Entscheidungsdatum: 14.10.2015
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 031 771.5
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde des Markenanmelders wird zurückgewiesen.
I.
Mit Beschlüssen vom 26. November 2013 und 7. April 2014, letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen, hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) die am 24. Mai 2012 eingereichte und unter Nr. 30 2012 031 771.5 geführte Anmeldung der Bezeichnung
Kommune 2.0
die Schutz für folgende Dienstleistungen
Klasse 35: Betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung, insbesondere von öffentlichen Verwaltungsdienststellen, kommunalen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsbereichen; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung zur Optimierung und Reorganisation von Verwaltungsabläufen; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung zur Verbesserung der interkommunalen Kommunikation und Zusammenarbeit sowie zur Verbesserung der Verbindung zwischen öffentlicher Verwaltung und der Bildungs-, Energie-, Gesundheits-, Sicherheits- und Verkehrswirtschaft; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung zum Auf- und Ausbau einer standardisierten föderalen IT-Infrastruktur (E-Government) und der Nutzung einheitlicher Kommunikationsnetze;
Klasse 38: Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Bereitstellen von Informationen im Internet; Bereitstellung von Plattformen im Internet, Betrieb von Plattformen und Portalen im Internet für Partizipation, Transparenz und Kooperation, insbesondere im Bereich E-Services, speziell E-Vergabe und E-Government; Betrieb von Chatlines, Chatrooms und Foren; elektronische Nachrichtenübermittlung; E-Mail-Dienste; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Sammeln und Liefern von Pressemitteilungen; Übermittlung von Nachrichten; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internetadressen (Webmessaging);
Klasse 41: Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Organisation und Veranstaltung von Seminaren; Organisation und Veranstaltung von Workshops; Coaching;
Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computersoftware, insbesondere zur Unterstützung von Verwaltungsprozessen (Formularmanagement, Dokumentenmanagement, Bezahl- und Sicherheitssysteme, virtuellen Poststellen und Verzeichnisdienste); Musterlösungen im kommunalen E-Government; technische und softwarespezifische Beratung insbesondere von öffentlichen Verwaltungsdienststellen, kommunalen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsbereichen; technische und softwarespezifische Beratung zur Optimierung und Reorganisation von Verwaltungsabläufen; technische und softwarespezifische Beratung zur Verbesserung der interkommunalen Kommunikation und Zusammenarbeit sowie zur Verbesserung der Verbindung zwischen öffentlicher Verwaltung und der Bildungs-, Energie-, Gesundheits-, Sicherheits- und Verkehrswirtschaft; technische und softwarespezifische Beratung zum Auf- und Ausbau einer standardisierten föderalen IT-Infrastruktur (E-Government) und der Nutzung einheitlicher Kommunikationsnetze;
begehrt, zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der angemeldeten Bezeichnung fehle die erforderliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Bei der angemeldeten Bezeichnung „Kommune 2.0" handele es sich um eine ohne weiteres erkennbare Zusammensetzung des Wortbestandteiles „Kommune“ mit der Ziffernkombination „2.0“. Der Markenbestandteil „Kommune“ habe unterschiedliche Bedeutungen. Hierunter könne eine „Gemeinde (Dorf, Stadt o.Ä.) als unterste Verwaltungseinheit (Bund, Länder, Gemeinden)“ verstanden werden, dies liege im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen, die sich ausdrücklich an Kommunalverwaltungen als Abnehmer richteten, besonders nahe. Die Zahlenkombination „2.0“ stelle eine übliche Kürzelentsprechung für das „Web 2.0“ dar bzw. werde, davon abgeleitet, schlichtweg im Zusammenhang mit anderen schlagwortartigen Sachhinweisen bzw. Gattungsbezeichnungen als Hinweis auf eine fortschrittliche Version von etwas verwendet. Das Wort- und Ziffernelement der angemeldeten Bezeichnung „Kommune 2.0" ergänzten sich mithin in adäquater Art und Weise zu einer im Vordergrund stehenden inhaltlich-thematischen Sachaussage dahingehend, dass auch die Kommunen die Möglichkeiten des „Web 2.0“ nutzten, um zu einer modernen, transparenten Verwaltung aufzusteigen. Entsprechende Modernität beinhalte beispielsweise die Bereitstellung von umfassenden und aktuellen Informationsangeboten für Bürger und Unternehmen, eine verstärkte Bürgerbeteiligung in kommunalen Entscheidungsfindungen, Bürokratieabbau durch beschleunigte Antragsprozesse usw. Die Potentiale des „Web 2.0“ könnten aber auch genutzt werden, um interkommunale und ebenen übergreifende Infrastrukturen zu schaffen.
Dagegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde.
Er hält die angemeldete Bezeichnung für unterscheidungskräftig, da eine beschreibende Bedeutung nur mittels einer analysierenden Betrachtungsweise und mehrerer Gedankenschritte zu ermitteln sei. Es handele sich auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werde.
Der Verkehr müsse zunächst zwischen den bereits von der Markenstelle festgestellten unterschiedlichen möglichen Bedeutungen der Angabe „Kommune“ unterscheiden. Außerdem sei dem Verkehr die von der Markenstelle zugrunde gelegte Bedeutung der Ziffernkombination „2.0“ nicht unmittelbar ersichtlich, die Angabe „2.0“ sei nicht mit „web 2.0.“ gleichzusetzen.
Der Anmelder verweist des Weiteren darauf, dass die Bezeichnung bereits vom Kommune 2.0 e.V., dessen Geschäftsführer der Anmelder sei, verwendet werde und der von zahlreichen Institutionen gefördert und unterstützt werde. Im Rahmen der Tätigkeit des Kommune 2.0 e.V. werde die Bezeichnung bereits in vielfältiger Weise als betrieblicher Herkunftshinweis verwendet, so dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung als Herkunftshinweis erkennen würden.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des DPMA vom 26. November 2013 und vom 7. April 2014 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850 - FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 41).
Ausgehend von diesen Grundsätzen werden die maßgeblichen Verkehrskreise, die den beanspruchten Dienstleistungen begegnen werden und die nach der Art der beanspruchten Dienstleistungen vor allem Fachkreise umfassen können, die angemeldete Bezeichnung, wenn sie ihnen i. V. m. diesen Dienstleistungen begegnet, nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Der Markenbestandteil „Kommune“ wird im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen, die „insbesondere“ für den öffentlichen Sektor bestimmt sein können, naheliegend und ohne analysierende Betrachtungsweise als Bezeichnung der untersten Verwaltungseinheit verstanden werden. Der Umstand, dass die Angabe „Kommune“ auch weitere Bedeutungen (z. B. spez. Wohngemeinschaft) aufweisen kann, ist nicht maßgeblich. Zur Versagung der Schutzfähigkeit reicht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus, wenn eine als Sachhinweis zu verstehende Wortkombination jedenfalls mit einer ihrer möglichen Bedeutungen die beanspruchten Waren beschreibt bzw. diese in einem engen funktionalen Bezug zur beschreibenden Sachangabe stehen, unabhängig davon, ob die Angabe noch andere, nicht beschreibende Bedeutungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 33–36) - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 38, 42) - BIOMILD; GRUR 2004, 674, 676 (Nr. 57) - Postkantoor; BGH GRUR 2010, 825 (Nr. 16) - Marlene-Dietrich-Bildnis II).
Die Angabe „Kommune“ wird vom Verkehr im Zusammenhang mit den Dienstleistungen, die für Tätigkeiten in einer Verwaltung geeignet sind, demnach als Hinweis darauf gewertet werden, dass diese insbesondere für die untere Verwaltungsebene bestimmt oder geeignet sind.
Der weitere Bestandteil, die Ziffernkombination „2.0“ wird nicht zuletzt in der IT-Branche, der die Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 größtenteils zugeordnet werden können, vom Verkehr als eine typische Versionsbezeichnung aufgefasst. Darüber hinaus hat sich die Ziffernkombination „2.0“, ausgehend von der Angabe „web 2.0“, branchenübergreifend als ein Ausdruck für eine fortgeschrittene, zukunftstaugliche Ausstattung/ Ausführung etabliert, die im Zusammenhang mit einer Sachangabe als Hinweis auf eine fortgeschrittene, moderne Version dieser Sache verstanden wird (z. B. „Government 2.0“; „Schule 2.0“; „Sozialismus 2.0“; vgl. Anl. 1 z. Vfg. v. 17.6.2015). Auch die Angabe „Kommune 2.0“ wird bereits mit dieser Bedeutung verwendet, nämlich als Hinweis auf eine modern ausgestattete bzw. organisierte Kommunalverwaltung (vgl. Anl. 2 z. Vfg. v. 17.6.2015).
Der Umstand, dass der „Verein Kommune 2.0 e.V.“ den angemeldeten Begriff verwendet, steht dem Bestehen des Schutzhindernisses nicht entgegen. Die vom Anmelder eingereichten Unterlagen bestätigen vielmehr die Feststellungen des Senates, dass Sachangaben, wie hier „Kommune“, in Kombination mit der Ziffernkombination „2.0“ vom Verkehr, dem gerade auch der genannte Verein als auch dessen Mitglieder und Förderer zuzurechnen sind, als Hinweis auf eine fortgeschrittene Ausführung verstanden werden (z. B. „IT-Sicherheit 2.0“; „Wissen 2.0“; „Bildung 2.0“; „Vergabe 2.0“; vgl. Anl. 1 z. SchrS. v. 14.9.2015, S. 8/9).
Der angesprochene Verkehr, insbesondere Verwaltungsdienststellen aber auch andere potentielle Abnehmer der beanspruchten Dienstleistungen, werden die angemeldete Kombination in ihrer Gesamtheit deshalb ohne weiteres als Sachhinweis auf die Eignung der beanspruchten Dienstleistungen verstehen, dass sie insbesondere für eine modern ausgerichtete Gemeindeverwaltung vorgesehen sind, jedoch nicht als Hinweis auf ein konkretes Herkunftsunternehmen.
Sämtliche beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 können gerade dazu dienen, die Verwaltung einer Kommune mit modernen Mitteln, insbesondere in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht zu führen. Die Dienstleistungen der Klasse 41 dienen dazu, die dazu notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, so dass die angemeldete Bezeichnung „Kommune 2.0“ insoweit lediglich deren Thema beschreibt und kein Hinweis auf den jeweiligen Anbieter ist.
Soweit der Anmelder vorträgt, dass die Bezeichnung bereits verwendet werde, erfüllt dies nicht die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Bezeichnung nach § 8 Abs. 3 MarkenG. Für die Überwindung der absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung ist regelmäßig ein Durchsetzungsgrad von 50% in den beteiligten Verkehrskreisen zu belegen (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 630 ff.).
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann in Bezug auf das angemeldete Zeichen nicht festgestellt werden. Insbesondere hat der Anmelder kein demoskopisches Gutachten, welches regelmäßig am besten für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung geeignet ist, vorgelegt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 647). Die vorgetragenen Tatsachen zur Tätigkeit des Vereins Kommune 2.0 e.V. lassen ebenfalls nicht erkennen, ob und welchen Durchsetzungsgrad die Bezeichnung in den angesprochenen Verkehrskreisen erreicht. Erforderlich ist dafür ein Beleg für ausreichende Durchsetzungsgrad im gesamten angesprochenen Verkehr, insbesondere reicht die behauptete Bekanntheit bei öffentlichen Institutionen dafür nicht aus. Denn die beanspruchten Dienstleistungen richten sich zwar auch, aber nicht ausschließlich an solche öffentliche Institutionen. Der Vortrag des Anmelders, es liege Bekanntheit bei den eigenen Abnehmerkreisen vor, genügt deshalb nicht den Anforderungen und stellt insoweit schon keinen schlüssigen Sachvortrag dar, der eine Verkehrsdurchsetzung in den erheblich weiter zu fassenden angesprochenen Verkehrskreisen auch nur als wahrscheinlich erscheinen lassen könnte (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 669 ff.).
Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin keinen Antrag nach § 69 Nr. 1 MarkenG gestellt hat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch aus Gründen der Sachdienlichkeit nicht angezeigt war, § 69 Nr. 3 MarkenG.