONU gleichgesetzt werden könne, nicht möglich. Selbst wenn aber auch im Rahmen der humanitären Hilfe eine Verbindung mit Immobilien oder dem Bau von Gebäuden in Entwicklungsländern bestehe, richteten sich die Dienstleistungen der Anmelderin an unterschiedliche Abnehmerkreise und erfüllten völlig unterschiedliche Zwecke. Die Vereinten Nationen würden jedenfalls selbst immobilienbezogene Dienstleistungen nicht erbringen, sondern, wenn überhaupt, solche Dienstleistungen lediglich nutzen. Damit gebe es keine Überschneidung der sachlichen Tätigkeitsbereiche und insoweit käme auch keinerlei Assoziation mit der zwischenstaatlichen Organisation zustande. Soweit für die Anwendung des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG ausreichend sei, dass irgendeine Verbindung mit dem geschützten Kennzeichen entstehe, führe dies zu einer Aushöhlung der Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG, dessen Voraussetzungen dann nie erfüllt wären. So sei es vom Gesetzgeber aber nicht gewollt. Denn nach dem Sinn und Zweck der Regelung sollten unbillige Beschränkungen eintragungsfähiger Zeichen aufgrund der Kennzeichen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen vermieden werden. Soweit die Einschränkung des § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG vorliegend nicht greife, führe dies im Ergebnis dazu, dass die für den deutschen Verbraucher bekanntere Bezeichnung UNO, die nicht Gegenstand der Bekanntmachung des Bundesjustizministeriums gewesen sei, vielfach Markenschutz genieße; wohingegen die für den deutschen Verkehr eher unbekannte Bezeichnung ONU dagegen schutzunfähig sei.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des DPMA vom 8. Oktober 2014 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „ONU“ als Marke steht in Bezug auf alle beanspruchten Dienstleistungen entgegen, dass es sich um eine Bezeichnung einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation handelt, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nicht schutzfähig ist und die geeignet ist, den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der Organisation hervorzurufen, § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die unter anderem Bezeichnungen internationaler Organisationen enthalten. Das bis zum 1. Juli 2016 und damit zum Zeitpunkt der Anmeldung am 10. März 2014 noch in der Fassung des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG enthaltene Erfordernis einer Bekanntmachung der schutzunfähigen Kennzeichen, Siegel oder Bezeichnungen der internationalen zwischenstaatlichen Organisationen durch das Bundesministerium der Justiz im Bundesgesetzblatt ist mittlerweile entfallen (die Veröffentlichung von ONU als Bezeichnung der Vereinten Nationen erfolgte im Bundesgesetzblatt vom 12. September 1963, 781). Unstreitig handelt es sich bei der Buchstabenfolge ONU (französisch: Organisation des Nations Unies, spanisch: Organicatión de las Naciones Unidas, italienisch: Organizzazione delle Nazioni Unite) um die Bezeichnung einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation, nämlich um die jedenfalls französische, italienische und spanische Bezeichnung der Kurzform für die Vereinten Nationen (UN). Damit sind jedenfalls die Voraussetzungen für das Schutzhindernis erfüllt. Insoweit kann es nicht darauf ankommen, ob die Bezeichnung ONU als solche in Deutschland auch verstanden wird.
