Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.01.2017


BPatG 12.01.2017 - 25 W (pat) 540/15

Markenbeschwerdeverfahren – "ImmoXXL" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
12.01.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 540/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 006 081.7

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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ImmoXXL

3

ist am 1. September 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 36:

5

Immobilienwesen; Immobilienvermittlung; Wohnungsvermittlung; Schätzung von Immobilien; Verpachtung von Immobilien; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Immobilienverwaltung; Dienstleistungen eines Maklers; Vermietung von Büros [Immobilien]; Vermietung von Wohnungen; Verpachtung von Immobilien;

6

Klasse 38:

7

Bereitstellung von Internet-Chatrooms; E-Mail-Dienste; Einstellung von Webseiten in das Internet für Dritte; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines; Chatrooms und Internetforen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet;

8

Klasse 42:

9

Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Aktualisierung von Computersoftware; Aktualisierung von Internetseiten; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten;  Computersoftwareberatung; Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten; Design von Computersoftware; elektronische Datenspeicherung; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Installation und Wartung von Software; technische Beratung; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Vermietung von Computersoftware; Vermietung von Webservern; Dienstleistungen eines Architekten; Bauberatung [Architekturberatung]; Dienstleistungen eines Innenarchitekten; Bereitstellung von Suchmaschinen für das Internet; Computerberatungsdienste; Entwicklungs- und Recherchedienste bzgl. neuer Produkte für Dritte; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Dienstleistungen eines Grafikers; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen [Webspace] im Internet.

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Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2014 006 081.7 geführte Anmeldung mit Beschluss vom 12. Februar 2015 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich das Zeichen aus dem Wort-Bestandteil „Immo“ – einem Kürzel für den Begriff „Immobilie“ - und der Buchstabenfolge „XXL“ zusammensetze. Diese Buchstabenfolge werde im Verkehr in Verbindung mit Immobilien vielfach als Größenangabe verwendet. Das angemeldete Zeichen erschöpfe sich damit in einem sachlichen Hinweis auf (besonders) große Immobilien bzw. in einem werbeüblichen Hinweis auf ein (besonders) großes Angebot an Immobilien. Dieser beschreibende Hinweis beziehe sich zunächst auf die beanspruchten Dienstleistungen, die dem Oberbegriff „Immobilienwesen“  zuzuordnen seien oder die sich unmittelbar auf Immobilien beziehen würden. Hinsichtlich der weiteren beanspruchten Dienstleistungen aus dem Bereich der Telekommunikation, der Datenverarbeitung oder der Grafik, sei das Zeichen gleichfalls ein Hinweis darauf, dass diese Tätigkeiten einen engen Bezug zu Immobilien aufweisen würden. Die Dienstleistungen seien zwar nicht unmittelbar auf Immobilien bezogen, würden aber speziell für die Immobilienbranche erbracht, um Immobilien in verschiedenen Onlinemedien zu verwalten, bewerben, anzubieten und im weitesten Sinne „zugänglich“ zu machen.

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Der Anmelder vertritt mit seiner Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss die Auffassung, dass nur bei einer analysierenden Betrachtungsweise ein beschreibender Zusammenhang zwischen dem angemeldeten Zeichen und den beanspruchten Dienstleistungen hergestellt werden könne. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass „ImmoXXL“ eine im Inland gebräuchliche Bezeichnung sei oder dass das Zeichen in dieser Form als werbliche Anpreisung Verwendung finde. Daher werde der Verkehr das Zeichen nicht als einen Hinweis auf eine große Immobilie verstehen. Ein solcher Hinweis müsste grammatikalisch richtigerweise „Immo-XXL“ lauten. Das vorliegende Zeichen sei demgegenüber eine nicht sprachübliche Abwandlung. Selbst wenn der Verkehr das Zeichen im Sinne eines Hinweises auf „besonders große Immobilien“ verstehe, liege darin noch keine sich in den Vordergrund drängende Beschreibung der Qualität der beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38 und 42. Hier bedürfe es gleichfalls mehrerer gedanklicher Zwischenschritte, um das angemeldete Zeichen als beschreibend zu verstehen.

12

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Februar 2015 aufzuheben.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der angemeldeten Bezeichnung fehlt in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 36, 38 und 42 die erforderliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

16

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor), oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH GRUR 2012, 270 Rn. 8  – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

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Die angemeldete Bezeichnung ist für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres inhaltlich verständlich. Der Verkehr wird in ihr keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Das Zeichen besteht erkennbar aus der Kombination zweier Bestandteile, nämlich dem Wortbestandteil „Immo“ und der Buchstabenfolge „XXL“. Wie das DPMA zutreffend dargelegt hat, wird der Begriff „Immo“ im allgemeinen Sprachgebrauch als Abkürzung für das Wort „Immobilie“ benutzt. Auch wenn diese Abkürzung lexikalisch nicht nachweisbar ist, findet sie vielfache Verwendung, um einen Bezug zur Immobilienbranche herzustellen, so etwa bei der Bezeichnung verschiedener bekannter Internetplattformen, z. B. „Immowelt“, „Immoscout“ oder „Immo-Börse“ (vgl. hierzu auch BPatG, Az. 25 W (pat) 13/11 – ImmoPoster; die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). Die Buchstabenfolge „XXL“, die ursprünglich lediglich eine Kleidungsgröße bezeichnet hat, wird mittlerweile in den verschiedensten Zusammenhängen zur Charakterisierung einer Sache als besonders groß verwendet. So erkennt der Verkehr ohne weiteres, dass ein als „XXL-Grundstück“ bezeichnete Immobilien besonders groß sein soll, jedoch nichts mit Kleidergrößen zu tun hat. (vgl. auch BPatG, Az. 27 W (pat) 7/05 – SchuheXXL; die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). Ausgehend davon wird ein ausreichend relevanter Teil des Verkehrs die Bezeichnung „ImmoXXL“ als sachlichen Hinweis auf ein sehr großes Angebot von Immobilien bzw. als sachlichen Hinweis auf das Angebot besonders großer Immobilien  verstehen. Dieses Verständnis erfordert auch - entgegen der Ansicht des Anmelders - keine gedanklichen Zwischenschritte, sondern erschließt sich dem Verkehr ohne weiteres.

18

Der sachliche Hinweis auf besonders große Immobilien bzw. eine großes Immobilienangebot besteht im Zusammenhang mit allen beanspruchten Dienstleistungen. Wie das DPMA in seinem Beschluss zutreffend dargelegt hat, werden auch die Dienstleistungen der Klassen 38 und 42 speziell für den Handel mit Immobilien, die Verwaltung von Immobilien, die Beratung von Verbrauchern hinsichtlich des Erwerbs von Immobilien und damit zusammenhängende geschäftliche Tätigkeiten angeboten. Die Dienstleistungen der Klasse 42 können sämtlich dem Onlinevertrieb von Immobilien dienen, der in der Branche zumindest bei der Herstellung des ersten Kontakts zwischen potentiellen Käufern und Verkäufern von hervorgehobener Bedeutung ist. Gleiches gilt für die Dienstleistungen der Klasse 38, wo beispielsweise die Bereitstellung eines Internet-Chatrooms oder die Telekommunikation mittels Portalen im Internet die Beratung von Immobilienmaklern aber auch von Verbrauchern beim Erwerb einer Immobilie zum Gegenstand haben kann.

19

Soweit die Anmelderin ausführt, dass die Gesamtbezeichnung „ImmoXXL“ sich lexikalisch nicht nachweisen lasse, mag dies zutreffend sein. Allein ein solches Argument rechtfertigt aber nicht die Bejahung der Schutzfähigkeit, wenn beide Markenbestandteile für sich genommen schutzunfähig sind. Die angemeldete Wortfolge erschöpft sich nämlich in Bezug auf die beanspruchten Produkte in einer Kombination zweier schlagwortartiger beschreibender Hinweise. Zwar ist grundsätzlich auf das Gesamtzeichen abzustellen, wobei es auch möglich ist, dass zwei Sachangaben aufgrund ihrer Zusammenstellung kennzeichnend wirken können. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH ist aber eine ausschließlich aus beschreibenden Begriffen bestehende Wortfolge oder auch Wortneubildung im allgemeinen ebenfalls beschreibend, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Kombination der Wörter und der bloßen Summe der Bestandteile besteht (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 196 bis 198 mit zahlreichen Rspr.Nachw.; z. B. EuGH GRUR 2004, 680 Rn. 39-41 – BIOMILD; EuGH GRUR 2006, 229 Rn 34-37 – BioID). Die angemeldete Bezeichnung weist jedoch keine solche ungewöhnliche Struktur auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnten, sondern kombiniert lediglich die beschreibenden Angaben zu einer dienstleistungsbezogenen sinnvollen Gesamtaussage. Im Übrigen führt die ausgesprochen häufige, übertreibend anpreisende, werbliche Verwendung der Wortfolge „XXL“ dazu, dass die vorliegende Kombination der Buchstabenfolge mit einem weiteren Begriff wenig originell oder phantasievoll erscheint.

20

Der Auffassung des Anmelders, dass die Unterscheidungskraft darin begründet sei, dass das angemeldete Zeichen in korrekter Schreibweise „Immo-XXL“ lauten müsse, erscheint eher fernliegend. Die deutsche Sprache ermöglicht die Bildung zusammengesetzter Substantive, indem die einzelnen Substantive entweder mit einem Bindestrich verbunden werden oder zu einem Wort verschmelzen. Nachdem beide Möglichkeiten sprachüblich sind, und zudem hinsichtlich der korrekten Schreibweise oft Unsicherheit besteht, ist der Unterschied zwischen den Bezeichnungen „ImmoXXL“ und „Immo-XXL“ so geringfügig, dass der Verkehr diesen kaum wahrnehmen wird. Insofern kann auch die Tatsache dahingestellt bleiben, dass der Unterschied zwischen beiden Schreibweisen nur im Schriftbild, nicht aber im Klangbild des Zeichens zu erkennen ist.

21

Auch die oben beschriebene Mehrdeutigkeit der angemeldete Bezeichnung in Bezug auf den Bestandteil „XXL“, wonach die Immobilie selbst oder aber das Angebot an Immobilien besonders groß sein kann, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Mehrdeutigkeit eines Begriffs bzw. einer Bezeichnung führt regelmäßig dann nicht zur Schutzfähigkeit, wenn zumindest eine der Bedeutungen (erst recht, wenn mehrere) für die beanspruchten Produkte oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter hat (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, Rn. 32 -DOUBLEMINT; BGH GRUR 2008, 900, Rn. 15 - SPA II).

22

Soweit sich die Anmelderin auf Voreintragungen beruft, insbesondere auf die oben genannte Entscheidung „Schuhe XXL“, ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42-44 - Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 - VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach bei Voreintragungen, aber auch bei abweichenden Entscheidungen weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung.

23

Ausgehend von den Ausführungen zur Unterscheidungskraft, spricht einiges dafür, dass auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht. Dies kann im Ergebnis offen gelassen werden.

24

Die Beschwerde des Anmelders war nach alledem zurückzuweisen.