Entscheidungsdatum: 17.01.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2008 061 845
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. September 2011 aufgehoben und es wird aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 002 833 267 die Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 061 845 angeordnet.
I.
Das am 26. September 2008 angemeldete, nachfolgend abgebildete Zeichen
ist am 2. Juni 2010 unter der Nummer 30 2008 061 845 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 19 eingetragen worden:
Baumaterial, nicht aus Metall; Bauplatten, nicht aus Metall; Außenputzbeschichtungen, nicht aus Metall, mit strukturgebenden Oberputzen.
Dagegen hat die Inhaberin der am 2. September 2002 angemeldeten Gemeinschaftsmarke
ISO-PROFIL,
die am 23. Oktober 2006 für diverse Waren der Klassen 16, 17 und 20 unter der Nummer 002 833 267 eingetragen wurde, Widerspruch erhoben. Der Widerspruch wird auf die nachfolgend genannten und für die Widerspruchsmarke geschützten Waren der Klasse 17 gestützt:
Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Glimmer und Waren daraus (soweit in Klasse 17 enthalten); Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Dichtungsmittel; Isoliermittel; Schläuche (nicht aus Metall).
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 14. September 2011 zurückgewiesen.
Die Markenstelle ist der Auffassung, dass zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Die Vergleichsmarken könnten sich zwar auf teilweise ähnlichen Waren begegnen. Die „Abdichtungs- und Isoliermaterialien“ der Widerspruchsmarke würden auch im Baubereich benutzt, so dass insoweit Ähnlichkeit zu den Waren „Baumaterialien, nicht aus Metall“ der angegriffenen Marke bestehe. Ferner könne die Ware „Putze“ der angegriffenen Marke auf der Ware „Isoliermaterialien“ der Widerspruchsmarke, nämlich im Falle von Außenisolierungen für Hauswände, angebracht werden, so dass auch insoweit Ähnlichkeit vorliege. Die Widerspruchsmarke weise eine sehr geringe Kennzeichnungskraft auf, was entscheidungsrelevante Bedeutung habe. Bei der aus den Wortelementen „Iso“ und „Profil“ zusammengesetzten Widerspruchsmarke handele es sich um eine Angabe, die zum Ausdruck bringe, dass die betreffenden Waren isolierten oder isoliert seien bzw. bei der Isolierung Verwendung fänden und dabei ein Profil, d. h. eine(n) gewisse(n) Struktur, Querschnitt oder Umriss aufwiesen. Die Widerspruchsmarke stelle daher eine in Bezug auf die Widerspruchswaren beschreibende Angabe dar, bei der der Verkehr kaum Veranlassung habe, darüber hinaus einen betrieblichen Herkunftshinweis zu erkennen. Die Widerspruchsmarke weise somit einen allenfalls am untersten Rand liegenden Grad an Kennzeichnungskraft auf. Zwar bestehe in klanglicher Hinsicht Markenidentität. Gleichwohl sei auch in Bezug auf ähnliche Waren wegen der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke Verwechslungsgefahr zu verneinen, zumal eine Übereinstimmung in beschreibenden Angaben für die Bejahung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht ausreiche.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Die Widersprechende hat ihre Beschwerde schriftsätzlich nicht begründet. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2013 hat sie darauf hingewiesen, dass die Vergleichsmarken klanglich identisch und schriftbildlich nahezu identisch seien und sich auf identischen bzw. sehr ähnlichen Waren begegnen könnten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht geschwächt, zumal – anders als von der Markenstelle angenommen - die Abkürzung „Iso“ für „Isolierung“ unüblich sei, so dass es sich bei der Widerspruchsmarke allenfalls um eine sprechende Marke handele. Unter Abwägung der vorgenannten Umstände sei Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. September 2011 aufzuheben und die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 002 833 267 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich im Beschwerdeverfahren ebenfalls schriftsätzlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2013 hat sie sich der Auffassung der Markenstelle angeschlossen. Insbesondere geht sie von einer deutlich geschwächten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und nach Abwägung aller Fallumstände von fehlender Verwechslungsgefahr aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG). Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben und gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 002 833 267 die Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 061 845 anzuordnen war.
1.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, Tz. 18 - PICASSO; GRUR 1998, 387, Tz. 22 - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH GRUR 2009, 772, Tz. 31 – Augsburger Puppenkiste; vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40).
a)
Die Vergleichsmarken können sich auf teilweise identischen Waren und im Übrigen auf Waren in engstem Ähnlichkeitsbereich begegnen.
Zwischen den Waren „Baumaterial, nicht aus Metall“ der angegriffenen Marke und den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren der Klasse 17, auf die der Widerspruch gestützt war, besteht in Bezug auf den Teilbereich der Waren „Dichtungs- und Isoliermaterial; Dichtungsmittel, Isoliermittel“ der Widerspruchsmarke Warenidentität. Der Begriff „Baumaterial, nicht aus Metall“ ist weit gefasst und umfasst letztlich jedes Material, welches bei Hoch- und Tiefbau zum Einsatz kommen kann, solange es nicht aus Metall ist. Dichtungsmaterial und -mittel sind ohne weiteres unter den weiten Oberbegriff „Baumaterial“ im vorgenannten Sinne zu fassen, so dass insoweit von Warenidentität auszugehen ist.
Das gleiche gilt in Bezug auf „Bauplatten, nicht aus Metall“ der angegriffenen Marke und den vorgenannten Waren der Widerspruchsmarke. „Bauplatten“ sind nichts anderes als „Baumaterial“ in einer bestimmten Form, nämlich in Form fester Platten. Dies können auch Wärmedämmplatten sein, die ihrerseits als „Material zur Isolierung von Wärme in Form einer Platte“ angesehen werden und damit in Richtung des Oberbegriffs „Isoliermaterial“ aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke subsumiert werden können (z.B. beim Einsatz von Styroporplatten, die zur besseren Wärmedämmung auf Fassaden aufgebracht werden). Dann aber erscheint es angezeigt, auch hinsichtlich der „Bauplatten nicht aus Metall“ von Warenidentität, zumindest aber von einer hochgradigen Ähnlichkeit auszugehen.
Auch in Bezug auf die verbleibenden Waren der angegriffenen Marke, nämlich „Außenputzbeschichtungen, nicht aus Metall, mit strukturgebenden Oberputzen“ ist von enger Warenähnlichkeit auszugehen. Es gibt nämlich in diesem Warenbereich auch Produkte wie etwa „Wärmedämmputz“ (siehe dazu den als Anlage 1 zum Ladungszusatz vom 14./18. Dezember 2012 beigefügten und den Beteiligten übersendeten Beleg, Bl. 28 – 31 d.A.) oder „Isolierputz“ (siehe dazu den als Anlage 2 zum Ladungszusatz vom 14./18. Dezember 2012 beigefügten und den Beteiligten übersendeten Beleg, Bl. 32 – 33 d.A.), die gerade wegen ihrer wärmeisolierenden Eigenschaften verwendet werden (ggf. auch als Alternative zu Dämmplatten). Damit bestehen auch insoweit erhebliche Überschneidungen zu dem für die Widerspruchsmarke geschützten „Isoliermaterial“, so dass auch diese Waren im Verhältnis zu den vorgenannten Waren der Widerspruchsmarke in engstem Ähnlichkeitsbereich stehen.
b)
Schriftbildlich heben sich die Vergleichsmarken lediglich durch den in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bindestrich und die in der angegriffenen Marke enthaltene grafische Gestaltung voneinander ab, wobei aber diese grafische Gestaltung werbeüblich ist und deshalb für sich genommen keine schutzbegründende Eigenart aufweist. In klanglicher Hinsicht sind die Vergleichsmarken identisch.
c)
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob entsprechend der Auffassung der Markenstelle die Wortkombination „Iso-Profil“ als Sachhinweis aufzufassen und deswegen die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als erheblich unterdurchschnittlich anzusehen ist. Zwar spricht einiges dafür, dass der Bestandteil „Iso“ geeignet sein könnte, i.S.e. Abkürzungsform auf ein Material hinzuweisen, welches eine isolierende Funktion hat (vgl. z.B. den Begriff „Isoband“). Ferner bezeichnet der Begriff „Profil“ im Zusammenhang mit Baumaterialien einschließlich dabei eingesetzter Isoliermaterialien eine(n) gewisse(n) Struktur, Querschnitt oder Umriss des jeweiligen Materials.
Ob allerdings die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der vorgenannten Umstände in dem Gesamtbegriff „Iso-Profil“ überwiegend einen Sachhinweis auf Eigenschaften der damit gekennzeichneten Waren erkennen werden und deswegen die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren als erheblich geschwächt zu erachten ist, kann offenbleiben. Denn auch dann, wenn man zugunsten der Markeninhaberin von einer deutlichen Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke ausgeht, ist ihr gleichwohl ein gewisser Mindestschutzumfang einzuräumen. Bei der für die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung fällt im vorliegenden Fall besonders ins Gewicht, dass die Vergleichsmarken klanglich identisch und schriftbildlich hochgradig ähnlich sind. Dann aber hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke in den Bereichen nicht mehr ein, in denen sie zur Kennzeichnung identischer oder sehr ähnlicher Waren verwendet werden kann, was, wie ausgeführt, vorliegend der Fall ist.
Nach alledem besteht in Bezug auf alle Waren der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr, so dass die Löschung der angegriffenen Marke in vollem Umfang anzuordnen war.
2.
Eine Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG war nicht veranlasst.