Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.07.2018


BPatG 26.07.2018 - 25 W (pat) 538/18

Markenbeschwerdeverfahren – "YELLOWLINE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
26.07.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 538/18
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

 

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 109 874.0

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. März 2018 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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YELLOWLINE

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ist am 2. November 2016 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren der Klasse 9 angemeldet worden:

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Überspannungsschutzgeräte für informationstechnische Systeme, wie Telekommunikationsanlagen sowie Computer; Überspannungsableiter in teilbarer Ausführung für Hutschienenmontage; Überspannungsschutzgeräte mit integrierter Überprüfung des Schutzkreises; Überspannungsableiter für kathodische Korrosionsschutzanlagen; Überspannungsableiter für den Einsatz in Trennleisten; Überspannungsableiter zum Anstecken an koaxiale Endgeräte; Überspannungsableiter für Feldgeräte sowie Überspannungsableiter für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen; Überspannungsschutzadapter zum Einstecken in Schutzkontaktsteckdosen.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2016 109 874.0 geführte Anmeldung mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 28. März 2018 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung in einfachem Englisch „Gelbe Linie“ bedeute und im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren im Sinne von „gelbe Produktlinie“ verstanden werde. Sie sei damit eine beschreibende Angabe, die nur Waren eines bestimmten Sortiments bezeichne, die gelb seien bzw. gelb verpackt würden. Die Waren der Klasse 9 „Überspannungsschutzgeräte für informationstechnische Systeme; Überspannungsschutzadapter; Überspannungsableiter in teilbarer Ausführung; Überspannungsschutzleiter und Überspannungsableiter“ seien gelb. Auch Strom werde häufig gelb gekennzeichnet. Damit beziehe sich die Bezeichnung „Yellowline“ unmittelbar auf die Beschaffenheit der Waren. Sie sei zudem als eine beschreibende Angabe zur freien Verwendung im Handel und in der Werbung freizuhaltende Angabe. Andernfalls führe die Eintragung der Bezeichnung zu einem Verbotsrecht in Bezug auf alle gelb verpackten Waren. Die fehlende lexikalische Nachweisbarkeit einer Bezeichnung sei kein entscheidendes Kriterium für deren Schutzfähigkeit. Begriffe wie „Gelbe Reihe“ oder „Gelbe Linie“ seien im Zusammenhang mit Waren nicht einfallsreich oder fantasievoll.

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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Die Farbe Gelb sei im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren keine Beschaffenheitsangabe. Es treffe insbesondere nicht zu, dass Strom häufig mit der Farbe Gelb gekennzeichnet werde. Allenfalls der nicht-stromführende Schutzleiter werde mit Gelb-Grün gekennzeichnet. Entgegen der Auffassung des DPMA sei auch bei Bezeichnungen, die für Produktlinien benutzt würden, davon auszugehen, dass dieser Gebrauch kennzeichenmäßig erfolge. Der Gebrauch von Produktlinien solle die entsprechenden Waren für das Publikum identifizierbar und damit von Waren anderer Hersteller unterscheidbar machen. Im Übrigen sei die Tatsache, dass die beanspruchten Waren gelb sein könnten bzw. gelb verpackt werden könnten, für die Frage der Unterscheidungskraft ohne Belang, da auch insoweit die Farbe Gelb kein wesentliches Merkmal der beanspruchten Waren sei. Es sei für die Eintragung der Marke auch nicht erforderlich, dass diese fantasievoll oder einfallsreich erscheine. Für das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses fehle es an dahingehenden Anhaltspunkten, dass die Bezeichnung als Fachbegriff für die beanspruchten Waren benötigt werde.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. März 2018 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Ausgehend davon war der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des DPMA vom 28. März 2018 aufzuheben. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Dies gilt entsprechend für das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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1. Der angemeldeten Bezeichnung kann im Hinblick auf die beanspruchten Waren das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

