Entscheidungsdatum: 06.08.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die eingetragene Marke 30 2012 016 619
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. August 2015 durch den Vorsitzenden Richter Knoll, die Richterin Kriener und den Richter Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die am 22. Februar 2012 angemeldete Wortmarke
HERBALADE
ist am 18. April 2012 unter der Nr. 30 2012 016 619 u. a. für
Klasse 30: Tee
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.
Die Inhaberin der prioritätsälteren, am 17. August 1995 eingetragenen und derzeit noch für die Waren
Klasse 30: Tee, teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter-/Früchtetee), auch aromatisiert, vitaminisiert und instantisiert (ausgenommen Tees/teeähnliche Erzeugnisse in flüssiger trinkfertiger Form)
geschützten Wortmarke Nr. 394 10 132
HERBA
hat gegen die Eintragung der prioritätsjüngeren Marke teilweise, nämlich in Bezug auf „Tee“, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diesen Teilwiderspruch durch Beschluss vom 23. April 2013 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die jüngere Marke den nach den Umständen des Einzelfalls gebotenen deutlichen Zeichenabstand einhalte. Zwar sei in Bezug auf die begehrte Teillöschung der jüngeren Marke für „Tee“ von Warenidentität zu den für die Widerspruchsmarke registrierten Waren auszugehen. Die Widerspruchsmarke verfüge auch über durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft, da die lateinische Bedeutung „Kraut“ der Widerspruchsmarke den angesprochenen Verkehrskreisen nicht geläufig sei. Allerdings unterschieden die Streitzeichen sich durch den Bestandteil „-LADE“ der angegriffenen Marke insbesondere auch in klanglicher Hinsicht deutlich voneinander. Der Wortanfang „HERBA“ nehme im Gesamteindruck der als Einheit wahrgenommenen angegriffenen Marke „HERBALADE“ keine prägende Stellung ein. In begrifflicher Hinsicht sei kein gemeinsamer Sinngehalt festzustellen. Auch Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr, insbesondere unter dem Aspekt eines Serienzeichens, lägen nicht vor. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob die Widersprechende die durch den Markeninhaber bestrittene Benutzung ihrer Marke glaubhaft gemacht habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
Zwischen den Streitmarken bestehe Verwechslungsgefahr. Die Widerspruchsmarke verfüge über überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das Publikum ordne der Bezeichnung „HERBA“ keine sachliche Bedeutung zu, zumal Kennzeichnungen von Produkten des täglichen Bedarfs wie „Tee“ regelmäßig keiner begrifflichen Analyse unterzogen würden. Die im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Benutzungsunterlagen, die einen Umsatz von insgesamt … Mio. € für die Jahre 2008 bis 2012 auswiesen, seien Ausdruck ausgeprägter Bekanntheit unter den Verkehrskreisen.
Der Grad der Zeichenähnlichkeit der angegriffenen Marke könne zu Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke führen. Wortanfänge fänden im Allgemeinen stärkere Beachtung als die übrigen Wortbestandteile. Insbesondere bei Waren des täglichen Bedarfs wie „Tee“ bleibe der in beiden Marken enthaltene Wortanfang „HERBA“ den angesprochenen Endverbrauchern im Gedächtnis. Zumindest könne, wie auch die erste Beschwerdekammer des HABM in Bezug auf die inhaltsgleiche Gemeinschaftsmarkenanmeldung des Inhabers der angegriffenen Marke festgestellt habe (Entscheidung v. 2.10.2014, R 2303/2013-1), das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung bringen, da die angegriffene Marke „HERBALADE“ lediglich als Abwandlung der Widerspruchsmarke wahrgenommen werde. Der Wortbestandteil „-LADE“ sei eine Endung, die das Publikum aus anderen Ausdrücken wie „Schokolade“ oder „Marmelade“ kenne und der keine kennzeichnende Funktion zukomme.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2013 aufzuheben und die angegriffene Marke in Bezug auf die Eintragung für „Tee“ zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Markeninhaber schließt sich weitgehend der Auffassung der Markenstelle an. Allerdings sei der Schutzumfang der Widerspruchsmarke aufgrund der bekannten Bedeutung des Ausdrucks „HERBA“ im Sinn von „Kraut“ originär eng zu bemessen. Die zur Benutzung der Widerspruchsmarke vorgetragenen Umsatzzahlen ließen nur auf einen untergeordneten Marktanteil der unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Teewaren schließen und erweiterten ihren Schutzumfang daher nicht. Die Gefahr von Verwechslungen sei bereits aufgrund der auffällig abweichenden Wortlänge der angegriffenen Marke ausgeschlossen. Darüber hinaus werde die Marke „HERBALADE“ vom angesprochenen Verkehr angesichts entsprechender Zeichen wie „Gatorade“ oder „Powerade“ vorrangig englischsprachig wiedergegeben („hɜːbəleɪd“ bzw. „hörbalaid“) und unterscheide sich daher auch in der Artikulation des Wortanfangs von der Widerspruchsmarke. Der Markeninhaber hat erklärt, hilfsweise das Warenverzeichnis auf „Tees, nämlich in flüssiger trinkfertiger Form“ bzw. auf „Tees, ausgenommen Tees/teeähnliche Erzeugnisse in nicht flüssiger trinkfertiger Form“ zu beschränken.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Wider-sprechenden besteht zwischen den Vergleichsmarken im Umfang des Widerspruchs keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Markenstelle den Teilwiderspruch aus der Marke „Herba“ zu Recht zurückgewiesen hat (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Die von dem Teilwiderspruch erfasste Ware „Tee“ der angegriffenen Marke ist auch Gegenstand der Eintragung der Widerspruchsmarke, deren rechtserhaltende Benutzung während der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeiträume unterstellt werden kann. Benutzungsfragen können dahingestellt bleiben, weil sie nicht entscheidungserheblich sind.
Zugunsten der Widersprechenden kann ferner ungeachtet der durchaus vorhandenen Indizien in Bezug auf ein sachbezogenes Verständnis des Begriffs „HERBA“ (vgl. schon BPatG, Beschluss vom 20. Oktober 2004 – 26 W (pat) 239/03 –, Herba/HERBAVERA, verfügbar in PAVIS PROMA) eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt werden. Für die Annahme eines gesteigerten Kennzeichnungsgrades aufgrund intensiver Benutzung fehlen allerdings ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Soweit sich die Widersprechende auf die dargelegten Umsatzzahlen bezieht, sind diese Angaben ohne nähere Einordnung in das Marktumfeld von vornherein nur eingeschränkt geeignet, eine gesteigerte Zeichenbekanntheit zu belegen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 159 m. w. N.). Jedenfalls lassen die mitgeteilten Umsätze von jährlich … Mio. € während eines eher kurzen Zeitraums von 2008 – 2012, der zudem einen relativ großen Abstand zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung aufweist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 206), nicht ohne weiteres auf einen Bekanntheitsgrad schließen, der eine Erweiterung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke rechtfertigen könnte.
Auch wenn ausgehend von Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen im Rahmen der notwendigen Gesamtabwägung der relevanten Einzelfallumstände in jeder Beziehung gerecht. Dies gilt auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass bezogen auf „Tee“ Endverbraucher angesprochen sind, die den Kennzeichnungen im Lebensmittelbereich keine ganz untergeordnete, andererseits üblicherweise auch keine gesteigerte Aufmerksamkeit zuzuwenden pflegen.
Beim Zeichenvergleich ist der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen im Klang, im Schriftbild und im Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (vgl. BGH GRUR 2008, 803, Rn. 21 –HEITEC).
In ihrer Gesamtheit hebt sich die angegriffene Marke insbesondere aufgrund ihrer unterschiedlichen, gegenüber der Widerspruchsmarke nahezu doppelten Wortlänge sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht markant ab. Sofern in Bezug auf die jüngere Marke von einer buchstabengetreuen deutschsprachigen Wiedergabe ausgegangen und die Endung „-LADE“ damit wie entsprechend wie in „Marmelade“ oder „Schokolade“ gesprochen wird, verfügt das Zeichen über zwei zusätzliche Wortsilben, von denen die vordere betont wird. Bei einer ebenfalls nicht ausgeschlossenen englischsprachigen Aussprache der angegriffenen Marke wird die Endung „lade“ zwar nur als eine Silbe gesprochen. Jedenfalls enthält dieser Wortbestandteil einen klangstarken, innerhalb des Klangbilds der Marke auffälligen und überdies betonten Diphthong („-leɪd“), der insgesamt eine hinreichende Abgrenzung der Zeichen trägt. Ob auch in Bezug auf die Widerspruchsmarke von einer englischsprachigen Wiedergabe auszugehen ist und daher die ersten beiden Wortsilben der Marken übereinstimmend wie („hɜːbə“ / „hörba“) gesprochen werden, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben. Die schriftbildliche Ähnlichkeit beider Marken ist gering. Von den vier Buchstaben, über die die jüngere Marke zusätzlich verfügt, haben die Buchstaben „l“ und „d“ auch bei Kleinschreibung Oberlängen. Eine erhebliche begriffliche Ähnlichkeit scheidet ebenfalls aus. Sie könnte allenfalls auf der Bedeutung des Wortes „HERBA“ im Sinn von „Kraut, Heilpflanze“ beruhen. Gerade diese Auslegung bezieht sich aber auf einen nicht schutzfähigen Zeichengehalt, so dass diese Bedeutung – abgesehen davon, dass sie auf Seiten der angegriffenen Marke durch die Endung „-LADE“ ohnehin eine Verfremdung erfährt – nicht als Grundlage rechtserheblicher Zeichenähnlichkeit in Betracht kommt (vgl. BPatG, Beschluss v. 18.1.2012, 26 W (pat) 50/10 – FRUTAQUELL/FRUCHTQUELL – verfügbar über PAVIS PROMA).
Allein der Umstand, dass die Widerspruchsmarke „Herba“ den Wortanfang der angegriffenen Marke bildet, führt vorliegend nicht zu einem verwechslungsfähigen Gesamteindruck der Vergleichszeichen. Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die angegriffene Marke durch ihren Wortanfang „HERBA“ kollisionsbegründend geprägt wird. Das angesprochene Publikum nimmt Marken regelmäßig in der Form auf, in der sie ihm entgegentreten, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Dabei kann der Gesamteindruck der jeweiligen Marken zwar durch einzelne Bestandteile geprägt werden, sofern die anderen Bestandteile in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 30 – Villa Culinaria). Eine derartige Prägung, die in erster Linie in Bezug auf mehrgliedrige Marken in Betracht kommt (vgl. BGH GRUR 2010, 729, 732 Rn. 34 – MIXI), mag auch in Bezug auf Einwortmarken wie die angegriffene Marke, die sich einer Aufteilung in trennbare „Bestandteile“ an sich entziehen, nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Besondere Umstände, die vorliegend Anlass gäben, den Bestandteil „HERBA“ der jüngeren Marke als eigenständige Komponente wahrzunehmen, was insbesondere der Fall sein könnte, wenn der Widerspruchsmarke gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzuordnen wäre und ihre Bekanntheit auch die Wahrnehmung der angegriffenen Marke beeinflusst (vgl. BGH GRUR 2008, 905, 907 Rn. 26 – Pantohexal), sind hier jedoch nicht ersichtlich. Die jüngere Marke stellt vielmehr eine geschlossene Gesamtbezeichnung dar, bei welcher der Verkehr keine Veranlassung hat, zwischen einem prägenden Bestandteil „HERBA-“ und einem vernachlässigungsfähigen Bestandteil „-LADE“ zu unterscheiden. Ebensowenig wie der Verkehr in den Begriffen „Schokolade“ und „Marmelade“ – um bei den von der Widersprechenden selbst genannten Beispielen zu bleiben – die Bestandteile „Schoko“ und „lade“ bzw. „Marme“ und „lade“ als selbständige Komponenten wahrnimmt, kommt dies in Bezug auf die angegriffene Bezeichnung in Betracht. Die Wortendung „-LADE“ verfügt über keinen isoliert sinnfälligen und ggf. lösbaren Bedeutungsgehalt, sondern ist integraler Teil dieser Bezeichnungen. Ein prägende Stellung des Wortbestandteil liegt umso ferner, als die Bezeichnung „HERBA“ i.S.v. lateinisch „Kraut, Pflanze“, die im Bereich der Pharmazie eine „Heilpflanze“ bezeichnet, im englischen Ausdruck „herbal tea“ in der Bedeutung „Kräutertee“ und zumindest im Bereich „Tees“ bzw. „Kräutertees“ in zahlreichen eingetragenen Marken als Bestandteil enthalten ist (vgl. den Auszug aus dem Markenregister, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 4. März 2015), und nicht zuletzt deshalb einen deutlichen sprechenden Hinweis auf die Art der Ware enthält.
Es ist bei dieser Sachlage ferner nicht ersichtlich, dass dem Bestandteil „HERBA“ innerhalb der geschlossenen Gesamtbezeichnung „HERBALADE“ eine zwar nicht prägende, aber selbständig kennzeichnende Stellung zukäme. Bei Identität oder Ähnlichkeit eines selbstständig kennzeichnenden Bestandteils mit einem Zeichen älteren Zeitrangs kann Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042 Rn. 31 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859 Rn. 18 – Malteserkreuz I). Ein solches Verständnis setzt indessen das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbstständig kennzeichnend anzusehen (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 50 – Culinaria/Villa Culinaria; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 445). Weder ist hier eine insofern typische Fallgruppe wie die Übernahme einer älteren Marke unter Hinzufügung der eigenen Unternehmensbezeichnung gegeben (vgl. EuGH, a. a O. – THOMSON LIFE) noch bestehen andere Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger besonderer Umstände. Für eine zergliedernde Betrachtung der angegriffenen Marke besteht angesichts des formal und – angesichts der jedenfalls sprechenden Natur der Buchstabenfolge „HERBA-“ in Verbindung mit der Wortendung „-LADE“ – auch inhaltlich gesamtbegrifflichen Charakters der angegriffenen Marke keine tatsächliche Grundlage.
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens, auf den sich die Ausführungen der Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt möglicherweise beziehen (Entscheidung v. 2.10.2014, R 2303/2013-1, Rn. 62), scheidet vorliegend aus. Diese Art der Verwechslungsgefahr kann dann gegeben sein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rn. 38 – METROBUS). Das Vorliegen einer Zeichenserie setzt nach neuerer Rechtsprechung die Benutzung mehrerer Marken mit einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus, damit die angesprochenen Verkehrskreise das gemeinsame Element kennen und mit der Zeichenserie in Verbindung bringen (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 64 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH GRUR 2013, 840 Rn. 23 – PROTI II). Zu einer benutzten Zeichenserie mit einem gemeinsamen Stammbestandteil „HERBA“ ist hier allerdings nichts vorgetragen, so dass eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens abgesehen von der Frage der grundsätzlich wohl stark eingeschränkten Eignung der Bezeichnung „HERBA“ als derartiger Stammbestandteil schon aus diesem Grund ausscheidet.
Auch eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr, die gegeben sein kann, wenn sich trotz vorhandener begrifflicher Unterschiede eine Zusammengehörigkeit der Marken, etwa im Hinblick auf eine entsprechende Markenbildung aufdrängt, ist nicht gegeben. Weder wirkt der Wortanfang „HERBA“ in der angegriffenen Marke ohne weiteres als Herkunftshinweis noch bietet die Endung „-LADE“ Anlass, von einer Zeichenvariation auszugehen, da diese Endung „LADE“ – wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt – keinen als schlichte Variante verständlichen Bedeutungsgehalt hat und auch nicht in dieser Funktion verwendet wird (vgl. Schokolade, Marmelade). Die angegriffene Marke verfügt daher nicht über einen Inhalt oder Aufbau, der sie unter Einbeziehung der betroffenen Waren als Modernisierung, als zielgruppenspezifische oder in sonstiger Weise plausible Variante der anderen erscheinen lassen würde.
Für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn sind ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Die Beurteilung des Streitfalls auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft, die sich vorrangig auf den litauischen Markt bezieht (vgl. Rn. 63 der genannten Entscheidung), hat der Senat berücksichtigt, wenngleich der Entscheidung nicht hinreichend eindeutig zu entnehmen ist, welche Anforderungen die Beschwerdekammer an das Vorliegen einer Abwandlung, die auf die Zugehörigkeit zu einer Produktlinie hindeutet, richtet. Dieser als entscheidend bezeichnete Gesichtspunkt kann jedenfalls in der deutschen Sprache bzw. nach dem deutschen Sprachverständnis nicht nachvollzogen werden. Im Übrigen entbindet die Entscheidung der Beschwerdekammer des HABM den Senat nicht von der eigenen Bewertung der Sach- und Rechtslage, die – wie vorliegend geschehen – vom Ergebnis der Beschwerdekammerentscheidung des HABM abweicht.
Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.
Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.
Über die Beschwerde konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war weder beantragt noch aus Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG.