Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 02.04.2015


BPatG 02.04.2015 - 24 W (pat) 7/12

Markenbeschwerdeverfahren – "EPOS/EUBOS" – zur Warenähnlichkeit von Seifenersatz zu Massagefluids und Gleitmitteln – zur Kennzeichnungskraft - klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
02.04.2015
Aktenzeichen:
24 W (pat) 7/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 28 484

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 2. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Dezember 2011 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke Nr. 1 070 251 wird die Löschung der Marke Nr. 302 28 484 angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen die am 10. Juni 2002 angemeldete, am 16. August 2002 für die Waren

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Klasse 3: Massagefluid, Gleitmittel, soweit in Klasse 3 enthalten;

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Klasse 5: medizinische Gleitmittel

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eingetragene und am 20. September 2002 veröffentlichte Wortmarke Nr. 302 28 484

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EPOS

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ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der am 12. November 1984 eingetragenen Wortmarke Nr. 1 070 251

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EUBOS

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die für die Waren

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Klasse 3: Seifen, Hautreinigungsmittel, nämlich Seifenersatz in fester, flüssiger und/oder Spray-Form; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Duschbad und Hautbalsam; Haarwässer, Zahnputzmittel;

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Klasse 5: medizinische Hautwaschmittel und Hautpflegemittel, chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege der Haut, pharmazeutische Erzeugnisse zur Hautpflege; medizinische Seifen

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Schutz genießt.

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Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, auch bei identischen Waren und mittlerer Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs, der hier auch den allgemeinen Durchschnittsverbraucher umfasse, sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die beiden Vergleichszeichen nicht verwechselbar. Die Markenwörter unterschieden sich in der Wortmitte deutlich, die angegriffene Marke verfüge über den klangstarken Konsonanten und Sprenglaut „P“ und die Widerspruchsmarke über den Vokal „U“ und den klangschwachen Konsonanten und Sprenglaut „B“, die der jeweils anderen Marke fehlten. Daraus ergebe sich eine andere Vokalfolge und ein etwas anderer Sprech- und Betonungsrhythmus. Die angegriffene Marke werde auf dem Anfangsbuchstaben „E“ betont und die Widerspruchsmarke auf der Anfangssilbe „EU“. Die angegriffene Marke werde somit härter und stakkatohafter ausgesprochen als die weicher und flüssiger klingende Widerspruchsmarke. Da die angegriffene Marke „E-POS“ gegliedert wird und die Widerspruchsmarke „EU-BOS“ sei keine der Sprechsilben identisch. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr könne aufgrund der typischen Umrisscharakteristik der Bestandteile „P“ in der angegriffenen Marke gegenüber „UB“ in der Widerspruchsmarke ebenfalls ausgeschlossen werden.

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Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.

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Die Widersprechende beruft sich auf eine aus ihrer Sicht durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die seit 1958 für ein alkaliseifenfreies Waschstück genutzt werde.

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Zur Zeichenähnlichkeit ist die Widersprechende der Auffassung, dass die Gemeinsamkeiten der Vergleichsmarken in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht die von der Markenstelle hervorgehobenen Unterschiede deutlich überträfen, insbesondere seien die Laute „P“ und „B“ vielfach kaum zu unterscheiden. Die Anfangssilbe der Widerspruchsmarke sei als Diphthong zu werten, da „E“ und „U“ nicht getrennt ausgesprochen würden, die Silbengliederung sei deshalb gleich. Ebenso seien die kurzen Markenwörter am Ende gleich.

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Die Widersprechende ist ferner der Auffassung, dass die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren in einem relevanten Ähnlichkeitsverhältnis zu den Waren der Widerspruchsmarke lägen, da alle Waren der Hautpflege dienten.

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Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2014 erhobene Einrede des Markeninhabers, mit der er die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme einer Benutzung für „Seifenersatz in fester und flüssiger Form“ bestritten hat, hat die Widersprechende diverse Unterlagen einschließlich eidesstattlicher Versicherungen ihres Geschäftsführers vorgelegt, um die rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen.

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Die Widersprechende hat beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Dezember 2011 aufzuheben und wegen des Widerspruches aus der Marke 1 070 251 die Löschung der angegriffenen Marke 302 28 484 anzuordnen.

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Der Markeninhaber hat beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass die rechtserhaltende Benutzung für alle von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren mit Ausnahme von „Seifenersatz in fester und flüssiger Form“ nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die vorgelegten Unterlagen zeigten bereits eine mit der eingetragenen Marke nicht übereinstimmende Nutzung von „EUBOS“, die Abwandlung sei zu deutlich, um darin noch eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sehen zu können. Zudem enthalte die vorgelegte eidesstattliche Versicherung keine ausreichend konkreten Angaben dazu, welche der verschiedenen Marken, welche die Widersprechende halte, tatsächlich verwendet worden seien.

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Die gegenüberstehenden Waren seien außerdem zu unterschiedlich, als dass eine Verwechslungsgefahr vorliegen könne.

24

In der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2014 hat der Senat mit Einverständnis der Beteiligten angeordnet, dass im schriftlichen Verfahren entschieden wird.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Ausgehend von der unstreitigen Benutzungslage besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen hinsichtlich aller von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen i. S. d. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat in der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2014 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme der Ware „Seifenersatz in fester und flüssiger Form“ bestritten. Es kann jedoch dahin stehen, ob die Widersprechende über den unstreitigen Umfang hinaus eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke hinreichend glaubhaft gemacht hat, weil auch dann, wenn bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nur diejenigen Waren zugrunde gelegt werden, für die die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten wurde, nämlich „Seifenersatz in fester und flüssiger Form“, dies zur Bejahung der Verwechslungsgefahr in Bezug auf alle Waren, für die die angegriffene Marken eingetragen ist, und damit zur Löschung der angegriffenen Marke führt.

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2. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/ HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/ Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

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a) Der Senat ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine kraft Benutzung für die Ware „Seifenersatz …“ gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausreichend dargelegt wurde. Denn bereits bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ist hinsichtlich aller Waren der angegriffenen Marke von einer relevanten Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren und der Vergleichszeichen auszugehen, die im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr führt.

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b) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der streitgegenständlichen Waren und/oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 922, Rn. 22 - 29 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582, Rn. 85 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; BGH GRUR 2007, 1066, Rn. 23 - Kinderzeit; BGH GRUR 2014, 488, Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht zwischen den für die angegriffene Marke in Klasse 3 und 10 eingetragenen Waren „Massagefluid, Gleitmittel, soweit in Klasse 3 enthalten; medizinische Gleitmittel“ einerseits und der für die Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Ware „Seifenersatz in fester und flüssiger Form“ mindestens eine durchschnittliche Warenähnlichkeit. „Seifenersatz“ dient wie Seife nicht allein der Hautreinigung, er kann auch zusammen mit Wasser bei einer (Schaum-)Massage äußerlich auf der Haut aufgebracht werden, um die bei der mechanischen Beeinflussung des Körpers entstehende Reibung zu verringern. Sowohl in der Art der Anwendung als auch hinsichtlich der Funktion ist die Ware „Seifenersatz …“ daher mit der von der angegriffenen Marke beanspruchten Ware „Massagefluid“ in gewisser Weise funktional austauschbar. Beide Waren können für die äußere Anwendung vorgesehen sein und können jeweils auch hautschonende Eigenschaften haben. Nichts anderes gilt im Ergebnis auch für die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „Gleitmittel, soweit in Klasse 3 enthalten“ bzw. „medizinische Gleitmittel“. Derartige „Gleitmittel“ sind nicht nur zur inneren Anwendung vorgesehen, sondern können auch zur äußerlichen Anwendung vorgesehen sein, um beispielsweise bei Massagen, aber auch bei medizinischen Untersuchungen - etwa unter Verwendung von Ultraschallgeräten - die Reibung zu verringern und die Haut vor mechanischer Belastung zu schützen, so dass zwischen „Seifenersatz...“, der auch zu Massagezwecken eingesetzt werden kann, und „Gleitmitteln“ zur äußerlichen Anwendung funktionale Übereinstimmungen gegeben sind, die eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Warenähnlichkeit ergeben. Entgegen der Auffassung des Markeninhabers ist auch nicht erkennbar, dass die Vergleichswaren auf völlig unterschiedlichen Vertriebswegen angeboten werden. Zwar mag es so sein, dass die Widersprechende ihre Produkte hauptsächlich über Apotheken anbietet und der Markeninhaber seine speziellen Gleitmittel über Erotikmärkte, für die im registerrechtlichen Verfahren anhand objektiver Umstände zu beurteilende Warenähnlichkeit sind diese ausschließlich außerhalb des Registers liegenden Umstände, wie die im Einzelfall bestehende individuelle Vertriebsentscheidung, ohne Bedeutung.

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c) Eine für die Beurteilung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen. Dabei reicht es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich aus, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 254 m. w. N.). Ferner sind die Vergleichsmarken grundsätzlich als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 237 m. w. N). Hiervon ausgehend besteht jedenfalls klanglich eine enge Ähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen, so dass bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und in jeder Hinsicht durchschnittlicher Warenähnlichkeit eine unmittelbare Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegeben ist.

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Denn in klanglicher Hinsicht weisen die Vergleichszeichen erhebliche Ähnlichkeiten auf, die Endsilben „POS“ und „BOS“ sind klanglich als nahezu identisch anzusehen, da der Unterschied zwischen „P“ und „B“ schon bei leicht undeutlicher Aussprache verschwimmt. Auch die Unterschiede zwischen der Aussprache der Vokale „E-U“, die am Anfang der Widerspruchsmarke naheliegend als Diphthong zusammen ausgesprochen werden und dem Anfangslaut „E“ der angegriffenen Marke sind bei den wahrscheinlichen Aussprachevarianten zu gering, um einer klanglichen Verwechslungsgefahr entgegen zu stehen.

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Der angesprochene Verkehr hat im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren auch keine Veranlassung die begriffliche Bedeutung von „EPOS“ im Sinne einer Heldensage als verwechslungsmindernd wahrzunehmen.

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3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.