Entscheidungsdatum: 10.04.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 043 306.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. September 2011 aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
Arthro-in-form
ist am 7. Oktober 2009 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für folgende Waren der Klassen 5, 29 und 30 angemeldet worden:
Klasse 5:
Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;
diätetische Nahrungsmittel, diätetische Nährmittel, diätetische Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere zur ergänzenden bilanzierten Ernährung, und diätetische Substanzen, insbesondere in Tablettenform, Pulverform, Riegelform, flüssiger Form und Kapselform, jeweils für medizinische Zwecke;
Stärkungs- und Aufbaupräparate für medizinische Zwecke, insbesondere in Kapselform;
Vitaminpräparate, insbesondere enthaltend pflanzliche Inhaltsstoffe und Pflanzenextrakte und insbesondere in Kapselform;
Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform, Kapselform, Pulverform, flüssiger Form und Riegelform, soweit in Klasse 5 enthalten;
Klasse 29:
diätetische Erzeugnisse für nicht-medizinische Zwecke auf der Basis von Proteinen, Eiweißen oder Fetten, soweit in Klasse 29 enthalten;
diätetische Nahrungsmittel, diätetische Nährmittel, diätetische Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere zur ergänzenden bilanzierten Ernährung und diätetische Substanzen jeweils für nicht-medizinische Zwecke auf der Basis von Proteinen, Eiweißen oder Fetten, soweit in Klasse 29 enthalten;
Stärkungs- und Aufbaupräparate für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Proteinen, Eiweißen oder Fetten, soweit in Klasse 29 enthalten;
alle oben aufgeführten Waren insbesondere in Tablettenform, Kapselform, Pulverform, flüssiger Form und Riegelform;
Klasse 30:
diätetische Erzeugnisse für nicht-medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten, soweit in Klasse 30 enthalten;
diätetische Nahrungsmittel, diätetische Nährmittel, diätetische Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere zur ergänzenden bilanzierten Ernährung und diätetische Substanzen jeweils für nicht-medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten, soweit in Klasse 30 enthalten;
Stärkungs- und Aufbaupräparate für nicht-medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten, soweit in Klasse 30 enthalten;
alle oben aufgeführten Waren insbesondere in Tablettenform, Kapselform, Pulverform, flüssiger Form und Riegelform.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nr. 30 2009 043 306.2 geführte Anmeldung nach entsprechender Beanstandung durch einen Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen.
Die Markenstelle hält die angemeldete Wortfolge für nicht unterscheidungskräftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der angesprochene Verkehr erkenne nämlich das Gesamtzeichen ohne weiteres als Werbeslogan im Sinne von "die Gelenke leistungsfähig halten". Die angemeldete Bezeichnung bestehe aus den umgangssprachlichen Wortbestandteilen "Arthro", dem Bestimmungswort für "Gelenk", und "in Form", was "in leistungsfähiger Verfassung oder Kondition" bedeute. Im Zusammenhang mit den Waren, für die die Anmelderin Schutz beanspruche, verstehe der angesprochene Verkehr die Wortfolge ohne weiteres Nachdenken als werbeüblichen Hinweis darauf, dass diese geeignet seien, den Verbrauchern eine gewisse Fitness in Aussicht zu stellen. Eine Ernährung mit den Vitaminen C, D, E, Kalzium usw. sowie die Konsumierung spezieller Nahrungsergänzungsmittel könnte der Stärkung des Gelenkapparates, der Unterstützung einer gewissen Gelenkigkeit und der Vorbeugung vor Arthrose dienen. Ob die so bezeichneten Produkte tatsächlich diese Wirkungen entfalten könnten und auch wissenschaftlich nachweisbar seien, sei für die Frage der Schutzfähigkeit der angemeldeten Wortfolge als Marke unerheblich. Vielmehr komme es darauf an, ob es sich hierbei um Produkteigenschaften handele, die für den angesprochenen Verkehr wesentlich seien. Die Anmeldemarke entspreche der gängigen Praxis, den Verbrauchern eine besondere Produktbeschaffenheit oder -qualität durch werbetypisch übersteigert formulierte Schlagwörter nahe zu bringen, wobei Anknüpfungen an Wohlfühlbegriffe werbesprachlich sehr beliebt seien. Bei der angemeldeten Wortfolge handele es sich um einen ebensolchen Werbeslogan.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde erhoben, die sie nicht begründet hat.
Im Verfahren vor der Markenstelle hatte die Anmelderin auf deren Beanstandungsbescheid vorgetragen, dass der Wortbestandteil "Arthro" zwar auf "Gelenk" hinweise. Gleichwohl könne der angemeldeten Wortkombination nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Denn man könne Gelenke nicht in Form bringen oder in bester Verfassung halten, dies sei mit den beanspruchten Waren nicht möglich. Ein "in Form halten" gelinge nämlich nur durch körperliche Ertüchtigung bzw. sportliche Übungen, nicht aber durch die Einnahme von Mitteln wie z. B. Diätetika. Mit Diätetika bzw. Arzneimitteln könnten Gelenkserkrankungen bekämpft oder geheilt werden, sie brächten aber die Gelenke nicht direkt in Form. Im übrigen gebe es zahlreiche Eintragungen von Bezeichnungen, die einen wesentlich direkteren Bezug z. B. zu einer Gelenkbehandlung geben würden, wie beispielsweise "arthroplus".
Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. September 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 MarkenG zulässig und auch begründet. Nach Auffassung des Senats stehen die Schutzhindernisse der §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Marke nicht entgegen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.
Die angemeldete Marke weist hinreichende Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f. [Tz. 30, 31] "Henkel"; BGH GRUR 2006, 850, 854 [Tz. 17] "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, 854 [Tz. 19] "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 [Tz. 86] "Postkantoor"). Ferner fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 29, 30). Von den Waren der Klassen 5, 29 und 30, für die die Anmelderin Schutz beansprucht, werden in erster Linie allgemeine Verkehrskreise angesprochen, die Waren der Klasse 5 sind zudem auch an Fachkreise (Ärzte, Apotheker usw.) gerichtet.
Hiervon ausgehend kann der Wortfolge "Arthro-in-form" eine Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle weist die Bezeichnung "Arthro-in-form" nämlich hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klassen 5, 20 und 30 weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen hinreichend engen beschreibenden Bezug auf. Die angemeldete Bezeichnung ist erkennbar aus den Bestandteilen "Arthro" und "in-form" zusammengesetzt. Mit diesen Bestandteilen könnten zwar gewisse Anklänge an die Bedeutung von "in Form bringen/halten" und "Gelenk" hergestellt werden. Sie sind in der vorliegenden Begriffskombination jedoch mehrdeutig. So kann der Bestandteil "Arthro" ebenso auf den Begriff "Arthrose" also Gelenkverschleiß hindeuten, was sogar näher liegt, da dem Verbraucher dieser Begriff geläufiger ist als "arthron", bei dem es sich um das korrekte griechische Wort für den Begriff "Gelenk" handelt (s. hierzu www.wikipedia.de, Stichwort "Arthrose") und von dem auch der Begriff "Arthrose" abgeleitet ist. Mit dem Verständnis des Bestandteils "Arthro" im Sinne von "Arthrose" würde dem Verkehr in Kombination mit "in Form bringen/halten" keine positive Sinnbedeutung begegnen und damit kein beschreibender Sinngehalt zu den beanspruchten Waren, da mit diesen nicht beabsichtigt sein dürfte, eine Arthrose in Form zu bringen oder zu halten. Aber selbst wenn der Verkehr "Arthro" mit dem Begriff "Gelenk" in Verbindung bringen würde, so drängt sich ein Verständnis von "Gelenk in Form bringen/halten" im beschreibenden Sinne jedenfalls im Zusammenhang mit einem Teil der beanspruchten Waren, soweit es um diätetische Produkte geht, nicht unmittelbar auf. Vielmehr wird der angesprochene Verkehr mehrere gedankliche Schritte benötigen, um in der angemeldeten Bezeichnung eine die dargebotenen Waren beschreibende Bedeutung oder zumindest einen engen beschreibenden Bezug wahrzunehmen. Der Verkehr wird in einem ersten Schritt erkennen, dass die Einnahme der ihm dargebotenen diätetischen Produkte dazu dienen kann, Einfluss auf sein Körpergewicht zu nehmen, sei es, dass hiermit sein zu hohes Körpergewicht reduziert oder sein gesundes Körpergewicht erhalten werden kann. Erst durch weitere Gedankenschritte wird sich dem Verbraucher dann erschließen, dass er durch ein auf diese Weise erlangtes gutes Körpergewicht die Belastung seiner Gelenke reduzieren bzw. gering halten und die Produkte auf diese Weise, nämlich indirekt, zur Gesundung seiner Gelenke oder Erhaltung gesunder Gelenke beitragen können.
Im Übrigen weist die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die Wortbildung eine ungewöhnliche Struktur auf, die von einem sachbezogenen Aussagegehalt wegführt, so dass die Wortfolge "Arthro-in-form" in ihrer Summe kennzeichnend wirkt. Der Bestandteil "Arthro" stellt lediglich ein Wortbildungselement des griechischen Begriffs "arthron" und keinen unmittelbar und ohne weiteres aus sich heraus verständlichen Begriff dar. Durch die Kombination eines aus dem Altgriechischen kommenden Wortbildungselements, welches - wie ausgeführt - nicht ohne weiteres aus sich heraus verständlich ist, mit zwei einfachen Wörtern der deutschen Sprache, wirkt die angemeldete Marke in der Summe ihrer konkreten Elemente ungewöhnlich und kennzeichnend. Im Gesundheitsbereich, insbesondere bei den Arzneimitteln, ist der Verkehr zudem damit vertraut, dass ihm "sprechende" Marken begegnen, die über Wortbildungselemente verfügen, mit denen auf den Wirkstoff, die Indikation, die Darreichungsform o. ä. hingewiesen wird. Daher wird der Verkehr auch in der vorliegenden, insgesamt ungewöhnlichen Zeichenbildung, für die die Anmelderin Schutz für Waren aus dem Gesundheitsbereich im weiteren Sinne beansprucht, einen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.
Da die angemeldete Bezeichnung in der konkreten ungewöhnlichen Form aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht geeignet ist, die beanspruchten Waren oder Merkmale dieser Waren unmittelbar zu beschreiben, steht ihrer Eintragung als Marke auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Die Beschwerde hat nach alledem Erfolg, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben war.