Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.03.2015


BPatG 05.03.2015 - 25 W (pat) 538/13

Markenbeschwerdeverfahren – "DOCERAM/DUCERAM" – zur rechtserhaltenden Benutzung – keine Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke - zur Warenähnlichkeit – teilweise unmittelbare Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
05.03.2015
Aktenzeichen:
25 W (pat) 538/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 005 970

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Knoll, die Richterin Kriener und den Richter Schmid

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent und Markenamts vom 19. Juli 2013 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 096 256 in Bezug auf die Waren „chirurgische Implantate aus Keramik und/oder Keramikwerkstoffen; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; Dentalimplantate; chirurgische Implantate (aus künstlichen Materialien), nämlich Halbzeuge und Komponenten für keramische Implantatsysteme wie Abutments und Implantate; keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme“ der angegriffenen Marke 30 2009 005 970 zurückgewiesen worden ist. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 096 256 wird die Löschung der angegriffenen Marke 30 2009 05 970 für die vorstehend bezeichneten Waren angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 1. Februar 2009 angemeldete Wortmarke

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DOCERAM

3

ist am 14. Mai 2009 unter der Nr. 30 2009 005 970 für Waren und Dienstleistungen der 7, 8, 10, 12 und 42, darunter

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Kl. 10: chirurgische Implantate aus Keramik und/oder Keramikwerkstoffen; chirurgische Messer sowie Fräsbohrer aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; chirurgische Nadeln; Elektroden für medizinische Zwecke; Sensoren für medizinische Zwecke; Gastroskope; Hörgeräte; künstliche Gliedmaßen und Gelenke; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Medizinlöffel; Skalpelle; Sonden für medizinische Zwecke; Trokare; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; Gehäuse aus Keramik für Medikamente zur Verwendung im menschlichen Körper; Dentalimplantate; chirurgische Implantate (aus künstlichen Materialien), nämlich Halbzeuge und Komponenten für keramische Implantatsysteme wie Abutments und Implantate; keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme,

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.

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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Inhaberin der älteren, am 11. September 1986 für die Waren

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Kl. 5: Zahnfüllmittel für zahnärztliche Zwecke, insbesondere Materialien für den partiellen Zahnersatz, Metallkeramikmassen und deren Hilfsmittel, nämlich Modellierflüssigkeiten, Separierlacke, Malfarben für zahnkeramische Massen, sowie deren Hilfsmittel, nämlich Malfluide und Verdünnungsmittel

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eingetragenen Marke 1 096 256

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DUCERAM

10

zunächst ohne Einschränkung Widerspruch erhoben, wobei die Widersprechende bereits im Verfahren vor der Markenstelle im Schriftsatz vom 23. Oktober 2009 den Antrag dahingehend gestellt hat, die angegriffene Marke „zumindest“ in Bezug auf den wesentlichen Teil der in Klasse 10 beanspruchten Waren zu löschen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 27. September 2010 im Verfahren vor der Markenstelle bestritten, dass die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt wird. Die Widersprechende hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung vom 23. März 2011 und insbesondere Unterlagen über Fertigungsaufträge und Rechnungen vorgelegt.

12

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Ansicht der Markenstelle hat die Widersprechende eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke in den relevanten Benutzungszeiträumen von Juni 2004 bis Juni 2009 und von Juli 2008 bis Juli 2013 nicht glaubhaft gemacht. Die Angaben zum Umfang der Benutzung beträfen teilweise die Verwendung des abweichenden Zeichens „DUCERAMKISS“ und nähmen außerdem nicht unmittelbar auf die eingetragenen Waren, sondern auf mehrteilige Warensets Bezug. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung sei auch deswegen Zweifeln ausgesetzt, weil alle vorgelegten Rechnungen an denselben Kunden adressiert seien und – was den zweiten Benutzungszeitraum angeht – lediglich Angaben zur Zeichenbenutzung während des ersten Jahres vorlägen.

