Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.06.2015


BPatG 01.06.2015 - 24 W (pat) 46/13

Markenbeschwerdeverfahren – "SANDTER 1953/>Sander<" – zur rechtserhaltenden Benutzung - Warenähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – teilweise klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
01.06.2015
Aktenzeichen:
24 W (pat) 46/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 016 814

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. April 2012 und vom 2. September 2013 aufgehoben, soweit der Widerspruch in Bezug auf die Waren „Verbandsstoffe; OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke“ zurückgewiesen wurde.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke Nr. 462 856 wird die Löschung der Marke Nr. 30 2010 016 814 für die Waren „Verbandsstoffe; OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke“ angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 19. April 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldete, am 4. November 2010 für die Waren

2

Klasse 3: Massageöl (ausgenommen für medizinische Zwecke); kosmetisches Massageöl;

3

Klasse 5: Desinfektionsmittel; Desinfektionsmittel für hygienische Zwecke; Verbandsstoffe;

4

Klasse 10: OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke; Handtücher für medizinische Zwecke; Bettwäsche für medizinische Zwecke

5

eingetragene und am 10. Dezember 2010 veröffentlichte Wortmarke Nr. 30 2010 016 814

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SANDTER 1953

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ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der am 1. September 1933 erstmalig angemeldeten und am 15. Dezember 1955 veröffentlichen Wortmarke Nr. 462 856

8

>Sander<

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die für Waren der Klassen 5, 10 und 25 Schutz genießt, nämlich für

10

Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Bekleidungsstücke, Handschuhe, Korsetts; gesundheitliche Instrumente und Geräte, Bandagen, künstliche Gliedmaßen, Antikonzeptionshüllen, Kanülen, Pessarien, künstliche Sehnen und Prothesen.

11

Die Markeninhaberin hat im patentamtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des DPMA hat mit Beschluss vom 17. April 2012 den Widerspruch zurückgewiesen weil die rechtserhaltende Benutzung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Widersprechende hat dagegen Erinnerung eingelegt und diverse Unterlagen einschließlich einer eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers zum Zweck der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke vorgelegt. Mit Erinnerungsbeschluss vom 2. September 2013 hat die Markenstelle die Erinnerung zurückgewiesen, weil es der Widersprechenden nicht gelungen sei, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für alle maßgeblichen Zeiträume ausreichend glaubhaft zu machen.

12

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, mit der sie weitere Unterlagen zur Benutzung der Widerspruchsmarke einschließlich einer weiteren eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 28. März 2014 vorlegt. Sie trägt dazu vor, die Markenstelle habe die im Erinnerungsverfahren vorlegten Benutzungsunterlagen unzureichend gewürdigt und fehlerhaft die rechtserhaltende Benutzung verneint. Jedenfalls aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen könne es an der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke keinen Zweifel geben.

13

Die Widersprechende ist ferner der Auffassung, dass die von ihr hergestellten Fingerlinge den Warenklassen 5 und 10 zuzuordnen seien, da es sich um Hygieneschutzprodukte handele. Diese stünden auch in einem engen funktionellen Zusammenhang mit sämtlichen für die angegriffene Marke geschützten Waren und seien daher als ähnlich zu bewerten.

14

Die Vergleichszeichen seien auch verwechselbar ähnlich, der zusätzliche Buchstabe „T“ in der angegriffenen Marke falle weder schriftbildlich noch klanglich ins Gewicht. Die zusätzlichen Ziffern „1953“ innerhalb der angegriffenen Marke würden vom angesprochenen Verkehr lediglich als eine Jahresangabe verstanden, auch die Widersprechende selbst verwende die Widerspruchsmarke häufig mit dem Jahreszusatz „seit 1933“. Die angegriffene Marke imitiere dies, so dass die Zahlenangabe „1953“ die Verwechslungsgefahr noch erhöhe.

15

Die Widersprechende hat sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 vom 2. September 2013 und vom 17. April 2012 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2010 016 814 wegen des Widerspruchs aus der Marke 462 856 anzuordnen.

17

Die Markeninhaberin hat beantragt,

18

die Beschwerde zurückzuweisen.

19

Die Markeninhaberin ist der Auffassung, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für medizinische Produkte der Klassen 5 und 10 nicht belegt worden sei. Eine Benutzung käme allenfalls für Fingerlinge, welche für nicht-medizinische Zwecke im Bereich des Arbeitsschutzes zum Einsatz kommen, in Betracht. Die von der Widersprechenden vorgelegte eidesstattliche Versicherung sei ferner zu unbestimmt. Die vorgelegten Abbildungen von Verpackungen der Fingerlinge wiesen auch keine CE-Kennzeichnung auf, somit seien diese als Medizinprodukt nicht verkehrsfähig.

20

Der von der Widersprechenden vorgetragene Jahresumsatz sei, so die Markeninhaberin, auch zu gering, um bei derartigen, niedrigpreisigen Massenartikeln eine ernsthafte Benutzung annehmen zu können.

21

Im Übrigen seien die Vergleichswaren nicht ähnlich.

22

Hinsichtlich der Zeichenähnlichkeit vertritt die Markeninhaberin die Auffassung, dass der Zusatz „1953“ die angegriffene Marke zumindest mitpräge. Außerdem unterschieden sich die Wortbestandteile „Sander“ bzw. SANDTER“ ausreichend.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

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1. Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

25

a) Die Markenstelle hat den Widerspruch teilweise zu Unrecht zurückgewiesen, weil zwischen den Vergleichsmarken in Bezug auf die Waren der Klasse 5 „Verbandsstoffe“ und der Klasse 10 „OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke“ die Gefahr von Verwechslungen besteht (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

26

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/ HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

27

aa) Auf die in zulässiger Weise erhobene Einrede der Nichtbenutzung hin hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke durch die vorgelegten Benutzungsunterlagen jedenfalls für „Fingerlinge“ (Klasse 10) hinreichend glaubhaft gemacht, § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG. Die Erhebung der Einrede am 6. Juni 2011 war gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG rechtswirksam, weil die Widerspruchsmarke bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke länger als 5 Jahre im Register eingetragen war. Da die Einrede nicht differenziert erhoben wurde, war die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG glaubhaft zu machen, also zum einen für den Zeitraum November 2005 bis November 2010, sowie zum anderen für den Zeitraum Mai 2010 bis Mai 2015. Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass die Widersprechende grundsätzlich die volle Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung trägt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 43, Rdn. 42). Insoweit bedeutet Glaubhaftmachung gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 294 ZPO keine volle Beweisführung, sondern es eine genügt eine geringere, lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit der (bestrittenen) Benutzung (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 35. Aufl., § 294, Rdn. 1 und 2; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 43, Rdn. 59).

28

Die von der Widersprechenden im Original zur Akte gereichte eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers W… vom 28. März 2014 belegt aufgrund der dort genannten Absatzzahlen sowie im Zusammenhang mit den vorgelegten zahlreichen Rechnungskopien, die auch die Angabe „Sander Fingerling“ enthalten, und den ebenfalls vorgelegten Abbildungen von Verpackungsschachteln, die die Angabe „Sander“ im Zusammenhang mit der Ware „Fingerlinge“ zeigen, eine funktionsgemäße und vom Umfang her relevante Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für die vorgenannte Ware, die beide Benutzungszeiträume abdeckt. Demnach wurden in den Jahren 2009 bis 2013 jeweils mindestens …Stück Fingerlinge verkauft, wobei, wie sich aus den vorgelegten Beispielsrechnungen aus dem maßgeblichen Zeitraum ergibt, mit dem Artikel nur sehr geringe Einzelumsätze ergeben haben. Aber auch geringe Umsätze mit niedrigpreisigen Massenwaren können eine bloße Scheinbenutzung ausschließen, wenn hohe Mindeststückzahlen am Markt abgesetzt werden, wie hier über … Stück/Jahr. Selbst wenn, wie die Markeninhaberin vorträgt, damit nur ein Umsatz von … Euro erreicht worden wäre, würde dies einer bloßen Scheinbenutzung entgegenstehen. Es kommt nicht auf den (absoluten) Umsatz an, sondern vielmehr darauf an, ob bei Zugrundelegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verwenders bei objektiver Betrachtung die als Benutzung in Anspruch genommenen Vertriebshandlungen auch ohne Berücksichtigung des Zwecks, den Bestand der Marke zu erhalten, als wirtschaftlich sinnvoll anzusehen sind (vgl. Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 86 f.). Dies ist jedenfalls bei einer jährlich abgesetzten Anzahl von über … Stück der Fall.

