Entscheidungsdatum: 24.09.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 064 773.6
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. September 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid
beschlossen:
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Bezeichnung
groupsites
ist am 9. Oktober 2008 als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 37, 38, 41, 42 und 45 angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) hat die Anmeldung mit Erstbeschluss vom 28. Oktober 2011 zurückgewiesen, weil der Eintragung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe. Dagegen hat die Anmelderin Erinnerung eingelegt. Zwecks Einreichung einer Erinnerungsbegründung haben die Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin mehrfach um Fristverlängerung nachgesucht, weil noch Rückfragen bei der Anmelderin bestünden. Im Einzelnen wurde die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Begründung beantragt jeweils bis zum 2. Juni 2012, 2. Septem-ber 2012, 2. Dezember 2012, 2. März 2013, 2. Juni 2013 und 2. September 2013. Diese Fristverlängerungen wurden von der Markenstelle stillschweigend bewilligt. Die Markenstelle hat zudem die Frist auf Antrag vom 27. August 2013 bis zum 2. Dezember 2013 nochmals verlängert. Die Akten enthalten ferner ein Schreiben der Markenstelle vom 17. Oktober 2013 (Bl. 83 AA), in welchem unter Hinweis auf § 18 Abs. 3 DPMAV die Versagung einer weiteren Fristverlängerung angekündigt wurde, wenn nicht von der Anmelderin ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werde.
Mit Schriftsatz vom 29. November 2013 haben die Bevollmächtigten der Anmelde-rin erneut um Fristverlängerung bis zum 2. März 2014 nachgesucht, da wiederum noch erforderliche Rückfragen bei der Anmelderin zu klären seien.
Mit Beschluss vom 9. Januar 2014 hat die Markenstelle für Klasse 42 die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der Erstbeschluss sei nicht zu beanstanden. Auch habe die Anmelderin nicht dargelegt, inwiefern der Erstbeschluss fehlerhaft sei. Eine weitere Verlängerung zur Einreichung der Erinnerungsbegründung sei nach dem Hinweis gemäß dem Amtsschreiben vom 17. Oktober 2013 zur Wahrung rechtlichen Gehörs nicht erforderlich gewesen.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung macht sie die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Markenstelle geltend, da die Anmelderin keine Möglichkeit gehabt habe, im Erinnerungsverfahren ihre abweichende Auffassung vorzubringen, insbesondere hätte die Markenstelle nicht vor Ablauf der zur Erinnerungsbegründung beantragten Frist bis zum 2. März 2014 entscheiden dürfen. Die Anmelderin trägt dazu vor, dass sie das Schreiben der Markenstelle vom 17. Oktober 2013 nicht erhalten habe. Die Markenstelle habe auf telefonische Nachfrage der Bevollmächtigten, warum sie nicht vorab über die Versagung der Fristverlängerung informiert worden sei, den Hinweis gegeben, „man könne ja noch Beschwerde einlegen und beantragen, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten“.
Die Anmelderin hat zunächst sinngemäß beantragt,
den Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 vom 28. Okto-ber 2011 und vom 9. Januar 2014 aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 hat sie die Beschwerde in der Hauptsache zurückgenommen. Sie verlangt weiterhin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen Verletzung rechtlichen Gehörs.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Nach Rücknahme der Beschwerde in der Hauptsache ist diese lediglich noch in Bezug auf die von der Anmelderin begehrte Rückzahlung der Gebühr für das Beschwerdeverfahren anhängig.
Die Anordnung der Rückzahlung der angefallenen Beschwerdegebühr von Amts wegen kommt gemäß § 71 Nr. 3 MarkenG aus Billigkeitsgründen in Betracht, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten, insbesondere wenn Verfahrensfehler in der Vorinstanz vorlagen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist auch nach Rücknahme der Beschwerde noch möglich (vgl. Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 42).
Dies ist vorliegend der Fall, da die Markenstelle das rechtliche Gehör der anwaltlich vertretenen Anmelderin verletzt hat, indem der Beschluss vor Ablauf der von den Bevollmächtigten beantragten, bis zum 2. März 2014 verlängerten Begründungsfrist erlassen wurde.
Grundsätzlich kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter auch in einem einseitigen Verfahren zwar nicht darauf vertrauen, dass einem Fristverlängerungsgesuch stattgegeben wird, denn die Markenstelle kann auch bei unbegründet eingelegten Erinnerungen nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit eine Entscheidung zu Ungunsten der Erinnerungsführers treffen, ohne damit das rechtliche Gehör zu verletzen. Auch nach der erstmaligen Verlängerung der Begründungsfrist besteht kein Vertrauen darauf, dass ein weiteres Verlängerungsgesuch erfolgreich sein wird, wenn keine besonderen Umstände vorgetragen werden.
Nachdem die Markenstelle vorliegend aber den ersten sechs, lediglich pauschal mit notwendigen Rückfragen begründeten Fristverlängerungsgesuchen jeweils stillschweigend zugestimmt hatte, durfte der anwaltlich vertretene Anmelder nach den Grundsätzen eines den Anspruch auf rechtliches Gehör wahrenden Verfahrens darauf vertrauen, dass die Markenstelle auch das nächste, in gleicher Weise begründete Fristverlängerungsgesuch wiederum stillschweigend billigen würde, es sei denn, dass die Markenstelle Gegenteiliges mitteilt.
Nach Aktenlage hat die Markenstelle diesen von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestand auch zutreffend erkannt und daher das Schreiben vom 17. Oktober 2014 verlasst, um der Anmelderin mitzuteilen, dass eine weitere Fristverlängerung nur noch bei einem glaubhaft gemachten Interesse an einer erneuten Verlängerung in Betracht käme.
Dieses Schreiben ist den Bevollmächtigten der Anmelderin allerdings nach eigener anwaltlicher Versicherung nicht zugegangen. Dies kann auch nicht widerlegt werden, zumal aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass und wann das entsprechende Schreiben zur Post gegeben wurde. Hiervon ausgehend ist der Anmelderin deshalb zuzubilligen, dass sie auf die nochmalige Fristverlängerung bis zum 2. März 2014 vertrauen durfte.
Hat der Hinweis, dass in Abweichung von einer bislang praktizierten Verfahrenweise, weitere Fristverlängerungen nicht mehr ohne weiteres gewährt werden, die Anmelderin nicht erreicht und stellt diese in Vertrauen auf die vorherige Praxis einen erneuten Fristverlängerungsantrag, stellt es einen Verfahrensfehler dar, wenn die Markenstelle ohne diesen Antrag zu bescheiden vor Ablauf der Frist entscheidet.
Dies war auch ursächlich für die Beschwerdeeinlegung der Anmelderin. Somit ist der Anmelderin die Beschwerdegebühr, nachdem die Beschwerde zurückgenommen wurde, aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen.