Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.04.2012


BPatG 24.04.2012 - 25 W (pat) 520/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Microfoam" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
24.04.2012
Aktenzeichen:
25 W (pat) 520/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 072 888.4

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Bezeichnung

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Microfoam

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ist am 13. Dezember 2010 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die Waren der Klasse 5 "Arzneimittel" angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2010 072 888.4 geführte Anmeldung nach vorheriger Beanstandung durch Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen.

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Nach Auffassung der Markenstelle stehen der Eintragung der angemeldeten Bezeichnungen die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Der Bezeichnung "Microfoam" sei im Zusammenhang mit "Arzneimittel" eine beschreibende Angabe für deren Beschaffenheit, nämlich dahingehend, dass diese aus Mikroschaum bestehe. Denn der Verkehr werde die sprachüblich gebildete Wortkombination bestehend aus zwei Begriffen der englischen Sprache, also "Micro", was für etwas sehr Kleines stehe, und "Foam", der mit "Schaum" übersetzt werde, in ihrer Bedeutung von "Mikroschaum" verstehen. Über diesen rein beschreibenden Gehalt der zwei Begriffe gelange die angemeldete Kombinationsbezeichnung nicht hinaus. Daher fehle ihr auch jegliche Unterscheidungskraft.

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Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde erhoben.

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Sie hält die angemeldete Bezeichnung für schutzfähig. "Microfoam" werde von dem Verkehr in nichtanglophonen Ländern wie Deutschland als Phantasiewort gesehen, da dieser die Bezeichnung nicht ohne weiteres zu übersetzen vermag und im Duden kein vergleichbares Wort zu finden sei. Zwar erkenne der inländische Verkehr, dass sich die angemeldete Bezeichnung aus zwei Begriffen zusammensetze, nämlich dem an ein griechisches Wort angelehnten Begriff "Micro" und dem weiteren aus dem Englischen stammenden Wortbestandteil "foam", dessen Bedeutung er aber nicht kenne. Aber selbst wenn man unterstelle, dass von dem inländischen Verkehr Englisch als Fremdsprache zumindest auf einem gewissen Niveau verstanden werde, gehöre der Begriff "foam" jedenfalls nicht zu seinem Grundwortschatz und werde daher von ihm nicht übersetzt werden können. Als einziges kontinentaleuropäisches Pharmaunternehmen, das aufschäumbare Injektionslösungen zum Veröden z. B. von Krampfadern, Hämorrhoiden, usw. basierend auf dem Wirkstoff Polidocanol entwickelt habe, außerdem herstelle und wissenschaftlich begleite und unter verschiedenen Marken Arzneimittel in vielen europäischen Ländern und darüber hinaus in Australien, Ägypten, Japan usw. vertreibe, möchte die Anmelderin ihr Produkt "Microfoam" auch markenmäßig schützen.

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Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. März 2011 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

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Der Senat hat die Anmelderin unter Übersendung verschiedener Rechercheunterlagen mit Verfügung vom 24./28. Februar 2012 auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hingewiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist jedoch unbegründet, da die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren eine beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt und ihr auch die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 MarkenG.

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Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rdn. 265). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 30, 31 - Chiemsee; EUGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Dabei können Bestimmungsangaben allgemeiner Art sein oder sich auf einzelne Bestimmungen beziehen, wie z. B. Abnehmerkreise, Verwendungszweck, Vertriebs- und Erbringungsart, -ort oder -zeit usw. (vgl. Ströbele/Hacker, 10. Aufl., § 8 Rdn. 323 m. Rspr.nachw.). Nicht erforderlich ist, dass die Waren und Dienstleistungen ausschließlich für den betreffenden Zweck bestimmt sind, vielmehr genügt, wenn dieser neben anderen in Betracht kommt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 323).

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Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 - Chiemsee; EuGH GRUR 2006, 411, Tz. 24 - Matrazen Concord). Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 35 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, Tz. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Tz. 98 - Postkantoor).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht die Bezeichnung "Microfoam" ausschließlich aus Angaben, welche geeignet sind, Beschaffenheit und Bestimmung der beanspruchten "Arzneimittel" unmittelbar zu beschreiben. Sie setzt sich aus den englischen Begriffen "Micro" und "foam" zusammen und wird vom Verkehr, bei dem es sich neben dem allgemeinen Verbraucher vornehmlich um die im Englischen sehr versierten Fachleute, nämlich Apotheker und Ärzte handelt, ohne weiteres als "Mikroschaum" verstanden werden. "Mikro" oder "Micro" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "klein, eng" (s. wikipedia, die Unterlagen hierzu sind der Anmelderin mit Hinweis des Senats vom 24./28. Februar 2012 als Anlage 1 übersandt worden, Bl. 14 - 16 d. A.) und wird in der deutschen wie auch in der englischen Sprache überwiegend in Fachausdrücken, dabei auch im Bereich der Medizin verwendet, z. B. "Mikroskop, Mikrobe, Mikrobiologie, Mikrofaser, Mikrochipo" (siehe hierzu wikipedia, Bl. 14 - 16 d. A.) bzw. "microaneurysma, microbacterium, microbis, microbiosis, microcoria, microculture, microcytase, micronodular" uvm. im Englischen (vgl. Fachwörterbuch Medizin, Englisch-Deutsch, 2002; diese Unterlagen sind der Anmelderin mit Hinweis des Senats vom 24./28. Februar 2012 als Anlage 2 übersandt worden, Bl. 17 - 23 d. A.). Dabei bedeutet "micro" auch in der englischen Sprache "(sehr) klein" (s. Muret-Sanders, Langenscheidt, Wörterbuch Englisch-Deutsch, 2010; die Unterlagen hierzu sind der der Anmelderin mit Hinweis des Senats vom 24./28. Februar 2012 als Anlage 3 übersandt worden, Bl. 23 d. A.). Der weitere Wortbestandteil "Foam" der angemeldeten Bezeichnung wird mit "Schaum" übersetzt (s. Muret-Sanders, Langenscheidt, Wörterbuch Englisch-Deutsch, 2010, der der Anmelderin ebenfalls mit Hinweisverfügung des Senats vom 24./28. Februar 2012 übersandt wurde, Bl. 24 d. A.) und ist in Kombination mit anderen Wortbestandteilen u. a. bei Medikamenten zu finden, z. B. ASKINA Foam, ALGOFLOGEN Foam, wobei es sogar die angemeldete Bezeichnung "Microfoam" selbst für medizinische Pflaster schon gibt (s. google-Recherche, die der Anmelderin mit Hinweis des Senats vom 24./28. Februar 2012 als Anlage 4 übersandt worden ist, Bl. 26 - 28 d. A.). Mit "Mikroschaum"-Behandlung wird darüber hinaus eine Behandlungsmethode zur Venenverödung bezeichnet, bei der durch eine kleine Kanüle unter Ultraschallkontrolle ein Mikroschaum mit Polidocanol eingebracht wird, die als neues Verfahren von deutschen Kliniken angeboten wird (siehe Internetrechercheunterlagen, die der Anmelderin mit Hinweis des Senats vom 24./28. Februar 2012 als Anlage 5 übersandt worden sind, Bl. 30 d. A.). Die Bezeichnung "Microfoam" ist daher geeignet, einen Hinweis auf das bei dieser Behandlungsmethode verwendete Arzneimittel und dessen Beschaffenheit zu geben. Ob der Verbraucher "microfoam" als in dieser Weise beschreibend erkennt, kann offen bleiben, da für die beanspruchten "Arzneimittel" auch auf die gewerblichen Mitbewerber abzustellen ist, also auch auf das Verständnis der Ärzte und Apotheker (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 100; Ströbele, MarkenR 2006, 433, 435). Deren Verständnis ist für die Fragen des Freihaltebedürfnisses der Bezeichnung "Microfoam" ausreichend und damit für die Frage der Schutzfähigkeit entscheidungserheblich. Soweit die Anmelderin behauptet, dass sie die aufschäumbare Injektionslösung für oben genannte Behandlungsmethode entwickelt habe und als einziges Unternehmen herstelle, ändert dies nichts daran, dass es eine "Mikroschaum"-Behandlung bereits gibt und sich die angemeldete Bezeichnung im Zusammenhang mit den bei einer entsprechenden Behandlung eingesetzten Arzneimitteln als glatt beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eignet und daher nicht monopolisiert werden darf.

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Darüber hinaus ist es naheliegend, dass der Begriff "Microfoam" im Sinne von "Mikroschaum" auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Dermatika als beschreibende Angabe für die Konsistenz und Beschaffenheit eines entsprechenden Arzneimittels Verwendung finden kann.

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Im Hinblick auf die warenbeschreibende Bedeutung in Bezug auf die beanspruchten Waren wird der Verkehr darüber hinaus in der angemeldeten Bezeichnung lediglich eine Sachangabe und keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, so dass ihr auch die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.