Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.06.2012


BPatG 19.06.2012 - 24 W (pat) 77/10

Markenbeschwerdeverfahren - "beCertified (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
19.06.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 77/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 50 275.9

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Juni 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Wort-Bildmarke

Abbildung

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(Farben: rot, weiß, dunkelblau)

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ist am 30. Juli 2007 für folgende Waren- und Dienstleistungsklassen angemeldet worden:

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„(9) Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computer-Software; bespielte Ton- und Datenträger;

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(41) Erziehung; Ausbildung;

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(42) Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software“.

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Die Markenstelle für Klasse 42 hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen mit der Begründung, dass es der Marke an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle, weil sie in erster Linie eine Sachangabe mit engem sachlichen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen enthalte, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die beiden Wortbestandteile „be“ und „Certified“ enthielten im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Gesamtaussage von „sei/werde zertifiziert“, in Verbindung mit den beanspruchten Waren weise sie daher lediglich sloganhaft darauf hin, dass diese zertifiziert seien bzw. dass mit ihrer Hilfe eine Zertifizierung möglich sei. Im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen bringe die angemeldete Wortfolge lediglich zum Ausdruck, dass durch die Inanspruchnahme dieser Tätigkeiten eine Zertifizierung ermöglicht werde bzw. dass diese Tätigkeiten die Entwicklung von Zertifizierungen zum Gegenstand habe. Bei der angemeldeten Wortfolge „beCertified“ handele es sich daher um eine schutzunfähige schlagwortartige sachbezogene Werbeaussage, mit der in werbeüblicher Weise die besondere Eignung der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen angepriesen bzw. wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise bedeutsame Umstände in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen beschrieben würde. Das angemeldete Zeichen weise auch in seinem Gesamteindruck nicht die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Die einfache graphische Gestaltung oder Verzierung des Schriftbildes, die hier lediglich darin bestehe, dass der in weißer Farbe gehaltene Wortbestandteil „be“ mittels eines roten kreisförmigen Hintergrundfeldes unterlegt sei, während das daran anschließende Markenelement „Certified“ in dunkelblauer Schrift gehalten sei, vermöchten den beschreibenden Charakter der Wortbestandteile nicht zu beseitigen. Bei dieser farbigen Gestaltung der Wortfolge und der Hinterlegung eines Wortelements mit einem einfachen Kreis in einer kontrastierenden Farbe handele es sich um eine der einfachsten Gestaltungsvarianten, der der Verkehr regelmäßig in der Werbung begegne, weshalb er keinerlei Veranlassung habe, ihr einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Auch die Verwendung von unterschiedlichen Schrifttypen stelle sich wegen häufiger werbemäßiger Verwendung nicht als so ungewöhnlich dar, dass sie zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke führen könne.

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Mit ihrer Beschwerde vom 1. März 2010 verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter und beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Dezember 2007 und vom 11. Januar 2010 aufzuheben.

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Sie weist darauf hin, dass sie eine Wort-Bild-Marke angemeldet hat und ist dazu der Auffassung, dass die vorliegende Kombination von Wort- und Bildelementen unterscheidungskräftig sei; dabei müsse berücksichtigt werden, dass für die Feststellung der Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab gelte. Im Einzelnen meint die Anmelderin, dass die Angabe „beCertified“ kein bestimmtes Produktmerkmal beschreibe, sondern lediglich eine vage und unbestimmte, an eine Person gerichtete Aufforderung darstelle, sich in irgendeiner Weise zertifizieren zu lassen. Der rote Kreis samt Wortbestandteil „be“ stehe für Energie, Sportlichkeit, Geschwindigkeit und Effizienz, der in blauer Farbe gehaltene Wortbestandteil „Certified“ deute konservatives Understatement und Seriosität an.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg, weil es sich bei der angemeldeten Wort-Bild-Marke, wie schon die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, um ein Zeichen handelt, dem für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderlichen Unterscheidungskraft fehlt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die Eignung einer Marke als Herkunftszeichen zu wirken, dass heißt, durch ihre Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen diese klar als aus einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - STANDBEUTEL; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Nicht unterscheidungskräftig sind solche Angaben und Zeichen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Weiter kann die Unterscheidungskraft solchen Angaben fehlen, die einen engen sachlichen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen haben (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Für die Beurteilung einer angemeldeten Marke nach diesen Maßgaben kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der angesprochenen Verkehrskreise an.

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Dies vorausgesetzt, konnte der Senat für die angemeldete Marke die von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geforderte Unterscheidungskraft nicht feststellen.

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Auf den ersten Blick zieht zunächst der Wortbestandteil der angemeldeten Marke „beCertified“ die Aufmerksamkeit auf sich, der - für sich genommen - keine Unterscheidungskraft hat. Der erste Wortbestandteil „be“ wird vom Verkehr ohne Umstände als das englische Verb mit der deutschen Bedeutung „sein“ erkannt werden. Der vom lateinischen Verb „certificare“ abgeleitete englische Ausdruck „Certified“ ist einfach zu übersetzen mit den Begriffen „zertifiziert“, „beglaubigt“, „(staatlich) geprüft“, „garantiert“, „berechtigt“ oder „bescheinigt“ (vgl. PONS Großwörterbuch Englisch - Deutsch/Deutsch - Englisch, 2008), die sich inhaltlich nur wenig von einander unterscheiden. Im Zusammenhang stellt sich die Wortfolge „beCertified“ als ein sprachregelmäßig gebildeter englischer Imperativsatz dar mit der Bedeutung „sei zertifiziert!“, „sei beglaubigt!“, „sei (staatlich) geprüft!“, „sei garantiert!“, „sei berechtigt!“ oder „sei bescheinigt!“. Das ist für die angesprochenen Fachkreise ohne weiteres verständlich, weil Englisch nicht nur in der gesamten IT-Branche, sondern in fast allen Bereichen des Handels die wichtigste Welthandelssprache ist, in Wissenschaft und Forschung sowie in Ausbildung und Erziehung ist Englisch Wissenschaftssprache und erste Fremdsprache. Aus denselben Gründen kann davon ausgegangen werden, dass die Wortfolge „be certified“ jedenfalls auch für bedeutende Anteile der weitesten Verkehrskreise ohne weiteres verständlich ist.

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Dabei liegt in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Bedeutung von „sei zertifiziert!“ am nächsten. Das hängt damit zusammen, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland und im Bereich des Europäischen Binnenmarktes ein System von Zertifizierungen entwickelt hat, das alle Bereiche von Wirtschaft, Verwaltung und Universitätswesen erfasst und von offiziellen, formalisierten Verfahren bis zu den Angeboten privater Anbieter reicht, die ihre eigenen, von keiner unabhängigen Stelle bestätigten Standards entwickelt haben. Die auf dem Markt befindlichen - mal mehr, mal weniger formalisierten - Zertifikate dieser Art bestätigen, dass Waren oder Dienstleistungen bestimmten Qualitätsstandards entsprechen, eine Person bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten hat oder bestimmte Aus- und Fortbildungen bestanden hat. Zertifikate dieser Art können generell ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements sein (vgl. Zollondz, Lexikon Qualitätsmanagement, 2001, München, Wien, S. 1263 ff. zum Stichwort „Zertifizierungssysteme“) und sind auch im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung und der Aus- und Fortbildung verbreitet. So erteilt - z. B. - der TÜV Süd Zertifikate für Software. Verschiedene Unternehmen bieten zahlreichen IT-Zertifikate an, die Arbeitnehmern als Nachweise für zusätzliche Qualifikationen in ihrem Fachbereich dienen. Die Anmelderin bietet - u. a. - Testverfahren für die Fertigkeiten von Arbeitnehmern an, über deren Ergebnisse sie Zertifikate ausstellt, die von den Abnehmern als zusätzliche Qualifikationsnachweise in Bewerbungsverfahren verwendet werden können. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die einschlägigen Belege, die bereits die Markenstelle ihren Beschlüssen beigelegt hatte.

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Vor diesem Hintergrund stellt die Wortfolge „be certified“ im Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich in Aussicht, dass diese Güter in einem direkten Zusammenhang mit den beschriebenen Qualitätszertifikaten stehen. So können die Waren der Klasse 9 sämtlich Qualitätszertifikate haben. Die Abnahme der Dienstleistungen der Klasse 41 kann zu einer neuen Qualifikation der Abnehmer führen, über die ein Zertifikat ausgestellt wird. Die Dienstleistungen der Klasse 42 können ihrerseits zertifiziert sein (vgl. Bruhn, Qualitätsmanagement für Dienstleistungen, 7. Auflage, 2008, S. 423 ff.) oder dazu dienen sicherzustellen, dass die Produkte und die Dienstleistungen der Abnehmer in Zukunft die Voraussetzungen für eine Zertifikation erfüllen. Mit diesem Sinngehalt erschöpft sich die Wort-Folge „be certified“ in einer bloßen Sachangabe mit engem sachlichem Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die nur auf diese Güter, nicht dagegen auf deren Herkunftsunternehmen hinweist.

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Wortbestandteile sind - für sich genommen - bereits dann nicht unterscheidungskräftig, wenn sie in nur einer ihrer möglichen Bedeutungen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen stehen (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59, Rdn. 21 - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453, Rdn. 32 - DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109, Rdn. 97 - Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115, Rdn. 38 - BIOMILD).

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Auch die Verbindung des Wortbestandteils „be certified“ mit den Bild-Elementen der angemeldeten Marke begründet keine Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; denn diese Bild-Elemente sind ihrerseits nicht unterscheidungskräftig und mit der Kombination der Wort- und Bildelemente entsteht kein Zeichen, das über eine bloße Akkumulation beider Komponenten hinausgeht.

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Der dunkelblaue, von schwarzer Druckfarbe kaum zu unterscheidende, in einem gängigen Schrifttyp gehaltene Wortbestandteil „Certified“ weist keine Merkmale auf, die über typische grafische Gestaltungsmittel hinausgehen. Auch der rote Punkt als Hintergrund für das in weißer Schrift gehaltene „be“ gehört zu den einfachsten geometrischen Formen werbeüblicher Hervorhebungen. Insgesamt verbessern alle eingesetzten graphischen Mittel nur die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Wortfolge „be certified“, indem sie den Wortbestandteil „be“ deutlich von dem Wortbestandteil „Certified“ absetzen. Die Graphik der angemeldeten Marke führt also lediglich auf die - für sich genommen nicht unterscheidungskräftige - Wortfolge hin, ohne ihr einen neuen Gegenstand hinzuzufügen. Nur die Zusammenschreibung von „be“ und „Certified“ stellt eine - allerdings ganz einfache - sprachliche Verfremdung dar, die aber durch die farbliche Absetzung von „be“ und „Certified“ im Sinne einer klaren Trennung beider Wortanteile wieder aufgehoben wird.

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Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen.