Entscheidungsdatum: 10.03.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 003 651
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie des Richters Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Die am 5. März 2010 angemeldete Wortmarke
Luxin
ist am 2. November 2010 unter der Nr. 30 2010 003 651 für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 19, 42 und 44 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden, unter anderem für die nachfolgend genannten Waren bzw. Dienstleistungen:
Klasse 1: Düngemittel, Torf (Dünger), Stickstoffdünger; Bodenverbesserungsmittel;
Klasse 44: Dienstleistungen auf dem Gebiet der Landwirtschaft; Dienstleistungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, insbesondere Dienstleistungen der Holzwirtschaft, Dienstleistung von Baumschulen, Aufforstung und Bodenverbesserung.
Im Umfang der vorgenannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 und 44 ist gegen die Eintragung Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke
Cuxin,
die am 15. März 1966 angemeldet und am 17. November 1966 unter der Nr. 826 291 für
Klasse 1: Düngemittel
in das Register eingetragen worden ist.
Die Markenstelle für Klasse 19 des DPMA hat mit Beschluss vom 17. September 2013 die Löschung der angegriffenen Marke in Bezug auf die Waren „Düngemittel, Torf (Dünger), Stickstoffdünger; Bodenverbesserungsmittel“ (Klasse 1) angeordnet und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. In Bezug auf die vorgenannten Waren bestehe bei der erforderlichen Gesamtwürdigung aller erheblichen Faktoren die Gefahr von Verwechslungen für das Publikum. Die Widersprechende habe auf die mit Schriftsatz der Markeninhaberin vom 7. April 2011 erhobene Nichtbenutzungseinrede die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf „Düngemittel“ glaubhaft gemacht. Die damit für die Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähigen „Düngemittel“ einerseits und andererseits die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „Düngemittel, Torf (Dünger), Stickstoffdünger; Bodenverbesserungsmittel“ seien identisch oder jedenfalls hochgradig ähnlich. Angesichts hochgradiger phonetischer Ähnlichkeit der streitbefangenen Zeichen halte die angegriffene Marke den notwendigen Abstand zur durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke insoweit nicht ein.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, die Widersprechende habe eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Die von der Widersprechenden vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden vom 3. Juni 2011 enthalte nämlich lediglich kumulierte Umsatzangaben, die die notwendigen Feststellungen zum Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke für bestimmte Waren nicht zuließen. Ferner bestehe auch keine Verwechslungsgefahr, da sich die streitbefangenen Marken im Hinblick auf die Abweichung im Bereich des aus Sicht der Markeninhaberin auffälligen und deutlich verschiedenen Anfangsbuchstabens ausreichend unterschieden.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 2013 im Umfang der Löschungsanordnung aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 826 291 auch insoweit zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.
Die Widersprechende meint, die Markenstelle habe hinsichtlich der von der Löschungsanordnung erfassten Waren zutreffend eine Verwechslungsgefahr angenommen. Zur Benutzung der Widerspruchsmarke hat sie weitere Benutzungsunterlagen, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 25. Juni 2014 vorgelegt.
Die Markeninhaberin hat auf die mit einem Hinweis des Senats zu Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Beschwerde verbundene Ladung zu einer von ihr hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung mitgeteilt, nicht an der Verhandlung teilzunehmen. Der Verhandlungstermin ist daraufhin aufgehoben worden.
Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Kollisionszeichen besteht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren „Düngemittel, Torf (Dünger), Stickstoffdünger; Bodenverbesserungsmittel“ der angegriffenen Marke eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr, so dass die Markenstelle insoweit zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH, GRUR 2010, 933, Tz. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH, GRUR 2012, 64, Tz. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; Beschl. vom 9. Juli 2015 - ZB 16/14 –, Tz. 7, BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENT-AKADEMIE). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.
a) Auf die wirksam durch Schriftsatz der Markeninhaberin vom 7. April 2011 erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat die Widersprechende durch die vorgelegten Benutzungsunterlagen Tatsachen hinsichtlich Art, Form, Ort und Umfang der Benutzung glaubhaft gemacht (vgl. insbesondere die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Widersprechenden vom 3. Juni 2011 und vom 25. Juni 2014 sowie zur Form der Benutzung die von der Widersprechenden vorgelegten Abbildungen von Verpackungen, Anl. 1 - 3 bzw. 5 und 6 zu den vorgenannten eidesstattlichen Versicherungen), aus denen sich eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf die Ware „Naturdünger“ während der beiden relevanten Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG ergibt, nämlich für den Zeitraum Oktober 2010 bis Oktober 2010 sowie für den Zeitraum März 2011 bis März 2016.
Zwar hat die Widersprechende, wie sich aus den Anlagen 1 - 3 zu der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 3. Juni 2011 und aus den in Anlage 6 zu der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 25. Juni 2014 enthaltenen Verpackungsabbildungen ergibt, das Markenwort „Cuxin“ in unterschiedlicher Schriftart bzw. grafischer Gestaltung auf Verpackungen angebracht. Eine Änderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke i. S. d. § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG ist hiermit jedoch nicht verbunden. Dies gilt auch für die konkrete grafische Gestaltung mit einem stilisierten Blatt (vgl. z. B. Anlage 3 zu der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 3. Juni 2011), da es sich um eine im Rahmen des Werbeüblichen liegende und vom Verkehr auch als solche ohne weiteres erkennbare bloße Verzierung handelt. Ferner führt auch die Verwendung der Widerspruchsmarke zusammen mit der Angabe „Myko-Aktiv“ (vgl. Anlage 2 zur eidesstattlichen Versicherung vom 3. Juni 2011 und Anlage 6, S. 35 zu der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 3. Juni 2014) nicht zu einer Änderung des kennzeichnenden Charakters, da letztere ohne weiteres als selbständige Zweitmarke erkennbar ist.
Des Weiteren sind den eingereichten Benutzungsunterlagen unter Berücksichtigung der weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 25. Juni 2014 zeitlich und gegenständlich ausreichend konkrete Angaben, insbesondere nach konkreten Waren aufgeschlüsselte Umsatzzahlen, die während beider Benutzungszeiträume eine ernsthafte Benutzung für „Naturdünger“ aufzeigen, zu entnehmen.
Auf dieser Grundlage kann bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung die für die Widerspruchsmarke eingetragene Warengruppe „Düngemittel“, deren gemeinsamer Zweck in der Förderung des Wachstums von Nutzpflanzen besteht, in Bezug auf eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke berücksichtigt werden (vgl. zur sog. erweiterten Minimallösung, BGH, GRUR 2013, 833, 837, Tz. 61 – Culinaria / Villa Culinaria; m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 26 Rdn. 260). Inwieweit die Widersprechende auch eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für „Rasendünger“ und „Spezialdünger“ glaubhaft gemacht hat, kann bei dieser Sachlage dahin gestellt bleiben.
b) Die beschwerdegegenständlichen Waren der angegriffenen Marke, „Düngemittel, Torf (Dünger), Stickstoffdünger; Bodenverbesserungsmittel“, und andererseits die für die Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähigen Waren „Düngemittel“ decken (Düngemittel, Stickstoffdünger) bzw. überschneiden (Bodenverbesserungsmittel, Torf (Dünger)) sich und sind damit identisch. Dabei umfasst die Warenangabe „Torf“, worauf der Klammerzusatz „Dünger“ hinweist, auch sog. „Torfdünger“.
c) Die Widerspruchsmarke verfügt jedenfalls über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Anhaltspunkte für eine Schwächung ihrer Eignung, als Herkunftskennzeichnung verstanden zu werden, bestehen nicht. Ob ferner eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke anzuerkennen ist, ist hier nicht entscheidungserheblich, weil der Widerspruch im beschwerdegegenständlichen Umfang auch bei Zugrundelegung durchschnittlicher Kennzeichnungskraft Erfolg hat.
d) Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die angegriffene Marke mit Blick auf die vorgenannten Umstände den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren nicht ein, selbst wenn zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke angenommen wird, dass die in erster Linie angesprochenen Endverbraucher Kennzeichen der einschlägigen Waren mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit aufnehmen.
Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 254 m. w. N.). Dabei sind regelmäßig die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 237 m. w. N.).
Hiervon ausgehend ist zumindest in schriftbildlicher Hinsicht eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Zeichenähnlichkeit zu bejahen. Das Schriftbild der streitbefangenen Marken „Luxin“ und „Cuxin“ stimmt, abgesehen vom jeweiligen Anfangsbuchstaben, überein. Zwar kommt den Anfangsbuchstaben regelmäßig ein ausgeprägter Einfluss auf den bildlichen Gesamteindruck der Marken zu. Allerdings weist die Gestalt der Anfangsbuchstaben der Streitmarken „L“ und „C“ eine Annäherung insofern auf, als sie über einen hohen Stamm bzw. Bogen und einen zur rechten Seite gerichteten Auslauf verfügen. Die bestehenden Unterschiede in Bezug auf den oberen Auslauf des Buchstaben „C“ und das Ausmaß seiner Rundung können jedenfalls bei verschiedenen der relevanten verkehrsüblichen Schreibweisen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 282 m. w. N.) undeutlich ausgebildet sein, vgl. etwa „C“ (Schriftart: Bradley Hand ITC), „C“ (Calibri), “C“ (Candara) oder „C“ (Comic Sans MS), und führen im Gesamteindruck nicht zu einem Zeichenabstand, der Verwechslungen unter den gegebenen Umständen zuverlässig verhindert, zumal es sich bei den Vergleichszeichen auch nicht mehr um reine Kurzzeichen handelt, bei denen bereits geringe Abweichungen z. B. in der Reihung der Einzelbuchstaben einer Verwechslungsgefahr entgegenstehen können.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
2. Eine Auferlegung von Kosten ist nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
3. Über die Beschwerde konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war weder beantragt, vgl. § 69 Nr. 1 MarkenG, noch aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, vgl. § 69 Nr. 3 MarkenG.