Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 08.01.2014


BPatG 08.01.2014 - 25 W (pat) 522/13

Markenbeschwerdeverfahren – "kugelförmige Praline mit Streifen (Bildmarke)" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
08.01.2014
Aktenzeichen:
25 W (pat) 522/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 013 576.8

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) am 8. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters k.A. Portmann und des Richters Metternich

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die nachfolgend dargestellte Abbildung

Abbildung

2

ist am 25. Januar 2013 zur Eintragung als Bildmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 30 angemeldet worden:

3

Feine Backwaren und Konditorwaren, Schokolade, Schokoladewaren, Pralinen.

4

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat diese unter der Nummer 30 2013 013 576.8 geführte Anmeldung nach Beanstandung durch Beschluss vom 23. April 2013 zurückgewiesen.

5

Aus Sicht der Markenstelle weist das angemeldete Zeichen i.V.m. den beanspruchten Waren keine Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Ferner bestehe im Interesse des inländischen Geschäftsverkehrs, insbesondere der Mitbewerber der Anmelderin, ein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Bei dem angemeldeten Zeichen handele es sich um die naturgetreue Wiedergabe einer Ware, wie sie vorliegend beansprucht werde. Es verfüge über keine besonderen Gestaltungsmerkmale, sondern erscheine lediglich als weitere Variante im vorhandenen Formenschatz der „feinen Backwaren und Konditorwaren, Schokolade, Schokoladewaren, Pralinen“, zumal es überwiegend geläufige und warentypische Gestaltungselemente dieser Waren und keine die betriebliche Herkunft kennzeichnende Merkmale aufweise. Der Verkehr werde das angemeldete Zeichen daher nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Ferner sei insoweit auch ein Freihaltebedürfnis gegeben.

6

Ihre gegen den vorgenannten Beschluss gerichtete Beschwerde hat die Anmelderin nicht begründet. Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat sie auch keine Stellungnahme zur Beanstandung der Markenstelle vom 22. Februar 2013 abgegeben.

7

Mit Verfügung vom 16. Dezember 2012 (Bl. 18 ff. d.A.) ist die Anmelderin eingehend auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihrer Beschwerde hingewiesen worden, worauf sie ohne eine weitere Stellungnahme zur Sache um Entscheidung gebeten hat.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den weiteren Akteninhalt verwiesen.

II.

9

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG). Sie ist jedoch unbegründet. Das angemeldete Zeichen weist keinerlei Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und besteht ausschließlich aus Angaben, die geeignet sind, die beanspruchten Waren bzw. Merkmale dieser Waren zu beschreiben (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.

10

1. Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f., Tz. 30, 31 - Henkel; GRUR 2004, 943, 944, Tz. 23, 24 - SAT.2; BGH GRUR 2006, 850, 854, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Tz. 60] - Libertel). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. Alber, GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des EuGH mit weiteren Nachweisen).

11

Zweidimensionale Abbildungen von Waren oder deren Verpackungen einerseits und dreidimensionale Formen derselben Waren oder Verpackungen andererseits sind gleich zu behandeln (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., §  8 Rdn. 208 m.w.N.). In Bezug auf solche Marken dürfen zwar keine strengeren Anforderungen angelegt werden als bei sonstigen Markenformen wie etwa Wortmarken, aber auch keine großzügigeren. Wie bei jeder anderen Markenform ist allein zu prüfen, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die jeweils beanspruchten Waren einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht. Eine Marke, die allein die Form bzw. Verpackung der Ware wiedergibt, wird vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wortmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung bzw. der entsprechenden bildlichen Wiedergabe nicht auf die betriebliche Herkunft (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 226, Tz. 28 - Standbeutel und BGH GRUR 2010, 138, Tz. 24 - ROCHER-Kugel). Hinreichende Unterscheidungskraft kommt in derartigen Fällen nur dann in Betracht, wenn sich ein entsprechendes Zeichen nicht nur in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Art der Ware oder deren Verpackung typisch sind, sondern wenn die als Marke beanspruchte Wiedergabe charakteristische Merkmale aufweist, die von der Norm oder dem branchenüblichen Formenschatz erheblich abweichen (EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 49 - Henkel; GRUR Int. 2004, 631, Tz. 39 - Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 639, Tz. 37 - Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2006, 226, Tz. 31 - Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842, Tz. 26 - Form eines Bonbons II; siehe auch BGH GRUR 2004, 329, 330 - Käse in Blütenform; GRUR 2004, 507, 509 – Transformatorengehäuse; BGH GRUR 2010, 138, Tz. 28 - ROCHER-Kugel; vgl. auch die Senatsentscheidungen 25 W (pat) 7/09 vom 14. Januar 2010 = GRUR 2010, 1017 - Bonbonform und 25 W (pat) 192/09 vom 19. August 2010 - Schokoriegel, veröffentlich u.a. bei PAVIS proma).

12

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien, insbesondere der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH kommt der angemeldeten Bildmarke im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren „feine Backwaren und Konditorwaren, Schokolade, Schokoladewaren und Pralinen“ keine Unterscheidungskraft zu. Diese Waren werden seit jeher nicht nur mit den unterschiedlichsten Inhaltsstoffen und Geschmacksrichtungen, sondern auch in einer kaum überschaubaren Formenvielfalt angeboten. Bei Pralinen bzw. Süßwaren ist die Kugelform üblich und stellt eine der Grundformen dar, insbesondere bei Trüffelpralinen. Branchenüblich ist bei Schokoladen- und Süßwaren bzw. Pralinen auch, dass sie in unterschiedlichster Weise verziert sind, wozu auch dunkle und helle Streifen aus Marzipan, Schokolade oder sonstigem hierfür geeigneten Süßwarenmaterial gehören (vgl. die der Anmelderin als Anlagen 1 bis 17 zum Senatshinweis vom 16. Dezember 2013 übersendeten Belege, Bl. 21 ff. d.A.)

13

In diesen üblichen Formenschatz reiht sich die auf der angemeldeten Abbildung dargestellte Praline ohne weiteres ein, ohne dass das angemeldete Zeichen demgegenüber hinreichend charakteristische Merkmale aufweist, die sie aus dem vorgenannten Formenschatz in individualisierender und herkunftshinweisender Weise hervorheben könnten. Daher wird der Verkehr, insbesondere der Endverbraucher von Schokoladen- und Süßwaren in der beanspruchten Warenform nichts anderes als einen weiteren Beitrag zu dem Formenschatz ästhetischer und funktioneller Gestaltungsvarianten bei Schokoladen- und Süßwaren, aber keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft erkennen.

14

2. Die angemeldete Marke erschöpft sich auch darin, die äußere Form der beanspruchten Waren wiederzugeben. Mithin handelt es sich um ein Zeichen, das Eigenschaften dieser Ware, und zwar deren äußere Gestaltung, i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG glatt beschreibt. Es besteht grundsätzlich ein besonderes Interesse der Allgemeinheit daran, dass derartige Gestaltungen nicht einem Unternehmen vorbehalten bleiben, sondern frei verwendet werden können (vgl. BGH GRUR 2010, 138, Tz. 29 - ROCHER-Kugel; GRUR 2004, 502, 505 - Gabelstapler II; GRUR 2008, 1000, Tz. 16 - Käse in Blütenform II).

15

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich. Die Anmelderin hat einen Antrag nach § 69 Nr. 1 MarkenG nicht gestellt. Es waren auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Fragen entscheidungserheblich, die der Erörterung in einer mündlichen Verhandlung gemäß § 69 Nr. 3 MarkenG bedurft hätten.

16

4. Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

17

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

18

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

19

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

20

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

21

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

22

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

23

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.