Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.07.2018


BPatG 24.07.2018 - 25 W (pat) 530/18

Markenbeschwerdeverfahren – "greenoffizin meine grüne Versandapotheke " – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
24.07.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 530/18
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:240718B25Wpat530.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 208 088.0

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Februar 2018 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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greenoffizin meine grüne Versandapotheke

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ist am 10. März 2017 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren angemeldet worden:

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Klasse 3: Kosmetika;

5

Klasse 5: Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel;

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Klasse 30: Süßwaren für nicht medizinische Zwecke; Zuckerwaren.

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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2017 208 088.0 geführte Anmeldung mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 27. Februar 2018 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung aus der Wortkombination „greenoffizin“ und der erläuternden Wortfolge „meine grüne Versandapotheke“ bestehe. Das Wort „Offizin“ sei eine zwar veraltete, gleichwohl noch gebräuchliche Bezeichnung für eine Apotheke bzw. den Verkaufsraum einer Apotheke. Das Wort „grün“ bzw. „green“ weise nach dem Verkehrsverständnis auf umweltfreundliche oder nachhaltige Aspekte von Waren und Dienstleistungen hin. Der Zeichenbestandteil „greenoffizin“ werde insgesamt ohne Weiteres im Sinne von „grüne Apotheke“ verstanden. Die angemeldete Bezeichnung sei damit ein beschreibender Sachhinweis auf eine Apotheke als Angebotsstätte, die besonders umweltfreundlich geführt werde und entsprechende Produkte anbiete. Da die beanspruchten Waren üblicherweise auch in Apotheken angeboten würden, verstehe der Verkehr die angemeldete Bezeichnung auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren nicht als betriebliche Herkunftsbezeichnung. Ob der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Der angemeldeten Bezeichnung könne die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, da auch Zeichen, die beschreibende Anklänge enthielten, unterscheidungskräftig sein könnten (BGH I ZR 101/15 – Micro Cotton). Dieser Rechtsprechung genüge die angegriffene Entscheidung des DPMA nicht. Bei der angemeldeten Bezeichnung handle es sich um ein Kunstwort, das aus einem englischen und einem veralteten deutschen Wort zusammengesetzt sei. Es enthalte auch deswegen einen schöpferischen Gehalt, weil sich die Wörter reimten und eine besonders eingängige Wortmelodie bildeten. Zugleich habe das Kunstwort keine unmittelbare Wortbedeutung. Auch das Wort „green“ habe keinen festgelegten Sinngehalt, sondern bleibe mehrdeutig. Es bedürfe mehrerer Gedankenschritte, um auf einen beschreibenden Bedeutungsgehalt im Sinne einer besonders umweltfreundlichen Apotheke zu schließen. Zudem sei bei dieser Interpretation unklar, auf welchen Aspekt der Verkaufsräume bzw. Waren sich die Bedeutung „umweltfreundlich“ beziehen solle. Schließlich stehe einem sachbeschreibenden Verständnis entgegen, dass das Wort „Offizin“ ja den Verkaufsraum einer Apotheke bezeichne, wohingegen eine Versandapotheke bestimmungsgemäß nicht über Verkaufsräume verfüge, was die inhaltliche Unschärfe der angemeldeten Bezeichnung unterstreiche.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Februar 2018 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Ausgehend davon war der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des DPMA vom 27. Februar 2018 aufzuheben. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Dies gilt entsprechend für das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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1. Auch wenn die angemeldete Bezeichnung im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Anklänge aufweist, kann ihr im Ergebnis das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft letztlich nicht abgesprochen werden.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

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Ein in diesem Sinne enger beschreibender Bezug ist insbesondere zwischen Bezeichnungen von Produktions-, Verkaufs- und Vertriebsstätten und den dort vertriebenen Produkten gegeben. Zwar handelt es sich bei diesen sog. Etablissementbezeichnungen nicht um beschreibende Angaben i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da sie nicht der unmittelbaren Beschreibung der dort hergestellten oder vertriebenen Waren dienen (vgl. BGH GRUR 1999, 988, Tz. 15 – HOUSE OF BLUES). Daraus folgt aber noch nicht, dass eine solche Bezeichnung Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist. Insoweit ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH Unterscheidungskraft nicht nur solchen Angaben abzusprechen ist, denen der Verkehr für die fraglichen Produkte einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet; vielmehr kann diese auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 – BIOMILD). So mangelt es vor allem auch solchen Angaben an hinreichender Unterscheidungskraft, die sich auf Umstände beziehen, die zwar die beanspruchten Produkte selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug hierzu hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Produkte sieht (vgl. BGH GRUR 2009, 411, Tz. 9 – STREETBALL; GRUR 2008, 1093, Tz. 15 – Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2006, 850, Tz. 19 – FUSSBALL WM 2006). Eine Bezeichnung, die in erster Linie als Umschreibung eines Ortes verstanden wird, an dem üblicherweise die betroffenen Waren produziert und/oder vertrieben werden, ist nicht geeignet, den Bezug zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb herzustellen und die Waren eines Unternehmens von denen anderer kennzeichenmäßig abzugrenzen. Dementsprechend sind Etablissementbezeichnungen, welche nur auf irgendeine der vielen Produktion- bzw. Vertriebsstätten der betreffenden Gattung hinweisen und vom Verkehr daher in der Regel nicht mit einem ganz bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werden können, grundsätzlich als Herkunftshinweis nicht geeignet und daher regelmäßig in Bezug auf in solchen Vertriebsstätten üblicherweise angebotene Waren nicht eintragbar (vgl. die Senatsentscheidungen 25 W (pat) 70/09 – CHOCOLATERIA; 25 W (pat) 6/10 – BIOTEEMANUFAKTUR; 25 W (pat) 200/09 – Kaffeerösterei Freiburg; 25 W (pat) 69/10 – Tea Lounge; 25 W (pat) 538/12 – Harzer Apparatewerke; 25 W (pat) 515/16 – Privatmarmeladerie; alle Entscheidungen sind über die Homepage des BPatG zugänglich).

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Gemessen an diesen Maßstäben ist das angemeldete Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen letztlich inhaltlich zu unbestimmt bzw. hinreichend phantasievoll, um das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu bejahen. Auch wenn das Zeichen aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt ist, die jeweils für sich genommen zumindest für die auch angesprochenen Fachkreise ohne Weiteres im Sinne einer Etablissementbezeichnung verständlich sind, ist die vorliegende Kombination der kennzeichnungsschwachen Bestandteile ihrem gedanklichen Inhalt nach noch ausreichend diffus bzw. fantasievoll, um von einem rein sachbeschreibenden Verständnis wegzuführen.

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Das Wort „Offizin“ im Sinne von „Apotheke“ bzw. „Apothekenverkaufsraum“ ist lexikalisch nachweisbar (www.duden.de) und zumindest den Fachkreisen, deren Verständnis insoweit ausreichend maßgeblich wäre, als Fachbegriff weitgehend geläufig. So bestimmt beispielsweise § 4 Abs. 2 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), dass eine Apotheke aus mindestens einer Offizin, einem Laboratorium, ausreichend Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen muss. Das DPMA hat zutreffend festgestellt, dass das Wort „green“ (bzw. das deutsche Wort „grün“) im Zusammenhang mit unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen als Hinweis auf ein besonders umweltfreundliches Produkt benutzt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der in Klasse 3 beanspruchten Ware „Kosmetika“ hat sich ein entsprechendes Verkehrsverständnis etabliert, sodass im allgemeinen Sprachgebrauch die Wortkombination „Grüne Kosmetik“ als feststehender Begriff benutzt wird, um eine bestimmte Art von Kosmetik zu bezeichnen, die in irgendeiner Art und Weise ökologischer oder natürlicher sein soll als „herkömmliche“ Produkte. Der Fachverkehr wird daher – unabhängig von dem weiteren, erläuternden Zeichenbestandteil „meine grüne Versandapotheke“ – die Wortkombination „greenoffizin“ im Sinne von „grüne Apotheke“ verstehen. Ausgehend von diesem Verkehrsverständnis ist gleichwohl der Anmelderin dahingehend beizutreten, dass der Wortkombination eine Verfremdung bzw. ein gewisser Fantasiegehalt nicht abgesprochen werden kann. Die vorliegende Kombination aus einem veraltet anmutenden Fachbegriff und einem Wort der englischen Sprache erscheint in relevantem Ausmaß ungewöhnlich. Auch wenn in der Werbesprache ein Sprachenmix grundsätzlich nicht ungewöhnlich ist, weicht die vorliegende Wortkombination von üblichen Werbeschlagwörtern ab. Selbst unter Berücksichtigung der weiteren Zeichenbestandteile (meine grüne Versandapotheke), die als Erläuterung der Bezeichnung „greenoffizin“ verstanden werden können, stellt damit die angemeldete Bezeichnung insgesamt keinen hinreichend engen beschreibenden Bezug mehr zu den betreffenden Waren her. Auch wenn es sich vorliegend um einen Grenzfall handeln mag, kann der angemeldeten Marke nach Auffassung des Senats das für die Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

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2. Ausgehend hiervon wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung auch nicht als Zeichen oder Angabe verstehen, welches die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, sodass auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis nicht bejaht werden kann.