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Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, bereits mit den im Verfahren vor dem Patentamt vorgelegten Unterlagen und der eidesstattlichen Versicherung vom 23. März 2011 in ausreichender Weise eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht zu haben. Jedenfalls lägen mit der im Beschwerdeverfahren eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom 29. Januar 2014 und diversen weiteren Unterlagen (Fertigungsaufträgen, Rechnungen, Katalogen) nunmehr ausreichende Glaubhaftmachungsmittel hierfür vor. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe bezogen auf den überwiegenden Teil der in Klasse 10 registrierten Waren der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr. Ausgehend von zumindest durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und hoher Markenähnlichkeit bestehe verwechslungsbegründende Warenähnlichkeit nicht nur gegenüber Waren der angegriffenen Marke, die dem Ersatz oder der Restaurierung von Zähnen und Kiefern dienen, sondern auch gegenüber solchen Waren der angegriffenen Marke, die als medizinische Instrumente im Ergänzungsverhältnis zu Metallkeramikmassen stehen.

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Die Widersprechende beantragt noch,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2013 aufzuheben, soweit der Widerspruch in Bezug auf die Waren der angegriffenen Marke

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chirurgische Implantate aus Keramik und/oder Keramikwerkstoffen; chirurgische Messer sowie Fräsbohrer aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; chirurgische Nadeln; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Medizinlöffel; Skalpelle; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; Dentalimplantate; chirurgische Implantate (aus künstlichen Materialien), nämlich Halbzeuge und Komponenten für keramische Implantatsysteme wie Abutments und Implantate; keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme

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zurückgewiesen worden ist, und auf den Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke in diesem Umfang anzuordnen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie hat sich im Beschwerdeverfahren nicht schriftsätzlich zur Sache geäußert. In der mündlichen Verhandlung hat sie ergänzend zum Vortrag vor der Markenstelle Ausführungen gemacht. Sie meint, dass die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke auch nicht mit den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen glaubhaft gemacht habe. Aus den darin angegebenen Benutzungshandlungen in Bezug auf “Metallkeramikpulver“ ergebe sich angesichts der spezifischen Beschaffenheit von Pulver nicht die Benutzung der Widerspruchsmarke für die eingetragene Ware „Metallkeramikmassen“. Der Widerspruch sei aber auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung der Widerspruchsmarke für „Metallkeramikmassen“ unbegründet, da zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr bestehe. „Metallkeramikmassen“ dienten der Verblendung von Zahnkronen oder -brücken, die aus einem Metallgerüst bestehen. Sie verfügten daher aufgrund bestimmungsgemäßer Haft- und Wärmeausdehnungseigenschaften über eine andere stoffliche Beschaffenheit als die angegriffenen keramischen Waren. Auch sei eine gemeinsame Verwendung der Vergleichswaren ausgeschlossen, da die Dentalimplantate und -werkstoffe der jüngeren Marke keine derartigen Metallgerüste umfassten. Angesichts der Entfernung der Waren reiche der Abstand der ausschließlich an Fachverkehr gerichteten Zeichen aus, um Zeichenverwechslungen zu unterbinden. Die Prüfung der Zeichenähnlichkeit sei auf die klanglich und schriftbildlich hinreichend abgrenzbaren Anfangssilben der Zeichen „DO-“ bzw. “DU-“ zu beziehen, nachdem die Wortbestandteile „CERAM“ als Hinweis auf keramischen Werkstoff über keinen oder nur äußerst geringen kennzeichnenden Gehalt verfügten. Die Beschwerde sei daher unbegründet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet. Ihr Widerspruch hat im tenorierten Umfang Erfolg, da insoweit Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht. Daher war der Beschluss der Markenstelle vom 19. Juli 2013 insoweit aufzuheben und nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG hinsichtlich dieser Waren die Löschung der angegriffenen Marke 30 2009 005 970 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 096 256 anzuordnen. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist in Bezug auf die übrigen beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 10 der angegriffenen Marke eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, so dass die Markenstelle den Widerspruch insoweit gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat. Deshalb war insoweit die Beschwerde zurückzuweisen.

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Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 - Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

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1. Zwischen den auf Seiten der Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähigen Waren „dentale Metallkeramikmassen und deren Hilfsmittel, nämlich Modellierflüssigkeiten, Malfarben für zahnkeramische Zwecke“ einerseits und den für die jüngere Marke eingetragenen Waren "chirurgische Implantate aus Keramik und/oder Keramikwerkstoffen; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; Dentalimplantate; chirurgische Implantate (aus künstlichen Materialien), nämlich Halbzeuge und Komponenten für keramische Implantatsysteme wie Abutments und Implantate; keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme“ andererseits besteht überdurchschnittliche Warenähnlichkeit, während die übrigen angegriffenen Waren der Klasse 10 insoweit entweder unähnlich sind oder jedenfalls einen erheblichen Warenabstand mit Tendenz zur Produktferne zu den Waren der Widerspruchsmarke aufweisen.

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a) Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf „dentale Metallkeramikmassen“ und in Bezug auf „deren Hilfsmittel, nämlich Modellierflüssigkeiten, Malfarben für zahnkeramische Zwecke“ zugrunde zu legen.

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Der Widersprechende hat auf entsprechendes Bestreiten der Inhaberin der angegriffenen Marke insoweit eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG relevanten Zeiträume, nämlich für die Zeit vom 19. Juni 2004 bis 19. Juni 2009 und vom 5. März 2010 bis 5. März 2015, durch Vorlage von diversen Unterlagen (Fertigungsaufträge, Etiketten, Rechnungen, Kataloge) und die eidesstattlichen Versicherungen vom 29. Januar 2014 und – betreffend den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG maßgebenden Zeitraum – vom 23. März 2011 glaubhaft gemacht.

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Ausweislich der genannten eidesstattlichen Versicherungen hat die Widersprechende in der Bundesrepublik zwischen 2004 und 2013 mit „Metallkeramikpasten“, die mit den Zeichen „Duceram® Plus und „Duceram® Kiss“ versehen waren, jährlich Umsätze in Höhe von mindestens … € erzielt. An einer nach Umfang und Konstanz wirtschaftlich nachhaltigen und damit im Sinn von § 26 Abs. 1 MarkenG ernsthaften Benutzung für die eingetragene Ware „Metallkeramikmassen“ während der genannten Zeiträume besteht selbst ohne Berücksichtigung der weiteren Zeichenverwendung für „Metallkeramikpulver“ und „Sets mit Metallkeramikmassen“ kein Zweifel. Einschränkend bzw. klarstellend ist angesichts der aufgezeigten Verwendung von „dentalen Metallkeramikmassen“ auszugehen.

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Die Bedenken der Markenstelle gegenüber der Adressierung der damals vorgelegten Rechnungen an denselben Empfänger sind abgesehen davon, dass auch die Belieferung eines einzigen Abnehmers ausreichen kann (vgl. BPatG Mitt 2009, 187, 189 - RHEA VENDORS; m. w. N. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 94), jedenfalls mit Rücksicht auf die Vorlage weiterer Rechnungen, die den nur beispielhaften Charakter der im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen unterstreichen, ausgeräumt. Auch dem Erfordernis einer formgerechten Markenbenutzung tragen die glaubhaft gemachten Benutzungshandlungen auf der Grundlage der vorgelegten Etiketten Rechnung. Soweit die in Kopie vorgelegten Etiketten neben der Angabe „DUCERAM®“ die Bezeichnungen „Kiss“ oder „Plus“ aufweisen, ist dadurch – unabhängig davon, ob dies überhaupt eine von der Eintragung abweichende Form darstellt, weil das Symbol ® als Hinweis auf eine eingetragene Marke konkret bei der Bezeichnung „DUCERAM“ hinzugefügt ist – der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke aber nicht verändert im Sinn des § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG, denn sowohl der Zusatz „PLUS“ als auch der Zusatz „Kiss“ mit der nachfolgenden Erläuterung „keep it simple and safe“ wirken als eine Art ergänzende Typenangabe ohne kennzeichnenden Charakter.

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Da die Marke lediglich innerhalb der maßgebenden Zeiträume benutzt werden muss (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 u. 2 MarkenG), ohne dass eine ununterbrochene Benutzung während der gesamten Zeiträume notwendig ist (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 (Nr. 74) Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH 2013, 925 Nr. 40 - VOODOO), ist angesichts der aussagekräftigen Angaben zur Dauer und zum Umfang der Benutzung bezogen auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebenden Benutzungszeitraum von 5 Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch unschädlich, dass keine Aussagen zur Benutzung für die Zeit nach Juni 2013 vorliegen. Ob die Markenstelle die Ernsthaftigkeit der Benutzung bezogen auf den damals relevanten Entscheidungszeitpunkt und den daran anknüpfenden Benutzungszeitraum zutreffend bewertet hat, kann dahin gestellt bleiben. Soweit sie allerdings vom Erfordernis einer „konstant bestehenden Markenbenutzung im gesamten Benutzungszeitraum“ ausgegangen ist, überdehnt sie die gesetzlichen Anforderungen.

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Zudem bestehen entgegen dem Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke auch keine Bedenken, die nach den eidesstattlichen Versicherungen noch deutlich umsatzstärkeren Benutzungshandlungen für „Metallkeramikpulver“ als Markenbenutzung für die eingetragene Ware „Metallkeramikmasse“ zu bewerten. Abgesehen davon, dass der Begriff „Masse“ sich auch nach allgemeinem Sprachgebrauch auf Pulver beziehen kann, umfasst der verallgemeinernde Fachbegriff „Metallkeramikmasse“, der erkennbar jeden zur Verblendung eines Metallgerüsts geeigneten keramischen Werkstoff enthalten soll, jedenfalls auch Rohkeramik in der in diesem Kontext sogar typischen Pulverform.

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Die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen beziehen sich im Übrigen auf die Benutzung der Widerspruchsmarke für „Modellierflüssigkeiten, Pinsel, Malfarben“. Obwohl die Aussagen zu den mit den Warensets erzielten Umsätzen nicht ohne weiteres den genannten Waren zugeordnet werden können und aussagekräftige Angaben zur Art der Benutzung des Widerspruchszeichens für diese Waren fehlen, kann die Benutzung der Widerspruchsmarke für „Hilfsmittel [für Metallkeramikmassen], nämlich Modellierflüssigkeiten, Malfarben für zahnkeramische Massen“ unterstellt werden. „Pinsel“ sind dagegen nicht Gegenstand der Eintragung der Widerspruchsmarke.

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b) Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2015, 176 Nr. 16 - ZOOM/ZOOM).

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aa) „Dentale Metallkeramikmassen“ sind Verblendmaterialien für Metallkronen- oder Metallbrückengerüste. Die für die jüngere Marke registrierten Waren

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chirurgische Implantate aus Keramik und/oder Keramikwerkstoffen; künstliche Kiefer; künstliche Zähne; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; Dentalimplantate; chirurgische Implantate (aus künstlichen Materialien), nämlich Halbzeuge und Komponenten für keramische Implantatsysteme wie Abutments und Implantate; keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme

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dienen dem Ersatz von Kieferknochen und Zähnen oder dem Einpflanzen künstlicher Zahnwurzeln in den Kieferknochen zur Befestigung u. a. von Zahnersatz.

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Die Markeninhaberin weist zwar zu Recht darauf hin, dass diese für die jüngere Marke eingetragenen Waren - abgesehen von den wohl sogar identischen „Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen“ - weder die Verblendung von Zahnkronen- oder -brückengerüsten bezwecken noch Metallgerüste, deren Verblendung „dentale Metallkeramikmassen“ dienen werden, umfassen. Gleichwohl bestehen insoweit deutliche Berührungspunkte, aufgrund derer die übereinstimmende betriebliche Zuordnung der beiden Warengruppen nahe liegt. Sie werden nicht nur regelmäßig von denselben Herstellern angeboten (vgl. zum Sortiment der Widersprechenden, Schriftsatz vom 29. Januar 2014, Anlage 20, Bl. 122: „ceramics for the entire range of dental applications“) und über dieselben Vertriebswege, insbesondere über spezialisierte Großhändler an Zahntechniker und/oder Zahnärzte abgegeben. Die genannten beidseitigen Waren beziehen sich zudem übereinstimmend auf keramisches Material, das der Zahnrestaurierung und dem Zahnersatz dient. Soweit sie nicht ohnehin ausdrücklich als solche bezeichnet sind, können die genannten Waren der angegriffenen Marke ausnahmslos Erzeugnisse aus keramischem Material einschließen. Auch die für die Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähigen „Metallkeramikmassen“ haben keineswegs lediglich eine ästhetische Funktion. Vielmehr müssen sie als äußere Beschichtung eines Metallkerns mechanischen Druck durch Kauen und chemische Belastungen im Mundmilieu tolerieren.

