Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.11.2015


BPatG 26.11.2015 - 25 W (pat) 531/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Form einer Schaltmatte (dreidimensionale Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
26.11.2015
Aktenzeichen:
25 W (pat) 531/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 009 037.0

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. November 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters am Amtsgericht Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die nachfolgend aus unterschiedlichen Perspektiven wiedergegebene Gestaltung

Abbildung

2

ist am 15. November 2012 als dreidimensionale Marke zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für folgende Waren angemeldet worden:

3

Klasse 9:

4

Schaltmatten; Detektoren.

5

Mit Beschluss vom 17. Mai 2013 hat die Markenstelle für Klasse 9 des DPMA die unter Nummer 30 2012 009 037.0 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete dreidimensionale Marke weise die charakteristische Form der beanspruchten Waren auf. Schaltmatten seien Schutzeinrichtungen zur Absicherung flächiger Gefahrenbereiche. Beim Betreten der Schaltmatte werde das Abschalten einer Maschine oder Anlage bewirkt. Die Wabenstruktur auf der Oberfläche der angemeldeten dreidimensionalen Marke sei ein übliches charakteristisches Merkmal der Produkte.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Anmelderin beantragt ohne weitere Begründung der Beschwerde,

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den Beschluss der Markenstelle 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Mai 2013 aufzuheben und die Eintragung der Markenanmeldung DE 30 2012 009 037.0 zu beschließen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

9

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten dreidimensionalen Marke fehlt jegliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 9. Der Eintragung steht das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 MarkenG. Die angemeldete dreidimensionale Marke beschreibt die in Anspruch genommenen Waren unmittelbar.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 - Libertel). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 40 - 43). Die vorliegend beanspruchten Waren der Klasse 9 sind sowohl an Fachleute der Elektrobranche gerichtet als auch an Endverbraucher. Dabei kann insoweit eine unterschiedliche Wahrnehmung der angemeldeten Marke bzw. eine unterschiedliche Verkehrsauffassung nicht festgestellt werden kann.

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Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit dreidimensionaler Marken dürfen zwar keine strengeren Anforderungen angelegt werden als bei sonstigen Marken. Gleichwohl sind bei Marken, welche die Form der Ware selbst wiedergeben (= Warenformmarken) wesentliche Unterschiede gegenüber „klassischen“ Wort- oder Bildmarken zu beachten. Marken, die aus der Form einer Ware oder deren Verpackung bestehen, werden tatsächlich nicht in gleicher Weise wie Wort- oder Bildmarken aufgefasst, weil der Durchschnittsverbraucher und gleichermaßen auch der Fachverkehr aus der Form der Ware oder deren Verpackung gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft dieser Waren schließt. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH begründet bei dieser speziellen Markenform ein "bloßes Abweichen" von der Norm oder Branchenüblichkeit noch nicht die Unterscheidungskraft; vielmehr kann eine Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann erfüllen, wenn sie von „Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweicht" (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 49 - Henkel; GRUR Int. 2004, 631 Rn. 39 - Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 635 Rn. 37 - Dreidimensionale Tablettenform II; GRUR Int. 2004, 639 Rn. 37 - Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2005, 135 Rn. 31 - Maglite; GRUR Int. 2006, 226 Rn. 31 - Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842 Rn. 26 - Form eines Bonbons II; siehe auch BGH GRUR 2004, 329, 330 - Käse in Blütenform; GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse). Solche Abweichungen müssen vom Verkehr auch ohne eingehende, d. h. ohne analysierende und vergleichende Betrachtung oder nähere Prüfung eindeutig erkennbar sein (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 281 ff mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen, insbesondere auch EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 49 - Henkel; MarkenR 2004, 461 Rn. 31 - Maglite; MarkenR 2004, 456 - Seifenstück; MarkenR 2006, 19 - Standbeutel).

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Ausgehend von diesen Maßstäben werden der Fachverkehr, aber auch die technisch interessierten Endverbraucher in der angemeldeten dreidimensionalen Marke keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Schaltmatten werden zum Schutz von Personen an gefährlichen Maschinen verwendet. Betritt eine Person die Schaltmatte, so schaltet ein elektrisches Signal die gefahrbringende Maschine ab. Die angemeldete dreidimensionale Marke weist nur Merkmale einer gängigen Schaltmatte auf. Dabei hebt sich die Form in keiner Weise von dem üblichen Formenschatz der anderen am Markt angebotenen entsprechenden Schaltmatten ab. Dies ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus den vom DPMA ins Verfahren eingeführten Unterlagen. Die vorliegend angemeldete dreidimensionale Marke in Form einer Schaltmatte verfügt nicht über ausreichend individuelle oder charakteristische Merkmale, die sie in betriebskennzeichnender Weise von entsprechenden auf dem Markt angebotenen Konkurrenzprodukten abheben könnte. Vielmehr ist die angemeldete dreidimensionale Marke nur als eine weitere (beliebige) Variante im vorhandenen Formenschatz anzusehen, die der Verkehr deshalb auch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis wahrnehmen wird. Allen Schaltmatten, d. h. sowohl denen der Markenanmelderin als auch denen der anderen Anbieter, ist gemeinsam, dass sie als Matten flach geformt sind. Das heißt, dass sie bei variabler Länge und Tiefe eine im Verhältnis sehr geringe Höhe aufweisen. Da die Matten bestimmungsgemäß  begehbar sein sollen, müssen sie so flach sein, dass sie beim alltäglichen Gebrauch nicht die Gefahr des Stolperns mit sich bringen bzw. überhaupt betreten werden können. Zahlreiche im Verkehr angebotene Schaltmatten weisen eine besondere Oberflächenstruktur auf, die das Ausrutschen verhindern sollen. So lassen sich etwa Noppen, Waben oder Riffeln finden, die im Übrigen auch bei sonstigen Bodenbelägen völlig üblich sind (Noppenbahnen, Riffelbleche). Dass die einzelnen Schaltmatten sich in gewissen Nuancen in Bezug auf die Oberfläche oder die Form unterscheiden, fällt angesichts der weitgehenden Übereinstimmung der angemeldeten Form in den wesentlichen Merkmalen mit beliebigen Konkurrenzprodukten nicht ins Gewicht. Die zwei elliptischen Durchbrechungen, welche die angemeldete dreidimensionale Marke aufweist, wird der Verkehr als funktional bedingt wahrnehmen, etwa zum Befestigen der Matte.

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Für die beanspruchte Warengruppe der Detektoren gilt nichts anderes. Der Begriff des Detektors (von lateinisch detegere, dt. „aufdecken“, „entdecken“) ist ein Synonym zu Sensor. Ein Sensor (von lateinisch sentire, dt. „fühlen“ oder „empfinden“), ist ein technisches Bauteil, das bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften (z. B. Wärmemenge, Temperatur, Feuchtigkeit, Druck, Beschleunigung, pH-Wert) qualitativ oder quantitativ erfassen kann. Diese Größen werden in ein elektrisches Signal umgeformt. Insoweit ist eine Schaltmatte, die Druck erfasst und in ein elektrisches Signal umwandelt, ein spezieller, anwendungsdefinierter Detektor bzw. Sensor und fällt damit unter den Begriff „Detektor“.

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Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.