29

Die Ware „Fingerlinge“ ist entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch unter das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke zu subsumieren. Die Ware „Fingerlinge“ dient dazu, einen einzelnen oder mehrere Finger einer oder beider Hände zu bedecken, um einen ungeschützten Kontakt zwischen der Fingeroberfläche und der Umgebung zu verhindern. Sie kann ohne weiteres als eine Sonderform der Ware „Handschuhe“ angesehen werden. Ferner können die elastischen „Fingerlinge“ aufgrund ihrer möglichen Zweckbestimmung, nämlich die Finger hygienisch zu schützen, auch als eine Art „Bandagen“ angesehen werden.

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Der Glaubhaftmachung steht auch nicht entgegen, dass die vorgelegten Produktverpackungen teilweise nicht mit dem CE-Zeichen versehen sind. Die vorgelegten Benutzungsunterlagen sollen die Form der Verwendung der Widerspruchsmarke glaubhaft machen und dienen nicht dazu, sonstige, vorwiegend öffentlich-rechtliche Kennzeichnungsvorschriften zu belegen, die zudem auch noch nachträglich angebracht werden könnten.

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Für weitere Waren konnte die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht ausreichend glaubhaft machen. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung erlauben weder für sich noch in Zusammenhang mit den vorgelegten Abbildungen von Produktverpackungen und diversen Rechnungskopien den Schluss, dass andere Produkte als „Fingerlinge“ im relevanten Umfang von der Widersprechenden in den maßgeblichen Zeiträumen vertrieben wurden, da insoweit jegliche Angaben zu Umsätzen oder Absatz fehlen.

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Demnach hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren „Handschuhe“ und „Bandagen“, jeweils in Form von „Fingerlingen“ glaubhaft gemacht.

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bb) Vorliegend ist es bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung nach der sogenannten erweiterten Minimallösung gerechtfertigt, den Kreis der zu berücksichtigenden Waren über die konkret festgestellten Ware „Fingerlinge“ für den Einsatz im Arbeitsschutz hinaus auf weitere Waren auszudehnen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend ansieht (vgl. BGH WRP 2001, 1447, 1449 - Ichthyol; vgl. dazu auch Ströbele/Hacker MarkenG, 11. Aufl., § 26 Rn. 261 m. w. N.). Dazu gehören jedenfalls alle „Fingerlinge“, die bei identischen oder ähnlichen Produkteigenschaften in anderen Bereichen wie Medizin etc. benutzt werden können. Auch wenn die Widersprechende lediglich Benutzungsunterlagen vorgelegt hat, die einen Einsatz von Fingerlingen im produzierenden Gewerbe belegen können, wird der Verkehr aufgrund der überwiegend gleichen Produkteigenschaften alle „Fingerlinge“, auch diejenigen für andere Einsatzzwecke (z. B. Medizin), i. d. S. als gleiche Waren ansehen. Sie sind unabhängig vom konkreten Einsatzzweck als spezielle Form von Schutzbekleidung anzusehen, die, wie bereits dargelegt, unter dem Begriff „Handschuhe“ im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten sind.

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cc) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der im vorliegenden Fall maßgeblichen Waren kommt es darauf an, ob diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen und anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 582, Tz. 85 – VITAFRUIT; EuGH GRUR 2009, 484, Tz. 25 – Metrobus; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 59 m. w. N.).

35

Gemessen an diesen Voraussetzungen liegen die Waren der Klasse 5 „Verbandsstoffe“ und der Klasse 10 „OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke“, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, im relevanten Ähnlichkeitsbereich zu der nach den o. g. Ausführungen gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG beim Warenvergleich hier zu berücksichtigenden Ware „Fingerlinge“, für die die Widerspruchsmarke Schutz genießt. „Fingerlinge“ dienen vor allem hygienischen Zwecken, etwa um Verletzungen vorzubeugen oder Verschmutzung zu verhindern. Auch im medizinischen Bereich dienen sie hygienischen Zwecken, z. B. dazu Wundverbände an Finger zu bandagieren und zu schützen oder um z. B. das medizinische Personal vor Infektionen zu schützen und können deshalb als spezielle Schutzbekleidung angesehen werden.

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dd) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen. Die Angabe „>Sander<“ hat keine beschreibende Bedeutung für die betroffenen Waren. Sonstige Anhaltspunkte, die gegen eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sprechen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

37

ee) Die Vergleichszeichen weisen jedenfalls in Bezug auf die im Tenor genannten Waren eine relevante Ähnlichkeit auf, die im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr führt. Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 254 m. w. N.). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 237 m. w. N). Der Grundsatz, dass der Gesamteindruck der Vergleichsmarken maßgebend ist, bedeutet jedoch nicht, dass hierbei stets und ausschließlich auf die jeweiligen Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit abzustellen ist; vielmehr kann der Gesamteindruck auch durch einzelne Bestandteile geprägt sein (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9, Rdn. 204 ff.). Die in der angegriffenen Marke „SANDTER 1953“ wird vorliegend vom Wortbestandteil „SANDTER“ entscheidend geprägt. Der weitere Bestandteil „1953“ in der angegriffenen Marke wird hingegen vom Verkehr lediglich als Jahreszahl aufgefasst werden, die keine herkunftshinweisende Funktion beinhaltet, sondern lediglich ein mutmaßlich bedeutendes Datum in der Historie des Herstellers bezeichnet (vgl. z. B. BPatG, B. v. 18.3.1997, 27 W (pat) 276/93 – Milan 1899/Milan). Die in der gewöhnlich weniger beachteten Mitte des Wortbestandteils der angegriffenen Marke enthaltene Buchstabenkombination „DT“ ist schon bei leicht undeutlicher Aussprache vom Buchstaben „d“, der in der Widerspruchsmarke >Sander< enthalten ist, klanglich kaum zu unterscheiden. Auch die in der Widerspruchmarke enthaltenen, bei der Benennung nicht ausgesprochenen spitzen Klammern vermögen an der klanglichen Verwechslungsgefahr nichts zu ändern.

38

Eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Kollisionszeichen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG liegt somit hinsichtlich der Waren „Verbandsstoffe; OP-Kleidung; Bekleidung für medizinische Zwecke“ vor.

39

b) Etwas anderes gilt jedoch in Bezug auf die weiteren Waren, für die die angegriffene Marke eingetragenen ist, nämlich „Massageöl (ausgenommen für medizinische Zwecke); kosmetisches Massageöl; Desinfektionsmittel; Desinfektionsmittel für hygienische Zwecke; Handtücher für medizinische Zwecke; Bettwäsche für medizinische Zwecke“. Allein der Umstand, dass Schutzhandschuhe in Form von „Fingerlingen“ bei der Verwendung bestimmter Waren (hier „Massageöl“ oder „Desinfektionsmittel“) getragen werden können, lässt den Verkehr aufgrund der völlig unterschiedlichen Produktart nicht annehmen, die Schutzbekleidung und das Mittel stammten von demselben Hersteller. Des Weiteren lässt sich aus dem Umstand, dass „Fingerlinge“ und „Handtücher für medizinische Zwecke; Bettwäsche für medizinische Zwecke“ im weitesten Sinne für hygienische Zwecke benutzt werden können und aus identischen Materialien (z. B. Kunststoffen) bestehen könnten, nicht schließen, dass der angesprochene Verkehr davon ausgeht, dass diese speziellen Schutzhandschuhe und Handtücher bzw. Bettwäsche aus demselben Betrieb stammen.

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Dagegen spricht auch nicht, dass sogenannte (textile) Waschhandschuhe im relevanten Ähnlichkeitsbereich zu Handtüchern und Bettwäsche liegen können, weil sie gewöhnlich aus identischen Stoffen bestehen und gemeinsam hergestellt werden (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Aufl., 2014, S. 122 f.) Dies führt vorliegend nicht zu einer relevanten Warenähnlichkeit, weil schon Waschhandschuhe und Schutzhandschuhe aus Gummi etc. ihrerseits aus unterschiedlichen Materialien bestehen und unterschiedliche Verwendungszwecke haben.

41

Der deutliche Abstand der Vergleichswaren in Bezug auf die Waren „Massageöl (ausgenommen für medizinische Zwecke); kosmetisches Massageöl; Desinfektionsmittel; Desinfektionsmittel für hygienische Zwecke; Handtücher für medizinische Zwecke; Bettwäsche für medizinische Zwecke“ führt im Rahmen der Gesamtabwägung vorliegend wesentlich ins Gewicht, so dass insoweit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen und die Beschwerde in diesem Umfang zurückzuweisen war.

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2. Eine Auferlegung von Kosten ist nicht veranlasst, § 71 MarkenG.