Entscheidungsdatum: 11.01.2018
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2014 047 830
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden II wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2016 aufgehoben, soweit der beschränkt erhobene Widerspruch aus der Unionsmarke 007 195 464 zurückgewiesen worden ist. Aufgrund dieses Widerspruchs wird die Löschung der Marke 30 2014 047 830 SERTEX im Umfang des erhobenen Widerspruchs angeordnet, nämlich in Bezug auf sämtliche beanspruchten Waren mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“.
2. Die Beschwerde bzw. der Widerspruch der Widersprechenden I ist derzeit gegenstandslos.
I.
Die am 23. Mai 2014 angemeldete Wortmarke
SERTEX
ist am 1. Juli 2014 unter der Nummer 30 2014 047 830 als Wortmarke für die nachfolgenden Waren
Klasse 3:
Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel; Seifen; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; kosmetische Erzeugnisse; Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 5:
pharmazeutische Erzeugnisse; veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Substanzen und Erzeugnisse, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Nahrungsergänzungsmittel für den medizinischen Gebrauch; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel; Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Balsam für medizinische Zwecke; Lotionen für medizinische Zwecke; biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische Erzeugnisse für pharmazeutische Zwecke; diätetische Lebensmittel, Getränke und Substanzen, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Heilmittel für medizinische Zwecke; Babynahrung; medizinische Kräuter; Arzneimittel zur zahnmedizinischen Verwendung; Arzneimittel zur humanmedizinischen Verwendung; Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere solche, die Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und/oder Ballaststoffe oder Mikronährstoffe enthalten, wie Vitamine und/oder Mineralstoffe, Aminosäuren und/oder Fettsäuren, für medizinische und nicht-medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, nämlich nicht-medizinische Infusionen; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.
Gegen die Eintragung der am 1. August 2014 veröffentlichten Marke hat die Inhaberin der seit dem 9. September 1998 unter der Nummer 398 44 942 für die Waren der
Klasse 5:
Pharmazeutische Präparate zur Behandlung des Restless Legs-Syndrom
eingetragenen Wortmarke
RESTEX
(im Folgenden Widersprechende I) Widerspruch zunächst gegen alle Waren der angegriffenen Marke erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2018 hat die Widersprechende ihren Widerspruch in Bezug auf die Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und die Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“ der angegriffenen Marke zurückgenommen.
Auch die Inhaberin der seit dem 7. März 2013 für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 5:
Pharmazeutische Präparate;
Klasse 42:
Pharmazeutische Forschung für Dritte
eingetragenen Unionsmarke 007 195 464
VERTEX
(im Folgenden Widersprechende II) hat gegen die Eintragung der Marke SERTEX Widerspruch erhoben in Bezug auf alle Waren der angegriffenen Marke mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 4. Februar 2016 eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den jeweils sich gegenüberstehenden Marken verneint und die beiden Widersprüche zurückgewiesen.
Die Widerspruchsmarken verfügten von Haus aus über eine normale Kennzeichnungskraft. Selbst bei identischen Waren und bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt sei der zwischen den jeweiligen Vergleichszeichen erforderliche Abstand noch eingehalten. Insoweit könne die Frage der von Seiten der Inhaberin der angegriffenen Marke bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke RESTEX, zu der von Seiten der Widersprechenden I diverse Unterlagen zur Verwendung der Widerspruchsmarke für ein Medikament zur Behandlung des Restless Legs-Syndroms vorgelegt worden waren, dahingestellt bleiben. Die Vergleichsbezeichnungen SERTEX und RESTEX würden sich auffällig schon am Wortanfang mit „SER-“ gegenüber „RES“ klanglich unterscheiden, woraus sich ein etwas unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus der Zeichen ergebe. Da die Wortendung „-EX“ darauf hinweise, dass „etwas beseitigt oder entfernt werde“ und insoweit eher beschreibend sei, werde der Wortanfang der Marken stärker beachtet. Diese Unterschiede im Wortanfang würden sowohl schriftbildlich als auch klanglich zur Unterscheidung der Marken ausreichen, zumal mit einer besonderen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu rechnen sei.
Auch zwischen der angegriffenen jüngeren Wortmarke SERTEX und der Unionswortmarke VERTEX seien die klanglichen Unterschiede durch den unterschiedlichen Wortanfang, der erfahrungsgemäß stärker beachtet werde und stärker in Erinnerung bliebe, ausreichend auffällig. Der Buchstabe „S“ werde als Zischlaut ausgesprochen und unterscheide sich klanglich von dem Buchstaben „V“, der als Reibelaut wiedergegeben werde. Dadurch entstehe ein etwas unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus. Auch sei eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr angesichts der jeweils typischen anderen Umrisscharakteristik der Buchstaben „S“ gegenüber „V“ ausgeschlossen.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Widersprechenden.
Die Widersprechende I führt zur Begründung der Beschwerde aus, die Bewertung der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen durch die Markenstelle sei nicht nachvollziehbar. Denn diese würden aus sechs identischen Buchstaben bestehen, bei denen in der ersten Wortsilbe lediglich die Reihung des ersten und des dritten Konsonanten vertauscht worden sei, die zweite Silbe „TEX“ der Widerspruchsmarke RESTEX sei sogar identisch in die angegriffene jüngere Marke SERTEX übernommen worden. Die Zeichen verfügten bei einer identischen Vokalfolge, identischer Buchstaben und gleicher Silbenzahl über einen übereinstimmenden Sprech- und Betonungsrhythmus, sodass eine klangliche Verwechslungsgefahr zu besorgen sei.
Die Widersprechende I beantragt daher nunmehr, nach der in der mündlichen Verhandlung erklärten Teilrücknahme ihres Widerspruchs,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2016 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 398 44 942 zurückgewiesen worden ist, mit Ausnahme der Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“, und die Marke 30 2014 047 830 SERTEX im Umfang des aufrechterhaltenen Widerspruchs zu löschen.
Die Widersprechende II ist der Auffassung, dass zwischen den Vergleichsbezeichnungen SERTEX und VERTEX eine erhebliche klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit bestehe.
Beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Waren der Klassen 3 und 5 sei teilweise von einer Identität und im Übrigen von einer Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren auszugehen. So sei ein Großteil der geschützten Waren der angegriffenen Marke der Klasse 5 von dem Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ der Klasse 5 der Widerspruchsmarke identisch umfasst. Ebenso seien auch die für die angegriffene Marke in der Klasse 3 geschützten „Seifen“, bei denen es sich um hautpflegende Toilettenseifen oder medizinische Seifen handeln könne, hochgradig ähnlich zu den Widerspruchswaren „pharmazeutische Präparate“. Da die in der Klasse 3 genannten „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, kosmetische Erzeugnisse“ der angegriffenen Marke nicht selten ähnliche und mitunter sogar die gleichen Wirkstoffzusammensetzungen wie „Dermatika“ aufweisen würden und es im Einzelfall auch schwierig sei, ein „hautpflegendes“ Dermatikum von einem Dermatikum eindeutig abzugrenzen, seien diese Produkte hochgradig ähnlich zu den „pharmazeutischen Präparaten“ der Klasse 5. Die Waren richteten sich sowohl an den Fachverkehr wie auch an die Endverbraucher, da eine Beschränkung allein auf rezeptpflichtige Arzneimittel nicht gegeben sei. Zwar sei auch der Durchschnittsverbraucher im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger, sodass es insoweit auch seltener zu Markenverwechslungen komme. Diese Grundsätze seien aber nicht ohne weiteres auf die auch betroffenen Nahrungsergänzungsmittel, die kosmetischen Mittel oder Babynahrung zu übertragen, bei denen von einem normalen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen sei. Insoweit sei ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der im Verhältnis der angegriffenen Marke SERTEX zu der Widerspruchsmarke VERTEX aber nicht eingehalten werde. Die einzige Abweichung der Vergleichsbezeichnungen sei in den Anfangsbuchstaben „S“ gegenüber „V“ gegeben. Zwar handele es sich dabei um eine Abweichung am üblicherweise stärker beachteten Wortanfang. Angesichts der ansonsten bestehenden überwiegenden Übereinstimmungen der Vergleichsbezeichnungen sei eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen. Klanglich seien die Zeichen nahezu nicht auseinander zu halten. Auch schriftbildlich sei nicht nachvollziehbar, wie die Markenstelle bei der Abweichung in nur einem Buchstaben von einer unterschiedlichen Umrisscharakteristik sprechen könne. Schließlich verweist die Widersprechende II auf die Widerspruchsentscheidung des EUIPO vom 15. April 2016, in der der Unionsmarke SERTEX die Eintragung für einen Teil der auch vorliegend relevanten Waren aufgrund des Widerspruch aus der auch hier verfahrensgegenständlichen Widerspruchsmarke VERTEX angesichts der klanglichen und schriftbildlichen Verwechslungsgefahr versagt worden war.
Die Widersprechende II beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2016 aufzuheben soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 007 195 464 zurückgewiesen worden ist, und die Marke 30 2014 047 830 SERTEX im Umfang des erhobenen Widerspruchs zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerden der Widersprechenden zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle im Wesentlichen zutreffend sei. Die Vergleichsbezeichnungen SERTEX und RESTEX seien nicht verwechselbar, weil sich durch das Vertauschen der Anfangskonsonanten „S“ bzw. „R“ die Aussprache des sich daran anschließenden und damit an der gleichen Stelle der Wörter platzierten identischen Vokals der ersten Silbe „E“ völlig verändere. Dieser deutliche Unterschied im Anfang der Markenwörter, dem die angesprochenen Verkehrskreise erfahrungsgemäß eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen ließen, führe zu ausreichendem Markenabstand.
Ebenso seien auch die Vergleichsbezeichnungen SERTEX und VERTEX nicht verwechselbar. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass der Widerspruch auf „pharmazeutische Erzeugnisse“ gestützt werde, sodass beim Erwerb der Waren insgesamt von einer erhöhten Sorgfalt der angesprochenen Endverbraucher auszugehen sei, was deutlich seltener Markenverwechslungen zur Folge habe. Auch sei die Endsilbe der Markenwörter mit „EX“ beschreibend und im Medikamentensektor zudem verbraucht, sodass diese tendenziell vernachlässigt werde. Damit würden die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichenbeginn mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Vor diesem Hintergrund würden die deutlichen Unterschiede zwischen den Buchstaben „V“ und „S“ so aufmerksam wahrgenommen werden, dass die Gefahr von Verwechslungen der Zeichen nicht in Betracht komme.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat nach dem rechtlichen Hinweis des Senats zur Terminsladung vom 6. Dezember 2017 nach entsprechender Mitteilung an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden II hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke SERTEX und der zweiten Widerspruchsmarke VERTEX besteht im Umfang des erhobenen Widerspruchs eine Verwechslungsgefahr nach § 125b Nr. 1 MarkenG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, sodass insoweit die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen war, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch Ströbele/ Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wortmarke „SERTEX“ und der älteren Widerspruchsmarke „VERTEX“ eine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a. Bei der Widerspruchsmarke VERTEX ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen, Anhaltspunkte für eine Stärkung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen noch ansonsten erkennbar.
Soweit die Inhaberin der jüngeren Marke eine geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend macht, weil die Wortendsilbe „-EX“ mit der Bedeutung von „vorbei, aus, zu Ende“ auf die lindernde bzw. krankheitsbekämpfende Wirkung der so bezeichneten pharmazeutischen Produkte beschreibend hinweise und es sich im einschlägigen Warenbereich deshalb um ein gebräuchliches und beliebtes Suffix handele, führt dies – die Richtigkeit unterstellt – vorliegend aber nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke insgesamt. Abgesehen davon, dass die beiden Schlussbuchstaben „-EX“ der Widerspruchsmarke VERTEX keine eigenständige Wortendsilbe bilden – dies ist vielmehr der Wortbestandteil „-TEX“ –, nimmt der angesprochene Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und einzelne Markenelemente nach einer eventuellen Bedeutung zu untersuchen (vgl. BPatG GRUR 2010, 441, 444 f. – printnet/PRINECT).
b. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke VERTEX von der Registerlage auszugehen. Die Vergleichsmarken können sich im beschwerdegegenständlichen (Waren-)Umfang auf identischen, hochgradig ähnlichen und durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Warenähnlichkeit wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten regelmäßig aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ZOOM).