2. Eine Befugnis zum Führen des Zeichens nach § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG liegt nicht vor. Auch die nach § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG mögliche Ausschlussbestimmung, wonach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nicht anzuwenden ist, wenn die angemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen, ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Bestimmung setzt Art. 6 ter Abs. 1 lit. c PVÜ in das deutsche Recht um. Damit sollen Markeneintragungen auch in Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG möglich sein, wenn der Tätigkeitsbereich der betreffenden internationalen zwischenstaatlichen Organisation in keiner sachlichen Beziehung zu dem Gebiet stehen kann, dem die Waren und Dienstleistungen der jeweiligen Marke angehören (vgl. Ströbele, Der Schutz von Kennzeichen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 a WZG), GRUR 1989, 84, 87 f.; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rn. 815). Differenziert nach den beanspruchten Dienstleistungen ist daher zunächst zu prüfen, ob ein hinreichender Bezug zum Tätigkeitsbereich der internationalen zwischenstaatlichen Organisation für die einzelnen Dienstleistungen gegeben ist, also ein naheliegender Bezug zu der internationalen Organisation besteht, weil beispielsweise der Eindruck einer Prüfung, Genehmigung, Qualitätskontrolle besteht (vgl. Ströbele, a. a. O. S. 87). Von einem sachlichen Bezug zur Tätigkeit einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation ist aber nicht nur in den Bereichen auszugehen, in denen die Organisation sich mit dem gewerblichen Vertrieb der Waren und Dienstleistungen befasst, für die die jeweils streitgegenständliche Marke registriert werden soll. Dies würde den in der Regel primär hoheitlich ausgerichteten Aufgaben internationaler zwischenstaatlicher Organisationen nicht hinreichend gerecht werden. Auch erscheint es mit Blick auf den Normzweck des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG in Verbindung mit Art. 6 ter Abs. 1 lit. b PVÜ ebenfalls zu eng, wenn der Anwendungsbereich des hieraus resultierenden Ausschlusses von Markeneintragungen auf solche Waren und Dienstleistungen beschränkt wird, bei denen eine finanzielle Förderung durch die internationale zwischenstaatliche Organisation oder eine Qualitätskontrolle durch diese selbst in Betracht kommt. Ein sachlicher Bezug ist vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn die Organisation im weitesten Sinne lenkend, regulierend und auch informierend tätig ist (vgl. BPatG Beschluss vom 19. Oktober 2003, 25 W (pat) 3/09 - Vital Life Europe; Entscheidungstext öffentlich zugänglich über die Homepage des Bundespatentgerichts). Insbesondere gilt dies in Bereichen, in denen die jeweilige internationale zwischenstaatliche Organisation auch und insbesondere mit Blick auf den Schutz und die Rechte der Verbraucher oder eines besonderen schutzbedürftigen Verbraucherkreises tätig ist, insoweit auch eigene Kompetenzen hat, Grundsätze und Regeln aufstellt und auch selbst oder durch beauftragte Dritte gegenüber der Öffentlichkeit Informations- und Aufklärungsarbeit leistet.
Das Aufgabenspektrum und die Handlungsfelder der Vereinten Nationen als zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten und als globale internationale Organisation umfasst nach ihrer Charta die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Im Vordergrund stehen außerdem die Unterstützung im wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Gebiet (vgl. die Aufstellung der Bundeszentrale für politische Bildung, 2010, www.bpb.de, die der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung überreicht wurde; siehe auch die Millennium-Entwicklungsziele der UNO/ONU: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger; Primärschulbildung für alle; Gleichstellung der Geschlechter / Stärkung der Rolle der Frauen; Senkung der Kindersterblichkeit; Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter; Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten; Ökologische Nachhaltigkeit; Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung). Die Vereinten Nationen werden durch die Verabschiedung diverser Resolutionen und Konventionen, die häufig in innerstaatliches Recht umgesetzt werden, tätig. Dies gilt beispielsweise für die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit dem Jahr 2009 in Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist. Ebenso hat die UN in der UN-Kinderrechtskonvention, der UN-Wanderarbeiterkonvention sowie der UN-Frauenrechtskonvention und nicht zuletzt dem UN Sozialpakt Grundsätze, (Teilhabe)Rechte und Ansprüche formuliert und postuliert. Insoweit wird die ONU/UNO in Bezug auf ein außerordentlich weites Spektrum von Aufgaben beinahe schon allumfassend informierend, lenkend und auch regulierend tätig.
Durch zahlreiche Missionen, Programme und Fonds engagiert sich die UN oder ONU auch mit Hilfe ihrer Institutionen und Organisationen innerhalb des UN-Systems operativ. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP = United Nations Development Programme) fördert Demokratie und Umweltschutz sowie infrastrukturelle Maßnahmen in den verschiedenen Ländern. Das UN-Umweltprogramm (UNEP = United Nations Environment Programme) erhebt Daten und wertet diese aus, leistet Aufklärungsarbeit und (Entwicklungs-)Hilfe im Bereich des Umweltschutzes. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR = United Nations High Commissioner for Refugees) bietet auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention Hilfe und Schutz für Flüchtlinge. Das Kinderhilfswerk (UNICEF = United Nations International Children's Emergency Fund) setzt sich mit zahlreichen Projekten vor Ort für den Schutz und die Wahrung von Kinderrechten ein. Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD = United Nations Conference on Trade and Development) zielt auf die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft, die Vertiefung des Handels zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen sowie die Entwicklung von neuen Grundsätzen in der Weltwirtschaftsordnung. Der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA = United Nations Population Fund) legt Programme auf zur Aufklärung über Familienplanung und Verhütung in Entwicklungsländern und der Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt. Das Hilfswerk UNRWA (= United Nations Relief and Works Agency) leistete bis zum 30. Juni 2011 Hilfe, Schutz und Rechtsbeistand für palästinische Flüchtlinge. Das UN-Programm für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT) fördert in Entwicklungs- und Transformationsländern Konzepte der nachhaltigen Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung.
Angesichts der großen Bandbreite der Tätigkeitsfelder, in der die UN/UNO oder eben die ONU aktiv wird bzw. werden kann, ist durch die Art der in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen nicht ausgeschlossen, dass bei den relevanten Verkehrskreisen der Endverbraucher und der gewerblich Tätigen der unzutreffende Eindruck einer Verbindung mit der ONU entsteht.
Die oben genannten UN-Konventionen beinhalten Teilhaberechte, Themen der Gleichberechtigung und das Recht auf Arbeit und Aus- bzw. Weiterbildung (vgl. Art. 27 der UN-Behindertenkonvention). Daher kann für alle Dienstleistungen im Bereich der Klasse 41, der Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Berufsberatung [Aus- und Weiterbildungsberatung]; Coaching; Karriere- und Berufsberatung ein hinreichender sachlicher Bezug, etwa im Sinn einer Übereinstimmung mit den UN Vorgaben oder einer Zertifizierung der Dienstleistungen durch die UN, bestehen.
Entsprechendes gilt für sämtliche beanspruchten Dienstleistungen die Klasse 43 im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hotels, eines Restaurants und der Vermietung von Zimmern bzw. deren Vermittlung. Gerade im Bereich der Hotel- und Gaststättenbranche spielen Klassifizierungen in Kategorien und Zertifizierungen eine große Rolle. Solche Kategorisierungen werden häufig in besonderer Weise hervorgehoben und etwa auch im Eingangsbereich angebracht. Auch in diesem Dienstleistungsbereich ist daher durchaus vorstellbar, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung entsteht, dass bei der Verwendung des Kürzels ONU es sich im Zusammenhang mit den angebotenen Leistungen um UN zertifizierte Dienstleistungen dergestalt handelt, dass diese Vorgaben aus den UN-Konventionen entsprechen, sei es dass die Dienstleistungen barrierefrei in Anspruch genommen werden können.
Gleiches trifft für die beanspruchten Dienstleistungen im Bereich der Klassen 35, 38 und 42 zu, die sich inhaltlich mit der Verarbeitung von Daten befassen oder damit in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Denn auch hier hat die UN mit einer (zwar rechtlich nicht bindenden) Resolution zum Datenschutz und dem Einsatz eines Sonderberichterstatters Klarstellungen zu den Rechten des Einzelnen und dem Schutz von Metadaten und Empfehlungen erlassen (vgl. die Anlage 3 des der Anmelderin mit der Terminsladung vom 29. März 2017 übersandten Anlagenkonvoluts). Insoweit kann auch im Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen ein hinreichender Bezug der Tätigkeit der UN zu den Dienstleistungen der streitgegenständlichen Marke angenommen werden. Auch im Bereich der Marketing- und Werbedienstleitungen der Klasse 35 kann im Zusammenhang mit der Bezeichnung der UN bzw. ONU bei den Verbrauchern die Vorstellung entstehen, dass diese in besonderer Weise ethischen Grundsätzen aus den Vorgaben der UN-Konventionen entsprechen.
In verschiedenen Resolutionen (UN Charta der Menschenrechte; UN- Behindertenrechtskonvention – Artikel 28 „… angemessene Wohnung …“ – Anlage 2 des der Anmelderin mit der Terminsladung vom 29. März 2017 übersandten Anlagenkonvoluts) und Programmen (UN Programm HABITAT – Anlage 4 des der Anmelderin mit der Terminsladung vom 29. März übersandten Anlagenkonvoluts; UN Genfer Flüchtlingskonvention) beschäftigt sich die UN thematisch mit den menschlichen Siedlungen, dem Siedlungsbau, der Städteentwicklung und mit Fragen der Wohnungsversorgung und Wohnungsnot. Auch insoweit ist ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem informierenden, lenkenden und regulierenden Tätigwerden der UN und solchen beanspruchten Dienstleistungen, die mit der Wohnungsbau- und Städteplanung im Zusammenhang stehen können, also mit den baubezogenen Dienstleistungen der Klasse 37 und den Dienstleistungen in der Klasse 42 eines Innenarchitekten und in der Architektur möglich.
Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen der Klasse 37 (Reinigung und Renovierung von Immobilien) und der Dienstleistungen der Klasse 36, bei welchen es sich um solche rund um den Erwerb, den Bestand, die Verwaltung, die Finanzierung oder die Wertermittlung von Immobilien handelt, ist ebenso eine hinreichende thematische Verbindung zu der UN vorstellbar. Denn soweit sich die UN um die Versorgung und die Unterbringung von Flüchtlingen - auch im Zusammenhang mit dem besonderen Schutz von Kindern - kümmert, kann dies die Beschaffung entsprechender Unterkünfte und den Erwerb entsprechend geeigneter Immobilien umfassen. Insoweit ist vorstellbar, dass die UN als Eigentümerin verschiedener Immobilien auch die typischerweise damit zusammenhängenden Dienstleistungen, beispielsweise die Einziehung von Mieterträgen, Reinigungs- oder Renovierungsleistungen etc. durchführt. Sofern solche Dienstleistungen zum Anmeldezeitpunkt im Jahr 2014 noch nicht erbracht wurden, erscheint es aber angesichts der aktuellen weltweiten Migrationsbewegungen und zunehmenden Bedeutung einer angemessenen Unterbringung und Zurverfügungstellung von Wohnraum durchaus naheliegend, dass jedenfalls zukünftig der Tätigkeitsbereich der UN eine dahingehende Erweiterung erfährt (vgl. insoweit auch Ströbele, a. a. O. Seite 87). Insoweit hält der Senat einen ausreichenden sachlichen Bezug zwischen der Tätigkeit der UN und den auf das Immobilienwesen bezogenen Dienstleistungen der Klasse 36 für gegeben.
Da eine nicht unerhebliche Anzahl von im Inland lebenden Verbrauchern einen französisch, italienisch oder spanisch sprachigen Hintergrund hat, sieht der Senat auch einen durchaus beachtlichen Teil des Verkehrs davon betroffen, tatsächlich einem unzutreffenden Eindruck einer Verbindung zwischen der angemeldeten Abkürzung ONU mit den Vereinten Nationen zu unterliegen.
Was den Hinweis der Anmelderin auf zahlreiche Eintragungen der in Deutschland gebräuchlicheren englischen Kurzbezeichnung UNO für die Vereinten Nationen angeht, ist auf die für die Prüfung von Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42-44 - Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespatentgerichts (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 - VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Grundsatz, wonach die Entscheidung über die Schutzfähigkeit keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung ist und selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen, gilt auch für die Frage der Einschränkung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG. Auch insoweit haben das Gericht und das Patentamt in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen. Auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen kann sich niemand berufen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine inhaltlich-argumentative Auseinandersetzung mit bloßen Eintragungsentscheidungen nicht möglich ist, da diese regelmäßig nicht begründet werden. Gleichwohl ist festzustellen, dass - anders als die angemeldete Bezeichnung - die Abkürzung UNO jedenfalls nach der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Rechtslage dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nicht unterfallen ist.
Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.