Entscheidungsdatum: 23.06.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 021 204
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters am Amtsgericht Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Die am 20. März 2012 angemeldete Wort/Bildmarke
ist am 20. Juli 2012 unter der Nr. 30 2012 021 204 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen eingetragen worden:
Klasse 3: Kosmetika;
Klasse 5: Nahrungsergänzungsmittel;
Klasse 25: Werbung; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel.
Gegen die Eintragung der am 24. August 2012 veröffentlichten Marke hat die Widersprechende aus ihrer seit dem 14. August 2002 unter der Nummer UM 001 969 567 für die Waren der
Klasse 3: Oral anzuwendende Präparate für die strukturelle Verbesserung und den Schutz von Epidermisstrukturen;
Klasse 5: Oral anzuwendende Präparate zur Vorbeugung und/oder Behandlung von kardiovaskulären und muskulären Störungen sowie von Störungen im Zusammenhang mit dem Skelett, den Gelenken oder dem Bindegewebe;
als Wortmarke eingetragenen Unionsmarke
BioSil
mit dem am Montag, den 26. November 2012 beim DPMA eingegangen Schreiben Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 001 969 567 die teilweise Löschung der Marke 30 2012 021 204 angeordnet, nämlich in Bezug auf die Waren der
Klasse 3: Kosmetika;
Klasse 5: Nahrungsergänzungsmittel;
Klasse 25: Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel;
und den Widerspruch hinsichtlich der Dienstleistung der Klasse 25 „Werbung“ zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die angegriffene Marke bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Warenähnlichkeit bzw. teilweise hoher Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit (ausgenommen „Werbung“), nicht mehr den erforderlichen Markenabstand einhalte. Die Widerspruchsmarke sei nicht unmittelbar beschreibend und werde als Phantasiewort aufgefasst. Sie verfüge damit über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Behauptung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft habe die Inhaberin der Widerspruchsmarke nicht belegt. Die beiderseits beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 könnten identisch sein. Zumindest seien die Grenzen zwischen kosmetischen und pharmazeutischen Präparaten fließend. Zwischen den Einzelhandelsdienstleistungen und den entsprechenden Waren bestehe Ähnlichkeit, da die Dienstleistungen zu den Waren in einem Ergänzungsverhältnis stünden. Dagegen bestehe hinsichtlich der Dienstleistung „Werbung“ keine Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit zu den von der Widersprechenden beanspruchten Waren. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr. Die Lautfolge sei ähnlich. Die abweichenden Vokale „i“ und „e“ seien beide helle Vokale. Der abweichende Doppelkonsonant „ll“ in der angegriffenen Marke sei akustisch nicht markant wahrnehmbar und stelle damit keine ausreichende Unterscheidungshilfe dar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Die Markeninhaberin hat die Beschwerde nicht begründet und hat im Beschwerdeverfahren auch keine konkreten Anträge gestellt.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auch die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren keine weiteren Ausführungen in der Sache gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nicht begründet. Da die Markeninhaberin keine konkreten Anträge gestellt hat, was für die Zulässigkeit der Beschwerde auch nicht erforderlich ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 66 Rn. 41 m. w. N.), ist das Beschwerdebegehren auszulegen. Sachgerecht ist eine Auslegung dahingehend, dass der angefochtene Beschluss insoweit vollständig angegriffen wird, soweit die Markeninhaberin dadurch beschwert ist, also soweit die Markenstelle die Löschung der angegriffenen prioritätsjüngeren Marke angeordnet hat.
Zwischen den Vergleichsmarken besteht hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle zu Recht die teilweise Löschung der Marke angeordnet hat, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Trotz des auch im hier maßgeblichen Warenbereich verbrauchten und kennzeichnungsschwachen Wortanfangsbestandteils „Bio“ kommt der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, da der verbrauchte Anfangsbestandteil hinreichend phantasievoll mit einem weiteren Bestandteil kombiniert ist. Ob der Widerspruchsmarke darüber hinaus - wie von der Widersprechenden im Verfahren vor der Markenstelle geltend gemacht - aufgrund von Benutzungshandlungen eine gesteigerte Kenn-zeichnungskraft zukommt, kann als nicht entscheidungserheblich dahinstehen.
Zwischen den Vergleichswaren, die jeweils in den Klassen 3 und 5 klassifiziert sind, besteht nach den üblichen Warenähnlichkeitskriterien eine hohe Ähnlichkeit. Eine relevante Ähnlichkeit ist nämlich dann gegeben, wenn die Vergleichswaren unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten (bei identischer Kennzeichnung) aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 59 f., vgl. z. B. BGH, GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2007, 321 Rn. 20 - COHIBA; GRUR 2008, 714 Rn. 32 - idw). Dies ist hier ohne weiteres zu bejahen. Auch zwischen den „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel“ der angegriffenen Marke einerseits und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 andererseits ist trotz der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Waren und Dienstleistungen eine Ähnlichkeit ohne weiteres zu bejahen, da die Einzelhandelsdienstleistungen sich auf den Warenbereich der Waren der Widerspruchsmarke beziehen. Angesichts dieses Umstandes ist zumindest ein mittlerer Ähnlichkeitsgrad zwischen diesen Vergleichsprodukten gegeben.
Den bei dieser Ausgangslage teilweise noch strengen und teilweise (bei den Dienstleistungen der angegriffenen Marke) nur mittleren Anforderungen an den Markenabstand, wird die angegriffene Marke nicht gerecht. Ein ausreichender Zeichenabstand ist nicht eingehalten. In klanglicher Hinsicht wird die angegriffene Marke vom Wortbestandteil geprägt, weil die Marke allein mit diesem Bestandteil treffend benannt werden kann. Es gilt hier der anerkannte Erfahrungssatz, dass der Verkehr dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumisst. Dies gilt erst recht, wenn der Bildbestandteil nicht ohne weiteres eindeutig benannt werden kann bzw. ein Teil des Bildbestandteils - wie vorliegend die Umrahmung - aus einem einfachen werbeüblichen grafischen Element besteht. Ausgehend davon stehen sich die für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr maßgeblichen Vergleichsbezeichnungen „BIOSELL“ und „BioSil“ gegenüber. Diese Vergleichswörter stimmen in der überwiegenden Anzahl der maßgeblichen Beurteilungskriterien, wie Wortlänge, Silbengliederung, Sprechrhythmus und Konsonantengerüst überein. Auch die Vokalfolge ist überaus ähnlich, weil sie bis auf den Vokal in der Schlusssilbe übereinstimmt, wobei sich dort die klangähnlichen hellen Vokale „e“ und „i“ gegenüberstehen. Der verbleibende Unterschied am jeweiligen Wortende in Bezug auf den Doppelkonsonanten „ll“ bei der angegriffenen Marke und den einfachen Konsonanten „l“ bei der Widerspruchsmarke führt zu keinem relevanten Abstand, weil er sich kaum unterscheidungserleichternd auf den jeweiligen klanglichen Gesamteindruck auswirkt.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.