Entscheidungsdatum: 22.06.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 011 351.3
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Schmid sowie der Richterin Kriener
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Street Tattoo
ist am 14. April 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden. Derzeit wird noch Schutz begehrt für folgende Waren:
Klasse 2: Farben, Grundierfarben; Lacke und Lackfarben; Grundiermittel und Grundierlasuren; Voranstrichlasuren; Grundieranstrichmittel und Anstrichlasuren; licht- und wetterbeständige oder imprägnierende Anstrichmittel; Markierungsfarben; Voranstrichmittel (Primer); Haftgrundmittel;
Klasse 19: Glasgranulat für die Straßenmarkierung; Straßenmarkierungsfolien und -platten aus Kunststoff.
Auf die ursprünglich zusätzlich angemeldeten Waren der Klasse 17 hat die Anmelderin mit Schreiben vom 8. August 2011 verzichtet.
Mit Beschluss vom 14. Januar 2013 hat die Markenstelle für Klasse 2 des DPMA die unter der Nummer 30 2011 011 351.3 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Das angemeldete Zeichen sei eine Kombination einfacher Begriffe der englischen Sprache, die auch als Gesamtaussage von den angesprochenen Verkehrskreisen mühelos im Sinne von „Straßen-Tattoo“ bzw. „Straßentätowierung“ verstanden werde, zumal die jeweiligen englischen Begriffe bereits in anderen Bereichen in ähnlicher Weise kombiniert würden. So seien die Bezeichnungen Zahntattoo, Wandtattoo, Autotattoo, Fenstertattoo und Zusammensetzungen mit dem Begriff „Street“ wie Streetworker, Streetball, Streethockey gebräuchlich. Die Kombination der für sich gesehen nicht schutzfähigen Wörter vermittle keinen phantasievollen Gesamteindruck. Bei der angemeldeten Wortkombination handele es sich lediglich um den erkennbaren Hinweis, dass sich die beanspruchten Waren auf die „Motivgestaltung des Straßenbelages“ bezögen. Ausgehend davon würde das angesprochene Publikum in der angemeldeten Wortfolge lediglich einen beschreibenden Sachinhalt in Bezug auf die Bestimmung und die Art der Waren erkennen. Da die angemeldete Bezeichnung, wie eine Recherche zeige, von Mitbewerbern der Anmelderin verwendet werde, bestehe auch ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Wortfolge i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Der Hinweis der Anmelderin auf eine gleichlautende Internationale Registrierung mit Schutz für das Gebiet der Europäischen Union und auf eingetragene ähnliche Marken rechtfertige keine andere Beurteilung und Entscheidung. Ebenso wenig führten der Umstand, dass die Anmelderin die Bezeichnung sozusagen erfunden habe oder die fehlende lexikalische Nachweisbarkeit zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden. Nur wenn das angemeldete Zeichen nicht einmal ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft aufweise, läge das Eintragungshindernis vor. Für die Beurteilung dieser Frage sei von Bedeutung, ob das angemeldete Zeichen ohne weiteres erkennbar eine Sach- oder Werbeaussage enthalte oder eine solche nur durch eine sprachregelwidrige Bildung, die Verwendung von Begriffen im übertragenen Sinn, eine ironische Verfremdung oder generell zusätzliche gedankliche Schritte zur Feststellung des Inhalts erforderlich seien. Bei der Wortkombination „Street Tattoo“ handele es sich um der englischen Sprache entnommene Kennzeichenbestandteile. Solchen fremdsprachigen Angaben komme nur dann keine Unterscheidungskraft zu, wenn für das inländische Publikum ein zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung ausschließlicher Sinngehalt erkennbar sei. Selbst wenn der Wortkombination aber die deutsche Übersetzung im Sinne von „Tätowierung auf Straßen“ zugrunde gelegt werde, sei die Unterscheidungskraft zu bejahen. Denn in der angefochtenen Entscheidung werde verkannt, dass der Begriff „Tattoo“ nicht allgemein im Sinn von „Motivgestaltung“ verwendet werde. Vielmehr sei ein „Tattoo“ eine Tätowierung, also ein bleibendes Bild, Muster oder Wort auf der Haut, bei dem die Farbe durch den Gebrauch von Nadeln unter die Haut gebracht werde. Um zu einem Bedeutungsgehalt des Zeichens im Sinn einer „Motivgestaltung des Straßenbelages“ zu gelangen, seien daher zumindest mehrere Gedankenschritte erforderlich. Dies rechtfertige die Bejahung der Unterscheidungskraft. Die Wortkombination deute allenfalls einen Sachinhalt an und sei als ein sprechendes Zeichen anzusehen. Ausgehend hiervon sei auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben, da hierunter nur unmittelbar beschreibende Angaben fallen würden. Werde eine beschreibende Angabe nur angedeutet und allenfalls aufgrund gedanklicher Schlussfolgerungen erkennbar, stehe das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aber einer Eintragung regelmäßig nicht entgegen.
Die Anmelderin verweist auf die aus ihrer Sicht vergleichbaren Voreintragungen der deutschen Wortmarken „Car-Tattoo“ (Nr. 2 065 738) und „Wandtattoo“ (Nr. 30 2009 007 809), denen zwar keine Bindungswirkung zukomme, die aber eine besonders genaue Überprüfung der Beanstandungen des Amtes nahe legten.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Januar 2013 aufzuheben und die Eintragung der Marke „Street Tattoo“ anzuordnen.
Der Senat hat die Anmelderin in einem Hinweis zur Terminsladung vom 23. April 2015 auf Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Beschwerde hingewiesen und u. a. Unterlagen, die eine Verwendung der Bezeichnungen „Wandtattoo“ wie auch „Street Tattoo“ selbst nachweisen, übermittelt. Die Anmelderin hat daraufhin ihren ursprünglich hilfsweise gestellten Terminsantrag zurückgenommen und um eine Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Street Tattoo“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie übereinstimmende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt vor allem das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben können, von allen frei verwendet werden können. Sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen und Angaben infolge ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden. Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung ist allein die Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 25, 30, 32 – Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rn. 31 f. – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 9, 17 – Rheinpark-Center Neuss).
Für die Beurteilung der Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 29 – Chiemsee; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord). Ist die Eignung für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Produkte festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 30 – Chiemsee; a. a. O. Rn. 32 –DOUBLEMINT, GRUR 2004, 674 Rn. 98 – Postkantoor).
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem angemeldeten Zeichen „Street Tattoo“ für die angesprochenen Abnehmer entsprechender Waren und erst recht für das am Handel beteiligte Fachpublikum ohne weiteres erkennbar ausschließlich um eine Angabe, die geeignet ist, Merkmale der beschwerdebefangenen Waren zu beschreiben.
Die angemeldete Wortfolge besteht aus dem englischen, durch Begriffe wie Streetball, Streetdance, Streetwear oder Streetworker (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 26. Auflage 2013) den deutschen Verbrauchern geläufigen Wort „Street“ mit der Bedeutung Straße und dem in die deutsche Sprache übernommenen ursprünglich englischen Wort „Tattoo“ mit der Bedeutung „Tätowierung“ (vgl. ebenso Duden, a. a. O.). Ausgehend hiervon ist für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise, Fachkreise und interessierte Verbraucher, die Gesamtbedeutung der Wortfolge im Sinne von „Straßentattoo“ oder „Straßentätowierung“ ohne weiteres erkennbar. Der Begriff „Tattoo“ hat, anders als es die Anmelderin meint, nicht mehr nur die ursprüngliche engere Bedeutung im Sinne einer „Tätowierung auf der Haut“, sondern ist, wie es aus den mit dem Ladungszusatz (Anlagen 1 und 2) und den mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Januar 2013 übersandten Rechercheunterlagen bereits ersichtlich ist, darüber hinaus auch ganz allgemein für „bildliche Darstellungen“ auf anderen „Untergründen“ (Wände, Fenster, Auto) gebräuchlich. Dabei bezeichnet der jeweils vorangestellte Begriff den jeweiligen Untergrund, auf dem die bildliche Darstellung angebracht ist. So lässt sich die Verwendung der Bezeichnung „Straßen-Tattoo“ und auch die Bezeichnung „Street Tattoo“ für auf der Straße aufgebrachte Texte, Straßenmarkierungen oder auch Verkehrskennzeichnungen nachweisen. Gebräuchlich ist zudem die Bezeichnung „Wandtattoo“ für eine bildlich-dekorative Darstellung an Wänden (Wohnungswänden oder Hausaußenwänden). Insoweit existiert ein sehr großes Warenangebot an entsprechenden „Wandtattoos“. Selbst wenn die Bezeichnungen „Straßen-Tattoo“ und auch „Street Tattoo“ nicht in dem gleichem Maß üblich sein mögen, ist angesichts der gebräuchlichen Bezeichnung „Wandtattoo“ der Rückschluss dahingehend, dass mit der Bezeichnung „Street Tattoo“ eine Darstellung - Text, Bild, Dekoration oder auch Straßenkennzeichnungen - auf der Straße bezeichnet werden soll, überaus naheliegend und erfordert keine mehrstufige gedankliche Analyse oder auch nur ein komplexeres Nachdenken. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme der Beschwerdeführerin, der Sinngehalt des angemeldeten Zeichens werde vom inländischen Verkehr mangels entsprechender Fremdsprachenkenntnisse nicht verstanden, fern.
Die angemeldete Bezeichnung besteht damit ausschließlich aus solchen Angaben, die geeignet sind, Merkmale der vorliegend beanspruchten Waren zu beschreiben. Denn sämtliche angemeldeten Waren der Klassen 2 und 19 können als Farben, Lacke, Grundierungen, Glasgranulate für die Straßenmarkierung sowie für Straßenmarkierungsfolien oder -platten für die Herstellung von bildlich-dekorativen Darstellungen oder auch „Straßenkennzeichnungen“, sei es zur Bildgestaltung der Oberfläche des Tattoos selbst oder als Untergrundmaterialien (Voranstrichmittel, Haftgrundmittel) bestimmt und geeignet sein. So können beispielsweise die Lacke und Farben mit Hilfe von Schablonen oder Sprays auf Bürgersteige und Straßen aufgebracht werden und Schriftzüge, die Informationen oder Werbehinweise enthalten, Abbildungen und Logos, Straßenmarkierungen, Verkehrskennzeichnungen oder auch Sonderzeichen (Nichtrauchersymbole, Hüpfkästchen) wiedergeben. Das gleiche gilt für entsprechend gestaltete speziell zur Anbringung auf den Straßenuntergrund geeignete Folien oder Platten. Die angemeldete Bezeichnung eignet sich insoweit für alle beanspruchten Waren als Art- oder Bestimmungsangabe und unterliegt als solche dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Soweit eine warenbeschreibende Bedeutung der angemeldeten Wortfolge zu bejahen ist, werden die angesprochenen Verkehrskreise der Wortfolge „Street Tattoo“ auch keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern lediglich einen Hinweis auf die Art bzw. die Bestimmung der Waren entnehmen, so dass dem angemeldeten Zeichen insoweit zudem die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, dass „Street Tattoo“ vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) für schutzfähig gehalten wurde, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Nach der umfangreichen und gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2009, 667 Rn. 17 - 19 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47 - 51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42 - 44 - Postkantoor), des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespatentgerichts (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 - VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt) ist selbst identischen Eintragungen weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung zu entnehmen (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ungeachtet dessen genießt schon die von der Anmelderin genannte Voreintragung „Car-Tattoo“ (Nr. 2 065 738) seit dem 9. Juni 2003 keinen registerrechtlichen Schutz mehr (Anlage 3 zum Ladungszusatz) und handelt es sich bei der Eintragung der Marke „Wandtattoo“ (Nr. 30 2009 007 809) bereits um eine von der Warenlage her nicht vergleichbare Eintragung, da Materialien oder Waren zur Herstellung von „Wandtattoos“ nicht beansprucht sind. Angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Tattoos im Allgemeinen und der Erweiterung deren Einsatzmöglichkeiten auf andere Untergründe als der Haut spricht auch viel dafür, dass der Sprachgebrauch in Bezug auf den Begriff „Tattoo“ in Deutschland in der Vergangenheit mit dem von heute bzw. dem des Jahres 2011, dem insoweit maßgeblichen Jahr der Anmeldung, nicht vergleichbar ist. Auch zeigen die der Anmelderin mit der Ladung übersandten Registerauszüge (Anlage 6), dass warenmäßig vergleichbare Wortanmeldungen u. a. mit der Bezeichnung „Wand Tattoo“ vom Deutschen Patent- und Markenamt seit etwa dem Jahr 2004 regelmäßig zurückgewiesen worden sind.
Nach alledem war die Beschwerde daher zurückzuweisen.