Entscheidungsdatum: 24.11.2016
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 040 366.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Die Bezeichnung
Nullkommanix
ist am 18. Juli 2012 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Unternehmensberatung; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen; Erstellung von Geschäftsgutachten;
Klasse 36: Finanzwesen; Geldgeschäfte; Versicherungswesen; Immobilienwesen; Finanzdienstleistungen; Finanzierung; Kreditvermittlung; Finanzierungsberatung; Leasing; Leasing von Fahrzeugen;
Klasse 37: Reparaturdienstleistungen; Instandhaltung und Wartung von Kraftfahrzeugen.
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2012 040 366.2 geführte Anmeldung mit Beschluss vom 18. März 2014 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das angemeldete Zeichen eine lexikalisch nachweisbare, sprachübliche und unmittelbar verständliche Variante der Redewendung „im Nullkommanichts/ in Null Komma nichts“ mit der Bedeutung von „überraschend“ bzw. „sehr schnell“ sei. Das Zeichen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich dahingehend als sachbezogener und werblich-anpreisender Hinweis aufgefasst, dass die Dienstleistungen schnell erbracht würden. Eine schnelle Ausführung der Dienstleistungen stelle ein Qualitätsmerkmal und Verkaufsargument dar. Der Begriff „Nullkommanix“ sei nicht mehrdeutig. Ihm fehle es an Originalität und Interpretationsbedürftigkeit. Er löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen keinen Denkprozess aus.
Die Anmelderin vertritt mit ihrer Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss die Auffassung, dass der Begriff „Nullkommanix“ eine Redewendung sei, der die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne. So seien nach der Rechtsprechung des EuGH auch Werbeslogans unterscheidungskräftig, ohne dass diese einen Fantasieüberschuss aufweisen müssten. Dies müsse umso mehr für lobende Schlagworte gelten. Weiterhin finde der Begriff im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen keine Verwendung. Die vom DPMA vorgelegten Fundstellen hätten keinen Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen. Zudem könne dem Begriff „Nullkommanix“ kein eindeutiger Begriffsinhalt zugeordnet werden. Im Zusammenhang mit Dienstleistungen des Finanzwesens oder Reparaturdienstleistungen sei daher eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten denkbar, je nachdem, in welchem Zusammenhang der Begriff verwendet werde. Eine reine Sachangabe – wie sie das DPMA annehme – könne aber nur dann vorliegen, wenn der Verbraucher den Gesamtbegriff ohne weiteres Nachdenken auf konkrete und unmittelbare Eigenschaften von den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beziehe. Schließlich seien in gefestigter Amtspraxis eine Vielzahl von Marken eingetragen worden, die aus den Begriffen „Null“ oder „Zero“ bzw. einer Kombination dieser Begriffe mit weiteren Wortbestandteilen bestünden. Von dieser Praxis dürfe das DPMA nicht willkürlich abweichen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. März 2014 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin, den Hinweis des Senats vom 21./22. September 2016 und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der angemeldeten Bezeichnung fehlt in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung zumindest unter dem letzten Gesichtspunkt die Unterscheidungskraft. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen handelt es sich bei der Bezeichnung „Nullkommanix“ um eine werbliche Anpreisung dahingehend, dass die Dienstleistungen im Bedarfsfall sehr schnell erbracht werden bzw. sehr schnell zur Verfügung stehen. Dieser begriffliche Inhalt des angemeldeten Zeichens ist unmittelbar verständlich und erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres Nachdenken. Der Begriff ist eine sprachübliche, flapsige Redewendung und entgegen der Auffassung der Anmelderin weder mehrdeutig noch interpretationsbedürftig. Im Zusammenhang mit sämtlichen beanspruchten Dienstleistungen kann die Geschwindigkeit und schnelle Verfügbarkeit einer Dienstleistung von erheblicher Bedeutung sein. Der Begriff „Nullkommanix“ wird tatsächlich im Zusammenhang mit einem großen Teil der beanspruchten Dienstleistungen bereits in diesem Sinne werblich-anpreisend verwendet (siehe dazu die dem Hinweis des Senats vom 21./22. September 2016 als Anlagen beigefügten Unterlagen). Auch bei der Dienstleistung „Geschäftsführung“ kann eine schnelle Lösungen gefordert bzw. für ein Unternehmen existentiell sein, etwa dann, wenn eine Führungskraft kurzfristig ausfällt (siehe dazu die Anlage 8 der o. g. Unterlagen). Im Hinblick auf diese Dienstleistung ist zwar gegenwärtig die Verwendung des Begriffs „Nullkommanix“ als Werbeslogan nicht nachweisbar. Seine Verwendung als werbliche Anpreisung kommt aber - wie in den anderen belegten Fällen - naheliegend in Betracht. Zumindest wird der Verkehr auch im Zusammenhang mit der Dienstleistung „Geschäftsführung“ den Begriff „Nullkommanix“ lediglich als Hinweis auf eine besonders schnelle Erbringung bzw. Zurverfügungstellung dieser Dienstleistung verstehen.
Auch der Hinweis der Anmelderin auf die Rechtsprechung des EuGH zur Unterscheidungskraft von Werbeslogans, insbesondere in der Entscheidung EuGH GRUR 2010, 228 - Vorsprung durch Technik, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zum einen handelt es sich bei der Entscheidung um einen Ausnahmefall, da es sich nach Auffassung des EuGH bei „Vorsprung durch Technik“ um einen „berühmten“ Werbeslogan handelt (EuGH a. a. O. Rn. 59; vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 8 Rn. 218). Zum anderen kann ein Werbeslogan nach der oben genannten Entscheidung Unterscheidungskraft aufweisen, wenn er einen gewissen Interpretationsaufwand erfordert bzw. eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist (EuGH a. a. O. Rn. 57). Hieran fehlt es der angemeldeten Bezeichnung aber aus den oben dargelegten Gründen.
Im Weiteren kann auf den Beschluss der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts (inzwischen Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum [EUIPO]) im Verfahren R 2325/2014-4 vom 14. März 2014 zu einer fast identischen Anmeldung verwiesen werden. Die Beschwerdekammer hat die Eintragung des Begriffs „Nullkommanix“ in Bezug auf Dienstleistungen, die mit den hier streitgegenständlichen identisch bzw. ihnen hochgradig ähnlich sind, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Soweit die Anmelderin auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen verweist, ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42-44 - Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 - VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es entgegen der Auffassung der Anmelderin keine Selbstbindung der Markenstellen des DPMA und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Gericht. Im Übrigen sind die genannten Eintragungen - ohne dass es darauf ankäme – nach Auffassung des Senats sämtlich nicht mit der vorliegenden Anmeldung vergleichbar.
Die Beschwerde der Anmelderin war nach alledem zurückzuweisen.