Entscheidungsdatum: 08.06.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 005 711.4
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Richters Viereck als Vorsitzenden, des Richters Eisenrauch und der Richterin am OLG Kortge in der Sitzung vom 8. Juni 2010
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juli 2008 aufgehoben.
I.
Die am 30. Januar 2008 angemeldete Wortmarke
ProdFLOW
ist für Dienstleistungen in Klasse 42 bestimmt.
Seitens der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts ist die Anmeldung zunächst mit Bescheid vom 9. April 2008 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG beanstandet worden.
Die Anmelderin hat dem Dienstleistungsverzeichnis daraufhin folgende Fassung gegeben:
„42: wissenschaftliche und industrielle Analysedienstleistungen, Durchführung von wissenschaftlichen und technologischen Forschungsarbeiten“.
Mit Beschluss der Markenstelle - besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes - vom 9. Juli 2008 ist die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen worden.
Zur Begründung ist ausgeführt, „Prod“ sei eine gebräuchliche Abkürzung für die Begriffe „produktiv, produzieren, Produkte, Produktion, Produktivität, Produzent“; das englische Wort „ FLOW “ bedeute „Fluss“. Der inländische Verkehr verstehe das angemeldete Zeichen ohne Weiteres als „Produktionsfluss“ (i. S. v. kontinuierlicher Ablauf der Produktion). Der entsprechende englischsprachige Begriff laute „production flow“. Die angemeldete Bezeichnung sage in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen aus, dass diese sich inhaltlich mit einem Produktionsfluss befassten bzw. darauf ausgerichtet seien, einen solchen herzustellen oder zu optimieren. Dem Beschluss waren einige Internet-Ausdrucke (5 Blatt) beigefügt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den (sinngemäßen) Antrag,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juli 2008 aufzuheben und die angemeldete Marke in das Markenregister einzutragen.
Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab anzulegen. „ ProdFLOW “ sei eine neue Wortbildung ohne eindeutigen Begriffsinhalt. Es sei fraglich, ob es sich bei dem ersten Wortelement „Prod“ um eine Abkürzung handele, zumal es im Englischen ein entsprechendes Verb mit der Bedeutung „anstacheln, anstoßen“ gebe. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen sei der Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung in der maßgeblichen Gesamtheit vage; eine analysierende Betrachtung sei nicht geboten. Ergänzend wird auf die Entscheidung des BPatG vom 29. Oktober 2003 (32 W (pat) 260/02 - PASSflow ) hingewiesen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet. Die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und der unmittelbar dienstleistungsbeschreibenden Angabe (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) greifen im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung der Markenstelle - nicht ein.
Die angemeldete Bezeichnung verfügt über ein ausreichendes Maß an Unterscheidungskraft, um die betriebliche Herkunft der betroffenen Dienstleistungen in Klasse 42 anzeigen zu können. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist im Hinblick auf die konkret beanspruchten Dienstleistungen zu beurteilen, wobei es auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise ankommt (EuGH GRUR Int. 2005, 135, Nr. 19 - Maglite; GRUR 2005, 763, Nr. 25 - Nestlé/Mars; BGH GRUR 2009, 952, Nr. 9 - Deutschland-Card). Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsabnehmers der fraglichen Dienstleistungen abzustellen (st. Rspr.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2004, 943, Nr. 24 - SAT 2).
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen (und Waren) eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Nr. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 411, Nr. 8 - STREETBALL ).
Allerdings folgt das Vorhandensein von Unterscheidungskraft im vorliegenden Fall noch nicht aus der besonderen Schreibweise der angemeldeten Marke. Denn der Wechsel von Normalschrift und Großschreibung stellt ein gebräuchliches Mittel (vor allem in der Werbung) dar, um zusätzliche Aufmerksamkeit hervorzurufen (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 127). Auf eine betriebliche Herkunftsangabe wird allein deshalb nicht geschlossen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei „ ProdFLOW “ um eine neue Wortbildung (der Anmelderin) handelt; die Verwendung von „ prodflow “ seitens verschiedener Unternehmen, wie sie aus dem Internet ersichtlich ist, spricht gegen diese Behauptung der Anmelderin. Hierauf kommt es aber letztlich nicht an.
Eine glatt beschreibende (bzw. Merkmals-) Bezeichnung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG stellt „ ProdFLOW “ nicht dar; der angefochtene Beschluss ist nicht (mehr) auf dieses Schutzhindernis gestützt. Mithin kann unter diesem Aspekt auch nicht ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft, das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Registrierung ausreicht, verneint werden.
Gleichfalls nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen lässt sich ein enger beschreibender Bezug des Markenworts zu den beanspruchten Dienstleistungen. Die Bezeichnung „ ProdFLOW “ weist für den hier maßgeblichen deutschen Verkehr keinen ohne Weiteres naheliegenden oder sich unmittelbar aufdrängenden Sinngehalt auf. Zwar wird die Bedeutung des englischen Verbs „to prod“ (= jemanden stoßen, antreiben; vgl. PONS, Wörterbuch für Schule und Studium, Teil 1, Englisch-Deutsch, 1. Aufl., S. 1010) deutschen Interessenten betreffender Dienstleistungen wohl überwiegend nicht bekannt sein, so dass die Annahme der Markenstelle, der erste Wortteil werde als Abkürzung verstanden (z. B. für Produkt oder Produktion), nicht fernliegen dürfte. Auch kann nicht zweifelhaft sein, dass „product flow“ und „production flow“ im Englischen geläufige technologische (u. U. auch ökonomische) Fachbegriffe verkörpern.
Jedoch fehlt es an Belegen, dass „prod flow“ - in dieser oder in zusammengeschriebener Form - die allgemein gebräuchliche Abkürzung oder Kurzform dieser Fachbegriffe, international und auch im deutschen Sprachbereich, darstellt. Auch ergänzende Recherchen des Senats (mit Hilfe einer Internet-Suchmaschine) haben insoweit keine verwertbaren Erkenntnisse für eine entsprechende Annahme erbracht. Die Eingabe von „ prodflow “ ergibt so gut wie ausnahmslos Treffer, die auf einen marken- oder firmenmäßigen Gebrauch hindeuten. Dass „ prodflow “ ein häufig (oder auch nur gelegentlich) verwendeter (Fach-) Begriff - zumindest im englischen Sprachbereich - ist, ergibt sich daraus nicht.
Die Annahme der Markenstelle, die vorliegend beanspruchten Analyse- und Forschungsdienstleistungen würden sich inhaltlich mit einem Produktionsfluss (etwa bei Inline-Messungen in großtechnischen Anlagen) befassen, erscheint somit nicht unmittelbar naheliegend. Die angemeldete Bezeichnung kann viel eher - als sog. sprechendes Zeichen - in einem ganz anderen Sinn verstanden werden, nämlich dahingehend, dass die betreffenden Dienstleistungen „flüssig“ (d. h. zügig und zielstrebig) erbracht werden.
Der Beschluss der Markenstelle kann somit keinen Bestand haben und ist auf die Beschwerde hin aufzuheben.