Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.09.2016


BPatG 19.09.2016 - 25 W (pat) 101/14

Markenbeschwerdeverfahren – "GRANDIOS AssekuranzKontor" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
19.09.2016
Aktenzeichen:
25 W (pat) 101/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 013 949.0

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2012 und vom 23. April 2014 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf folgende Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

Klasse 44:

Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Krankenpflegedienste, Seniorenpflegedienste; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;

Klasse 45:

Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

GRANDIOS AssekuranzKontor

3

ist am 8. März 2011 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 16:

5

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse, Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten); Drucklettern; Druckstöcke;

6

Klasse 35:

7

Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen;

8

Klasse 36:

9

Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;

10

Klasse 44:

11

Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Krankenpflegedienste; Seniorenpflegedienste; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;

12

Klasse 45:

13

Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.

14

Mit Beschluss vom 17. Oktober 2012, bestätigt mit Erinnerungsbeschluss vom 23. April 2014 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen:

15

Klasse 16:

16

Druckereierzeugnisse;

17

Klasse 35:

18

Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen;

19

Klasse 36:

20

Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;

21

Klasse 44:

22

Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Krankenpflegedienste, Seniorenpflegedienste; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;

23

Klasse 45:

24

Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.

25

Der Eintragung der angemeldeten Wortmarke stehe für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die angemeldete Bezeichnung setze sich aufgrund der Schreibweise leicht ersichtlich aus den Wortbestandteilen „GRANDIOS“, „Assekuranz“ und „Kontor“ zusammen. Dabei sei das aus dem Italienischen abgeleitete Adjektiv „GRANDIOS“ mit „großartig, überwältigend“ gleichzusetzen. Bei „Assekuranz“ handele es sich um ein Fremdwort, das eine „Versicherung“ bzw. eine „Versicherungsgesellschaft“ oder die „Versicherungswirtschaft“ bezeichne, der weitere Wortbestandteil „Kontor“ sei eine „Niederlassung eines Handelsunternehmens“ oder eine „Handelszentrale“ und sei auch als Synonym für „Büro“ oder „Geschäftsraum“ gebräuchlich.

26

Insgesamt würde ein erheblicher Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise, das allgemeine Publikum wie auch der Fachverkehr, das Zeichen in seiner Gesamtheit als eindeutigen und werbeüblichen Hinweis darauf wahrnehmen, dass die Waren und Dienstleistungen von einem Versicherungsbüro angeboten und erbracht oder vermittelt werden, welches sich einer – in welcher Weise auch immer bestehenden – Großartigkeit rühme. Die Tatsache, dass die Bedeutung der Wortfolge etwas diffus bleibe, verhindere nicht, dass sie im Kontext der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen jedenfalls einen stark beschreibenden Anklang aufweise bzw. sich insofern ein enger beschreibender Bezug ergäbe. Die Wiedergabe mit Großbuchstaben bei „GRANDIOS“ und die Binnengroßschreibung bei „AssekuranzKontor“ sei als werbeüblich einzuordnen und vermag dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu verleihen. Ebenso wenig führe der Verweis der Anmelderin auf eine angeblich vergleichbare Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 16. September 2009 (BPatG 29 W (pat) 24/09) zur Schutzfähigkeit des Zeichens „IDEAL Versicherung“ zu einer anderen Bewertung der Markenstelle.

27

Gegen die teilweise Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung führt sie aus, entgegen der Einschätzung der Markenstelle weise die angemeldete Wortkombination keinen engen beschreibenden Bezug zu den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen auf. Dies ergäbe sich insbesondere aus der grammatikalischen Struktur, sowie der grafischen Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens „GRANDIOS AssekuranzKontor“. Der Bestandteil „GRANDIOS“ werde nicht als ein auf den weiteren Wortbestandteil „AssekuranzKontor“ bezogenes Adjektiv verstanden, da es dann grammatikalisch richtig „GRANDIOSES AssekuranzKontor“ heißen müsse. Diesen klanglich und schriftbildlich deutlichen Unterschied würde der angesprochene Verkehr auch erkennen. Zudem wirke der Bestandteil „GRANDIOS“ schon durch die Ausgestaltung in Großbuchstaben und die konkrete Anordnung neben den übrigen Wortbestandteilen eigenständig und als der Name des Unternehmens oder des Kontors. Die Wortzusammenstellung sei nicht werbeüblich, auch sei das angemeldete Zeichen lexikalisch nicht nachweisbar. Aus Sicht der Anmelderin sei die vorliegende Bezeichnung mit der vom Bundespatentgericht entschiedenen Schutzfähigkeit des Wortzeichens „IDEAL Versicherung“ vergleichbar.

28

Nach dem rechtlichen Hinweis des Senats vom 24. Mai 2016 zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung hat die Anmelderin die Anmeldung mit Schreiben vom 26. Juli 2016 in Bezug auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 36 zurückgenommen.

29

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

30

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2012 und vom 23. April 2014 aufzuheben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 44 „Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Krankenpflegedienste, Seniorenpflegedienste; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege“ sowie der Klasse 45 „Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen“ zurückgewiesen worden ist.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

32

Die zulässige Beschwerde hat nach dem am 26. Juli 2016 erfolgten Verzicht der Anmelderin auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 36 auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „GRANDIOS AssekuranzKontor“ als Marke steht in Bezug auf die zuletzt noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 44 und 45 weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

33

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Das Schutzhindernis beruht auf dem Allgemeininteresse an der Freihaltung von Zeichen, die keine Herkunftsfunktion erfüllen (vgl. EUGH, GRUR 2008, 608 Rn. 59 – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision).

34

Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).

35

Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Bezeichnung für die zuletzt noch beanspruchten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

36

Die angemeldete Wortkombination besteht aus dem mit Großbuchstaben wiedergegebenen Adjektiv GRANDIOS und dem schon wegen der Binnengroßschreibung für den angesprochenen Verkehr ohne weiteres erkennbar aus den einzelnen Wörtern „Assekuranz“ und „Kontor“ bestehenden Begriff „AssekuranzKontor“. Das Adjektiv „grandios“ ist mit „großartig, überwältigend“ gleichzusetzen. Das Wort „Assekuranz“ ist eine zwar veraltete, aber immer noch gebräuchliche Bezeichnung für „Versicherung“, „Versicherungsdienstleistung“ oder „Versicherungsgesellschaft“. Der ebenfalls veraltete, aber durchaus noch gebräuchliche Begriff „Kontor“ steht für die „Niederlassung eines Handelsunternehmens“ und ist ebenso ein Synonym für „Büro“ (vgl. dazu auch die Ausführungen des Senats zu der Bezeichnung „e-contor/elektronisches Kontor/Büro“, Beschluss vom 24. Juni 2004, 25 W (pat) 54/03). Die Zusammenstellung der Wörter „Kontor“ und „Assekuranz“ oder „Versicherung“ sind mit der Bedeutung „Versicherungsbüro“ ebenfalls gebräuchlich und vielfach nachweisbar (siehe hierzu die Anlagen 4, 5 zum (Erinnerungs)Beschluss der Markenstelle des DPMA vom 23. April 2014). In der Zusammenstellung ergibt die Bezeichnung „GRANDIOS Versicherungsbüro“ ohne weiteres den Aussagegehalt eines hinsichtlich seiner Dienstleistungen als großartig angepriesenen Versicherungsbüros. Die angesprochenen Verkehrskreise werden der Bezeichnung somit zwar im Zusammenhang mit Versicherungsdienstleistungen und versicherungsnahen Dienstleistungen lediglich einen anpreisenden Hinweis auf die Erbringungsstätte bzw. den Erbringer solcher Dienstleistungen entnehmen als solche eines hervorragenden Versicherungsbüros bzw. Versicherungsmaklers. Dies gilt aber nicht in gleicher Weise für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen. Denn die Dienstleistungen der Klasse 44 „Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Krankenpflegedienste; Seniorenpflegedienste; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege“ der Klasse 44 sowie die „Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen“ der Klasse 45 werden mit der werblich übertriebenen Bezeichnung eines „GRANDIOS AssekuranzKontors“ nicht unmittelbar beschrieben. Auch handelt es sich üblicherweise bei einem Versicherungsbüro nicht um den Erbringer dieser Dienstleistungen bzw. betreiben Versicherungsbüros in der Regel keine Pflegeheime, Sanatorien oder Krankenhäuser, so dass insoweit eine unmittelbar dienstleistungsbeschreibende Bedeutung nicht feststellbar ist. Zwar können die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen einen gewissen Bezug zu einem Versicherungsbüro oder „AssekuranzKontor“ aufweisen, da sie teilweise Gegenstand entsprechender von einem Versicherungsbüro vermittelter Kranken-, Sterbe- oder Bestattungsversicherungen sein können. Allerdings fehlt es nach Ansicht des Senats dann aber an einem ausreichend engen Bezug zwischen der Bezeichnung eines Versicherungsbüros und der Erbringung solcher Dienstleistungen, die den Gegenstand eines Versicherungsvertrags darstellen können. Denn ein solcher beschreibender Bezug zwischen den genannten Dienstleistungen und den üblichen Versicherungs- oder Vermittlungsdienstleistungen eines Versicherungsbüros erschließt sich erst nach mehreren gedanklichen Zwischenschritten und liegt nicht ohne weiteres auf der Hand.

37

Vor diesem Hintergrund ist, anders als die Markenstelle meint, der angemeldeten Bezeichnung die Unterscheidungskraft für die noch verbleibenden Dienstleistungen nicht abzusprechen.

38

Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortfolge „GRANDIOS AssekuranzKontor“ zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen unterliegt das Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

39

Nach alledem war der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben, als die Anmeldung noch weiterverfolgt wird.