Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.06.2013


BPatG 17.06.2013 - 25 W (pat) 544/12

Markenbeschwerdeverfahren - "POS-Air" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
17.06.2013
Aktenzeichen:
25 W (pat) 544/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 008 058.5

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

POS-Air

3

ist am 10. Februar 2011 für Waren der Klasse 9 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden. Gemäß Schriftsatz der Anmelderin vom 11. Juli 2011 hat das Warenverzeichnis die nachfolgend genannte Fassung erhalten:

4

Klasse 9: Geräte zur Fernübertragung von Daten; elektronische Baugruppen zur Fernüberwachung und zur Aktualisierung von Computern, Computersystemen und Media-Playern.

5

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat diese unter der Nummer 30 2011 008 058.5 geführte Anmeldung nach entsprechender Beanstandung mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 zurückgewiesen.

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Aus Sicht der Markenstelle weist die angemeldete Bezeichnung keine Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf. Die angemeldete Bezeichnung bedeute „Packet over sonet air“. Die Fachkreise im Bereich der beanspruchten Waren (insbes. im Bereich von Datenfernübertragungsgeräten) würden diese Bezeichnung als einen die Bestimmung oder die Art und die Weise der Funktion dieser Waren beschreibenden Sachhinweis verstehen, nämlich dahingehend, dass mit den so gekennzeichneten Geräten eine Fernübertragung von Daten mit der Datenübertragungstechnik POS „in der Luft“ bewirkt werde. Zum anderen könne die angemeldete Bezeichnung auch als „Point of sale air“ i.S.v. „Verkaufsort in der Luft“ verstanden werden, was ebenfalls eine beschreibende Angabe darstelle.

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Die Anmelderin vertritt mit ihrer gegen den vorgenannten Beschluss gerichteten Beschwerde die Auffassung, dass der angemeldeten Bezeichnung weder das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch dasjenige des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe. Die angemeldete Bezeichnung bestehe aus der Buchstabenkombination „POS“ und dem Wort „Air“. Als aussprechbarer Buchstabenkombination komme dem Bestandteil „POS“ durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Selbst wenn es sich dabei um eine schlagwortartige Abkürzung für eine bestimmte Technologie handele, käme der angemeldeten Bezeichnung insoweit zumindest noch eine geringe Kennzeichnungskraft zu. Im Übrigen stelle „POS“ nicht die gängige Abkürzung für „Packet over Sonet“ dar. Insoweit fehle es an einer für die angesprochenen Verkehrskreise leicht erkennbaren und mit einer lexikalisch nachweisbaren und eindeutigen Bedeutung der Buchstabenkombination „POS“. Der weitere Bestandteil „Air“ habe ebenfalls keine eindeutige Bedeutung, sondern könne „Luft, Lied, Weise, Melodie, Äther, leichte Brise, Wetter, Miene, Aussehen etc.“ bedeuten, als Verb zudem „lüften, ausstrahlen, erörtern, auslüften, nachtrocknen“. In ihrer Gesamtheit habe die angemeldete Bezeichnung nach alledem keine beschreibende Bedeutung, sondern sei ungewöhnlich, neuartig und verfüge über eine gewisse Originalität, so dass sie als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sei.

8

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),

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den Beschluss Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2011 aufzuheben.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

11

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG statthaft, sowie gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG fristgemäß erhoben worden. Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle weist die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 9 Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf und stellt insoweit auch keine beschreibende Angabe i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

1.

12

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006, a.a.O.). Bei der Beurteilung dieses Schutzhindernisses ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen zum einen die inländischen (End-) Verbraucher der betreffenden Waren bzw. Kunden der betreffenden Dienstleistungen, wobei es insoweit auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30 m.w.N.). Ferner gehören die inländischen, am Handel beteiligten Fachkreise zu den maßgeblichen Verkehrskreisen, wobei bereits das Verständnis dieser Fachkreise für sich gesehen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29 m.w.N.).

13

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Bezeichnung POS-Air i.V.m. den vorliegend beanspruchten Waren als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet. Die angemeldete Bezeichnung ist ein aus den Bestandteilen „POS“ und „Air“, verbunden mit einem Bindestrich, zusammengesetztes Zeichen. „POS“ kann als Abkürzung gedeutet werden, die, wie die Anmelderin selbst vorgetragen hat (vgl. die Anlage zum Schriftsatz der Anmelderin vom 7. Oktober 2011, Bl. 18 der Patentamtsakten), mehrere Bedeutungen haben kann, wobei es hinsichtlich beschreibender Angaben genügt, wenn nur in Bezug auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen eine mögliche Bedeutung als beschreibend zu erachten ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 301 und 113). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 9 kommen hinsichtlich des Anfangsbestandteils „POS“ die Bedeutungen „Packet over SONET“, „PEARL Operating System“ und „point of sale(s)“ als warenspezifisch nahe liegend in Betracht.

a)

14

„POS–Air“ i.S.v. „point of sale – air“ bedeutet direkt übersetzt lediglich „Verkaufsort – Luft“. „Verkaufsort – Luft“ stellt in Bezug auf die vorgenannten Waren der Klasse 9 keine unmittelbare und aus sich heraus verständliche, beschreibende Aussage dar, sondern kann insoweit erst nach weiteren Gedankenschritten als beschreibende Sachangabe gedeutet werden, z.B. in Richtung „Verkaufsort an Bord eines in der Luft befindlichen Flugzeugs“, bei dem die hier beanspruchten Geräte zur Datenfernübertragung und –überwachung dazu dienen könnten, dass z.B. im Rahmen von duty-free-Verkäufen an Bord veräußerte Waren sofort erfasst und inventarisiert werden könnten. Es handelt sich aber hierbei nicht um eine für die vorgenannten Verkehrskreise im Vordergrund stehende Bedeutung. Vielmehr bedarf es einer mehrere gedankliche Schritte umfassenden, analysierenden Betrachtungsweise, um zu einer beschreibenden Bedeutung der Zeichenkombination „POS-Air“ im vorgenannten Sinne zu kommen.

b)

15

Das gleiche gilt, wenn man die Gesamtbezeichnung „POS-Air“ als einen Sachhinweis dahingehend deutet, dass die damit gekennzeichneten Geräte zur Fernübertragung von Daten bzw. zur Fernüberwachung von Computern geeignet und bestimmt sind, um eine drahtlose elektronische Anbindung von Verkaufsstellen über Funk herzustellen und aufrecht zu erhalten. Denn auch diese Bedeutung liegt für die vorgenannten inländischen Verkehrskreise keineswegs auf der Hand oder drängt sich gar auf. Vielmehr erschließt sich eine solche Bedeutung selbst den an englische Begriffe im IT-Bereich gewöhnten Verkehrskreisen erst nach mehreren gedanklichen Schritten, zumal nicht ermittelt werden konnte, dass das Wort „Air“ als kennzeichnende Sachangabe für „drahtlos, über Funk“ in Alleinstellung verwendet wird. Dies ergibt sich erst im Zusammenhang mit weiteren Begriffen bzw. in komplexeren Gesamtaussagen wie „over the air“ oder „on air“.

c)

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Die Gesamtbezeichnung POS-Air stellt auch dann keine beschreibende Angabe in Bezug auf die vorliegend beanspruchten Waren dar, wenn der Verkehr den Anfangsbestandteil „POS“ als Abkürzung für „packet over Sonet“ erkennen sollte, eine Bezeichnung eines Datenprotokolls zur seriellen Datenübertragung über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen innerhalb der Sonet/SDH-Hierarchie. Eine Bedeutung der Bezeichnung POS-Air i.V.m. den hier beanspruchten Waren als Sachangabe dafür, dass diese Geräte für „Packet over Sonet“ geeignet sind und drahtlos über Funk arbeiten, erschließt sich den maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen aus den oben unter b) genannten Gründen nicht ohne weiteres, sondern ebenfalls erst nach mehreren analysierenden Gedankenschritten. Das gleiche gilt, wenn die vorgenannten Verkehrskreise den Anfangsbestandteil als Abkürzung für „PEARL Operating System“, einem Betriebssystem für industrielle IT-Anwendungen, auffassen sollten.

17

Da sonstige Bedeutungen der angemeldeten Bezeichnung, die eine beschreibende Sachangabe hinsichtlich der beanspruchten Waren darstellen oder insoweit einen engen beschreibenden Bezug aufweisen könnten, nicht zu ermitteln waren, ist die angemeldete Bezeichnung insoweit als betriebliche Herkunftsangabe geeignet.

2.

18

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Wie oben bereits ausgeführt, stellt der Bestandteil „Air“ – anders als der Anfangsbestandteil „POS“ – der angemeldeten Marke in Bezug auf die vorliegend beanspruchten Waren der Klasse 9 jedoch keine beschreibende Angabe im vorgenannten Sinne dar. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr dem Wort „Air“ in Alleinstellung ohne weitere Zusätze die Bedeutung „drahtlos, über Funk“ beimessen wird. Die angemeldete Gesamtbezeichnung stellt daher nicht lediglich eine Summierung beschreibender Bestandteile dar und besteht mithin nicht ausschließlich aus Angaben, die geeignet sein können, die beanspruchten Waren oder Merkmale dieser Waren zu beschreiben.