Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.03.2011


BPatG 03.03.2011 - 25 W (pat) 508/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Touchpilot" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
03.03.2011
Aktenzeichen:
25 W (pat) 508/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 024 879.3

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Bezeichnung

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Touchpilot

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ist am 16. April 2008 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden, und zwar für die folgenden Waren:

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"Mess-, Steuer-, Regel-, Schalt-, Überwachungs- und Anzeigegeräte, insbesondere zur Regelung, Steuerung, Überwachung, Störungsmeldung und Ablaufoptimierung von haustechnischen oder industriellen Prozessen; Schnittstellengeräte mit Ein- und Ausgabewerken für vorstehende Geräte; Software; Datenverarbeitungsgeräte, Computer".

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat diese unter der Nummer 30 2008 024 879.3 geführte Anmeldung nach entsprechender Beanstandung mit Beschluss durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen.

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Nach Auffassung der Markenstelle steht dem angemeldeten Zeichen das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Es bestehe aus den zwei beschreibenden englischen Wörtern "Touch" und "Pilot" mit den dem Verkehr bekannten Bedeutungen von "berühren, Berührung" und von "Steuergerät" im Bereich der Technik. Die Bedeutungsbekanntheit des Zeichenbestandteils "Touch" werde durch seine häufige Verwendung (z. B. "Touchscreen", "Touch-Handy", "Touchpad") erheblich verstärkt. Die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weitere analytische Betrachtung dahingehend verstanden, dass die verfahrensgegenständlichen Waren Steuergeräte darstellen, die mit berührungsempfindlichen Oberflächen ausgestattet sind bzw. mittels solcher Steuergeräte oder durch Berührung funktionieren.

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Dagegen richtet sich die von der Anmelderin erhobene Beschwerde.

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Sie hält die angemeldete Marke für schutzfähig. Weder stünde ihr das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen noch fehle ihr die für die beanspruchten Waren notwendige Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das angemeldete Zeichen "Touchpilot" sei in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht beschreibend und zwar weder in seinen einzelnen Bestandteilen "Touch" und "Pilot" noch in der Wortkombination. Schon der Bestandteil "Pilot" habe in erster Linie die Bedeutung von Luftfahrzeugführer und sei nicht mit Steuergerät gleichzusetzen, wie die Markenstelle angenommen habe. Für eine solche Gleichsetzung gebe es keinen nachweisbaren Beleg, weder in Wikipedia noch im Duden oder Langenscheidt-Lexikon finde sich hierzu ein Anhalt. Nach dem Techniklexikon seien allein "Pilotanlagen", "Pilotlichter", "Pilotprojekte", "Pilotschalter" bekannt, bei denen es sich allesamt nicht um Steuergeräte handelt. Auch gebe es keinen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren, was sich darin zeige, dass das Wort "Pilot" in vielfältiger Weise und zudem in den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. Nachhilfepiloten, Stuntpiloten, Filmpiloten) verwendet werde. Daher seien auch von anderen Senaten des Bundespatentgerichts Zeichen mit dem Bestandteil "Pilot" als Marke zugelassen worden ("NAVpilot" (27 W (pat) 19/05); "portfoliopilot" (33 W (pat) 287/01). Auch der Begriff "Touch" werde von dem Verkehr nicht als unmittelbarer Hinweis auf Steuergeräte angesehen.

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Die Markenanmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. September 2010 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

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Die angemeldete Marke stellt eine beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, die auch keine Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 MarkenG.

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Bestimmung besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil deren Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 222). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 199, 723, Tz. 31 - Chiemsee; EUGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor).

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Soweit es um Bestimmungsangaben im vorgenannten Sinne geht, können diese allgemeiner Art sein oder sich auf einzelne Bestimmungen beziehen, wie z. B. Abnehmerkreise, Verwendungszweck, Vertriebs- und Erbringungsart, -ort oder -zeit usw. (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 271 m. Rspr.nachw.). Nicht erforderlich ist, dass die Waren und Dienstleistungen ausschließlich für den betreffenden Zweck bestimmt sind, vielmehr genügt, wenn dieser neben anderen in Betracht kommt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 271).

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Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 - Chiemsee; EuGH GRUR 2006, 411, Tz. 24 - Matratzen Concord). Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch die Berücksichtung des Allgemeininteresses an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 35 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 30 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 16, Tz. 32 - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 98 - Postkantoor).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht die Bezeichnung "Touchpilot" ausschließlich aus Angaben, welche geeignet sind, Merkmale der vorliegend beanspruchten Waren zu beschreiben und zwar hinsichtlich der Art der Ware und ihrer Bestimmung (Verwendungszweck).

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"Touchpilot" ist erkennbar aus den beiden englischen Begriffen "Touch" und "Pilot" zusammengesetzt, die dem Verkehr in ihrer Bedeutung geläufig sind, zumal Englisch in dem hier relevanten Gebiet der Technik bzw. IT-Technik die weit verbreitete und übliche Fachsprache ist. Dementsprechend werden von den angesprochenen Verkehrskreisen beide Wörter auch Englisch ausgesprochen, wobei auch das Wort "pilot" naheliegend i. S. d. englischen Wortes mit den in der englischen Sprache gegebenen Bedeutungen erfasst wird. Der Begriff "Touch" bedeutet "Berührung, berühren" und ist in dieser Bedeutung dem Verkehr aufgrund seiner vielfältigen Verwendung ("Touchscreen", "Touchpad", "touch phone", siehe dazu auch die im Verhandlungstermin übergebenen Recherche-Unterlagen, vgl. Anlagen zum Sitzungsprotokoll) hinlänglich bekannt. Der Begriff "Pilot" ist vor allem in der englischen Sprache nicht nur - wie die Anmelderin meint - auf die Bedeutung "Flugzeugführer" beschränkt, sondern hat auch die Bedeutung "Lotse" (s. Muret-Sanders, Langenscheidt, Großwörterbuch Englisch/Deutsch, 2010) bzw. im Zusammenhang mit technischen Geräten die Bedeutung "Führung, führen, steuern" (vgl. Schmitt Langenscheidt Englisch-Deutsch, Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften, 2. Aufl., 2004). Im Bereich der Technik bedeutet der Begriff "Pilot" unter anderem auch "Steuergerät" (siehe dazu die Unterlagen gemäß Anlage 1 zur Terminsladung), wobei der Begriff auch in der technischen Fachliteratur entsprechend verwendet wird (vgl u. a. auch die Entscheidungen des Bundespatentgerichts 24 W (pat) 48/95 - CNC-Pilot; 24 W (pat) 73/96 – MULTI-PILOT; 30 W (pat) 56/02 - PARKPILOT m. w. N.). Der Ansicht der Anmelderin, dass die Bedeutung des Begriffs "Pilot" nicht eindeutig sei, sondern aufgrund seiner vielfältigen Verwendung in verschiedenen Bereichen insbesondere in Kombination mit anderen Begriffen mehrdeutig und deshalb schutzfähig sei, kann nicht gefolgt werden. Die Anmelderin lässt hierbei zum einen außer acht, dass der beschreibende Gehalt einer Marke nicht abstrakt, sondern in Bezug auf die beanspruchten Waren zu beurteilen ist (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rn. 252 m. w. N.). Zum anderen ist zu beachten, dass selbst die Mehrdeutigkeit eines Begriffs bzw. einer Bezeichnung regelmäßig dann nicht zur Schutzfähigkeit führt, wenn zumindest eine der Bedeutungen für die beanspruchten Produkte beschreibenden Charakter hat (vgl. EuGH GRUR 2004, 147 [Tz. 32] - DOUBLEMINT; BGH GRUR 2008, 900 [Tz. 15] - SPA II), was hier der Fall ist.

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In Bezug auf die beanspruchten Waren eignet sich die angemeldete Wortkombination "Touchpilot" naheliegend als beschreibende Sachangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dahingehend, dass diese Waren ein Tool bzw. ein (Steuer-)Gerät darstellen bzw. über entsprechende Komponenten verfügen oder für solche (Steuer-)Geräte oder Komponenten bestimmt sind (etwa Software für die Programmierung solcher Geräte oder Komponenten), die eine berührungsempfindliche Oberfläche haben und hierdurch bedient werden können. Dabei ist die beschreibende Sachangabe nicht auf bestimmte technische Bereiche beschränkt, sondern erfasst jeden technischen Prozess - so auch bei Klima-, Heiz- und Lüftungssystemen -, bei denen Steuerungsgeräte eingesetzt werden könnten.

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2. Da die Bezeichnung "Touchpilot" die genannten Waren bzw. die Bestimmung dieser Waren aus den vorgenannten Gründen in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise beschreibt, wird der Verkehr in dieser Bezeichnung auch keinen betrieblichen Herkunftshinweis für diese Waren erkennen. Daher steht der angemeldeten Marke insoweit auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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3. Soweit die Anmelderin auf aus ihrer Sicht vergleichbare Voreintragungen verwiesen hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Bestehende Eintragungen sind zwar zu berücksichtigen, vermögen aber keine für den zu entscheidenden Fall rechtlich bindende Wirkung zu entfalten. Dies hat der EuGH mehrfach entschieden (ständige Rspr., vgl. EuGH GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 [Tz 47 - 51] - BioID; GRUR 2004, 674 [Tz. 42 - 44] - Postkantoor; GRUR 2004, 428 [Tz. 63] - Henkel). Dies entspricht auch der ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2008, 1093 [Tz. 18] - Marlene-Dietrich-Bildnis; BPatG GRUR 2007, 333 - Papaya mit ausführlicher Begründung und zahlreichen Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.