Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.07.2017


BPatG 27.07.2017 - 25 W (pat) 547/15

Markenbeschwerdeverfahren – "PRIME Star" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
27.07.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 547/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 000 925.3

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortkombination

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PRIME Star

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ist am 9. Februar 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 35: Geschäftsführung von Hotels; Sekretariatsdienstleistungen von Hotels; Unternehmensberatung in Bezug auf die Führung von Hotels;

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Klasse 36: Immobilienwesen; Finanzwesen; Asset Management (Vermögensverwaltung); Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich finanzielle Vorbereitung von Bauvorhaben; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Erstellung von Gutachten im Rahmen der Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen in finanzieller Hinsicht; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht (Facility management); finanzielle Beratung; Finanzierungsdienstleistungen für Hotels; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Immobilienvermittlung; Immobilienverwaltung; finanzielle Analyse von Projekten beziehungsweise Projektaufgaben und -teilen, insbesondere im Bereich der Immobilienwirtschaft und des Bauwesens; Schätzung von Immobilien; Vermietung und Verpachtung von Immobilien; Vermögensverwaltung, auch für Unternehmen, auch im Hinblick auf die finanzielle Verwaltung von Immobilienbesitz;

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Klasse 42: Architekturberatung; Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung; Dienstleistungen eines Architekten; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich technische Vorbereitung von Bauvorhaben; Einrichtungsberatung; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in technischer Hinsicht (Facility management); Entwurf von Hotels; Konstruktionsplanung; Projektmanagement im Architekturbereich;

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Klasse 43: vorübergehende Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Agenturdienste zur Buchung von Hotelunterkünften; Beratung in Bezug auf Hotels; Betrieb von Hotels und -anlagen; Buchung von Hotelunterkünften; Dienstleistungen von Hotels; Informationen in Bezug auf Hotels; Reservierungsdienste für Hotelunterkünfte.

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Mit Beschluss vom 19. Mai 2015 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA die unter der Nummer 30 2015 000 925.3 geführte Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass dem angemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Es sei eine rein sachbezogene, werblich anpreisende Angabe ohne herkunftshinweisenden Gehalt. Die angesprochenen Verkehrskreise würden schon wegen der semantischen Anlehnung von „prime“ an „Primus“ und von „star“ an „Star“ die Wortkombination als einen Hinweis darauf verstehen, dass die so bezeichneten Dienstleistungen „das Beste vom Besten“ bzw. „der Primus unter den Stars“ seien. Dabei komme es nicht darauf an, ob die angemeldete Bezeichnung in dieser beschreibenden Bedeutung dem Verkehr bereits bekannt sei oder bereits beschreibend verwendet werde; es sei ausreichend, dass das Zeichen zu diesem Zweck verwendet werden könne. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob sich die Wortkombination bereits zu einem üblichen Fachbegriff entwickelt habe. Auch eine vermeintlich „ungewöhnliche Kombination“ beschreibender Angaben bzw. das Vorliegen einer Wortneuschöpfung überwinde entgegen der Auffassung der Anmelderin die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Markengesetz nicht. Die angesprochenen Verkehrskreise seien daran gewöhnt, in der Werbung immer wieder mit „neuen“ Wortkombinationen konfrontiert zu werden.

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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Die Markenstelle stelle an die Unterscheidungskraft eines Wortzeichens zu hohe Anforderungen und verkenne, dass jede noch so geringe Unterscheidungseignung genüge, um das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden. Sloganartigen Wortfolgen fehle nur dann die Unterscheidungskraft, wenn sie ausschließlich als werbewirksame Anpreisung bzw. als allgemein verständliche positiv besetzte Aussage verstanden würden. Hiervon sei bei dem angemeldeten Zeichen nicht auszugehen. Weder der erste Bestandteil „PRIME“ noch der zweite Bestandteil „Star“ seien für sich genommen für die beanspruchten Dienstleistungen beschreibend, sondern stellten lediglich eine vage Anspielung auf deren positive Merkmale dar. Darüber hinaus sei das Gesamtzeichen „PRIME Star“ keine gebräuchliche Wortkombination. Es handle sich um eine sprachliche Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen, die hinreichend ungewöhnlich sei. Durch das sinnhafte Zusammenspiel der Zeichenbestandteile weiche die Kombination der Einzelbestandteile deutlich von dem Eindruck ab, der sich bei deren bloßer Summierung in Bezug zu den beworbenen Produkten ergebe. Die inhaltliche Bedeutung der Wortkombination „PRIME Star“ erschließe sich zudem einem außenstehenden Dritten nicht ohne Erwägung verschiedener Übersetzungsmöglichkeiten wie beispielsweise „unteilbarer Stern“, „wesentlicher Stern“, „betriebsfertiger Stern“ oder „Hauptstern“. Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise sei deswegen das Zeichen „PRIME Star“ nicht geeignet, um die beanspruchten Dienstleistungen zu beschreiben. Die Bezeichnung einer Dienstleistung als „Hauptstern“ oder „wesentlicher Stern“ sei nicht mit der vom DPMA angenommenen Wortbedeutung gleichzusetzen, dass die angebotenen Leistungen zu den Besten gehörten oder besonders herausragend seien. Schließlich sei der Zeichenbestandteil „PRIME“ in der Zusammenschau mit dem Bestandteil „Star“ durch die Großschreibung in der Art hervorgehoben, dass er nicht als bloße Eigenschaftsbeschreibung zu verstehen sei, sondern als neu geschaffener Eigenname.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

