Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 31.07.2017


BPatG 31.07.2017 - 25 W (pat) 14/17

Markenbeschwerdeverfahren – "PRO NATURA (Wort-Bild-Marke)/pronatura (Unionsmarke, Wort-Bild-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft – fehlende Warenähnlichkeit – deutlicher Dienstleistungsabstand – zur Ähnlichkeit von Dienstleistungen aus dem Bereich des Franchising gegenüber Dienstleistungen aus den Bereichen Werbung, Beschaffung und Verkaufsförderung - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
31.07.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 14/17
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 025 620

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 4. Mai 2011 angemeldete Zeichen

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2

ist am 15. November 2011 unter der Nr. 30 2011 025 620 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 35 eingetragen worden. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis hat im Wege der Teillöschung mit Wirkung vom 27. Juni 2012 folgende Fassung erhalten:

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Klasse 29:

4

Fleisch, Fisch, Geflügel, Meeresfrüchte, Wild sowie Fleisch-, Fisch-, Geflügel- und Wildprodukte, auch als Wurstwaren und Fleischextrakte; konserviertes, tiefgefrorenes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle- und Fette; Dips für Imbissgerichte oder Snacks; Feinkostsalate aus Gemüse- oder Blattsalaten; Fertiggerichte und Fertigdesserts, soweit in Klasse 29 enthalten; Kartoffelprodukte aller Art, nämlich Pommes frites, Kroketten, Bratkartoffeln, vorgegarte Kartoffeln, Kartoffelpuffer, Kartoffelklöße, Rösti, Reibekuchen, Chips, Sticks; Nüsse, Kerne, Hülsenfrüchte (Leguminosen), Steinfrüchte, Schoten und Erdnüsse, alle in zubereiteter oder verarbeiteter Form; Getreidechips und andere Knabberartikel, soweit in Klasse 29 enthalten; vegetarische Lebensmittel, soweit in Klasse 29 enthalten; Tofu; süße und würzige Brotaufstriche, bestehend aus pflanzlichen und/ oder tierischen Inhaltsstoffen, soweit in Klasse 29 enthalten; Algenextrakte für Nahrungszwecke, soweit in Klasse 29 enthalten;

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Klasse 30:

6

Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-, Kakao- oder Schokoladengetränke; Ersatzmittel für Tee, Kaffee oder Kakao, insbesondere auf Basis von Sojabohnen oder Getreide; Mehle und Getreidepräparate; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel), Ketchup, Essenzen für Nahrungszwecke ausgenommen ätherische Essenzen und Öle; Kräuterzubereitungen; Gewürze und Aromastoffe für Nahrungsmittel, Algen (Würzstoff); Süßungsmittel; Back-, Konditor-, Schokolade- und Zuckerwaren, soweit in Klasse 30 erhalten; Fertiggerichte, soweit in Klasse 30 enthalten; Frühstückszerealien; Pizzas, Pizzaböden, Soßen und Beläge für Pizzas; Marzipan, Nougat, Marzipan- und Nougaterzeugnisse; Bonbons; Teigwaren und Nudelfertiggerichte, auch unter Hinzufügen von Gemüse, Käse, Saucen; süße Brotaufstriche, bestehend aus pflanzlichen und/oder tierischen Inhaltsstoffen, soweit in Klasse 30 enthalten;

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Klasse 35:

8

Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Werbung; Bereitstellung von Werbemitteln und Produktdisplays; Schaufensterdekoration, Ladendekoration; Marktforschung und Marktanalyse; Buchführung und Controlling; Vermittlung und Abschluss von Verträgen über den An- und Verkauf von Lebensmitteln und Drogeriewaren, auch über das Internet; Einzelhandelsdienstleistungen, auch über das Internet oder Teleshopping bezüglich Lebensmitteln, Drogeriewaren und Textilien; Bereitstellung der Mittel für Unternehmen zum Angebot von Waren und Dienstleistungen, nämlich Werbematerialien, Verkaufshilfen und/oder Ladenausstattung, insbesondere in Verbindung mit dem Verkauf im Einzelhandel; Beschaffungsdienstleistungen von Waren und Dienstleistungen für Dritte; Organisation und Durchführung von Handelsmessen und –ausstellungen; Dienstleistungen eines Franchise-Gebers, nämlich Beratung bei der Organisation und Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme, Werbedienstleistungen für gewerbliche Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme, Hilfe bei der Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme.

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Gegen die Eintragung der am 16. Dezember 2011 veröffentlichten Marke hat die Inhaberin der zwei nachfolgenden Unionsmarken am 14. März 2012 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke

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10

ist seit dem 10. November 2009 unter der Nummer 008 119 621 eingetragen und genießt Schutz für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31, 32 und 35:

11

Klasse 29:

12

Konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, ausgenommen Nahrungsergänzungsmittel und Obst und Gemüse in Form von Riegeln und Würfeln;

13

Klasse 31:

14

Frisches Obst und Gemüse, ausgenommen Nahrungsergänzungsmittel und Obst und Gemüse in Form von Riegeln und Würfeln;

15

Klasse 32:

16

Lebensmittelzubereitungen zum Trinken und Fruchtsäfte, ausgenommen Nahrungsergänzungsmittel und Obst und Gemüse in Form von Riegeln und Würfeln;

17

Klasse 35:

18

Verkaufsförderung (sales promotion) für andere; Präsentation von Waren für den Einzel- oder Großhandel über alle Kommunikationsmedien; Beschaffungswesen für Dritte; Betrieb einer Import- und Exportagentur.

19

Die Widerspruchsmarke

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Pronatura

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ist seit dem 15. Dezember 2010 unter der Nummer 009 120 155 eingetragen und genießt Schutz für die nachfolgenden Waren der Klassen 5, 29, 30 und 32:

22

Klasse 5:

23

Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, einschließlich Tabletten auf Basis von Sanddorn und/oder Kalk; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke und für nicht-medizinische Zwecke;

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Klasse 29:

25

Frucht- und Gemüsegallerten; Pilze, insbesondere Steinpilze; getrocknete, gekochte und konservierte Sojabohnen; aus Früchten hergestellte Würfel; Suppenpulver und -würfel, Suppentafeln;

26

Klasse 30:

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Getrocknete Gewürzkräuter; Würzen, insbesondere Suppenwürzen; Tee, Mehl und Suppenmehle; Teigwaren; Soßen und Soßenpulver, einschließlich Salatsoßen; Speisesalz; Puddingpulver; Senf, insbesondere Kräutersenf; Weinsteinbackpulver; Hefe; Reis; Gries; Hafernährmittel; Schokolade; Zuckerwaren, insbesondere Bonbons; Back- und Konditorwaren; Traubenzucker für Nahrungszwecke, insbesondere Traubenzuckertabletten; Getreidemischungen in getrockneter Form für Nahrungszwecke; Getreidebratlinge; Kuchen- und Pfannkuchen-Fertigmehlmischungen; Soße auf Sojabasis, ausgenommen Salatsoßen, sowie Sojabratlinge; Rohkostgerichte (Müsli) und daraus hergestellte Schnitten, im Wesentlichen bestehend aus Getreideflocken, Trockenfrüchten, Sonnenblumen- und Sojakernen und Nüssen;

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Klasse 32:

29

Fruchtsäfte; Fruchtsirupe.

30

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 14. Juni 2013 die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich aller von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und eines Teils der Dienstleistungen bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke mit Ausnahme der Dienstleistungen der Klasse 35:

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„Dienstleistungen eines Franchise-Gebers, nämlich Beratung bei der Organisation und Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme, Hilfe bei der Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme“

32

angeordnet, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Im Übrigen hat die Markenstelle die Widersprüche zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende nur noch gestützt auf die Widerspruchsmarke 008 119 621 Erinnerung eingelegt. Die Markenstelle für Klasse 30 hat mit Beschluss vom 18. November 2014 die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Widerspruchsmarke durchschnittlich kennzeichnungskräftig sei. Auch wenn die aus dem Lateinischen stammende Wortkombination „pro natura“ von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von „für die Natur“ verstanden werde, sei diese Aussage gleichwohl interpretationsbedürftig. Sie vermittle dem Verkehr keinen konkreten sachlich-beschreibenden Begriffsinhalt und sei insbesondere kein Hinweis auf ein besonders umweltfreundliches Produkt. Auch die häufige Verwendung des Zeichens durch Dritte sei kein Kriterium, das der Kennzeichnungskraft der Zeichen entgegenstehe. Soweit hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen Identität bzw. Ähnlichkeit bestehe, sei ein ausreichender Zeichenabstand nicht mehr gewahrt. Eine Gefahr von Verwechslungen sei nur hinsichtlich der Dienstleistungen ausgeschlossen, die nicht mehr im Bereich der Ähnlichkeit lägen. Dies gelte für die „Dienstleistungen eines Franchise-Gebers, nämlich Beratung bei der Organisation und Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme, Hilfe bei der Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme“. Diese Dienstleistungen hätten grundsätzlich andere Inhalte, erforderten eine andere Vorbildung und andere Kenntnisse bzw. verfolgten einen anderen Zweck als die von der Widersprechenden beanspruchte Dienstleistung „Verkaufsförderung (sales promotion)“. Während die Verkaufsförderung ein Marketinginstrument sei, das auf die kurzfristige Stimulierung des Absatzes von Produkten ausgerichtet sei und unmittelbar den Verkauf eines Produkts unterstütze, beziehe sich die Beratung eines Unternehmens bei der Organisation und Führung auf das Unternehmen selbst, nämlich auf seine Struktur und Ausrichtung. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der spezifischen Ausprägungen des Franchisewesens. Bei einem Franchisevertrag räume der Franchisegeber seinem selbstständigen Partner, dem Franchisenehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt das Recht ein, bestimmte Waren und Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben und dabei unter Beachtung des Organisations- und Werbekonzepts des Franchisegebers dessen Namen, das Warenzeichen oder andere Schutzrechte und dessen gewerbliche und technische Erfahrungen zu nutzen, wobei der Franchisegeber seinem Partner neben der Schulung im Vertriebssystem auch Rat und Beistand schulde, aber auch das Recht habe, den Franchisenehmer bei der Ausführung des Systems zu kontrollieren und bei der Kontrolle festgestellte Mängel in der Einhaltung der geschäftlichen Konzeption durch Weisung zu beseitigen. Die Beratung (hinsichtlich Organisation und Führung) im Rahmen eines Franchiseverhältnisses sei demnach eng verknüpft mit dem Franchisegeber und dem von diesem vorgegebenen System und dessen Strukturen. Gleichwohl unterscheide sich auch diese spezifische Beratungsdienstleistung in Art und Zweck signifikant von der Dienstleistung „Verkaufsförderung (sales promotion) für andere“, weil sie sich nicht auf den erhöhten Absatz eines Produkts, sondern auf das Unternehmen beziehe. Gleiches gelte für die weiteren Dienstleistungen, die die Widersprechende in Klasse 35 beanspruche.

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Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde aus der Widerspruchsmarke UM 008 119 621. Es bestehe auch hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 die Gefahr von Verwechslungen. Die Widerspruchsmarke besitze durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da die Aussage „für die Natur“ im Kontext mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen zunächst unklar und interpretationsbedürftig sei. Die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke seien sich hochgradig ähnlich bzw. in klanglicher Hinsicht identisch. Beide Zeichen verwendeten als einziges grafisches Symbol ein Ahornblatt. Die Unterschiede der Zeichen in Form- und Farbgestaltung seien minimal. Im Weiteren gelte, dass der angesprochene Verkehr nach allgemeiner Erfahrung dem Wortelement eines Kombinationszeichens prägende Bedeutung zumesse. Weiterhin bestehe auch Dienstleistungsidentität. Die Dienstleistungen eines Franchisegebers seien im weitesten Sinne Beratungsdienstleistungen für die Führung eines Unternehmens. Die von der Widersprechenden beanspruchte Dienstleistung „Verkaufsförderung (sales promotion) für andere“ sei ebenso im weitesten Sinne eine Beratungsdienstleistung für die Führung von Unternehmen, insbesondere hinsichtlich der Verkaufsförderung. Die Beratung bei der Organisation oder Führung von gewerblichen Unternehmen, einschließlich Franchisebetrieben, könne auch Maßnahmen der Verkaufsförderung beinhalten. Auch die Dienstleistung „Präsentation von Waren für den Einzelhandel oder Großhandel über alle Kommunikationsmedien“ sei nur eine spezielle Form der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen. Es sei von der Rechtsprechung anerkannt, dass Warenidentität vorliege, wenn die jüngere Marke einen Oberbegriff beanspruche, der die von der älteren Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen umfasse. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben, da die von der älteren Marke beanspruchten Dienstleistungen regelmäßig im Rahmen von Franchisesystemen erbracht würden. So statte beispielsweise der Franchisegeber „Pandora“ seine Franchisenehmer mit Werbematerial aus und führe daneben selbst Werbekampagnen in den Medien durch. Diese Tätigkeiten entsprächen der für die ältere Marke geschützten Dienstleistung „Präsentation von Waren für den Einzel- und Großhandel über alle Kommunikationsmedien“. Es sei deswegen ohne Bedeutung, dass die Dienstleistungen der angegriffenen Marke auf Franchiseunternehmen ausgerichtet seien. Die Feststellung, dass für die jeweiligen Dienstleistungen unterschiedliche Anforderungen an die Vorkenntnisse oder die Vorbildung der Anbieter zu stellen seien, begegne Bedenken, weil die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke nur einen Ausschnitt aus den Dienstleistungen der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen seien. Es bestehe zumindest eine hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit, da die zu vergleichenden Dienstleistungen einander ergänzten, von denselben Unternehmen angeboten werden könnten und derselben Branche zuzuordnen seien.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juni 2013 und vom 18. November 2014 in der Hauptsache aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 008 119 621 zurückgewiesen worden ist und wegen dieses Widerspruchs die vollständige Löschung der Marke DE 30 2011 025 620 anzuordnen.

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Die Markeninhaberin hat im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen und keinen Antrag gestellt.

37

Auf den rechtlichen Hinweis des Senats vom 27. April 2017 hat die Widersprechende ergänzend vorgetragen und den hilfsweisen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 vom 14. Juni 2013 und vom 18. November 2014, auf den Hinweis des Senats vom 27. April 2017 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr nach §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle den Widerspruch insoweit zu Recht teilweise zurückgewiesen hat.

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Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

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Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wort/Bildmarke

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und der älteren Widerspruchsmarke (Wort/Bildmarke)

Abbildung

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im maßgeblichen Zusammenhang mit den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist unterdurchschnittlich bzw. kann nur unter Berücksichtigung der grafischen Ausgestaltung des Bildanteils als durchschnittlich angesehen werden. In Wechselwirkung der im Wortbestandteil unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mit der allenfalls geringen Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen hält die angegriffene Marke den zu fordernden Zeichenabstand im Ergebnis ein. Dabei ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise den jeweils beanspruchten Dienstleistungen eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit entgegenbringen.

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1. Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. BGH, GRUR 2016, 382 Rn. 31 – BioGourmet). Auch wenn der Widerspruchsmarke unter Berücksichtigung der grafisch-bildlichen Gestaltung normale Kennzeichnungskraft zugebilligt werden kann, gilt dies nicht für den reinen Wortbestandteil „pronatura“ bzw. „pro natura“. Die in der Marke verwendete Wortkombination wird auf den verschiedensten Gebieten und von unterschiedlichen Unternehmen und Organisationen verwendet, um im weitesten Sinne auf Naturschutz, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit hinzuweisen (auf die Rechercheergebnisse des Senats, die mit dem rechtlichen Hinweis vom 27. April 2017 übersandt worden sind, wird insoweit Bezug genommen). Die Bedeutung von „pro natura“ im Sinne von „für die Natur“ erschließt sich für den Verkehr auch ohne weiteres. Beide Bestandteile der Wortkombination werden im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. So findet sich der Bestandteil „pro“ in gleicher Bedeutung in identisch gebildeten Wortverbindungen wie z. B. „Pro Musica“ oder „Pro Familia“. Der Begriff „natura“ ist schon wegen der Ähnlichkeit zu dem Wort „Natur“ ohne weiteres zu verstehen. Im Zusammenhang mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren und Dienstleistungen vermag der Senat daher keinen relevanten Interpretationsspielraum zu erkennen. Ausgehend davon kommt den Wortbestandteilen „pro natura“ der Widerspruchsmarke, die aufgrund der grafischen Gestaltung der Marke auch als zwei Wortbestandteile erfasst werden können, nur eine deutlich eingeschränkte Kennzeichnungskraft zu.

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2. Beim Vergleich der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit festzustellen. Eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit kann angenommen werden, wenn die Waren und Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten (bei identischer Kennzeichnung) aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 59 f., vgl. z. B. BGH, GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; GRUR 2007, 321 Rn. 20 – COHIBA; GRUR 2008, 714 Rn. 32 – idw). Zwischen den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren besteht kein für die Verwechslungsgefahr relevanter Zusammenhang. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von gegenüberstehenden Dienstleistungen können die oben genannten Kriterien entsprechend herangezogen werden, wobei daneben insbesondere u. a. auch die branchenmäßige Nähe der jeweiligen Vergleichsdienstleistungen von Bedeutung ist. Die Vergleichsdienstleistungen „Dienstleistungen eines Franchise-Gebers, nämlich Beratung bei der Organisation und Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme, Hilfe bei der Führung von gewerblichen Unternehmen im Rahmen der Franchisenahme“ der angegriffenen Marke einerseits und „Verkaufsförderung (sales promotion) für andere; Präsentation von Waren für den Einzel- oder Großhandel über alle Kommunikationsmedien; Beschaffungswesen für Dritte; Betrieb einer Import- und Exportagentur“ der Widerspruchsmarke andererseits weisen nach Art und Zweck der Leistung deutliche Unterschiede auf, so dass dementsprechend ein deutlicher Dienstleistungsabstand gegeben ist.

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Bei den von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen im Bereich „Franchising“ handelt es sich um hochspezialisierte Dienstleistungen, wobei der Franchisegeber unternehmerische Gesamtkonzepte anbietet, die vom Franchisenehmer auf eigene Rechnung an bestimmten betrieblichen Standorten umgesetzt werden. Der Franchisegeber offeriert seine Dienstleistungen ausschließlich den mit ihm in einem Dauerschuldverhältnis vertraglich verbundenen Franchisenehmern und tritt im Übrigen selbst nicht als Dienstleistungsanbieter gegenüber Dritten auf. Demgegenüber handelt es sich bei den vorgenannten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke um allgemeine Dienstleistungen aus dem Bereich der Werbung und der Beschaffung, die begrifflich jedenfalls keine Franchisekonzepte umfassen. Die „Verkaufsförderung“ ist eine kurzfristige Aktivität mit Aktionscharakter. Die Dienstleistung „Präsentation von Waren über alle Kommunikationsmedien“ ist eine spezielle Form der Werbung. Zahlreiche spezialisierte Unternehmen bieten Dritten solche Dienstleistungen an, wobei nicht notwendigerweise ein Dauerschuldverhältnis begründet werden muss. Auch wenn Franchiseunternehmen solche „Verkaufsförderungen“ in der eigenen Franchisestruktur durchführen oder von Dritten durchführen lassen, bieten sie selbst diese Dienstleistung nicht gegenüber Dritten an. Insofern umfassen die Dienstleistungen eines Franchisegebers entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht oberbegrifflich die Dienstleistungen der Werbung, der Beratung oder der Verkaufsförderung (für Dritte). Noch deutlicher gilt dies für die Dienstleistung „Beschaffungswesen für Dritte“. Dabei handelt es sich um eine spezialisierte Dienstleistung, die dauerhaft oder nur einzelfallbezogen vereinbart werden kann, ohne dass die Beteiligten in einer einem Franchisesystem vergleichbaren Struktur miteinander verbunden sind. Umgekehrt werden entsprechende Dienstleistungen von Franchisegebern innerhalb ihres Franchisesystems in der Regel nicht erbracht. Import- und Exportagenturen unterstützten als spezialisierte Unternehmen Dritte beim Import oder Export von Waren, indem sie die Zollabwicklung übernehmen, Kontakte herstellen, den ausländischen Markt analysieren oder ähnliche Dienstleistungen anbieten. In der Regel wird die Tätigkeit durch Provisionen vergütet. Auch insoweit sind relevante Übereinstimmungen mit den Dienstleistungen eines Franchiseanbieters nicht erkennbar. Die zu vergleichenden Dienstleistungen werden daher von unterschiedlichen Betrieben angeboten, richten sich an verschiedene Abnehmerkreise und stehen weder in Konkurrenz zueinander, noch ergänzen sie sich.

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3. Beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Zeichen ist zunächst eine gewisse Ähnlichkeit festzustellen, die im Ergebnis aber nicht ausreicht, um angesichts des deutlichen Dienstleistungsabstandes, der nur noch relativ geringe Abforderungen an den Markenabstand stellt, die Gefahr von Verwechslungen zu begründen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. In der Regel genügt bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem Aspekt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; GRUR 2011, 824 Rn. 26 – Kappa; GRUR 2006, 60 Rn. 17 – coccodrillo). Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – La Espahola/Carbonell; BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl). Die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke stimmen in ihrem Wortbestandteil überein, so dass insoweit trotz der unterschiedlichen Schriftart und der unterschiedlichen Farbe der Buchstaben schriftbildlich eine gewisse Übereinstimmung besteht. In ihren grafischen Bestandteilen unterscheiden sich die Zeichen dagegen recht deutlich. Die Widerspruchsmarke ist ein diagonal positioniertes dunkelviolettes, gleichmäßig gerändertes, lanzettliches Blatt. Der Wortbestandteil befindet sich in weißer Schrift und in waagrechter Linie auf dem Blatt, wobei die Wortbestandteile „pro“ und „natura“ unterschiedlich dick ausgestaltet sind. In der angegriffenen Marke findet sich zwar gleichfalls das Motiv eines Blattes, dieses wird aber deutlich abweichend dargestellt. Das in der Widerspruchsmarke wiedergegebene, teils unregelmäßig geränderte, herzförmige, grüne Blatt steht senkrecht zwischen den Wortbestandteilen „Pro“ und „Natura“. Der Wortbestandteil ist von einem Rahmen umgeben, der von dem Blatt, das etwas größer ist als die Buchstaben, in der oberen und der unteren Linie durchbrochen wird. Insoweit reduziert sich die Übereinstimmung der Zeichen in gestalterischer Hinsicht auf die Verwendung des Motivs eines Blattes. Insgesamt hält damit die jüngere Marke in bildlicher Hinsicht einen deutlichen Zeichenabstand ein. Soweit die Vergleichszeichen in den Wortbestandteilen klanglich übereinstimmen, kann daraus aus Rechtsgründen keine Verwechslungsgefahr hergeleitet werden. Es handelt sich in klanglicher Hinsicht um eine Angabe, die außerordentlich nahe an eine beschreibende Angabe angelehnt ist. Soweit eine begriffliche Übereinstimmung zu bejahen ist, scheidet eine Verwechslungsgefahr gleichfalls aus Rechtsgründen aus, da die Übereinstimmung glatt beschreibender Natur ist und deshalb markenrechtlich nicht monopolisiert werden kann.

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4. Im Hinblick auf die Wechselwirkung der schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, insbesondere bezogen auf die übereinstimmenden Wortbestandteile der Vergleichszeichen, der im Übrigen recht deutlichen Zeichenunterschiede und des Abstandes der beanspruchten Dienstleistungen zueinander, wirkt sich auch der Grad der Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise verwechslungsmindernd aus. Die jeweils beanspruchten Dienstleistungen wenden sich nicht an Verbraucher, sondern an Fachkreise, die bei der Vergabe von Aufträgen an entsprechende Dienstleister eine deutlich erhöhte Sorgfalt walten lassen. Dies gilt insbesondere für die vertragliche Bindung an ein Franchisesystem, die mit langfristigen und erheblichen persönlichen sowie finanziellen Verpflichtungen verbunden ist.

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Der Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung war von der Widersprechenden zurückgenommen worden. Die Durchführung erschien auch aus Sicht des Senats nicht erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 MarkenG.