Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 31.05.2012


BPatG 31.05.2012 - 24 W (pat) 534/10

Markenbeschwerdeverfahren – "PRIME Research" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
31.05.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 534/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 052 616.8

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 31. Mai 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Mit Beschluss vom 16. Juni 2010 hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts der zur Eintragung für die Dienstleistungen

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„Klasse 42: Kommunikationsforschung, Medienanalysen“

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angemeldete Wortmarke 30 2009 052 616.8 / 42

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PRIME Research

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durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Eintragung versagt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, „PRIME Research“ sei sprachüblich gebildet. Bei „PRIME“ handele es sich um ein Wort, das auch im Inland vornehmlich als englisches Adjektiv mit den Bedeutungen „wesentlich“ bzw. „erstklassig“ aufgefasst werde. Der nachgestellte Wortbestandteil „Research“, ein im Englischen geläufiger Begriff für „Forschung, Untersuchung, Recherche“, sei mit der Bedeutung „Markt- und Meinungsforschung“ bereits in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass die hier entscheidungserheblichen Verkehrskreise der englischen Sprache mächtig seien und Englisch im hier betroffenen Dienstleistungsbereich Fach- und Geschäftssprache sei, werde der angesprochene Verkehr die Bedeutung der Wortkombination ohne weiteres mit „erstklassige (Markt-, Meinungs-) Forschung, Untersuchung“ bzw. „wesentliche (Markt-, Meinungs-) Forschung, Untersuchung“ verstehen. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen „Kommunikationsforschung, Medienanalysen“ weise die angemeldete Marke somit lediglich anpreisend darauf hin, dass erstklassige (Markt- und Meinungs-) Forschung, erstklassige Untersuchungen bzw. vorzügliche Recherchen angeboten und erbracht würden bzw. die angebotenen Forschungs- und Analysedienstleistungen als die wesentliche Forschung bzw. die wesentlichen Untersuchungen anzusehen seien. Nach alledem liege die Annahme fern, dass der Verkehr die Bezeichnung „PRIME Research“ als individuellen betrieblichen Herkunftshinweis auffassen werde. Auch Mitbewerbern der Anmelderin müsse es schließlich unbenommen bleiben, „PRIME Research“ für die beanspruchten Dienstleistungen als beschreibende Sachangabe zu verwenden. Das Zeichen sei insoweit zusätzlich freihaltebedürftig, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält „PRIME Research“ für einen lexikalisch nicht nachweisbaren Phantasiebegriff, dem, aus zwei fremdsprachigen Wörtern zusammengesetzt, kein allgemein verständlicher Bedeutungsinhalt zukomme. „PRIME“ komme bereits im englischen Sprachgebrauch nur in bestimmten feststehenden Ausdrücken vor und sei dem deutschen Verkehr nahezu ausschließlich als Bestandteil des Begriffs „prime time“ zur Bezeichnung der Hauptsendezeit von Fernsehsendern bekannt. Im Sinne von „erstklassig“ werde der Wortbestandteil hingegen weder in relevantem Maße verwendet, noch habe das Deutsche Patent- und Markenamt eine solche Verwendung nachgewiesen. Ein Aufspaltung des Gesamtbegriffs in seine Wortbestandteile sei markenrechtlich nicht zulässig. Angesichts dessen verfüge das nicht im Interesse von Wettbewerbern freihaltebedürftige Zeichen über das zur Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Eine Eintragung des Begriffs „Prime Standard“ habe das Bundespatentgericht in einer früheren Entscheidung lediglich deshalb abgelehnt, weil es sich um einen im allgemeinen Sprachgebrauch der Börse gängigen Begriff gehandelt habe, welcher für entsprechende Dienstleistungen beansprucht worden sei (BPatG, 33 W (pat) 106/04, Entscheidung vom 12. September 2006,– Prime Standard). Schließlich verweist die Anmelderin auf eine Reihe ihrer Ansicht nach einschlägiger Voreintragungen. Insbesondere habe das United States Patent and Trademark Office die hiesige Anmeldung für eintragungsfähig erachtet.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 2010 aufzuheben.

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Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 66 Abs. 1, 2, § 64 Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle dem angemeldeten Zeichen für die beanspruchten Dienstleistungen die Schutzfähigkeit wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen muss „PRIME Research“ für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 „Kommunikationsforschung, Medienanalysen“ die Eintragung in das Markenregister gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt bleiben.

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Der erste Wortbestandteil „PRIME“ leitet sich von lateinisch „prima“, die Erste, „primus“, der Erste ab und bezeichnet im Deutschen in der Musik den Einklang zweier Töne der gleichen Tonhöhe sowie den ersten Ton, den Grundton einer diakonischen Tonleiter. Im Verlagswesen stellt eine „Prime“ die auf dem unteren Rand der ersten Seite eines Druckbogens angebrachte Signatur dar, die die Reihenfolge des Bogens sowie den Titel und den Verfasser eines Buches angibt (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1373). Zu den im Deutschen lexikalisch nachweisbaren Wörtern desselben Stammes zählen die „Primel“ als die erste Blume des Frühlings, die „Prime Rate“ als der Zinssatz, den in den USA Banken für ihre Kredite berechnen und der die Funktion eines Leitzinses hat, die „Primetime“, die beste und günstigste Zeit für Fernsehsendungen, der „Primeur“, ein junger, kurz nach der Gärung abgefüllter französischer Rotwein, die „Primgeige“, die erste Geige in einem Streichquartett, die „Primzahl“, die nur durch sich selbst und durch eins teilbar ist, und der „Primus“, der Klassenbeste einer höheren Schule (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1373). Im Englischen hat das Adjektiv „prime“ als Synonym für „major, chief“ die Bedeutung „haupt-, wesentlich, hauptsächlich, oberster, höchster, häufigster“ und als Synonym für „excellent“ die Bedeutung „erstklassig, bester, hervorragender“ (vgl. Langenscheidt, Großwörterbuch Englisch, 2005, S. 640). Im Branchenbuch „Gelbe Seiten“ finden sich bundesweit 85 Einträge zum Stichwort „PRIME“, bei denen es sich ganz überwiegend um Unternehmensbezeichnungen handelt. Wie die weiteren der Anmelderin mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandten Nachweise zeigen, wird „Prime“ als vorangestellter Wortbestandteil nicht nur innerhalb deutscher Unternehmensbezeichnungen, sondern auch in der inländischen Presseberichterstattung, so beispielsweise in der Wortkombination „Prime-Gymnasien“ verwendet, um auf die hervorragende Qualität des mit dem nachfolgenden Nomen bezeichneten Objekts hinzuweisen. Bereits die Markenstelle hat nachgewiesen, dass „prime“ im Inland als werbeüblicher Hinweis auf Qualitätsklassen u. a. von Ferienwohnungen verwendet wird.

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Im Zusammenhang mit dem bereits im Deutschen lexikalisch nachweisbaren Begriff „Research“ im Sinne von „Markt- und Meinungsforschung“ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch ebenda, S. 1445) sowie den hier beanspruchten Dienstleistungen „Kommunikationsforschung“ und „Medienanalysen“ wird zumindest der durch diese Dienstleistungen angesprochene inländische Fachverkehr, für welchen Englisch zu einer der wichtigsten Handelssprachen gehört und dessen Verständnis für die Frage der Unterscheidungskraft allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 - Matratzen Concord/Hukla), das Markenwort in seiner Gesamtheit ausschließlich als werbeüblichen Sachhinweis auf erstklassige, beste, hervorragende Markt- und Meinungsforschung, und damit als zugleich objektiv beschreibende Produktmerkmalsbezeichnung dieser Dienstleistungen auffassen.

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 Für eine Schutzversagung reicht es bereits aus, wenn ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59, Rn. 21 - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453, Rn. 32 - Doublemint, MarkenR 2004, 99, 109, Rn. 97 - Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115, Rn. 38 - Biomild).

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Der Umstand, dass sich „PRIME Research“ derzeit nicht lexikalisch nachweisen lässt, spricht nicht für die Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens. Der Verkehr, der ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 635, Rn. 44 – Dreidimensionale Tablettenform II; GRUR Int. 2005, 135, Rn. 20 - Maglite; BGH GRUR 1995, 269, 270 – U-KEY; GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl, GRUR 2001, 162,163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS-ARMY; GRUR 2002, 261, 262 - AC), hat in der Regel keinen Anlass für semantische Differenzierungen und linguistische Bewertungen einer neuen Bezeichnung. Gerade in einer ihm in Teilen, insbesondere hinsichtlich des branchenspezifischen Fachvokabulars bekannten Fremdsprache wie der englischen Sprache wird er auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Aussagen durchaus als solche, und damit nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen (BGH GRUR 2001,11 51,1152 – Markt frisch; GRUR 2004,7 178,779 – URLAUB DIREKT; BPatG GRUR 1996, 489 - Hautaktiv; BPatGE 40, 57 - Teleorder; Ströbele, Ströbele/Hacker, Markenrecht, 10. Aufl., Rn. 107 zu § 8 m. w. N.).

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An die Verwendung von Großbuchstaben innerhalb eines von zwei Markenbestandteilen ist der Verkehr als werbeübliches Gestaltungsmittel gewöhnt. Bereits die Markenstelle hat darauf hingewiesen, dass die hier zudem von einer Wortmarke beanspruchte Gestaltung des Schriftbildes keine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Markenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks der Marke bewirkt (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK; EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 73, 74 - BioID).

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Mit ähnlichen Erwägungen haben bereits in der Vergangenheit verschiedene Senate des Bundespatentgerichts die Eintragungsfähigkeit von Markenwörtern verneint (bzw. die Eintragung der jeweiligen Marken nur aufgrund ihrer spezifischen graphischen Ausgestaltung für zulässig erachtet (vgl. BPatG 27 W (pat) 58/05, Entscheidung vom 19. Juli 2005 - PRIME SHOES HANDMADE COLLECTION; BPatG 30 W (pat) 153/00, Entscheidung vom 23. Oktober 2000 - PRIME DISC), die entweder allein aus „Prime“ bestehen (vgl. BPatG 32 W (pat) 189/96, Entscheidung vom 11. Februar 1998 - PRIME; BPatG 27 W (pat) 193/95, Entscheidung vom 25. März 1997 - PRIME) oder „Prime“ einem anderen Nomen vorangestellt haben (vgl. BPatG 29 W (pat) 148/99, Entscheidung vom 28. Juni 2000 - PRIME TEST). Zu diesen Entscheidungen zählt auch der von der Anmelderin angesprochene Beschluss des 33. Senats vom 12. September 2006, BPatG 33 W (pat) 106/04 – Prime Standard. Die Behauptung der Anmelderin, eine Eintragung des Begriffs „Prime Standard“ habe das Bundespatentgericht dort lediglich deshalb abgelehnt, weil es sich um einen im allgemeinen Sprachgebrauch der Börse gängigen Begriff gehandelt habe, welcher für entsprechende Dienstleistungen beansprucht worden sei, trifft angesichts der Ausführungen auf S. 6 Mitte jener Entscheidung nicht zu.

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Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann die Anmelderin im Übrigen keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167, Rn. 39 - Terranus; GRUR 2004, 674, Nr. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Rn. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat). Die von der Anmelderin angesprochene Voreintragung ihres Zeichens beim United States Patent and Trademark Office vermag schließlich schon wegen der Unterschiede im jeweils geltenden Verfahrensrecht keine Indizwirkung für die Frage des Bestehens absoluter Schutzhindernisse i. S. d. § 37 Abs. 1 MarkenG in der Bundesrepublik Deutschland zu entfalten (vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rn. 46 zu § 8 m. w. N.).

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Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.