Entscheidungsdatum: 23.02.2017
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 043 827.7
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. August 2014 und vom 13. Juli 2015 aufgehoben, soweit die Anmeldung bzw. die Erinnerung zurückgewiesen worden ist.
I.
Die Bezeichnung
Topdent
ist am 10. August 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:
Klasse 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;
Klasse 10: Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche, zahntechnische Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial.
Mit zwei Beschlüssen vom 5. August 2013 und vom 13. Juli 2015 hat die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA die unter der Nummer 30 2011 043 827.7 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zunächst in vollem Umfang, zuletzt im Erinnerungsbeschluss noch für die nachfolgenden Waren
Klasse 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;
Klasse 10: Chirurgische, zahn- und tierärztliche, zahntechnische Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; chirurgisches Nahtmaterial;
zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass dem angemeldeten Zeichen hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren die erforderliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das Zeichen sei ein dahingehender beschreibender Hinweis, dass es sich bei den beanspruchten Waren um hochwertige Waren aus dem Bereich der Zahnmedizin handle. Das Zeichen sei sprachüblich aus den Bestandteilen „Top“ als einem Hinweis auf ein Spitzenprodukt und dem Bestandteil „Dent“ als einem Hinweis auf die Zahnmedizin zusammengesetzt. Der Begriff sei bewusst weit gefasst, um einen großen Bereich an medizinischen Waren abzudecken. Diese Unschärfe führe aber ebensowenig zur Unterscheidungskraft wie auch weitere mögliche Bedeutungen des Begriffs „dent“. Der Umstand, dass „dent“ in der englischen Sprache „Beule“ oder „Delle“ bedeute und die Tatsache, dass nachweisbare, jedoch fernliegende Akronyme existierten (z. B. „Demolution Events National Tour“), änderten nichts daran, dass der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren den Begriff als Abkürzung von „dental“ verstehe. Der Umstand, dass es sich bei „Dent“ nicht um eine offizielle Abkürzung für das Wort „dental“ handle, ändere gleichfalls nichts an der Verständlichkeit dieser Abkürzung. Nur für die Waren „ärztliche Instrumente und Apparate; orthopädische Artikel“ habe das angemeldete Zeichen Unterscheidungskraft, da diese Waren in der Regel in der Zahnmedizin keine Anwendung fänden. Ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, könne angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Es sei in der Branche völlig unüblich, die sehr speziellen Produkte für Zahntechniker und Zahnärzte mit dem unbestimmten Werbeschlagwort „Top“ zu bezeichnen. Für Medizinprodukte gelte eine spezielle Nomenklatur, die die Kennzeichnungsgewohnheiten in der Branche mitprägten, so dass „Topdent“ zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren ungewöhnlich sei. Das DPMA könne nicht belegen, dass bereits andere Unternehmen mit der Wortkombination „Topdent“ werben würden, so dass der Verkehr das Zeichen einem bestimmten Unternehmen zuordnen werde. Zudem gebiete es die vom DPMA zu gewährende Chancengleichheit, die Marke vollumfänglich einzutragen, nachdem ein Mitbewerber der Anmelderin das Zeichen „Top Dent“ als Gemeinschaftsmarke habe eintragen lassen, so dass dieses nahezu identische Zeichen auch in Deutschland für vergleichbare Waren Schutz genieße, obwohl die Anmelderin schon seit 30 Jahren Inhaberin der schutzfähigen Marke „Topdent“ sei.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. August 2014 und vom 13. Juli 2015 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht hinsichtlich keiner der beanspruchten Waren ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Trotz der deutlichen beschreibenden Anklänge kann dem angemeldeten Zeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass das aus den zwei Bestandteilen „Top“ und „dent“ zusammengesetzte Zeichen insofern eine deutliche Kennzeichnungsschwäche aufweist, als der Begriff „Top“ in zusammengesetzten Hauptwörtern häufig benutzt wird (z. B. „Topspiel“, „Topmannschaft“, etc.) und die werbliche Verwendung des Begriffs „Top“ den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist (vgl. hierzu: BPatG 25 W (pat) 535/13 - Topscan - die Entscheidung ist über die Homepage des BPatG öffentlich zugänglich). Darüber hinaus wird der Begriff „Top“ entgegen der Darstellung der Anmelderin auch in der Zahntechnikerbranche werblich benutzt. Der Zeichenbestandteil „dent“ kann als beschreibendes Element und als ein allgemeiner Hinweis auf alles verstanden werden, was die Zähne betrifft, weil „dent“ bei genauer Betrachtung als Verkürzung des Wortes „dental“ (die Zähne betreffend) noch erkennbar ist. Allerdings ist „dent“ als Abkürzung für die beanspruchten Waren nicht gebräuchlich. Nur in der Abkürzung des akademischen Grades „Dr. med. dent.“ („dent“ als Abkürzung für das lateinische Wort „dentalis“) wird „dent“ - zumindest von den angesprochenen Fachkreisen - verstanden. Insofern hat der Zeichenbestandteil „dent“ jedenfalls keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 731 Rn. 16-21 - Kaleido). Soweit sich der lexikalisch nicht nachweisbare Begriff „dent“ in bekannten Wortkombinationen auffinden lässt, handelt es sich regelmäßig um markenmäßige Bezeichnungen (wie z. B. in „Dentagard“ oder „Kukident“).
Unabhängig von den zumindest für die Fachkreise möglicherweise erkennbaren warenbeschreibenden Anklängen des Zeichenbestandteils „dent“ und dem werblichen Charakter des Zeichenbestandteiles „top“ kommt nach Auffassung des Senats der angemeldeten Wortkombination insgesamt aber noch keine sich aufdrängende, ohne weiteres ersichtliche beschreibende bzw. werbliche Bedeutung ohne kennzeichnenden Charakter für die beanspruchten Waren zu. Gegenstand der Frage der Schutzfähigkeit bei einer mehrteiligen Marke ist die Marke in ihrer Gesamtheit. Zwar geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter nicht grundsätzlich schon durch deren Zusammenführung verloren. Vielmehr verbleibt im Allgemeinen die bloße Kombination von beschreibenden Bestandteilen selbst beschreibend. Die Bezeichnung kann im Einzelfall aber in ihrer Gesamtheit einen anderen Eindruck vermitteln als die Summe ihrer Bestandteile (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 13 - My World). In der Gesamtschau eröffnet die angemeldete Wortkombination einen gewissen Interpretationsspielraum, so dass die von der Markenstelle dargelegte Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung erst in mehreren gedanklichen Schritten nachvollzogen werden kann und zudem nicht hinreichend eindeutig ist. Zunächst müsste in dem Bestandteil „dent“ - über den gedanklichen Umweg des oben genannten akademischen Grades - eine Abkürzung für „Zahn“ erkannt werden. Erst dann ist der Begriff „Top“, wie oben dargelegt, als werbliche Anpreisung erkennbar, lässt aber in der hier vorliegenden Wortkombination wegen ihrer Unbestimmtheit keine ausreichend naheliegende, dahingehende Schlussfolgerung zu, welche Ware angepriesen wird. Dem Verkehr wird sich bei unbefangener Wahrnehmung aus diesem Grund kein entsprechendes warenbeschreibendes Verständnis aufdrängen, so dass die Vorstellungen, was mit der Bezeichnung gemeint sein könnte, eher diffus sein werden.
Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verkehr die Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung i. S. v. zahnmedizinisches bzw. zahnhygienisches Spitzenprodukt im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ohne weiteres erkennen kann, führt dies nicht zur Schutzunfähigkeit unter dem Gesichtspunkt fehlender Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung weist in Bezug auf die Wortbildung eine ungewöhnliche Struktur auf, die von einem sachbezogenen Aussagegehalt wegführt, so dass die angemeldete Bezeichnung "Topdent" in der Summe ihrer Bestandteile im Sinne einer sprechenden Marke kennzeichnend wirken kann. Es besteht ein merklicher Unterschied zwischen der angemeldeten Gesamtbezeichnung und der Bedeutung der Einzelbestandteile. Maßgeblich ist letztlich bei solchen Wortkombinationen, ob die Kombination der Bestandteile - so wie vorliegend - über die bloße Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgeht - dann unterscheidungskräftig - oder sich in deren Summenwirkung erschöpft - dann nicht unterscheidungskräftig (siehe dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 182 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die hier zu beurteilende Kombination der Einzelbestandteile ist nach Auffassung des Senats sprachlich ungewöhnlich und geeignet, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden zu werden, auch wenn es sich um einen Grenzfall handeln mag. Denn es wird hier das Wortbildungselement „Top“ mit der Bedeutung von „höchst, best- oder Spitzen“ nicht in sprachüblicher Form mit einem Adjektiv (vgl. z. B. topfit oder topmodisch) oder einem Substantiv (vgl. z. B. Topmanager, Topmodell oder Toplage) verknüpft, sondern sprachunüblich mit dem Element „dent“ verknüpft, das nur in wenigen Zusammenhängen als spezielle Abkürzung des lateinischen Begriffes „dentalis“ verwendet wird (bei Dr. med. dent.) und nur deshalb als Hinweis auf „Zahn/Zähne“ verstanden werden kann. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass mit Blick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im vorliegend relevanten Warenbereich von pharmazeutischen und medizinischen Produkten der Verkehr an sprechende Marken und Markenelemente gewöhnt ist, die auf den Indikations- bzw. den Anwendungsbereich oder auch die Wirkungsweise der so gekennzeichneten Präparate hindeuten, ohne dass deswegen einem entsprechend gebildeten, aus mehreren Elementen bestehenden Zeichen jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlen muss (vgl. dazu z. B. Kennzeichnungen wie Dentagard für Zahnhygieneprodukte mit dem sprechenden Inhalt „Zahnschutz“ oder Pedifit u. a. für Hygienepräparate für medizinische Zwecke mit dem sprechenden Inhalt „für die Fitness des Fusses“, vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2013 - 25 W (pat) 94/12; die vorgenannte Entscheidung ist zugänglich über die Homepage des Bundespatentgerichts). Vorliegend kommt hinzu, dass das angemeldete Zeichen zumindest prima facie wie ein Gesamtbegriff erscheint, bei dem eine Aufspaltung in die Bestandteile „Top“ und „dent“ sich nicht ohne weiteres, jedenfalls nicht ohne jedweden analysierenden Gedankenschritt aufdrängt.
2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Bezeichnung „Topdent“ zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren unterliegt das Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Nach alledem waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.