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Eine unternehmerische Betätigung in beiden Warenbereichen setzt typischer Weise Kompetenzen und betriebliche Strukturen im Bereich Werkstoff- und Zahnheilkunde voraus, die die Entwicklung keramischer Erzeugnisse für verschiedene der alternativ oder - für unterschiedliche Zähne - ggf. sogar kumulativ in Betracht kommenden Zahnrestaurationstechniken (z. B. Verblendkeramik, Presskeramik, Keramikimplantat) und damit eine Versorgung „aus einer Hand“ zulassen. Eine Beschränkung des Angebotsspektrums auf keramische Erzeugnisse, die über die allgemeinen, insbesondere mechanischen Anforderungen an Zahnersatz hinaus besonderen Anforderungen, die sich aus den Eigenheiten bestimmter Restaurierungstechniken ergeben, gerecht werden, etwa den von Metallkeramikmassen geforderten Haft- und Ausdehnungseigenschaften, ist insofern regelmäßig nicht zu erwarten.

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Dies rechtfertigt es, insoweit eine überdurchschnittliche Warenähnlichkeit anzunehmen, insbesondere auch mit Bezug auf „keramische Rohlinge für zahntechnische Brücken und Implantatsysteme“.

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bb) Die weiteren Waren der jüngeren Marke, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, nämlich „chirurgische Messer sowie Fräsbohrer aus Keramik oder Keramikwerkstoffen; chirurgische Nadeln; Medizinlöffel; Skalpelle; Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen“ weisen demgegenüber einen erheblichen Warenabstand zu Metallkeramikmassen auf (siehe auch bereits BPatG, 30 W (pat) 225/95, zitiert in Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Aufl., S. 316). Für eine regelmäßig übereinstimmende betriebliche Herkunft fehlen tatsächliche Anhaltspunkte. Unter den insoweit angegriffenen chirurgischen oder medizintechnischen Instrumenten mögen Fräsbohrer auch dem Abtrag von dentalen keramischen Beschichtungen dienen. Ein typischer Anwendungszusammenhang, der ggf. im Fall der zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen „Hilfsmittel, nämlich Modellierflüssigkeit …“  vorliegen kann, oder für ein spezifisches Anpassungsbedürfnis, das trotz der deutlich abweichenden Produktkategorien eine gemeinsame betriebliche Herkunft erwarten ließe, ist allerdings nicht erkennbar. Auch die übereinstimmende Nutzung keramischer Werkstoffe rechtfertigt angesichts der grundverschiedenen Anforderungen, denen einerseits dentale Verbrauchskeramik und andererseits medizintechnische Instrumente unterliegen, nicht ohne weiteres den Schluss auf eine übereinstimmende unternehmerische Verantwortung.

40

Die angesprochenen Waren der jüngeren Marke, insbesondere die auch insoweit am ehesten in Betracht zu ziehenden „Fräsbohrer“ weisen auch allenfalls untergeordnete Ähnlichkeit gegenüber den Waren „Modellierflüssigkeiten, Malfarben für zahnkeramische Zwecke“ der Widerspruchsmarke auf, da der Anwendungszweck und die Funktionsweise der Waren beträchtlich abweichen.

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2. Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine originäre Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als solcher ist ungeachtet des Vortrags der Markeninhaberin zur Kennzeichnungsschwäche des Wortbestandteils „CERAM“ weder geltend gemacht noch erkennbar. Tatsachen, die eine erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke und eine daraus resultierende gesteigerte Kennzeichnungskraft belegen könnten, sind ebenso wenig ersichtlich.

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3. Unter den genannten Ausgangsbedingungen sind die streitbefangenen Marken klanglich und auch nach ihrer Bildwirkung zu ähnlich, um unmittelbare Verwechslungen der Zeichen im Bereich der Vergleichswaren, die jedenfalls überdurchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen, zu vermeiden.