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1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Trotz der beschreibenden bzw. werblich-anpreisenden Anklänge kann dem angemeldeten Zeichen insgesamt nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

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1.1. Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass das aus den zwei Bestandteilen „PRIME“ und „Star“ zusammengesetzte Zeichen insofern eine deutliche Kennzeichnungsschwäche aufweist, als der Begriff „Star“ (wörtlich: „Stern“) ein übliches Werbeschlagwort ist. Er wird im allgemeinen Sprachgebrauch in Alleinstellung oder als geläufiges Wortbildungselement in zusammengesetzten Hauptwörtern oder sonstigen Wortkombinationen benutzt, um auf die hervorgehobene Stellung einer Sache, vor allem aber einer Person hinzuweisen (z. B. „Schlag den Star“, „Topstar“, „Stargast“ etc.). In gleicher Weise wird der Begriff vielfach als werbliche Anpreisung verwendet (vgl. hierzu: BPatG 25 W (pat) 176/09 – Star Tape; 25 W (pat) 91/11 – Highland Star; 29 W (pat) 112/11 – THE AUTOMOTIVE STAR; 27 W (pat) 520/16 – STAR NUTRITION – die Entscheidungen sind über die Homepage des BPatG öffentlich zugänglich).

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Auch der weitere Zeichenbestandteil „Prime“ wird gelegentlich werblich-anpreisend verwendet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise der Zusammenhang mit dem Wort „Primus“ (im Sinne von „der Erste“) ohne weiteres erschließt. Der Begriff „Prime“ wird jedenfalls in gleicher Bedeutung und in einer ähnlichen Art der Zeichenbildung wie das Wort „Star“ benutzt, um in Bezug auf ein bestimmtes Objekt oder eine bestimmte Person auf etwas Erstklassiges oder besonders Hervorragendes hinzuweisen (BPatG 24 W (pat) 534/10 – PRIME Research; die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). Darüber hinaus könnte der Zeichenbestandteil „Prime“ zumindest im Zusammenhang mit einem Teil der beanspruchten Dienstleistungen auch als sachlich-beschreibendes Element verstanden werden. In der Fachsprache des Immobilien- und Finanzwesens wird mit dem englischen Wort „prime“ ein Schuldner höchster Bonität bezeichnet, bei dem nur ein vernachlässigbares Ausfallrisiko besteht. Diese Bedeutung ist zumindest den angesprochenen Fachkreisen aus dem Bereich des Immobilien- und Finanzwesens ohne weiteres bekannt. So werden auch im deutschen Sprachgebrauch Begriffe wie „Prime-Hypothek“ oder „Subprime Krise“ gebildet, deren Sinn sich nur bei Kenntnis der Bedeutung des Fachwortes „prime“ erschließt. In Bezug auf einen Teil der beanspruchten Dienstleistungen ist der Begriff insofern beschreibend, als die Bonität von Personen oder Kapitalgesellschaften im Bereich des Immobilienwesens und der Finanzdienstleistungen von besonderer Bedeutung ist.

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1.2. Unabhängig von diesen zumindest für die Fachkreise erkennbaren dienstleistungsbeschreibenden Anklängen des Wortes „prime“ und dem werblichen Charakter der Zeichenbestandteile „PRIME“ und „Star“, kommt nach Auffassung des Senats der angemeldeten Wortkombination insgesamt aber noch keine sich aufdrängende, ohne weiteres ersichtliche beschreibende bzw. werbliche Bedeutung ohne kennzeichnenden Charakter zu. Gegenstand der Frage der Schutzfähigkeit bei einem mehrteiligen Zeichen ist stets die Marke in ihrer Gesamtheit. Zwar geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter nicht grundsätzlich schon durch deren Zusammenführung verloren. Vielmehr verbleibt im Allgemeinen die bloße Kombination von beschreibenden Bestandteilen selbst beschreibend. Die Bezeichnung kann aber im Einzelfall in ihrer Gesamtheit einen anderen Eindruck vermitteln, als die Summe ihrer Bestandteile (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 13 – My World). Vorliegend kann die Unterscheidungskraft nicht gänzlich verneint werden, weil in dem Zeichen zwei gängige und zumindest in der üblichen Art der Zeichenbildung ohne weiteres verständliche Begriffe in einer ausgefallenen Art und Weise kombiniert werden. Diese ungewöhnliche Wortkombination weist insgesamt keinen ohne Nachdenken erkennbaren Sinngehalt auf, da beide Begriffe mehrdeutig sind bzw. eine begriffliche Unschärfe aufweisen, die sich in der Kombination noch verschärft. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Zeichen insgesamt nicht mit hinreichender Eindeutigkeit in die deutsche Sprache übersetzt werden kann und damit nicht eindeutig verständlich ist.

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Soweit das Wort „Prime“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen als Hinweis auf eine hohe Bonität verstanden werden kann, erschließt sich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht hinreichend klar, in welchem Zusammenhang dieser Hinweis mit dem weiteren Zeichenbestandteil „Star“ steht. Es ist zwar denkbar, dass die der Dienstleistung zugrundeliegenden Finanzprodukte als „Stars“ im Sinne von „besonders hervorragend“ angepriesen werden. Vorliegend kann daher die Wortkombination „PRIME Star“ in der Weise verstanden werden, dass der Anbieter verspricht, nur Immobilien oder Finanzprodukte von höchster Bonität anzubieten bzw. im Rahmen der Vermögensverwaltung nur solche Produkte ins Portfolio des Kunden aufzunehmen. Ein solches Verständnis erfordert aber mehrere gedankliche Schritte, die zudem weder eindeutig noch besonders naheliegend sind.

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Soweit die Wortkombination – der Argumentation des DPMA folgend – als schlichte Aneinanderreihung anpreisender Superlative im Sinne von „das Beste vom Besten“ verstanden wird, erscheint dies einerseits nicht gänzlich fernliegend. In der Gesamtschau wird jedoch trotz der für sich genommen verständlichen Einzelbestandteile des Zeichens nicht unmittelbar klar, wie diese Kombination der anpreisenden Begriffe insgesamt zu verstehen ist, was einen gewissen Interpretationsspielraum eröffnet. Auch wenn „PRIME“ von relevanten Teilen des Verkehrs als werblicher Begriff im Sinne von „besonders“ oder „herausragend“ verstanden werden kann, bleibt zunächst unverständlich, wie der Bezug dieses Wortes zu dem Begriff „Star“ im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen zu verstehen ist. Die dem Beschluss des DPMA zugrunde gelegte Wortbedeutung ist zwar nachvollziehbar, kann aber gleichfalls nur mit mehreren gedanklichen Schritten erkannt werden. Insoweit ist die vorliegende Anmeldung anders zu beurteilen, als eine Wortkombination, in der (werbeüblich) der Begriff „PRIME“ mit einem sachbeschreibenden Begriff kombiniert wird, wie z. B. in dem Zeichen „PRIME Consulting“, bei dem der Verkehr ohne weiteres davon ausgehen wird, dass das Zeichen eine besonders gute bzw. hervorragende Beratungsdienstleistung bewerben soll. Dem Verkehr wird sich bei unbefangener Wahrnehmung des Zeichens kein entsprechendes dienstleistungsbeschreibendes Verständnis aufdrängen, so dass die Vorstellungen, was mit der Bezeichnung gemeint sein könnte, eher diffus sein werden. Selbst wenn beide Zeichenbestandteile ohne weiteres als Anpreisung verstanden würden, so wäre auch unter Berücksichtigung der in der Produktwerbung üblichen Übertreibungen vorliegend das normale Maß der Zuspitzung in so ungewöhnlicher Weise überschritten, dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Schutzfähigkeit des Zeichens wohl nicht zu verneinen wäre.

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2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortkombination „PRIME Star“ zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen unterliegt das Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben.