Entscheidungsdatum: 23.07.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 044 789.6
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Richterin Grote-Bittner
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Die Bezeichnung
BLUT123
ist am 15. August 2011 unter der Nummer 30 2011 044 789.6 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 42 und 44 angemeldet worden:
Klasse 05:
pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, insbesondere Blut für medizinische Zwecke, Blutkonserven, Blutderivatprodukte, Blutplasma;
Klasse 42:
wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere Forschungen auf dem Gebiet der Bakteriologie, biologische Forschungen, Forschungen auf dem Gebiet der Chemie; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen, insbesondere Durchführung chemischer Analysen, Dienstleistungen von chemischen Labors;
Klasse 44:
medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Arztes, Dienstleistungen eines Blutspendedienstes, Dienstleistungen einer Blutbank, Beratungen in der Pharmazie.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamt hat die Anmeldung nach Beanstandung in einem Beschluss durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen.
Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke hinsichtlich aller beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft, so dass dahinstehen könne, ob darüberhinaus auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht. Die angemeldete Bezeichnung setze sich ersichtlich aus dem Begriff "BLUT" und der Zahlenfolge "123" zusammen, wobei die Zahlenreihe von den maßgeblichen Verkehrskreisen als branchentypisches Schlagwort zur Anpreisung schneller Dienstleistungen bzw. schneller Zurverfügungstellung der betreffenden Waren aufgefasst werde. Die Zahlenfolge "123" mit der umgangssprachlichen Bedeutung von "sehr schnell, im Handumdrehen" werde in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, wie einige Internetseiten belegen würden. Die zusammengesetzte Bezeichnung "BLUT123" drücke daher in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich aus, dass diese dazu geeignet oder bestimmt seien, Blut sehr schnell und unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Für die beanspruchten Waren der Klasse 5 sei die Bezeichnung beschreibend, da sie die spezielle Ware Blut benenne. Für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 42 und 44 stelle das Anmeldezeichen ebenfalls eine beschreibende Angabe dar, weil sie auf das Thema bzw. den Gegenstand der Dienstleistungen hinweise, beispielsweise darauf, dass Blutkulturen in Labors auf Bakterien untersucht werde. Des weiteren werde Blut chemisch charakterisiert, Labormedizin und Forschungen würden sich mit Blut beschäftigen und medizinischen und veterinärmedizinische Dienstleistungen könnten beispielsweise eine Blutspende beinhalten oder im Rahmen der Transfusionsmedizin erfolgen.
Hiergegen hat der Anmelderin Beschwerde erhoben.
Sie hält die angemeldete Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weiterhin für schutzfähig, insbesondere stünden ihr nicht die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Bezeichnung "BLUT123" könne schon deshalb nicht ausschließlich beschreibend sein, da es ein Produkt mit dieser Bezeichnung gar nicht gäbe. Vielmehr handele es sich bei der Anmeldemarke um eine originelle Wort-Zahlen-Kombination, die von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Phantasiebegriff aufgefasst werde. Entgegen der Auffassung der Markenstelle erschließe sich ein Bedeutungsgehalt der Anmeldemarke nicht ohne weiteres, wobei die Markenstelle auch eine konkrete und differenzierte Betrachtung der einzelnen beanspruchten Waren und Dienstleistungen unterlassen habe. Eine Auseinandersetzung mit den beanspruchten Dienstleistungen "Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen, insbesondere Durchführung chemischer Analysen" und "Beratung in der Pharmazie" fehle völlig. Lediglich spekulativ seien die Ausführungen der Markenstelle zu den übrigen beanspruchten Dienstleistungen. Es sei nämlich tatsächlich sogar unwahrscheinlich, dass der Durchschnittsverbraucher bei der Bezeichnung "BLUT123" an eine "chemischen Charakterisierung von Blut" in Labors denke. Des Weiteren würden insbesondere "ärztliche Dienstleistungen" üblicherweise nicht mit dem Attribut "schnell" und "unkompliziert" versehen und erst recht nicht Forschungsarbeiten. Schließlich verweist die Anmelderin noch auf Voreintragungen mit dem Wortelement "Blut" oder dem Zeichenbestandteil "123", mit denen sich das Patentamt nicht auseinandergesetzt habe.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. November 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist aber unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass bezüglich der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben ist, so dass die Anmeldung von der Markenstelle zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen worden ist. Ob darüber hinaus in Bezug auf einzelne Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, kann daher dahingestellt bleiben.
1.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 18 FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Tz. 19 FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH - FUSSBALL WM 2006 a.a.O.). Zumindest in diesem Sinne fehlt der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft.
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Von den beanspruchten Waren der Klasse 5 und Dienstleistungen der Klasse 44 sind sowohl breite Kreise der inländischen Verbraucher wie auch Fachleute (Ärzte, Apotheker usw.) angesprochen, während die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 vornehmlich an Fachkreise im Bereich der Biochemie bzw. Chemie gerichtet sind.
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine Wort-Zahlen-Kombination, die der angesprochene Verkehr in Bezug auf alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausschließlich als Hinweis auf Bestimmung oder Eigenschaften der so bezeichneten Produkte in werblich anpreisender Form auffasst, zumal der Verkehr daran gewöhnt ist, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden, ohne dass er in diesen einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen wird. Der inländische Verbraucher und auch die in Bezug auf die Waren der Klasse 5 und Dienstleistungen der Klasse 42 bzw. der Klasse 44 außerdem angesprochenen inländischen Fachleute, nämlich Ärzte und Apotheker bzw. Biochemiker bzw. Chemiker, werden die Anmeldemarke "BLUT123" ohne weiteres und insbesondere ohne gedankliche Zwischenschritte vollziehen zu müssen, in dem Sinne auffassen, dass es sich bei den Produkten selbst um Blut handelt oder Blut Gegenstand der Dienstleistung oder Untersuchungsgegenstand der angebotenen Analyse oder Forschung ist und dass die Waren bzw. die Dienstleistungen sehr schnell bzw. "im Handumdrehen" zur Verfügung gestellt oder ausgeführt werden. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sich selbst zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung zu einem kennzeichnungskräftigen Zeichen verbinden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2006, 680, Tz. 39 - 41 Biomild). Dies ist bei der Anmeldemarke nicht der Fall.
