Entscheidungsdatum: 27.04.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 045 971.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Get in Shape
ist am 9. Juli 2015 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 5, 29 und 30 angemeldet worden:
Klasse 05: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke; Babykost; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere; diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsgetränke; Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel für diätetische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen; Präparate für die Gesundheitspflege; Aminosäurepräparate; Vitaminpräparate; Mineralstoffpräparate; diätetische Erzeugnisse für nicht medizinische Zwecke; Nähr Aufbau und Stärkungspräparate auf der Grundlage von Aminosäuren und/oder Vitaminen und/oder Mineralstoffen; Präparate für die Zubereitung nicht medizinischer Diätgetränke; Präparate für die Zubereitung medizinischer Diätgetränke; sämtliche vorgenannten Waren gegebenenfalls auch in Form von Pulvern, Granulaten, Tabletten, Kapseln, Pasten oder Riegeln und insbesondere auch zum Gebrauch für Sportler;
Klasse 29: diätetische Erzeugnisse für nicht medizinische Zwecke auf der Grundlage von Eiweiß; Nähr, Aufbau und Stärkungspräparate auf der Grundlage von Eiweiß, soweit in Klasse 29 enthalten; sämtliche vorgenannten Waren gegebenenfalls auch in Form von Pulvern Granulaten, Tabletten, Kapseln, Pasten oder Riegeln und insbesondere auch zum Gebrauch für Sportler;
Klasse:30: Traubenzucker für Nahrungszwecke; diätetische Erzeugnisse für nicht medizinische Zwecke auf der Grundlage von Kohlenhydraten; Nähr, Aufbau und Stärkungspräparate auf der Grundlage von Kohlenhydraten, soweit in Klasse 30 enthalten; sämtliche vorgenannten Waren gegebenenfalls auch in Form von Pulvern, Granulaten, Tabletten, Kapseln, Pasten oder Riegeln und insbesondere auch zum Gebrauch für Sportler.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2015 045 971.2 geführte Anmeldung mit Beschluss vom 13. Mai 2016 und Erinnerungsbeschluss vom 12. Dezember 2016 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Wortfolge „Get in Shape“ im Hinblick auf die beanspruchten Waren glatt beschreibend sei. Der angesprochene Verkehr werde die Wortfolge ohne weiteres dahingehend verstehen, dass die so bezeichneten Waren den Anwender in Form bringen sollten. Die Wortfolge stamme zwar aus der englischen Sprache, sei jedoch sprachüblich aus Wörtern des englischen Grundwortschatzes bzw. aus auch im Inland verständlichen Begriffen im Sinne von „Komm in Form!“ zusammengesetzt. Gerade im Fitnessbereich sei die Verwendung gängiger englischer Begriffe üblich. Sämtliche beanspruchten Waren könnten den Effekt haben, Körper und Figur in Form zu bringen bzw. einer besseren Fitness oder einer Gewichtsreduktion zu dienen. Dies könne auch für Haustiere gelten. Dabei müsse nicht genau definiert sein, wie im Einzelnen dieser Effekt des „in Form Bringens“ erreicht werden solle. Beschreibende Begriffe würden bewusst weit gefasst, um ein möglichst breites Feld an Bedeutungen abzudecken. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe noch nicht zu dessen Schutzfähigkeit. Auf die Frage, ob der Begriff bereits häufig benutzt werde bzw. lexikalisch nachweisbar sei, komme es nicht an, wenn er unmittelbar verständlich sei. Darüber hinaus werde der Spruch „Get in Shape“ bzw. „Getting in Shape“ sowohl in Bezug auf die Dienstleistungen von Fitnessstudios als auch in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr bereits beschreibend verwendet. Dass sich jeder der angesprochenen Verbraucher einen anderen Weg vorstellen könne, wie er in Form kommen könne, führe gleichfalls nicht zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Markenbegriffs. Folglich gebe der Markenbegriff keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern beschreibe Art und Wirkungsweise der in Frage stehenden Waren, nämlich dass diese Waren Körper und/oder Figur wieder in Form bringen könnten.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Anmelders. Der angemeldeten Wortfolge sei die Unterscheidungskraft nicht abzusprechen. Es sei allgemein anerkannt, dass jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um ein Schutzhindernis zu überwinden. Es sei geboten, bei Feststellung der Unterscheidungskraft einen großzügigen Maßstab anzulegen. Die vom DPMA im Anmeldeverfahren recherchierten Unterlagen würden sich nur auf Dienstleistungen beziehen, jedoch nicht auf Waren. Möglicherweise werde der angesprochene Verkehr bei einer Dienstleistung, z. B. einem Fitnesskurs, die Wortfolge „Get in shape“ als werbende Aussage verstehen. Dies gelte aber nicht in Bezug auf Waren. Bei kurzen, originellen oder prägnanten Werbesprüchen genüge ein schwach ausgeprägter Bezug zu den beanspruchten Waren. Der Verbraucher wisse auch, dass man nicht allein durch den Konsum eines Produkts in Form komme. Damit sei die Wortfolge interpretationsbedürftig und setze bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess in Gang. Es komme hinzu, dass die Wortfolge fremdsprachig und zumindest für Produkte nicht werbeüblich sei. In seinen Beschlüssen habe das DPMA somit nicht positiv festgestellt, dass keine noch so geringe Unterscheidungskraft vorliege. Zu diesem Nachweis genüge insbesondere nicht, dass nach den Recherchen des DPMA eine Stoffwechselkur mit „get in shape“ beworben werde. Schließlich zähle der Erinnerungsbeschluss zwar alle beanspruchten Waren auf, setzte sich mit diesen jedoch nicht im Einzelnen auseinander.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent– und Markenamts vom 13. Mai 2016 und vom 12. Dezember 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 vom 13. Mai 2016 und vom 12. Dezember 2016 sowie auf die Schriftsätze des Anmelders und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Anmelders bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angemeldeten Wortfolge fehlt im Hinblick auf die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 „Henkel“; BGH GRUR 2006, 850 Rn. - „FUSSBALL WM 2006“). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (siehe dazu BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.). Werbeslogans und sonstige spruchartige Wortfolgen - wie die hier angemeldete Wortfolge - sind bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Wortmarken zu behandeln. Sie unterliegen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keine zusätzliche Originalität aufweisen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 221 m. w. N.). Es ist auch nicht erforderlich, dass sie einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Slogans bzw. werblich-sachbezogenen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn der Slogan eine bloße Werbefunktion ausübt, die z. B. darin besteht, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen, es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zu ihrer behaupteten Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Die Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen insbesondere dann zu bejahen, wenn die jeweiligen Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder beim Verkehr einen Denkprozess auslösen (EuGH - VORSPRUNG DURCH TECHNIK, a. a. O. Rn. 57, vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 223).
Gerade davon kann nach Auffassung des Senats bei der angemeldeten Wortfolge im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren nicht ausgegangen werden. Sie setzt sich aus einfachen Wörtern der englischen Sprache zusammen, die für weite Teile des Verkehrs ohne weiteres verständlich sind und vermittelt im maßgeblichen Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren ganz allge- mein - wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - die werblich-produktanpreisende Aussage, dass diese Waren dazu dienen und dafür geeignet sind, den Verbraucher „in Form zu bringen“. Die angemeldete Wortfolge wird von den angesprochenen Verbrauchern ohne weiteres im Sinne von „Komm in Form!“ verstanden werden und wird wörtlich oder in Variationen im Fitnessbereich vielfältig und umfänglich verwendet. Der Anmelder räumt selbst ein, dass die angemeldete Wortfolge vom Verkehr als schutzunfähiger Werbespruch verstanden werde, jedoch nur, soweit Dienstleistungen betroffen seien. Eine solche Differenzierung des Verkehrsverständnisses liegt aber schon deswegen fern, weil nicht nur Fitnessstudios versprechen, die Nutzer bzw. Konsumenten in Form zu bringen. Auch die Hersteller von Lebensmitteln und insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln verbreiten dieselbe Werbebotschaft hinsichtlich ihrer Waren (auf die zahlreichen entsprechenden Rechercheergebnisse, die dem Anmelder mit dem rechtlichen Hinweis des Senats vom 14. März 2017 übersandt worden sind, wird insoweit Bezug genommen). Soweit der Anmelder der Auffassung ist, dass das vom DPMA vorgelegte Angebot einer Stoffwechselkur mit der Bezeichnung „Get in Shape“ ohne Relevanz für Frage der Unterscheidungskraft sein soll, kann dem aus Sicht des Senats nicht gefolgt werden. Auf der vom DPMA angeführten Webseite wird ausdrücklich ein „30-Tage-Package“ mit Nahrungsergänzungsmitteln angeboten, also mit den Waren, für die auch die vorliegende Anmeldung Schutz beansprucht. Die Recherchen des DPMA und des Gerichts belegen, dass das Wort „shape“ im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel/Diätmittel geradezu inflationär verwendet wird und dass Nahrungsmittel auch mit der tatsächlichen Behauptung bzw. Hoffnung angeboten, gekauft und konsumiert werden, dass der Verzehr allein den Körper in Form bringen könnte (derzeit vor allem unter dem Angebotsschlagwort „Superfood“). Ausgehend davon hat die angemeldete Wortfolge für die beanspruchten Waren, die allesamt mit dem Ziel der Steigerung der körperlichen Fitness angeboten werden können, sogar weitgehend warenbeschreibenden Charakter (über die bloße sachbezogene werbliche Aussage hinaus). Die dargestellten naheliegenden Schlussfolgerungen wird der Verkehr im Übrigen ohne weiteres ziehen, zumal auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Verständnisfähigkeit nicht zu gering zu veranschlagen ist und der im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel und der pharmazeutischen Erzeugnisse an englische Schlagwörter und Wortfolgen gewöhnt ist. Ein unter dem Gesichtspunkt der Schutzfähigkeit relevanter Denkprozess oder ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand ist nach Auffassung des Senats bei der angemeldeten Wortfolge in einem einschlägigen Produktzusammenhang nicht erforderlich.
Auch das Argument des Anmelders, dass die angemeldete Wortfolge ein offenkundig unrichtiges Werbeversprechen sei (weil der Konsument durch die Waren nicht in Form kommen könne) und gerade deswegen einen relevanten Denkprozess auslöse, der die Unterscheidungskraft begründen könne, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zum einen liegt es nicht auf der Hand, dass die beanspruchten Waren unter medizinischen bzw. sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht tatsächlich zur Steigerung der körperlichen Fitness zumindest beitragen können. Insoweit kann nicht pauschal behauptet werden, dass die angemeldete Wortfolge in jedem Fall hinsichtlich der beanspruchten Waren ein offenkundig unrichtiges Werbeversprechen sei. Zum anderen ist mit dem für die Unterscheidungskraft relevanten Denkprozess nur der Gedankengang gemeint, der erforderlich ist, um die Werbeaussage zu verstehen bzw. einen hintergründigen Sinngehalt der Werbeaussage zu erfassen. So kann ein offenkundig unsinniges oder absurd überzogenes Werbeversprechen im Sinne einer Persiflage über einen gewissen Witz verfügen, so dass es einen gewissen - vom Werbenden gewollten - Denkprozess erfordert, um die Ironie der Werbeaussage zu erkennen. Gleiches gilt aber nicht für lediglich unrealistische Werbeversprechen, die zu ihrem Verständnis keinerlei Interpretation erfordern. Weiterführende, assoziative Gedanken - wie etwa das Nachdenken darüber, ob die Werbung nicht möglicherweise unrealistisch ist - sind stets möglich und stehen in keinem Zusammenhang mit der Frage der Unterscheidungskraft.
Soweit der Anmelder sich darauf berufen will, dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung des Schutzhindernisses ausreiche und es geboten sei, bei der Feststellung des erforderlichen Grades der Unterscheidungskraft einen großzügigen Maßstab anzulegen, ist darauf zu verweisen, dass auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen ist, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren. Die Prüfung der Markenanmeldung muss daher streng und vollständig sein, um ungerechtfertigte Eintragungen zu vermeiden (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 57, 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 158, 159).