In der Klasse 5 stehen sich mit den angegriffenen Waren der „pharmazeutischen Erzeugnisse“ und den weiteren einzeln aufgezählten Waren der angegriffenen Marke, die unter den Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ gemäß dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke zu fassen sind, identische Waren gegenüber. Zu den unter diesen Oberbegriff zu fassende Waren gehören die „veterinärmedizinischen Erzeugnisse; chemische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; chemische Erzeugnisse für pharmazeutische Zwecke; Arzneimittel zur zahnmedizinischen Verwendung; Arzneimittel zur humanmedizinischen Verwendung“, welche von der angegriffenen Marke beansprucht werden. Bei den weiteren angegriffenen Waren, nämlich der „Heilmittel für medizinische Zwecke; Balsam für medizinische Zwecke; Lotionen für medizinische Zwecke; biologische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ besteht zu den Widerspruchswaren der „pharmazeutischen Präparate“ jedenfalls angesichts der zahlreichen Überschneidungen in ihrer stofflichen Beschaffenheit, nach ihrer Bestimmung, ihrem Zweck sowie der Art ihrer Anwendung und dem übereinstimmenden regelmäßigen Vertrieb über Apotheken oder (bestimmten Bereichen der) Drogeriemärkte (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 92 m. w. N.) eine hochgradige Ähnlichkeit.
Unter den für die Widerspruchsmarke eingetragenen weiten Oberbegriff der „pharmazeutischen Präparate“ fallen auch solche Erzeugnisse, wie etwa dermatologische bzw. medizinische Seifen, Dermatika oder pharmazeutische Mundwässer, medizinische Haarwässer und Zahnpflegepräparate, die hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sowie ihrer regelmäßigen Herstellungs- und Vertriebsstätten daher zu den mit dem Widerspruch weiter angegriffenen Waren der Klasse 3 der jüngeren Marke, „Seifen, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; kosmetische Erzeugnisse, Haarwässer, Zahnputzmittel“ eine eher noch überdurchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen können (vgl. hierzu auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Aufl. 2017, www.jurion.de Online-Aktualisierung vom 1.8.2017 – Stichwort „pharmazeutische Präparate“).
Zwischen den Waren der angegriffenen Marke „Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Substanzen und Erzeugnisse, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Nahrungsergänzungsmittel für den medizinischen Gebrauch; Pflaster; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel; Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; diätetische Lebensmittel, Getränke und Substanzen, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind; Babynahrung; medizinische Kräuter; Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere solche, die Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und/oder Ballaststoffe oder Mikronährstoffe enthalten, wie Vitamine und/oder Mineralstoffe, Aminosäuren und/oder Fettsäuren, für medizinische und nicht-medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, nämlich nicht-medizinische Infusionen“ und den „pharmazeutischen Präparaten“ der Widerspruchsmarke ist eine jedenfalls noch durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen. Denn die genannten angegriffenen Waren können auch unter medizinischen Gesichtspunkten zum Einsatz kommen und insoweit die pharmazeutischen Präparate in einer Behandlung ergänzen (vgl. insoweit auch BPatG 30 W (pat) 106/11 – Diclodolor/Diclac dolo; BPatG 97, 25 W (pat) 160/95 – Clorocef (jeweils öffentlich zugänglich über die Homepage des Bundespatentgerichts) und ergänzend Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Auflage 2017, www.jurion.de Online-Aktualisierung vom 1.8.2017 – Stichwort „pharmazeutische Präparate“).
c. Den bei dieser Ausgangslage teilweise strengen und im Übrigen in Bezug auf die nur durchschnittlich ähnlichen Waren der angegriffenen Marke mittleren Anforderungen an den Markenabstand, wird die jüngere Marke nicht gerecht. Denn ein ausreichender Zeichenabstand ist, auch wenn im Gesundheitssektor eine höhere Aufmerksamkeit der auch angesprochenen allgemeinen Verbraucher zugrunde gelegt werden kann, bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten.
Die Ähnlichkeit von Kollisionszeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (so z. B. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m. w. N.).
Die Vergleichsbezeichnungen SERTEX und VERTEX sind klanglich hochgradig ähnlich. Denn die Vergleichswörter stimmen bis auf ihren Anfangslaut „S“ bzw. „V“ in ihrer weiteren Lautfolge „-ERTEX“ und damit in der überwiegenden Anzahl der maßgeblichen Beurteilungskriterien, wie Wortlänge, Silbengliederung, Sprechrhythmus und Vokal- und (übrigen) Konsonantengerüst überein. Trotz des Umstands, dass der Unterschied in dem in der Regel stärker beachteten Anfangslaut der Bezeichnungen besteht, reicht diese einzige Abweichung in einem Konsonantenlaut nicht aus, um den insbesondere im Bereich identischer und hochgradig ähnlicher aber auch bei (noch) durchschnittlich ähnlicher Vergleichswaren zu stellenden Anforderungen an den Markenabstand gerecht zu werden (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 281 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dies gilt umso mehr, als sich die stimmlosen Anfangskonsonanten nicht sehr deutlich voneinander abheben und jedenfalls den klanglichen Gesamteindruck der Vergleichsbezeichnungen nicht markant unterschiedlich beeinflussen („v“ und „S“ als klangverwandte Konsonanten: vgl. hierzu auch die Entscheidung des Senats in 25 W (pat) 208/09 vom 5. März 2010 – Tinisa/RINIVA, öffentlich zugänglich über die Homepage des Bundespatentgerichts).
Angesichts der Bejahung der klanglichen Verwechslungsgefahr kann die Entscheidung über die Frage der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr letztendlich als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Der Umstand, dass es sich bei der den Zeichen gemeinsamen Endsilbe „EX“ um ein sprachübliches und beliebtes Suffix handelt, das in zahlreichen Begriffen sowie eingetragenen Marken am Wortende steht (beispielsweise Index; Reflex; Kodex; konvex), führt nicht dazu, dass den festgestellten Übereinstimmungen am Ende der Zeichen dadurch ein deutlich geringeres Gewicht zukommt. Denn zum einen besteht die Übereinstimmung der insgesamt sechs Buchstaben umfassenden Zeichenwörter nicht allein in der genannten Lautfolge „EX“, zum anderen neigen die angesprochenen Verkehrskreise nicht zu einer zergliedernden Betrachtungsweise und zudem hat die Buchstabenfolge „ex“ am Ende eines Wortes, anders als dies am Wortanfang der Fall sein mag, jedenfalls nicht die Bedeutung von „etwas beseitigen, entfernen“ (anders als etwa bei der Verwendung am Wortanfang bei Begriffen wie Extrahieren, exorzieren; Extemporale).
Im Hinblick auf die festgestellte Identität bzw. hochgradige und durchschnittliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren, die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die hochgradige klangliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Wortzeichen SERTEX und VERTEX ist eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Daher ist die angegriffene Marke SERTEX im Umfang des erhobenen Widerspruchs zu löschen, sodass der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben war.
2. Da die Beschwerde im Hinblick auf die Unionswiderspruchsmarke 007 195 464 VERTEX im Umfang des erhobenen Widerspruchs bereits Erfolg hat, ist der nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Rücknahme gegen die angegriffenen Waren der Klasse 3 „Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel“ und der Waren der Klasse 5 „Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide“ nunmehr im gleichen Umfang erhobene Widerspruch bzw. die Beschwerde aus der weiteren Widerspruchsmarke 398 44 942 RESTEX derzeit gegenstandslos. Mit dem Eintritt der Rechtskraft der im Hinblick auf den Widerspruch aus der Unionsmarke VERTEX ausgesprochenen Löschung der angegriffenen Marke wird der Widerspruch aus der Marke RESTEX endgültig gegenstandslos werden.
3. Zur Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.