43

Zwar ist der hier ausschließlich angesprochene Fachverkehr, bestehend vorrangig aus Zahnärzten und -technikern, regelmäßig über Marken auf seinem Fachgebiet unterrichtet und pflegt neue Marken mit bedeutungsadäquater Sorgfalt wahrzunehmen. Angesichts der hier feststellbaren Ähnlichkeitsgrades kann gleichwohl selbst bei großer Aufmerksamkeit nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass die bestehenden Abweichungen überhört bzw. übersehen werden, zumal die Zeichen in der Regel auf der Grundlage des auch bei Fachleuten mit Unsicherheiten belasteten und nachlassenden Erinnerungseindrucks verglichen werden (vgl. BGH GRUR 1982, 420, 422 – BBC/DDC; m. w. N. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 238).

44

Die jeweils dreisilbigen Wortmarken unterscheiden sich lediglich durch die an derselben Stelle im Wortgefüge angeordneten Vokale „O“ und „U“. Die Artikulation der übrigen Zeichenelemente ist identisch, insbesondere die Betonung und Aussprache des Wortbestandteils „CERAM“, wobei der Buchstabe „C“ entweder als „TS“ oder als „K“ gesprochen wird. Auch die allein abweichenden dunklen Vokale „o“ und „u“ heben sich nicht deutlich voneinander ab und können jedenfalls den jeweiligen maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck allenfalls unwesentlich unterschiedlich beeinflussen. Auch in schriftbildlicher Hinsicht sind beide Zeichen im Gesamteindruck überaus ähnlich.

45

Der Senat teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung der Markeninhaberin, dass der vielfach auch in anderen Marken herangezogene Wortbestandteil „CERAM“ beider Marken im Warenkontext erkennbar die Werkstoffangabe „ceramic“ aufnimmt und deswegen für sich genommen als kennzeichnungsschwach oder sogar als schutzunfähig einzuordnen wäre. Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass diese Übereinstimmung im Rahmen des Ähnlichkeitsvergleichs unbeachtlich ist. Für den markenrechtlichen Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken ist ihr Gesamteindruck maßgeblich, der auch durch schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente mitbestimmt werden kann. Ausgehend von dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass der Verkehr regelmäßig von einer zergliedernden Betrachtungsweise einzelner Markenbestandteile absieht und eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt (Ströbele/Hacker, a. a. O., 11. Aufl., § 9 Rn. 237 m. w. N.), besteht hier kein Anhalt dafür, dass die Silben "-CERAM" den Zeichencharakter nicht mittragen würden. Die als solche nichtssagenden Anfangssilben „DO“ bzw. „DU“ weisen einen inneren Zusammenhang zu den auch nach ihrer Länge beachtlichen Bestandteilen „-CERAM“ auf, indem sie eine sprachliche Verfremdung der in dem Bestandteil „CERAM“ enthaltenen Anspielung auf die Warenbeschaffenheit vornehmen. Sie bilden dadurch jeweils als Einheit wahrgenommene Wortgefüge aus, die in ihrer Gesamtheit als Herkunftshinweis verstanden werden. Im Zusammenhang mit der hohen Übereinstimmung der vorangestellten Wortsilben ist die insoweit bestehende Identität ein zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2004, 783, 785 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 204).

46

Eine Bewertung der Bestandteile „CERAM“ als glatt beschreibende Angaben in einem einheitlichen Markenwort, die ggf. Anlass für eine ausnahmsweise in Betracht zu ziehende Abspaltung des entsprechenden Wortteils sein kann, scheidet daher von vornherein aus (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 478).

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Dagegen heben die Vergleichsmarken sich ausreichend voneinander ab, soweit der Abstand zwischen den Vergleichswaren ausgeprägt ist, sofern nicht eine Verwechslungsgefahr schon im Hinblick auf eine fehlende Warenähnlichkeit überhaupt auszuschließen ist.

48

Der Widerspruch rechtfertigt damit teilweise die Löschung der angegriffenen Marke, vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Der Klarstellung halber ist darauf hinzuweisen, dass der Löschungsausspruch sich auf den Warenbegriff „Komponenten für alle vorgenannten Waren aus Keramik oder Keramikwerkstoffen“ nur insoweit bezieht, als die darin enthaltene Bezugnahme auf „vorgenannte Waren“ Waren betrifft, deren Löschung im Tenor angeordnet wird.

49

Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.