Entscheidungsdatum: 22.04.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 063 033
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich, des Richters Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2014 ist wirkungslos.
2. Eine Kostenauferlegung findet nicht statt.
3. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr findet nicht statt.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.000,-- € festgesetzt.
I.
Gegen die am 8. Dezember 2012 angemeldete und am 15. Dezember 2013 für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41 und 42 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister unter der Nummer 30 2012 063 033 eingetragene Wort-/Bildmarke
ist aus der prioritätsälteren, für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41 und 42 registrierten Unionsmarke 003 702 875
Vivento
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf diesen Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke mit Beschluss vom 19. Dezember 2014 angeordnet, weil zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr gegeben sei.
Die Markeninhaberin hat gegen diesen am 12. Februar 2015 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 11. März 2015 Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. April 2016 hat die Widersprechende den Widerspruch zurückgenommen.
Die Markeninhaberin beantragt nunmehr,
über die nach § 269 Abs. 3 ZPO eingetretenen Wirkungen gemäß §§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 269 Abs. 4 ZPO zu entscheiden,
der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen
sowie
den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens festzusetzen.
Ferner regt die Markeninhaberin an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Kostenauflegung aus Billigkeitsgründen angezeigt sei, zumal die Widersprechende keine Gründe dargelegt habe, weswegen sie den Widerspruch erst während des Beschwerdeverfahrens und nach Entstehung erheblicher Kosten zurückgenommen habe. Ferner sei eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr aufgrund von Rechts- und Verfahrensfehlern der Markenstelle in Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss zu erwägen. Das Interesse der Markeninhaberin am Bestand der angegriffenen Marke beziffert sie mit 5.000,-- €.
Die Widersprechende tritt dem Kostenantrag der Markeninhaberin entgegen. Sie ist der Auffassung, eine gesetzliche Kostentragungspflicht sei bei Rücknahme eines Widerspruchs nicht gegeben. Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung und eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr seien nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Nachdem die Widersprechende den verfahrensgegenständlichen Widerspruch, auf dessen Grundlage die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke verfügt hatte, im Beschwerdeverfahren zurückgenommen hat, war der angefochtene Beschluss für wirkungslos zu erklären (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz ZPO).
2. Von einer Kostenauferlegung zu Lasten der Widersprechenden ist im vorliegenden Fall abzusehen. Die speziellen kostenrechtlichen Bestimmungen des § 71 MarkenG haben Vorrang gegenüber den allgemeinen kostenrechtlichen Regelungen des Zivilprozessrechts. Dies gilt vor allem auch dann, wenn ein beschwerdegegenständlicher Widerspruch zurückgenommen wird (§ 71 Abs. 4 MarkenG), so dass die kostenrechtliche Bestimmung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hier keine Anwendung findet. Eine Kostenauflegung kommt daher vorliegend nur in Betracht, wenn dies aus Billigkeitsgründen angezeigt ist (§ 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 MarkenG). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist der streitgegenständliche Widerspruch nicht entgegen einer ersichtlichen Unähnlichkeit der Vergleichswaren und –dienstleistungen und der Vergleichszeichen erhoben worden (siehe dazu auch unten 3.). Allein die Tatsache, dass die – erstinstanzlich obsiegende – Widersprechende ihren - jedenfalls nicht offenkundig unbegründeten - Widerspruch in der Beschwerdeinstanz ohne weitere Begründung zurücknimmt, stellt keinen für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen hinreichenden Grund dar. Mit der allgemeinen Kostenbestimmung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG hat es daher im vorliegenden Fall sein Bewenden.
3. Eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr, die ebenfalls nur aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt (§ 71 Abs. 3 MarkenG), ist nicht angezeigt. Die Markenstelle hat, ausgehend von der zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses maßgeblichen Registerlage, die Frage der Verwechslungsgefahr im Rahmen einer Gesamtabwägung anhand der Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen beurteilt und dabei anerkannte Grundsätze des Markenrechts gewahrt. Auch sind sonstige Fehler, die eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr angezeigt erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Beschwerdeverfahrens erfolgt nach billigem Ermessen (§ 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG), wobei es maßgeblich auf das wirtschaftliche Interesse des jeweiligen Markeninhabers am Erhalt der angegriffenen Marke ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 71, Rn. 33 m. w. N.). Jedoch erscheint der von der Markeninhaberin genannte Betrag von 5.000,-- € insoweit insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Marke als Ausschließlichkeitsrecht im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht hinreichend angemessen, zumal der Schutzumfang der streitgegenständlichen Marke insbesondere auch mit Blick auf die geschützten Waren und Dienstleistungen nicht dermaßen eng erscheint, dass im vorliegenden Fall von Gegenstandswerten, wie sie im Regelfall zugrunde gelegt werden, wesentlich nach unten abzuweichen ist. Ein Gegenstandswert i. H. v. 25.000,-- € erscheint unter Berücksichtigung der konkreten Fallumstände angemessen (vgl. auch Ströbele/Hacker, a. a. O.).
5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 69, 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) i. V. m. § 128 Abs. 3 ZPO.