Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.08.2010


BPatG 19.08.2010 - 25 W (pat) 161/09

Markenbeschwerdeverfahren – "DAPUR/KAPUR" – Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung im Beschwerdeverfahren – fehlende Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung - Zurückweisung des Widerspruchs


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
19.08.2010
Aktenzeichen:
25 W (pat) 161/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 18 661

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der Richter Merzbach und Metternich

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2007 und vom 3. Juni 2009 werden aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 399 81 414 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 15. April 2002 angemeldete Wortmarke

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DAPUR

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ist am 3. Juni 2002 unter der Nummer 302 18 661 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die folgende Ware der Klasse 5

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"Arzneimittel"

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eingetragen worden.

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Dagegen hat der Inhaber der am 28. August 2000 unter der Nummer 399 81 414 in das Markenregister eingetragenen Wortmarke

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KAPUR ,

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die für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 16, 35, 37, 41, 42, 44

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"pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, insbesondere energetische und energetisierte Präparate und Produkte, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Druckereierzeugnisse, Prospekte, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Graphiken, Bilder, Photos, einschließlich ihrer Inhalte; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Waren aus Papier, Pappe, Karton, soweit in Klasse 16 enthalten; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen, Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung; Personalmanagement-Beratung; Bauwesen, Leitung von Bauarbeiten; Reparaturarbeiten in und an Bauwerken; Installationsarbeiten; technische Analysen und technische Beratungen im Bauwesen, nämlich auf dem Gebiet der Raum-, Gebäude- und Grundstücksenergetik; Ausbildung, insbesondere Studium zum Energologen/zur Energologin, Ausbildung in verschiedenen Teilbereichen der Energologie; Betrieb einer Akademie, insbesondere für Management-Ausbildung und -Training; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege, insbesondere Durchführung von energetischen Massagen, Durchführung von energetischen Untersuchungen, Durchführung von energetischen Behandlungen, wissenschaftliche und industrielle Forschung, insbesondere Forschung auf dem Gebiet der Energologie, Durchführung von energetischen Analysen, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen eines Heilpraktikers, Dienstleistungen eines Physiotherapeuten; Dienstleistungen eines Architekten; Dienstleistungen eines Innenarchitekten; psychologische Lebensberatung; Erstellen von Organigrammen für Dritte"

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registriert ist, Widerspruch erhoben.

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Ein gegen die Widerspruchsmarke selbst aus einer weiteren Marke geführtes Widerspruchsverfahren ist am 7. Mai 2005 abgeschlossen worden.

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Die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA hat auf den Widerspruch aus der Marke 399 81 414 mit zwei Beschlüssen vom 29. August 2007 und vom 3. Juni 2009, von denen der Letztgenannte im Widerspruchsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke verfügt.

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Aus Sicht der Markenstelle liegt zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr vor. Ausgehend von der Registerlage könnten sich die Vergleichsmarken auf identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren begegnen. Die Widerspruchsmarke habe durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die angegriffene Marke halte den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein. Die Vergleichsmarken seien klanglich hochgradig ähnlich; sie stimmten nahezu vollständig überein. Damit sei ein sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter nicht gewährleistet, und zwar auch dann, wenn man davon ausgehe, dass der Verkehr allem, was mit der Gesundheit zusammenhänge, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beimesse.

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Dagegen richtet sich die von der Markeninhaberin erhobene Beschwerde.

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Die Markeninhaberin ist der Auffassung, die Vergleichsmarken unterschieden sich schriftbildlich wie klanglich ausreichend voneinander. Der klangliche Unterschied zwischen "D" und "K" am Wortanfang, den der Verkehr in der Regel stärker beachte, sei deutlich hörbar. Zudem handele es sich bei den Vergleichsmarken um Kurzzeichen, so dass insgesamt nicht von einer Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken ausgegangen werden könne.

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Ferner hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 28. Juli 2010 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

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Die Markeninhaberin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2007 und vom 3. Juni 2009 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

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Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. August 2010 nicht erschienene Widersprechende hat schriftsätzlich beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Aus Sicht des Widersprechenden hat die Markenstelle die Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken fehlerfrei festgestellt. Die angegriffene Marke halte klanglich und schriftbildlich den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein. Die Vergleichsmarken unterschieden sich nur durch einen einzigen Buchstaben, bei dem es sich zudem um einen im deutschen Sprachgebrauch eher zu vernachlässigenden Konsonanten handele.

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Auf die von der Markeninhaberin erhobene Einrede der Nicht-Benutzung der Widerspruchsmarke hat der Widersprechende mit per Telefax eingereichtem Schriftsatz vom 18. August 2010 eine Reihe von Unterlagen, insbesondere Screenshots vom Internet-Auftritt des Widersprechenden und Abbildungen von Produktinformationen vorgelegt, die aus seiner Sicht die Benutzung der Widerspruchsmarke in Deutschland in den Jahren 2001 – 2010 belegen sollen.

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Die Markeninhaberin ist der Auffassung, dass diese Unterlagen ungeeignet sind, die Benutzung der Widerspruchsmarke für die insoweit registrierten Waren und Dienstleistungen glaubhaft zu machen, zumal keine eidesstattliche Versicherung eingereicht worden sei, der Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke sich nicht erschließe und die Unterlagen Produkte beträfen, die mit der Ware "Arzneimittel" der angegriffenen Marke nicht identisch bzw. gegenüber dieser Ware unähnlich seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Widersprechende konnte auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke für keine der für sie registrierten Waren und Dienstleistungen nach §§ 26, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft machen. Aufgrund dieser gegenüber dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt grundlegend veränderten Sachlage waren die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen (§ 43 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

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1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr wegen eines Widerspruchs aus einer prioritätsälteren Marke (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 42 MarkenG) ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, Tz. 18 - PICASSO; GRUR 1998, 387, Tz. 22 - Sabèl/Puma), insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Bestreitet der Markeninhaber zulässigerweise die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 26 MarkenG, können bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Widerspruchsmarke aber nur diejenigen Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, für die der Widersprechende die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

27

a) Die von der Markeninhaberin erhobene Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke ist zulässig. Ein die am 28. August 2000 eingetragene Widerspruchsmarke betreffendes Widerspruchsverfahren ist am 7. Mai 2005 abgeschlossen worden, so dass die Inhaberin der am 5. Juli 2002 veröffentlichten angegriffenen Marke ab dem 7. Mai 2010 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestreiten konnte (§§ 26 Abs. 5, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Diese mit Schriftsatz vom 28. Juli 2010 erhobene Einrede der Nichtbenutzung war auch nicht als verspätet gem. den §§ 82 Abs. 1 MarkenG, 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zum einen muss diese Einrede nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhoben werden, sondern dem Inhaber der angegriffenen Marke ist insoweit ein angemessener Zeitraum einzuräumen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 43, Rdnr. 32). Zum anderen erfolgte die Erhebung dieser Einrede ca. 3 Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. August 2010, so dass auch mit Blick auf diesen Termin der für die Beibringung der zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stehende Zeitraum nicht unangemessen oder gar unzumutbar verkürzt wurde (vgl. auch BPatG, PAVIS PROMA 26 W (pat) 127/01, wo eine zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung erhobene Nichtbenutzungseinrede als rechtzeitig erachtet wurde).

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b) Die vom Widersprechenden eingereichten Unterlagen sind ungeeignet, um die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie registriert ist, glaubhaft zu machen. Gegenstand der Glaubhaftmachung sind insbesondere die funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke, ihre Verwendung in der eingetragenen oder ggf. davon abweichenden Form, ihre Benutzung für die registrierten Waren und Dienstleistungen im maßgeblichen Zeitraum sowie der Umfang der Benutzung im Inland (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 43, Rdnr. 52). Für diese Tatsachen ist zwar im Rahmen der Glaubhaftmachung nach §§ 26, 43 Abs. 1 Satz 1 und 2, 82 Abs. 1 MarkenG, 294 ZPO kein Vollbeweis erforderlich, sondern es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 43, Rdnr. 39), wobei sich der Widersprechende aller Beweismittel bedienen kann (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO). Vor allem zu Umfang, Zeitraum und Ort der Benutzung kommt insoweit eine eidesstattliche Versicherung nach § 294 Abs. 1 ZPO in Betracht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 43, Rdnr. 55). Eine solche eidesstattliche Versicherung hat der Widersprechende aber nicht vorgelegt, insbesondere nicht zum Umfang der Benutzung im Inland, etwa durch eidesstattlich versicherte Angaben zu im Inland erzielten Umsatz- oder Vertriebszahlen. Zu solchen Tatsachen enthalten auch die übrigen eingereichten Unterlagen nicht die geringsten Anhaltspunkte, und zwar zu keinem der Produkte, die der Widersprechende nach seinen Angaben vertreibt. Zweifelhaft ist ferner, ob die vom Widersprechenden für den hinsichtlich der Warenähnlichkeit hier kritischsten Bereich der Klasse 5 benannten Produkte im Rahmen der Subsumtions- und Integrationsfrage der Produktgruppe der pharmazeutischen Erzeugnisse zuzurechnen sind. Letztlich erschließt sich auch eine markenmäßige Benutzung der Widerspruchsmarke aus den per Telefax eingereichten Unterlagen in keinster Weise.

29

c) Nach alledem ist für keine der vom Widersprechenden beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevanten Zeitraum glaubhaft gemacht worden. Für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist daher – anders als im Verfahren vor der Markenstelle – mangels berücksichtigungsfähiger Waren oder Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchsmarke keine Grundlage gegeben (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle waren nach alledem aufzuheben und der Widerspruch war zurückzuweisen.

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2. Die Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 MarkenG war nicht veranlasst.