Entscheidungsdatum: 26.07.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 008 028
(hier: Löschungsverfahren S 157/09 Lösch)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Die am 10. Februar 2008 angemeldete Bezeichnung
Erblühtee
ist am 28. März 2008 als Wortmarke für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 21, 30 und 31 eingetragen worden:
(Klasse 21)
Glaskaraffe;
(Klasse 30)
Tee;
(Klasse 31)
natürliche Blumen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 8. Juni 2009 die Löschung dieser Marke nach § 50 MarkenG in Bezug auf alle eingetragenen Waren beantragt, weil die angegriffene Marke entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Der Löschungsantrag ist der Markeninhaberin am 24. Juni 2009 zugestellt worden. Sie hat diesem Antrag mit Schriftsatz vom 24. August 2009, am gleichen Tage beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die angegriffene Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden, wobei dahingestellt bleiben könne, ob auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllt sei. Sie setze sich ersichtlich aus den Wortbestandteilen "Erblüh-" und "Tee" zusammen und sei in dieser Wortkombination mühelos als Bezeichnung einer Art von Tee zu verstehen, der in irgendeiner Weise erblühe, d. h. zum Blühen gelange bzw. aufblühe. Der Begriff "Erblühtee" finde in dieser oder leicht abgewandelter Schreibweise ("Erblüh-Tee") als Synonym für "erblühender Tee", "blühender Tee" oder "Blühtee" in Bezug auf eine bestimmte Art von Teeerzeugnis beschreibende Verwendung. Zudem seien im Englischen Bezeichnungen wie "flowering tea", "blooming tea" und "blossoming tea" gebräuchlich, die ohne weiteres mit "Blühtee", "Erblühtee" oder "blühender Tee" ins Deutsche übersetzt werden könnten. Die von der Markeninhaberin selbst vertriebenen Produkte entsprächen den vorgenannten Beschreibungen.
Im Zusammenhang mit den eingetragenen Waren weise die Bezeichnung "Erblühtee" auf die Art und die Beschaffenheit der Ware "Tee" sowie darauf hin, dass die Ware "Glaskaraffe" und die Ware "natürliche Blumen" ihrer Art oder Beschaffenheit nach zur Verwendung im Zusammenhang mit Teeerzeugnissen der o. g. Art bzw. zur Herstellung solcher Teeerzeugnisse bestimmt und geeignet seien. In jedem dieser Fälle wirke der Begriff "Erblühtee" in Bezug auf diese Waren konkret und unmittelbar beschreibend i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Dieses Schutzhindernis habe auch bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke am 28. März 2008 bestanden. Dass der Begriff "Erblühtee" lexikalisch nicht nachweisbar sei, ändere hieran nichts. Auch die von der Markeninhaberin eingereichte Äußerung einer Mitarbeiterin der Dudenredaktion und das ebenfalls von ihr eingereichte linguistische Gutachten von Sch… seien nicht geeignet, die Feststellungen zur beschreibenden Bedeutung der angemeldeten Marke zu entkräften. Auch die von der Markeninhaberin vorgelegten Entscheidungen des L… führten zu keiner anderen Beurteilung. Schließlich habe die Markeninhaberin auch eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke nach § 8 Abs. 3 MarkenG nicht dargetan, da die von ihr hierzu eingereichten Unterlagen nicht ausreichend seien.
Dagegen richtet sich die von der Markeninhaberin erhobene Beschwerde.
Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke schutzfähig sei. Bei dem Begriff "Erblühtee" handele es sich um eine Wortneuschöpfung, die eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten enthalte und keineswegs "mühelos" als Bezeichnung einer Art von Tee zu verstehen sei, der in irgendeiner Weise erblühe. Vielmehr seien unterschiedliche Deutungsebenen gegeben, und zwar in Richtung eines Zustands (Ergebnis des "Aufgussszenarios" einer entfalteten Blüte), eines Vorgangs (Entfalten und Aufblühen), des Tees selbst (weißer Tee, der aus Blütenknospen gewonnen wird), eines vokativen Elements (Erwartung des Konsumenten) und einer Ansprache des Konsumenten selbst.
Wortzusammensetzungen mit dem Bestandteil "Erblüh" seien zudem in der deutschen Sprache nicht zu finden. Englischsprachige Begriffe wie "flowering tea" könnten zur Begründung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht herangezogen werden. Die angegriffene Marke habe in Bezug auf die eingetragenen Waren keinen unmittelbar und eindeutig beschreibenden Charakter. Eine beschreibende Bedeutung könne allenfalls nach mehreren komplizierten Gedankenschritten ermittelt werden. Die angegriffene Marke weise allenfalls diffuse, verschwommene Andeutungen eines beschreibenden Inhalts auf. Für die Verwendung des Wortelements "Erblüh-" gebe es keine vorstellbaren Anwendungsgebiete und keine verständlichen Bedeutungen mit beschreibendem Kern, da es sich um eine grammatikalische Verfremdung des Wortes "erblühen" handelt und in der Verknüpfung mit dem weiteren Wort "Tee" nicht zu einem auf den ersten Blick greifbaren Sinn führe, sondern eine fantasievolle Analyse erforderlich mache.
Nach dem Gutachten des Sch… weise der Begriff "Erblühtee" keine eindeutige Lesart und Bedeutungsbestimmung auf und könne nicht auf eine rein beschreibende Interpretation reduziert werden, sondern lasse mehrere Lesarten zu, nämlich eine deskriptive, sortenspezifische und wirkungsspezifische Lesart. Daher sei nicht ohne näheres Nachdenken und analysierende Betrachtungsweise ersichtlich, inwieweit dieser Begriff eine Merkmalsbeschreibung darstellen könne. Ein Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei somit nicht gegeben, auch habe die angegriffene Marke Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung für zutreffend. Bereits aus dem eigenen Vortrag der Markeninhaberin ergebe sich, dass der Begriff "Erblühtee" auf die Ware, nämlich Tee, insbesondere auch im Sinne von "weißer Tee", und auf eine Blüte hinweise. Auch das Gutachten des Sch… ergebe, dass dieser Begriff eine beschreibende Komponente habe. Insgesamt sei dieser Begriff geeignet, Merkmale der eingetragenen Waren zu beschreiben, wobei es auch nicht auf einen lexikalischen oder sonstigen Nachweis ankomme, dass und in welchem Umfang dieser Begriff als beschreibende Angabe bereits bekannt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin besteht die angegriffene Marke ausschließlich aus Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren zu bezeichnen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), wobei dieses Schutzhindernis bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke vorlag. Im Übrigen fehlt dieser Marke auch jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die Markenabteilung hat daher auf den Löschungsantrag der Antragstellerin hin zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§ 50 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 54 MarkenG).
1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieses Schutzhindernisses besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 265). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Tz. 56 – Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 – Chiemsee; GRUR 2006, 411, Tz. 24 – Matratzen Concord).
a) Hiervon ausgehend stellt die Bezeichnung "Erblühtee" in Bezug auf die Ware "Tee" der Klasse 30 eine beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.
Aus den Rechercheergebnissen der Markenabteilung, die den Beteiligten mit einem detaillierten Zwischenbescheid der Markenabteilung vom 5. Mai 2010 übersendet wurden (Bl. 80 ff. der Löschungsakte, insbes. Bl. 88 - 94), folgt, dass mit dem Begriff "Erblühtee" bzw. "Erblüh-Tee" eine besondere Art von Blütentee bezeichnet wird, der in "kunstvoll von Hand gebundenen Kugeln" angeboten wird und in dessen Inneren sich eine Blüte befindet, die beim Aufguss freigegeben wird und sich öffnet, so dass sich neben einem Aroma- und Geschmackserlebnis auch ein optisches Erlebnis ergibt. Mithin bezeichnet der Begriff "Erblühtee" eine besondere Teeart und stellt daher insoweit einen unmittelbaren Hinweis auf die Beschaffenheit der so gekennzeichneten Ware dar. Eine solche Verwendung des Begriffs "Erblühtee" kann nach den vorgenannten Rechercheergebnissen der Markenabteilung (vgl. Bl. 94/95 der Löschungsakte) zeitlich dem November 2007 zugeordnet werden. Dies lässt den Schluss zu, dass ein Verkehrsverständnis im vorgenannten Sinne bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 10. Februar 2008 und dann auch an dem im Löschungsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 50, Rdn. 7) bestand und auch derzeit noch fortbesteht, so dass das vorgenannte Schutzhindernis auch gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zum Tragen kommt.
Das vorgenannte Verkehrsverständnis steht auch nicht in Widerspruch zu dem von der Markeninhaberin selbst vorgelegten linguistischen Gutachten des Sch… (Bl. 140 ff. der Löschungsakte). Denn in diesem Gutachten ist selbst dargelegt, dass der Begriff "Erblühtee" u. a auch "Teesorte, die aufgeblühte Teesorten enthält" oder "Tee, dessen Blüten beim Aufguss sich entfalten" bedeuten kann (Bl. 141 der Löschungsakte, vorletzter Absatz). Dies ist geeignet, die vorgenannten Feststellungen zum Verkehrsverständnis eher noch zu unterstützen als zu widerlegen. Dass der Begriff "Erblühtee" daneben noch andere Bedeutungen haben kann, ist für die markenrechtliche Beurteilung unerheblich, da dieser Begriff nach den o. g. Ausführungen in zumindest einer Bedeutung beschreibend ist. Dies genügt aber regelmäßig, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 301 m. w. N.).
Ebenfalls ist unerheblich, dass der Begriff "Erblühtee" als solcher lexikalisch nicht zu belegen ist. Zum einen kommt es für die Beurteilung, ob ein Begriff zur Beschreibung von Merkmalen der jeweils beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen geeignet ist, nicht darauf an, dass dieser Begriff in einem solchen Sinne bereits bekannt ist oder im Verkehr verwendet wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 8, Rdn. 404). Vorliegend handelt es sich um eine aus geläufigen Elementen zusammengesetzte Wortbildung. Zusammensetzungen von Verben und Hauptwörtern zu Gesamtbegriffen sind üblich und typisch für die deutsche Sprache, auch und gerade im Bereich von Lebens- und Nahrungsmitteln (z. B. "Esskastanie", "Trinkschokolade"). Angesichts der beinahe unendlich großen Zahl von solchen Kombinationsmöglichkeiten ist es letztlich nicht möglich, alle derartigen Wortkombinationen lexikalisch zu erfassen, so dass gerade auch bei Wortkombinationen ein fehlender lexikalischer Beleg der Feststellung einer beschreibenden Angabe nicht entgegensteht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 294 m. w. N.).
b) Aus den vorgenannten Gründen stellt der Begriff "Erblühtee" auch in Bezug auf die Ware "natürliche Blumen" der Klasse 31 eine beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar. Denn damit wird der Verkehr darauf hingewiesen, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um Blumen handelt, deren Blüten für die Zubereitung eines "Erblühtees" besonders geeignet und bestimmt sind.
c) Dies trifft auch auf die Ware "Glaskaraffen" der Klasse 21 zu. Wie bereits dargelegt, ergibt sich bei der Zubereitung eines "Erblühtees" neben dem Aroma- und Geschmackserlebnis durch das Entfalten der verwendeten Blüten auch ein optisches Erlebnis. Dann aber weist die Bezeichnung "Erblühtee" im Zusammenhang mit dieser Ware nur darauf hin, dass die so gekennzeichneten Glaskaraffen für die Zubereitung von "Erblühtee" gerade auch unter dem vorgenannten optischen Aspekt besonders geeignet sind. Mithin stellt die angegriffene Marke in Bezug auf alle beanspruchten Waren eine nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschreibende Sachangabe dar.
2. Aus den vorgenannten Gründen fehlt der angegriffenen Marke in Bezug auf alle beanspruchten Waren auch die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da der Verkehr in dieser beschreibenden Sachangabe keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennt.
3. Die Markenabteilung hat ferner zutreffend festgestellt, dass eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke nach § 8 Abs. 3 MarkenG nicht belegt ist.
4. Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Eine mündliche Verhandlung war für diese Entscheidung nicht erforderlich. Die Markeninhaberin hat einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG nicht gestellt, während die obsiegende Antragstellerin ihren Terminsantrag nur hilfsweise gestellt hat. Es waren auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Fragen entscheidungserheblich, die der Erörterung in einer mündlichen Verhandlung gemäß § 69 Nr. 3 MarkenG bedurft hätten.
5. Eine Auferlegung von Kosten war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).