Entscheidungsdatum: 26.10.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 82 030
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Viereck und der Richterin Dr. Mittenberger-Huber in der Sitzung vom 26. Oktober 2010
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juni 2009 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 632 572 zurückgewiesen worden ist.
Die Marke 307 82 030 wird wegen dieses Widerspruchs gelöscht.
2. Die Beschwerde ist derzeit gegenstandslos, soweit sie die Widersprüche aus den Marken 193 557 und 918 543 betrifft.
I.
Die am 17. Dezember 2007 angemeldete Wortmarke
Arisil
ist am 1. April 2008 unter der Nr. 307 82 030 für die Waren
„03: Wasch- und Bleichmittel“
in das Markenregister eingetragen worden.
Die Veröffentlichung erfolgte am 2. Mai 2008.
Widerspruch erhoben wurde aus drei prioritätsälteren Marken jeweils derselben Widersprechenden, nämlich
1. aus der Marke 193 557 (Anmeldetag 22. Dezember 1913, eingetragen am 11. Mai 1914)
Sil
(in besonderer Schriftgestalt)
registriert u. a. für die Waren
„Wasch- und Bleichmittel, Fleckenentfernungsmittel“,
2. aus der Marke 632 572 (Anmeldetag 27. Januar 1951, eingetragen am 14. Januar 1953)
RISIL
registriert u. a. für die Waren
„Putzmittel (ausgenommen für Leder), Reinigungsmittel für Maschinen, chemische Produkte zum Reinigen von Metall, Holz, Stein, Porzellan, Glas, Kunststoffen und Textilien“,
3. aus der Marke 918 543 (Anmeldetag 18. September 1972, eingetragen am 15. Mai 1974)
RASIL
welche u. a. für die Waren
„Putzmittel“
Schutz genießt.
Die Widersprüche sind auf die vorgenannten Waren gestützt und richten sich gegen sämtliche Waren der jüngeren Marke.
Mit einem beim Deutschen Patent- und Markenamt am 23. September 2008 eingegangenen Schreiben hat die Markeninhaberin Zweifel geäußert, dass die Marke „Rasil“ in Gebrauch sei. Die Widersprechende hat diese Erklärung als Nichtbenutzungseinrede verstanden und zur Glaubhaftmachung einer (rechtserhaltenden) Benutzung der Marke 918 543 Unterlagen eingereicht, u. a. die Kopie der eidesstattlichen Versicherung eines Angestellten vom 4. Dezember 2008.
Seitens der Markenstelle für Klasse 3 sind die Widersprüche mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 30. Juni 2009 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden.
Die jeweiligen Waren seien teils identisch, teils lägen sie in einem engen Bereich der Ähnlichkeit. Es handele sich um niedrigpreisige Waren des alltäglichen Bedarfs, welche die angesprochenen breiten Verkehrskreise ohne besondere Sorgfalt erwürben. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei durchschnittlich. Gleichwohl werde der zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr erforderliche Abstand zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke noch eingehalten. Dies gelte auch für die Marken „Arisil“ und „RISIL“, weil der - einzige - Unterschied am stärker beachteten Wortanfang liege, was klangliche und schriftbildliche Verwechslungen ausschließe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 03 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juni 2009 aufzuheben.
Sie bezieht sich auf ihren Vortrag im patentamtlichen Verfahren. Ergänzend vertritt sie die Ansicht, dass neben einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe, weil „SIL“ als dem Verkehr bekanntes Stammzeichen wirke.
Eine Stellungnahme der Markeninhaberin ist im Beschwerdeverfahren nicht zur Gerichtsakte gelangt.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 66 MarkenG).
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Widerspruchs aus der Marke 632 572 richtet. Denn die sich insoweit gegenüberstehenden Marken „Arisil“ und „RISIL“ unterliegen der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Nr. 2 - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 - BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 - SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren siehe auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32, 33).
Die jeweils beanspruchten Waren, einerseits „Wasch- und Bleichmittel“, andererseits „Putzmittel (ausgenommen für Leder), chemische Produkte zum Reinigen von ... Textilien“ weisen eine beträchtliche Ähnlichkeit auf (die fast schon an Identität heranreichen kann; vgl. auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Aufl., S. 250, 338).
Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke „RISIL“ ist mangels sonstiger Anhaltspunkte, die auf eine Steigerung oder eine Schwächung hindeuten könnten, durchschnittlich.
Die Vergleichszeichen unterscheiden sich nur durch den Anfangsbuchstaben „A“ der jüngeren Marke, stimmen aber in den folgenden fünf Buchstaben völlig überein. Mithin ist von hoher Zeichenähnlichkeit auszugehen.
Es gilt das in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelte Verbraucherleitbild des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittskonsumenten (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 173 m. w. Nachw.). Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr - bei der die eine Marke für die andere gehalten wird, der Unterschied also unbemerkt bleibt - mag zwar in phonetischer Hinsicht noch auszuschließen sein (wobei diese Beurteilung zumindest unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen bereits fraglich erscheint), schriftbildlich kommen sich die Vergleichsmarken aber in einer Verwechslungsgefahr begründenden Weise nahe; es ist nämlich insoweit nicht nur auf den nicht immer möglichen unmittelbaren Vergleich der Marken (im Supermarkt usw.) abzustellen, sondern auch auf das gerade bei geringwertigen Waren oftmals undeutliche Erinnerungsbild, bei dem ein einzelner (zusätzlicher) Buchstabe leicht in Vergessenheit geraten kann.
Eines Eingehens auf die von der Widersprechenden aufgeworfene Frage, ob die Gefahr einer Verwechslung der Marken infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens (gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, Altern. 2 MarkenG) besteht, bedarf es daher nicht.
Die Marke „Arisil“ ist somit wegen des Widerspruchs aus der Marke „RISIL“ zu löschen.
3. Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus den weiteren Marken „Sil“ und „RASIL“ richtet, ist sie derzeit (d. h. vorbehaltlich einer erfolgreichen - fristgebundenen - Eintragungsbewilligungsklage nach § 44 MarkenG) gegenstandslos.
4. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.