Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.04.2016


BPatG 19.04.2016 - 24 W (pat) 523/15

Markenbeschwerdeverfahren – Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr – "FLOW RIDE (IR-Marke)/FLOW (Gemeinschaftsmarke)" – Kostenentscheidung – keine offenkundigen Rechts- und Verfahrensfehler – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
19.04.2016
Aktenzeichen:
24 W (pat) 523/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke IR 1 015 963

(hier: Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr)

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie des Richters Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Der Antrag der Widersprechenden zu 1. auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die für die Waren „Skis“ (Klasse 28) international registrierte Wortmarke IR 1 015 963

2

FLOW RIDE

3

hatte die Inhaberin der prioritätsälteren, für „snowboards and inline skates“ (Klasse 28) eingetragenen Wortmarke EM 002 330 959

4

FLOW

5

Widerspruch erhoben (im Folgenden: Widersprechende zu 1.). Ferner hatte die Inhaberin der Wortmarke EM 002 246 437

6

RIDE

7

der Eintragung der angegriffenen Marke widersprochen (im Folgenden: Widersprechende zu 2.).

8

Die Markenstelle für Klasse 28 Internationale Registrierung des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche mit Beschluss vom 3. März 2015 zurückgewiesen. Insbesondere hat die Markenstelle ausgeführt, dass der übereinstimmende Wortbestandteil „FLOW“ in der jüngeren Marke keine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme, weil die Zusammenstellung der Bestandteile „FLOW RIDE“ einen Gesamtbegriff entstehen lasse.

9

Gegen den vorgenannten Beschluss haben die Widersprechenden Beschwerde erhoben. Das Beschwerdeverfahren hat sich in der Hauptsache erledigt, nachdem die Inhaberin der schutzsuchenden Marke durch Erklärung vom 4. Februar 2016 auf den Schutz der Marke in Deutschland verzichtet hat.

10

Die Widersprechende zu 1. beantragt noch,

11

die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

12

Sie meint, im vorliegenden Streitfall sei die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen geboten. Die Markenstelle sei bei der Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr von einer ersichtlich unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, insbesondere in Bezug auf die Voraussetzungen für das Vorliegen einer selbständig kennzeichnenden Stellung eines Wortbestandteils einer Kombinationsmarke. Die Markenstelle hätte der Widersprechenden zu 1. bei dieser Sachlage zudem Gelegenheit geben müssen, sich vor der Beschlussfassung hierzu zu äußern. Außerdem habe sie die tatsächlichen Ausführungen der Widersprechenden zu 1. zur Begründung ihres Widerspruchs nicht ausreichend gewürdigt.

13

Die Widersprechende zu 2. hat einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht gestellt.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

15

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG ist vorliegend nicht veranlasst.

16

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 43). Ein derartiger Ausnahmefall, der bei einer unvertretbaren Anwendung des materiellen Rechts oder bei einem erheblichen Verfahrensfehler gegeben sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rn. 44 ff.), liegt hier nicht vor.

17

1. Die Zurückweisung des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke „FLOW“ ist im Ergebnis nicht offenkundig rechtsfehlerhaft.

18

Insbesondere ist es nicht unvertretbar, dass die Markenstelle das Vorliegen einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke oder eine Bekanntheit der Firmenbezeichnung der Widersprechenden zu 1. unter den gegebenen Umständen abgelehnt hat (vgl. S. 4 und 8 des Beschlusses). Denn den diesbezüglichen tatsächlichen Angaben der Widersprechenden zu 1. lassen sich nur eingeschränkt belastbare Aussagen in Bezug auf Ort, Zeit, Form und Umfang der Zeichenbenutzung entnehmen (vgl. BPatG, MarkenR 2015, 454 - Balkendarstellung).

19

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist es vorliegend ferner nicht von vornherein ausgeschlossen, eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „FLOW“ der angegriffenen Marke zu verneinen. Denn das Vorliegen eines einheitlichen Gesamtbegriffs ist ein bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine selbständig kennzeichnende Stellung eines Markenbestandteils zu bejahen ist, erheblicher Umstand (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 470). Auch die konkrete Bejahung eines Gesamtbegriffs in der Bedeutung einer Skifahrt, die in einen „Flow-Zustand“ versetzt, ist nicht ersichtlich abwegig.

20

2. Erhebliche Verfahrensfehler, die die Rückzahlung der Beschwerdegebühr geboten erscheinen lassen, liegen ebenfalls nicht vor.

21

a) Zwar weist die Begründung des angegriffenen Beschlusses einzelne Ungereimtheiten auf. Allerdings wird im Verfahrens- bzw. Beschlusskontext jedenfalls deutlich, aus welchen Gründen die Markenstelle den Widerspruch für unbegründet erachtet hat.

22

Die Markenstelle hat im Streitfall eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „FLOW“ verneint, weil sie in Kombination mit dem Wort „RIDE“ von einem Gesamtbegriff ausgeht (S. 8 des Beschlusses). Insofern führt sie zwar nicht ausdrücklich aus, von welcher konkreten Zeichenbedeutung sie dabei ausgeht und worauf sie diese Bewertung stützt. Jedoch ergibt sich aus den konkreten Verfahrensumständen noch mit ausreichender Klarheit, dass die Markenstelle in diesem Punkt den Ausführungen der Inhaberin der Schutz suchenden Marke folgt und sich deren mit Schriftsatz vom 12. Mai 2011 ausführlich begründeten Standpunkt zu eigen macht.

23

Soweit die Widersprechende zu 1. darauf hinweist, dass die Markenstelle in demselben Absatz der Beschlussgründe (S. 7 des Beschlusses) in Bezug auf die Frage der Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch den Bestandteil „FLOW“ - umgekehrt - ausführt, dass dem Bestandteil „FLOW“ in der konkreten Verbindung mit dem Wort „RIDE“ kein bestimmter Begriffsgehalt zugeordnet werden könne, kann aus dem Zusammenhang der beiden Textpassagen von einer offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen werden. Es liegt nahe, dass die Markenstelle auch betreffend die Frage der Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke (S. 7 des Beschlusses) in der Sache ein gesamtbegriffliches Verständnis der Marke „FLOW RIDE“ annimmt und diesen Gesichtspunkt auch insoweit als Argument gegen eine Prägung des Gesamteindrucks der Marke durch den Bestandteil „FLOW“ verstanden wissen will.

24

Im Übrigen sind keine erheblichen Begründungsmängel erkennbar, insbesondere ist die Markenstelle auf die von der Widersprechenden zu 1. angenommene Bekanntheit der Widerspruchsmarke bzw. der Firmenbezeichnung eingegangen (vgl. S. 4, 8 des Beschlusses).

25

b) Nachdem die Markenstelle ihrer Entscheidung keine von anerkannten Grundsätzen abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, bestand kein zwingender Anlass, die Widersprechende zu 1. vor der Beschlussfassung hierüber in Kenntnis zu setzen. Die Erörterung des Vorliegens einer selbständig kennzeichnenden Stellung unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr lässt nicht auf ein unzutreffendes Verständnis dieser Rechtsfigur schließen (vgl. zur Problematik Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 477). Die Prüfung dieser Frage im Anschluss an den Gesichtspunkt der Prägung des Gesamteindrucks durch einen Zeichenbestandteil entspricht einer anerkannten Methodik (vgl. z. B. BGH, MarkenR 2013, 456, Rn. 32 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; a. a. O., GRUR 2013, 833, Rn. 45 - Villa/VILLA Culinaria). Dafür sprechen auch die von der Markenstelle in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechungshinweise, denn Gegenstand der zitierten Entscheidungen sind gerade die konkreten Anforderungen an das Vorliegen einer selbständig kennzeichnenden Stellung eines Zeichenbestandteils, insbesondere auch der Entscheidungen SANKT VITALIS / VITALIS (vgl. z. B. BPatG, 29 W (pat) 523/10, v. 19.10.2011, dort 4.b) bb) (Rn. 58), „gesamtbegriffliche Einheit“) und BLUE PANTHER / Panther (BPatG, Beschluss vom 16. September 2009 – 29 W (pat) 15/09, dort 4.4, 4.5 (Rn. 35, 36).

26

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war weder beantragt, vgl. § 69 Nr. 1 MarkenG, noch aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, vgl. § 69 Nr. 3 MarkenG.