Die angemeldete Bezeichnung "BLUT123" ist für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres erkennbar aus dem Wort "BLUT" und der Zahlenfolge "123" zusammengesetzt, wobei es sich bei "Blut" um eine dem Stoffwechsel dienende, im Körper des Menschen und vieler Tiere zirkulierende rote Flüssigkeit handelt (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., S. 319, auf das die Markenstelle im Beanstandungsbescheid vom 20. September 2011 hinweist, Bl. 9 der Patentamtsakte; s. auch die aktuelle Ausgabe: DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., 332). Die Zahlenreihe "123" (eins zwei drei) hat umgangssprachlich die Bedeutung von "sehr schnell" bzw. "im Handumdrehen" (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., S. 467, auf das die Markenstelle im Beanstandungsbescheid vom 20. September 2011 hinweist, Bl. 9 der Patentamtsakte; s. auch die aktuelle Ausgabe: DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 488). Dafür, dass der Endverbraucher und der Fachverkehr die Zahlenkombination "123" als die ersten drei Grundzahlen in numerisch aufsteigender Folge, also "eins, zwei, drei", dabei als Synonym im vorgenannten Sinne auffassen wird, spricht zum einen, dass die Zahlenfolge dem Sachwort "BLUT" nachgestellt ist und in Bezug auf dieses als Steigerungselement erscheint, und zum anderen, dass der angesprochene Verkehr auf der Hand liegende Bedeutungen erkennen und unmittelbare Schlussfolgerungen ziehen wird. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Zahlenelement nicht für sich allein, sondern im Kontext des konkreten Gesamtzeichens, hier also mit dem Sachbegriff, und im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten, die so gekennzeichnet werden sollen, zu betrachten und beurteilen ist (s. auch Beschluss vom 17. April 2012 des 24. Senats, 24 W (pat) 521/10 – pool123, zu finden in PAVIS PROMA, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen betreffend Anmeldezeichen mit der Zahlenreihe 123). Daher ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die Ziffernfolge "123" von den angesprochenen Verkehrskreisen als nicht sinngebende Zahl "Einhundertdreiundzwanzig" wahrgenommen wird, zumal die schnelle Verfügbarkeit von Blut bei Unfällen oder Katastrophen mit vielen Schwerverletzten für den Erfolg von lebensrettenden Maßnahmen von entscheidender Bedeutung ist und deshalb ein entsprechendes beschreibendes Verständnis der Ziffernfolge "123" außerordentlich nahe liegt.
Bei den beanspruchten Waren der Klasse 5, nämlich "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, insbesondere Blut für medizinische Zwecke, Blutkonserven, Blutderivatprodukte, Blutplasma", handelt es sich entweder selbst um Blut bzw. Blutplasma oder um Blutprodukte bzw. Blutpräparate; sie betreffen also dieses Element des menschlichen bzw. tierischen Körpers, worauf mit dem Wortbestandteil "BLUT" in der Anmeldemarke nur nochmals hingewiesen wird. Dies gilt gleichermaßen für die beanspruchten Dienstleistungen "Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Blutspendedienstes, Dienstleistungen einer Blutbank", die ebenfalls auf das Tätigkeitsfeld Blut betreffend hinweisen. Aber auch die übrigen beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 42 und 44 können einen engen Bezug zu dem Themenbereich Blut aufweisen. Die medizinische Dienstleistung des Arztes und damit auch die Beratungsleistung des Apothekers können sich beispielsweise auf Personen beziehen, die mit blutverdünnenden oder -gerinnungshemmenden Medikamenten behandelt werden müssen. Ein sehr schneller Bezug des Präparats kann dabei je nach Zustand des Patienten eine wesentliche Bedeutung haben. Des Weiteren können industrielle Forschungs-, Analyse-, Labordienstleistungen Blut zum Untersuchungsgegenstand haben. Die Analyse von Blut ist ein wichtiges Mittel der Krankheitsdiagnostik. Dementsprechend werden diesbezügliche Analyse- und Labordienstleistung regelmäßig und oft von Ärzten in Anspruch genommen, wobei ein schnellstmöglicher Erhalt von Analyse- bzw. Laborergebnissen je nach Krankheitsbild sehr wichtig sein kann. Auch die wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, insbesondere auf dem Gebiet der Bakteriologie, biologischen Forschung, Forschung auf dem Gebiet der Chemie können die Materie Blut zum Gegenstand haben, wobei inzwischen auch auf diesen Gebieten aus Wettbewerbsgründen – um einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern zu erlangen - die zeitliche Komponenten eine immer wichtigere Rolle spielt. Zudem wird Schnelligkeit in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft generell als positives Verkaufs- oder Dienstleistungsmerkmal angesehen.
Damit erschöpft sich die angemeldete Wort-Zahlen-Kombination in der Summe ihrer sachbezogenen und anpreisenden Einzelelemente und weist keinen schutzbegründenden Überschuss auf.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
2.
Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Die Anmelderin hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Der Senat hat eine mündliche Verhandlung auch nicht aus anderen Gründen für erforderlich gehalten, zumal auch keine Tat- oder Rechtsfragen klärungs- oder in mündlicher Verhandlung erörterungsbedürftig erscheinen.