Entscheidungsdatum: 16.07.2018
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2015 107 026.6
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. September 2016 aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
Seligmacher
ist am 16. Oktober 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für folgende Waren angemeldet worden:
Klasse 09: USB-Sticks;
Klasse 14: Schlüsselanhänger;
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Weinkühler; Kühlmanschetten; Korkenzieher;
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Teile und Zubehöre für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten.
Mit Beschluss vom 8. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 9 des DPMA durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die unter der Nummer 30 2015 107 026.6 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für alle angemeldeten Waren zurückgewiesen. Das angemeldete Wort „Seligmacher“ sei die Substantivierung oder auch Nominalisierung des Begriffes „selig machen“, das im Sinne von „beglücken“ Verwendung fände. „Seligmacher“ könne auf „selig machen“ zurückgeführt werden und werde vom überwiegenden Verkehrskreis auch in diesem Sinne verstanden. Der Wortbestandteil „Macher“ sei nicht ungewöhnlich, vielmehr sei die angemeldete Bezeichnung sprachüblich gebildet und als solche weder interpretationsbedürftig noch fantasievoll, auch wenn sie lexikalisch nicht nachweisbar sei. In Bezug auf die beanspruchten Waren sei die angemeldete Marke lediglich eine werbemäßige Anpreisung als Glücklichmacher. Denn diese Waren seien dazu gedacht, den Verbraucher glücklich/selig zu machen, so dass die angemeldete Bezeichnung für die von der Anmeldung erfassten Waren eine eindeutige, unmissverständliche, unmittelbar beschreibende Angabe darstelle. Die angesprochenen Verkehrskreise würden letztlich der Anmeldung nur einen allgemein gehaltenen, Werbeslogan artigen Sachhinweis im Sinn von „diese Ware macht dich glücklich“ und damit einen Kaufanreiz entnehmen. Eine schutzbegründende Unbestimmtheit oder Unschärfe sei der Bezeichnung nicht zu entnehmen, auch handele es sich nicht um eine originelle Kombination oder interpretationsbedürftige Angabe. Es sei mittlerweile durchaus gängige Praxis, Waren und Dienstleistungen mit starken Emotionsbekundungen anzupreisen, da auch Kaufentscheidungen immer mit Emotionen verbunden seien.
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, entgegen der Ansicht der Markenstelle handele es sich bei der angemeldeten Bezeichnung weder um einen Werbeslogan noch um ein Werbeschlagwort, sondern um das Wort „Seligmacher“, das von den angesprochenen Verkehrskreisen weder analysiert, noch in die einzelnen Bestandteile „selig“ und „machen“ zerlegt werde. Vielmehr werde die Marke in naheliegender Weise schlicht als Firma oder Nachname des Anbieters der in Rede stehenden Waren verstanden und eigne sich daher auch problemlos als Herkunftsangabe. Bei den in Anspruch genommenen Waren handele es sich um Waren, die keinerlei Einwirkungen auf das Befinden der Endverbraucher nehmen würden, geschweige denn selig oder glücklich machten. Soweit die Markenstelle zu einer beschreibenden Sachaussage für die beanspruchten Waren gelange, sei diese das Ergebnis von Spekulationen. Die Argumentation der Markenabteilung halte den strengen Anforderungen an die Bejahung einer mangelnden Unterscheidungskraft nicht stand. Bestenfalls für solche Waren wie etwa Arzneimittel (insbesondere Drogen) könne die angemeldete Bezeichnung als beschreibend angesehen werden, nicht aber in Bezug auf die beanspruchten Waren, bei denen nicht erkennbar sei, wie sie auf den Gemütszustand oder das sonstige innere Empfinden der Verbraucher einwirken könnten. In Bezug auf die angemeldeten Waren bleibe die angemeldete Bezeichnung gänzlich vage und unbestimmt.
Auch seien die von Seiten der Markenstelle angeführten vergleichbaren Entscheidungen aus der Rechtsprechung – „FRESH MAKER“ für Tee, „SPIELEMACHER“ für Unterhaltungsautomaten sowie „FITMAKER“ für Sportartikel und Sportveranstaltungen – ohne Relevanz für die vorliegende Fallkonstellation.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. September 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens Seligmacher als Marke stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen. Deshalb war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
1. Dem Anmeldezeichen kann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 - 57 – Flugbörse).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend weder festgestellt werden, dass das Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt aufweist, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein hinreichend enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren hergestellt werden kann.
Das angemeldete Zeichen setzt sich für den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreis ersichtlich aus dem eher selten verwendeten Adjektiv „selig“ und dem Substantiv „Macher“ zusammen. „Selig“ hat einmal die aus der Religion stammende Bedeutung „von allen irdischen Übeln erlöst und des ewigen Lebens, der himmlischen Wonnen teilhaftig zu sein“ (seligpreisen, seligsprechen; veraltet für verstorben: mein seliger Mann) und zum anderen „von einem rauschhaften Glücksgefühl erfüllt, überglücklich, wunschlos glücklich zu sein“ (selige Weihnachtszeit, selig lächelnd) oder umgangssprachlich auch „leicht betrunken“ zu sein (vgl. www.duden.de/rechtschreibung; www.dwds.de/wb). Auch wenn das Substantiv „Seligmacher“ selbst lexikalisch nicht nachweisbar sein mag, so ist das Verb selig machen oder seligmachen im Sinn von beglücken und davon abgeleitet der „Seligmacher“ als eine Person oder eine Sache, ein Gegenstand, der selig macht, durchaus vereinzelt gebräuchlich und ohne weiteres Nachdenken für die Verbraucher verständlich (vgl. im religiösen Sinn zur Bezeichnung von Jesus Christus als „Jesus Christus Seligmacher“; Artikelüberschrift aus onetoone.de „Consultants: Seligmacher oder Scharlatane“; Veranstaltung im Literaturhaus München im April 2004: „McKinsey kommt: Bösewicht oder Seligmacher?“). Im Zusammenhang mit Produkten bzw. Produktwerbung ist die Bezeichnung „Seligmacher“ aber ungewöhnlich. Lediglich im Kontext mit einzelnen Genussmitteln wird die angemeldete Bezeichnung beschreibend verwendet, wenn etwa Schokolade als „ein Seligmacher durch Triptophan“ (vgl. www.kochform.de) oder „Der Klassiker unter diesen essbaren Seligmachern ist zartschmelzend“ (vgl. diepresse.com/home/ leben/gesundheit), gehaltvolle Süßwaren wie eine Tarte als „ein Seligmacher für alle!“ (vgl. valentinas-kochbuch.de) oder auch Alkohol mit „Alcopops, die süßen „Seligmacher“ im bunten Gewand“ (vgl. www.local-power-for-peace) oder als „flüssige Seligmacher“ (www.stupededia.org/stupi/Alkoholismus; vgl. auch das Adjektiv „weinselig“ aus DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung 26. Auflage) angepriesen und beschrieben werden. Im Zusammenhang mit diesen (ess- oder trinkbaren) Produkten mag die angemeldete Bezeichnung mit der darin enthaltenen Aussage, dass der Genuss der Waren selig macht, beschreibend sein bzw. als reine Werbebotschaft ohne kennzeichnenden Charakter verstanden werden.
Ein solcher Zusammenhang ist aber zwischen den vorliegend beanspruchten Waren und der angemeldeten Bezeichnung „Seligmacher“ nicht ersichtlich und ungewöhnlich. Denn bei diesen Waren handelt es sich um solche Gebrauchsgegenstände, die zu einem bestimmten (eher nüchternen) Zweck und Nutzen erworben werden und bei deren Erwerb, der Inanspruchnahme, des Verbrauchs oder sonstiger Modalitäten im Zusammenhang mit den Waren es für den Durchschnittsverbraucher jedenfalls nicht naheliegt, davon zu sprechen, dass diese „selig machen“ – auch wenn der Käufer sich an den Produkten durch eine beispielsweise besondere dekorative Ausgestaltung des Produkts (z. B. besonders schönes Porzellan) an diesen auch erfreuen kann. Für die angesprochenen Verbraucher ist es im Kontext mit diesen Waren ungewöhnlich, von diesen als „Seligmacher“ in dem Sinn, dass die Ware selig macht, zu sprechen und sie als solche zu bezeichnen und zu beschreiben. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Hinsicht die Waren „selig machen“ sollen.
Anders als die Markenstelle meint, handelt es sich bei der Bezeichnung Seligmacher auch nicht um eine rein werbemäßige Anpreisung, die nur einen Kaufanreiz geben soll und so verstanden wird, dass die Ware bzw. deren Erwerb „glücklich mache“. Gegen ein solches Verständnis des Verkehrs spricht, dass der Begriff „selig“ als ein Begriff für einen religiösen Zustand oder ein rauschhaftes Glücksgefühl und noch mehr das Wort „Seligmacher“ im Zusammenhang mit diesen funktionellen Waren ungewöhnlich ist und dadurch originell und individualisierend wirkt. Das gilt auch im Zusammenhang mit den Waren der Klasse 25, deren Bedeutung über den reinen Nutzen und funktionsmäßigen Gebrauch hinausgehen kann und deren Erwerb im Einzelfall den Käufer über die reine Funktion hinaus erfreuen kann. Anders als bei der Verwendung der Worte „Glück“ oder „glücklich“ ist die Bezeichnung von „selig“ auch im Zusammenhang mit Waren der Klasse 25 trotz der in der Werbung üblichen Übertreibungen ungewöhnlich und irritierend. Im Hinblick darauf, dass das sehr ähnliche Wort „Seligmann“ als Nachname existiert, ist auch in Bezug auf die angemeldete Bezeichnung ein namensmäßiges und damit kennzeichnendes Verständnis eher nahegelegt als ein Werbeversprechen.
Damit handelt es sich aber bei der Bezeichnung „Seligmacher“ um eine in dem Produktbereich der konkret beanspruchten Waren ungewöhnliche Bezeichnung, der insgesamt keine sich so deutlich aufdrängende, ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung zukommt und die insoweit auch keine reine Werbebotschaft enthält. Ausgehend davon kann der angemeldeten Bezeichnung ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft im vorliegend maßgeblichen Produktzusammenhang nicht abgesprochen werden, auch wenn es sich um einen diskussionswürdigen Grenzfall handeln mag.
2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Bezeichnung „Seligmacher“ zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren unterliegt das Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben.