Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.06.2015


BPatG 09.06.2015 - 24 W (pat) 572/14

Markenbeschwerdeverfahren – "MOTORWORLD" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
09.06.2015
Aktenzeichen:
24 W (pat) 572/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 061 872.6

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich und der Richter Heimen und Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

MOTORWORLD

3

ist am 3. Dezember 2013 als Wortmarke für folgende Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet worden:

4

Klasse 9:

5

Helme; Unfallschutzvorrichtungen für den persönlichen Gebrauch, insbesondere Verstärkungen zum Schutz der Schultern und Ellenbogen, der Knie und anderer Körperteile;

6

Klasse 18:

7

Leder; Häute; Felle; Waren aus Leder, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Rucksäcke; Säcke; Taschen;

8

Klasse 25:

9

Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Handschuhe; Kopfbedeckungen für sportliche Zwecke;

10

Klasse 28:

11

Spiele; Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; schützende Verstärkungen für Sportbekleidungsstücke, insbesondere zum Schutz der Schultern und Ellenbogen, der Knie und anderer Körperteile;

12

Klasse 35:

13

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht [Facility-Management]; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten sowie Werbung und Marketing für Immobilien [Facility-Management]; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Outsourcing-Dienste [Hilfe bei Geschäftsangelegenheiten]; betriebswirtschaftliche Beratung für Franchise-Konzepte; Verkaufsförderung [Sales promotion] [für Dritte]; Vermietung von Werbeflächen; Marketingdienstleistungen für Immobilien;

14

Klasse 36:

15

Immobilienwesen; Finanzwesen; Vermietung von Immobilien; Verpachtung von Immobilien; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers;

16

Klasse 41:

17

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten;

18

Klasse 45:

19

Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen; von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, nämlich Bekanntschaftsvermittlungsdienste unter Liebhabern historischer Automobile, auch über soziale Netzwerke; von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, nämlich Verleih von Bekleidungsstücken; Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten.

20

Die Markenstelle für Klasse 28 des DPMA hat die unter der Nummer 30 2013 061 872.6 geführte Anmeldung durch Beschluss vom 8. August 2014 zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung erschöpfe sich in einer produktbeschreibenden Angabe und entbehre jeglicher Unterscheidungskraft. Das Wort „MOTORWORLD“ sei im Deutschen wie im Englischen eine sprachübliche Begriffsbildung in der Bedeutung von „Motorwelt“, „Welt des Motors“ und weise damit auf ein breit angelegtes Waren- und Dienstleistungsangebot im Bereich motorisierter Fahrzeuge hin. Ein derartiges Angebot könne nach dem Verkehrsverständnis neben Ausstattung für Motorradfahrer auch die Waren „Spiele“ und „Spielzeug“ der Klasse 28 sowie die beanspruchten Dienstleistungen, insbesondere die Finanzierung von Fahrzeugen oder unter dem Gesichtspunkt „Immobilienwesen“ die Bereitstellung von Garagen umfassen.

21

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Der angemeldeten Bezeichnung könne nicht jede so geringe Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Sie sei nicht geeignet, die Beschaffenheit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen anzugeben oder einen eng beschreibenden Bezug zu diesen herzustellen. Die Bedeutung des Wortes „MOTORWORLD“ bleibe unscharf und vage. Ein sachbezogener Bedeutungsgehalt der Bezeichnung ergebe sich allenfalls auf der Grundlage einer analysierenden Betrachtungsweise, von der das Publikum in diesem Zusammenhang regelmäßig absehe. Die beanspruchten Waren seien auch nicht auf Ausstattung für Auto- oder Motorradfahrer beschränkt, sondern umfassten Waren für andere Zwecke, auf die sich das Sortiment des Fachhandels für Kraftfahrzeuge regelmäßig nicht erstrecke, wie z. B. die in der beanspruchte Warenangabe „Helme“ enthaltenen „Bau- oder Kletterhelme“.

22

Der Anmelder beantragt,

23

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 des DPMA vom 8. August 2014 aufzuheben.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

25

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „MOTORWORLD “ als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

26

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Das Schutzhindernis beruht auf dem Allgemeininteresse an der Freihaltung von Zeichen, die keine Herkunftsfunktion erfüllen (vgl. EuGH, GRUR 2008, 608 Rn. 59 - EUROHYPO; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH, GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision).

27

Hiervon ausgehend besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH, GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; BGH, GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH, a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).

28

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung „MOTORWORLD“ jegliche Unterscheidungskraft, weil sie jedenfalls einen eng beschreibenden Be-zug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellt und deshalb von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Unterscheidungsmittel für die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird.

29

Die angemeldete Bezeichnung, welche sich aus den Wortbestandteilen „Motor“ und „World“ zusammensetzt, wird von den maßgeblichen inländischen Verkehrs-kreisen ohne weiteres im Sinn von „Motorwelt“ verstanden. Das Wortelement „Motor-“ wird schlagwortartig als Hinweis auf Themen aus dem Bereich Kfz, Mobilität, Verkehr verwendet (vgl. z. B. das Chatforum „Motortalk“, Anlage 1 des Ladungszusatzes vom 8. April 2015). In Verbindung mit einer branchen- oder warenbezogenen Angabe wird das Wortelement „World“ bzw. „Welt“ regelmäßig zur Bezeichnung eines breit gefassten Angebots, im Sinn einer tatsächlichen oder virtuellen Vertriebsstätte benutzt (s. z. B. „E-Bike-World“ als Bezeichnung eines umfassenden Angebots rund um E-Bikes, Anlage 2 zum Ladungszusatz; „Autowelt“ als Bezeichnung auf mehrere Marken bezogenen Kfz-Angebots, Anlage 3 zum Ladungszusatz). Des Weiteren kann der Wortbestandteil „World“ bzw. „Welt“ in einem ähnlichen Wortsinn „Bereich“, „Sphäre“ bedeuten und in Verbindung mit einer Sachangabe eine bestimmte fachliche Ausrichtung eines Angebots anzuzeigen (vgl. z. B. die Bezeichnung „Autowelt“ als Hinweis auf ein ausführliches Informationsangebot der Allianz-Versicherung im Kfz-Bereich, Anlage 4 zum Ladungszusatz).

30

Danach versteht der Verkehr die sprachüblich gebildete Bezeichnung „MOTORWORLD“ in erster Linie als gattungsmäßigen Hinweis auf ein umfassendes bzw. umfangreiches Waren- und/oder Dienstleistungsangebot rund um Motoren und motorbetriebene Geräte, insbesondere Kraftfahrzeuge oder – je nach Sachzusammenhang – als eine auf dieses Gebiet bezogene thematische Angabe. Die Bezeichnung „MOTORWORLD" wird damit in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die Bestandteil eines derartigen Angebots sein bzw. diesem Lebensbereich zugerechnet werden können, nicht als Hinweis auf eine bestimmte individuelle betriebliche Herkunft aufgefasst, sondern als ein beschrei-bender Hinweis darauf, dass diese aus einem durch die Sachangabe „MOTORWORLD" bestimmten Sortiment stammen bzw. dem Themenbereich „MOTORWORLD“ zuzuordnen sind (ähnlich zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH, GRUR 2012, 272 Rn. 16 – Rheinpark Center Neuss; BPatG, Beschl. v. 11.3.2015, 29 W (pat) 511/13 – SCHLOSS SHOP HEIDELBERG; Beschl. v. 6.11.2002, 24 W (pat) 256/03 – tabakwelt, beide verfügbar über PAVIS PROMA; m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rn. 86).

31

Bei den in der Klasse 9 beanspruchten Waren kann es sich durchweg um speziell für Motorradfahrer bestimmte Ausrüstungsgegenstände handeln, die Teil eines umfassenden Angebots im Bereich „Motor“ sein können. Gleiches gilt für die in den Klassen 18 und 25 beanspruchten Waren. Auch die in der Klasse 28 beanspruchten Waren können entweder Teil eines solchen Angebots sein oder als Spielzeuge oder Spiele nach ihrer Zweckbestimmung bzw. Thematik diesem Gebiet zuzuordnen sein, etwa Modellautos bzw. Spiele im Bereich Autorennen. Ob den beanspruchten Warenoberbegriffen auch einzelne Waren unterfallen, für die die angemeldete Bezeichnung nicht als Sachangabe verstanden wird, wie ggf. in Bezug auf die vom Warenbegriff „Helme“ der Klasse 9 umfassten „Kletter- oder Bauhelme“, ist unerheblich. Die Eintragung einer Marke in Bezug für einen Warenoberbegriff ist vielmehr bereits ausgeschlossen, wenn ein Schutzhindernis nur in Bezug auf einzelne unter den Oberbegriff fallende Waren besteht. Andernfalls wäre es möglich, das für eine bestimmte Ware bestehende Eintragungshindernis durch Anmeldung der Marke für einen entsprechend weit gefassten Warenober-begriff zu umgehen (vgl. BGH, GRUR 2002, 261, 262 – AC; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rn. 37).

32

Entsprechend können die beanspruchten Dienstleistungen „Finanzwesen“, „Immobilienwesen; Vermietung von Immobilien“ der Klasse 36 dem mit der Bezeichnung  „MOTORWORLD“ umschriebenen Tätigkeitsfeld eines beliebigen Anbieters der Motorbranche zugerechnet werden. So umfassen die Leistungen eines Autohändlers vielfach die Finanzierung von Neu- oder Gebrauchtwagen bzw. die ggf. saisonale Vermietung von Stellflächen für Kraftfahrzeuge oder für Zubehör wie Autoreifen. In gleicher Weise sind im Hinblick auf den häufig ergänzend angebotenen Verleih von Motorradschutzbekleidung die Dienstleistungen „von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, nämlich Verleih von Bekleidungsstücken“ der Klasse 45 zu beurteilen. Auch „Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen“ (Kl. 45) können z. B. in Form von entsprechend spezifischen Angeboten für Motorsportveranstaltungen Teil des Angebots einer „MOTORWORLD“ sein.

33

In Bezug auf die übrigen beanspruchten Dienstleistungen kann die angemeldete Bezeichnung deren branchenmäßige Ausrichtung auf den wirtschaftlich sehr bedeutenden Bereich Kraftfahrzeuge und Mobilität angeben. Eine derartige Spezialisierung ist in Bezug auf in den Klassen 35, 36 und 45 beanspruchte Dienstleistungen, die regelmäßig branchenspezifische Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzen, naheliegend, nämlich für „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Outsourcing-Dienste [Hilfe bei Geschäftsangelegenheiten]; betriebswirtschaftliche Beratung für Franchise-Konzepte; Verkaufsförderung [Sales promotion] [für Dritte]; Vermietung von Werbeflächen; Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten“.

34

Der Bereichsangabe „MOTORWORLD“ können unmittelbar verständlich auch die weiteren Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 „Entwicklung von Nutzungskon-zepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht [Facility-Management]; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten sowie Werbung und Marketing für Immobilien [Facility-Management]; Marketingdienstleistungen für Immobilien“ bzw. „Verpachtung von Immobilien; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers“ zugeordnet werden, etwa in Zusammenhang der Nutzung von Grundstücken oder Gebäuden als Stellflächen, als Ausstellungsflächen oder als (Indoor-/Outdoor-) Test- oder Rennstrecken.

35

Betreffend die in Klasse 41 angemeldeten Dienstleistungen kann die Bezeichnung „MOTORWORLD“ in Form einer Bereichsangabe den Gegenstand von pädagogi-schen, kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen, die sich auf Kraftfahrzeuge beziehen, benennen, z. B. Fahrausbildungen, Kartevents als unterhaltende Frei-zeit- oder Sportaktivitäten oder eine als „kulturelle Aktivität“ einzuordnende Ausstellung von Oldtimern. Hinsichtlich der in Klasse 45 angemeldeten Dienstleistung „von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, nämlich Bekanntschaftsvermittlungsdienste unter Liebhabern historischer Automobile, auch über soziale Netzwerke“ kann es sich um eine typisches Ergänzungsangebot eines thematisch spezialisierten Portals mit Informationen aus dem Bereich „Motor“ (vgl. das Chatforum „Motortalk“, Anlage 1 des Ladungszusatzes).

36

Ob der Eintragung des Anmeldemarke zudem das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann dahingestellt bleiben.

37

Die Beschwerde des Anmelders ist danach unbegründet.