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Die angemeldete Bezeichnung besteht aus zwei Wörtern, die zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehören und die vom angesprochenen Verkehr ohne Weiteres im Sinne von „gelbe Linie“ verstanden werden. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren hat die Wortkombination jedoch keine sachbeschreibende Bedeutung. Anders als bei der Farbe Grün, die vom angesprochenen Verkehr als Hinweis auf ein vergleichsweise umweltfreundliches Produkt verstanden werden kann (BPatG, Beschluss vom 17. Oktober 1997, 33 W (pat) 122/97 – Green-Line; vgl. auch: BPatG, Beschluss vom 8. März 1996, 32 W (pat) 78/95 – BLUE LINE), beschreiben weder die einzelnen Zeichenbestandteile „Yellow“ bzw. „Line“ noch das Zeichen in seiner Gesamtheit wesentliche Eigenschaften von Überspannungsschutzgeräten bzw.  ableitern. Die angemeldete Bezeichnung eröffnet noch nicht einmal entferntere, assoziative Sinnzusammenhänge in Bezug auf die Eigenschaften der beanspruchten Waren. Entgegen der Behauptung des DPMA lassen sich keine dahingehenden Feststellungen treffen, dass die Farbe Gelb elektrischen Strom kennzeichne oder auf diesen hinweise. Lediglich die Farbkombination Gelb-Grün hat im Bereich der Elektrotechnik eine sinnhafte Bedeutung, da mit dieser Farbkombination Schutzleiter gekennzeichnet werden. Auch die Behauptung, dass Überspannungsschutzgeräte und Überspannungsableiter (im Allgemeinen) gelb seien, lässt sich durch Recherchen auf dem Gebiet der genannten Waren in keiner Weise belegen. Der Umstand, dass die Waren rein tatsächlich ganz oder teilweise gelb eingefärbt sein können oder auch gelb verpackt werden können (wie auch in jeder anderen Farbe) ändert nichts daran, dass diese Farbe keine wesentliche Eigenschaft der Waren ist oder symbolisiert.

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Der angemeldeten Bezeichnung kann die für die Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft auch nicht abgesprochen werden, wenn unterstellt wird, dass der Verkehr sie als die Bezeichnung einer Produktlinie versteht. Das DPMA hat zwar zutreffend festgestellt, dass Produktlinien in Einzelfällen farbig benannt werden. Auch die Bezeichnung „Yellow Line“ ist im Zusammenhang mit verschiedenen Produkten bereits im Anmeldezeitpunkt in dieser Weise benutzt worden. Ein Verständnis der angemeldeten Bezeichnung im Sinne einer Produktlinienbezeichnung ist deshalb nicht fernliegend, wobei dies einem betriebskennzeichnenden Verständnis nicht grundsätzlich entgegensteht. Denn bei einer solchen, nur in Einzelfällen erfolgenden produktbezogenen Handhabung entsprechender Bezeichnungen misst der Verkehr diesen in der Regel keine (objektive) sachbeschreibende Bedeutung zu, sodass auch unter Zugrundelegung dieses Verständnisses kein enger beschreibender Zusammenhang zwischen der angemeldeten Bezeichnung und den Eigenschaften der beanspruchten Waren erkennbar ist. Selbst wenn ein Hersteller mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnete Produktlinien anbietet, erschließt sich dem angesprochenen Verkehr aus dieser Kennzeichnung selbst noch kein sachbeschreibender Hinweis auf die Eigenschaften der Waren. Mit der Etablierung von unterschiedlichen Produktlinien können Hersteller zwar auf bestimmte, selbst definierte Eigenschaften ihrer Produkte hinweisen, um dem angesprochenen Verkehr eine Orientierungshilfe anzubieten. Dabei kann der Verkehr aber nicht der farblichen Kennzeichnung selbst, sondern nur ergänzenden Informationen des Verwenders eine konkrete Sachangabe entnehmen, etwa dahingehend, dass ein rot gekennzeichnetes Produkt für Heimwerker und ein gelb gekennzeichnetes Produkt für Profis bestimmt ist. Allenfalls wenn sich entsprechende Hinweise – so wie sich Marken zu generischen Bezeichnungen entwickeln können – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs unabhängig vom konkreten Hersteller im Zusammenhang mit allen vergleichbaren Waren zu einem allgemein verständlichen Sachhinweis entwickelt haben, kann die Unterscheidungskraft in Frage stehen, wie beispielsweise bei grün gefärbten Gipskartonplatten, bei denen diese Farbe darauf hinweist, dass die Platten für Feuchträume geeignet sind. Die Herkunftsfunktion einer Produktlinienbezeichnung kann im Einzelfall auch in Frage stehen, wenn sich im Zusammenhang mit bestimmten Waren und Dienstleistungen eine entsprechende Branchenübung herausgebildet hat, nach der verschiedene Hersteller ähnliche Produktlinienbezeichnungen benutzen. Auch wenn solchen Bezeichnungen – anders als beim Beispiel der Gipskartonplatten – keine konkrete sachbeschreibende Bedeutung zukommen muss, kann der Verkehr an den allgemeinen und herstellerunabhängigen Gebrauch bestimmter Produktlinienbezeichnungen so gewöhnt sein, dass er in ihnen keinen Hinweis mehr auf einen bestimmten Hersteller erkennt. Eine entsprechende Branchenübung lässt sich für den Bereich der hier beschwerdegegenständlichen Waren aber nicht feststellen.

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2. Ausgehend hiervon wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung auch nicht als Zeichen oder Angabe verstehen, welches die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, sodass auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis nicht bejaht werden kann. Insbesondere folgt aus dem Schutz der angemeldeten Bezeichnung kein Monopol der Markeninhaberin für gelbe oder gelb verpackte Überspannungsschutzgeräte (BPatG 27 W (pat) 1/01 – REDLINE; die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich).

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