Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 04.05.2010


BPatG 04.05.2010 - 24 W (pat) 31/09

Markenbeschwerdeverfahren – "LiveLink (Wort-Bild-Marke/LIVELINK (Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – keine Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
04.05.2010
Aktenzeichen:
24 W (pat) 31/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 303 49 124

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Viereck und Eisenrauch in der Sitzung vom 4. Mai 2010

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 24. September 2003 angemeldete Bildmarke

Abbildung

2

(farbig: rot, grau, schwarz)

3

ist am 15. Januar 2004 unter der Nr. 303 49 124 für folgende Waren und Dienstleistungen in das Markenregister eingetragen worden:

4

„09: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton, Magnetaufzeichnungsträger, CD-ROMs; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Software; Set-Top-Boxen, DVD-Recorder; Unterrichtsapparate und -instrumente;

5

35: Werbung; Unternehmensberatung;

6

38: Telekommunikation; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Vermietung von Geräten zur Nachrichtenübermittlung, Telekommunikation; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Dienstleistungen eines Onlineanbieters, nämlich Sammeln und Bereitstellen und Übermittlung von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren und Dienstleistungen; E-Mail-Datendienste; Bereitstellung einer Hotline; Pagingdienste;

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42: Design und Programmierung von Internetseiten für On- und Offlineauftritte ; Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung der Zugriffsseiten zu Datennetzen und Computerbanken, insbesondere im Internet; Internet-bezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zugangs zu Texten, Grafiken, audiovisuellen und Multimedia-Informationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Computerberatungsdienste; Wartung, Design und Aktualisierung von Software“.

8

Widerspruch erhoben ist aus der am 31. Oktober 2002 angemeldeten und am 16. Mai 2006 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 2 915 338

9

LIVELINK

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die für folgende Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:

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„9 Computerhardware und -software; Computersoftware für eine internetbasierte Unternehmensportalschnittstelle zur Bereitstellung eines personalisierten Zugangs zu Informationen aus verschiedenen Quellen; Netzknoten für die Navigation zu Informationsquellen, die es den Benutzern ermöglichen, den Zugang zu Firmendaten, Verbraucher-Links und Nachrichten den eigenen Wünschen anzupassen und verschiedene Informationsbereiche aus anderen Systemen verbinden; alles vorstehend Genannte in Bezug auf Dokument- und Informationsverwaltung.

12

16 Druckereierzeugnisse; Kataloge, Broschüren und Prospekte; Magazine und Zeitschriften; Benutzerhandbücher und Bedienungsanleitungen; alles vorstehend Genannte in Bezug auf Dokument- und Informationsverwaltung.

13

38 Bereitstellung von Zugang zu Computerdatenbanken in Bezug auf Dokument- und Informationsverwaltung.

14

42 Forschung, Entwicklung und Beratung in Bezug auf Computerhardware und -software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Leasing von Zugangszeiten zu einer Computerdatenbank, nicht von einem Internetdiensteanbieter; Bereitstellung von gehosteten und verwalteten Softwarelösungen; Support für Computersoftware; Implementierung, Konfiguration und kundenspezifische Softwareanpassung; alles in Bezug auf Dokument- und Informationsverwaltung.“

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Der Widerspruch ist auf alle vorgenannten Waren/Dienstleistungen gestützt und richtet sich gegen sämtliche Waren/Dienstleistungen der jüngeren Marke.

16

Seitens der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts ist in einem ersten Beschluss vom 2. Januar 2007 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

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„Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton, Magnetaufzeichnungsträger, CD-ROMs; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Software; Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung der Zugriffszeiten zu Datennetzen und Computerbanken, insbesondere im Internet; Internet bezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zugangs zu Texten, Grafiken, audiovisuellen und Multimedia-Informationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Computerberatungsdienste; Wartung, Design und Aktualisierung von Software“

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wegen Verwechslungsgefahr angeordnet worden. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da insoweit teils überhaupt keine, teilweise nur mittlere Warenähnlichkeit vorliege. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei schwach, deren Schutzumfang mithin gering. Die Bezeichnung „ LIVELINK “ (= direkter Link, unmittelbare Verbindung) weise einen deutlich beschreibenden Charakter auf. Dem Beschluss waren einige Belegstellen (Ausdrucke von Internet-Seiten) beigefügt.

19

Die Erinnerung der Widersprechenden ist in einem zweiten Beschluss der Markenstelle - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - vom 2. April 2009 zurückgewiesen worden.

20

Der genaue Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen könne dahingestellt bleiben, da selbst bei Identität keine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Die Kennzeichnungskraft der beschreibend verwendeten Bezeichnung „ LIVELINK “ sei gering. Die Ausführungen der Widersprechenden hinsichtlich einer intensiven Verwendung und Bekanntheit der Widerspruchsmarke seien mangels Liquidität der zugrundeliegenden Tatsachen nicht geeignet, eine Steigerung der Kennzeichnungskraft zu belegen. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke beschränke sich aus Rechtsgründen auf die konkret eingetragene Form und erfasse die - graphisch besonders gestaltete und als Ganzes zu betrachtende - jüngere Marke nicht.

21

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Eine - zunächst angekündigte - Begründung ist nicht zur Gerichtsakte gelangt.

22

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

23

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

24

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden, die bei sach- und interessengerechter Auslegung auf die vollständige Löschung der jüngeren Marke, auch soweit der Widerspruch von der Markenstelle teilweise zurückgewiesen wurde, gerichtet ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

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1. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist die angegriffene Marke 303 49 124 bezüglich der Waren und Dienstleistungen, hinsichtlich derer die Markenstelle im Erstbeschluss die Löschung verfügt hat; da der Markeninhaber keine Erinnerung eingelegt hat, ist die Löschungsanordnung insoweit rechtskräftig.

26

2. Hinsichtlich der übrigen, jetzt noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist die Beschwerde nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken insoweit keiner Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b MarkenG unterliegen. Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke und des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren/Dienstleistungen und der bei der Auswahl/Auftragsvergabe zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 - BAINBRIDGE ; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 - SIERRA ANTIGUO ; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 32, 33).

27

Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 27 und 57 m. w. Nachw.). Daher scheidet die Annahme einer Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Dienstleistungen der jüngeren Marke in Klasse 35 („Werbung, Unternehmensberatung“), die im Verzeichnis der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden, von vornherein aus.

28

Aber auch bezüglich der sonstigen verbleibenden Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke, die mit den Produkten und Angeboten der Widerspruchsmarke in unterschiedlichem Grade ähnlich sind - wobei diese Ähnlichkeit bezüglich einiger Dienstleistungen in Klasse 38 fast an Identität heranreichen kann -, besteht angesichts der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke, wie die Markenstelle im Ergebnis zutreffend angenommen hat, keine (unmittelbare oder mittelbare) Verwechslungsgefahr.

29

Den Sinngehalt der Wortbildung „ LIVELINK “ (= direkter Link, unmittelbare Verbindung) hat bereits der Erstbeschluss der Markenstelle zutreffend aufgezeigt; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Für sämtliche hier betroffenen Waren und Dienstleistungsangebote auf den Gebieten der elektronischen Datenverarbeitung und der Informationsübermittlung, unabhängig davon, ob „ LIVELINK “ als englischsprachiger Begriff oder als Kunstwort verstanden wird, ist die Widerspruchsmarke daher von Haus aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, kennzeichnungsschwach. Diese Beurteilung gilt auch für Dienstleistungen, welche sich auf den Vorgang der Programmierung oder auf die EDV-Beratung beziehen, weil diese online (d. h. auch mittels eines Livelinks) erfolgen können.

30

Der Feststellung, dass der Widerspruchsmarke von Haus aus ein unterdurchschnittlicher Schutzumfang zukommt, steht die Tatsache ihrer Eintragung nicht entgegen, da einer Marke hierfür nur nicht jede Unterscheidungskraft zu fehlen braucht, also bereits ein geringer Grad an Kennzeichnungskraft für die Registrierung genügt (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; vgl. z. B. GRUR 2007, 1066, Nr. 30 - Kinderzeit; GRUR 2008, 905, Nr. 20 - Pantohexal). Für eine Gemeinschaftsmarke - wie hier - gilt insoweit gegenüber einer nationalen Marke nichts Abweichendes. Der Widerspruchsmarke kann allerdings der Schutz nicht gänzlich versagt werden. Denn im Widerspruchsverfahren sind das Deutsche Patent- und Markenamt und in der Beschwerdeinstanz das Bundespatentgericht - ebenso wie die Zivilgerichte im Verletzungsverfahren - hinsichtlich der Eintragungsvoraussetzungen und Eintragungshindernisse an die Registrierung der Marke gebunden (vgl. BGH GRUR 2007, 780, Nr. 14 - Pralinenform; GRUR 2008, 798, Nr. 14 - POST ). Nicht von der Bindungswirkung berührt wird hingegen die Frage des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, der von der jeweiligen Instanz im Widerspruchsverfahren selbständig bestimmt werden kann und muss (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Nr. 20 - Pantohexal).

31

Für eine Kompensation der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke oder gar eine Steigerung des Schutzumfangs auf ein zumindest durchschnittliches, wenn nicht gar überdurchschnittliches Maß - von der die Widersprechende im patentamtlichen Verfahren (Schriftsatz vom 19. April 2007) ausgegangen ist - fehlt es an Anhaltspunkten. Die Widersprechende ist insoweit ihrer Mitwirkungslast zur Beibringung aussagekräftiger Tatsachenbelege, die eine derartige Schlussfolgerung für die maßgeblichen Zeitpunkte der Kollision (d. h. der Anmeldung der jüngeren Marke) und der Entscheidung des Senats rechtfertigen könnten, nicht nachgekommen (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 121, 122).

32

Die Ergebnisse der von der Widersprechenden durchgeführten Google-Recherche können eine gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht belegen, da die Trefferquote von der geschickten Platzierung und Verlinkung der Bezeichnung abhängt, also nicht zwingend mit einer großen Bekanntheit und umfangreichen Benutzung der Marke in Zusammenhang stehen muss (vgl. BGH GRUR 2009, 772, Nr. 63 - Augsburger Puppenkiste; BPatG GRUR 2010, 441, 443 re. Sp. - printnet/PRINECT ).

33

Mithin verbleibt es dabei, dass vorliegend der Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als niedrig anzusetzen ist und ihr daher nur ein sehr enger Schutzumfang zugebilligt werden kann (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 965 - AntiVir/AntiVirus; GRUR 2008, 803, Nr. 22 - HEITEC; BPatG GRUR 2002, 68, 69 - COMFORT HOTEL; BPatG, 24 W (pat) 79/07 - THERMARIVM/THERMARIUM; 24 W (pat) 71/08 - systech/Systec ).

34

Eine Marke, die - wie hier die Widerspruchsmarke - lediglich aus einer beschreibenden Angabe besteht, welche das Maß der ihr die Schutzfähigkeit verleihenden Eigenprägung und Unterscheidungskraft bildet, kann daher Schutz nur gegen identische Kennzeichnungen erlangen. Die jüngere Marke ist aber - als Wort-/Bildmarke - nicht völlig identisch mit der Widerspruchsmarke. Bereits der Wortbestandteil unterscheidet sich durch die besondere Schreibweise (Normalschrift mit Binnengroßschreibung des zweiten Wortelements) und die Schriftgestaltung von der Widerspruchsmarke; hinzu kommt der, auch von der Größe her nicht völlig zurücktretende, Bildbestandteil. Jedenfalls beides zusammen führt aus dem - wie ausgeführt engen - Schutzumfang der Widerspruchsmarke heraus.

35

Die Frage, ob die jüngere Marke durch den Wortbestandteil „ LiveLink “ geprägt wird, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn dies so wäre, könnte der Tatbestand einer Kollision nur dann angenommen werden, wenn der Schutzumfang der älteren Marke dies rechtfertigte, d. h. diese mindestens durchschnittlich kennzeichnungskräftig wäre (vgl. BGH GRUR 1998, 930 - Fläminger; BPatG GRUR 2010, 441 - printnet/PRINECT ). Vorliegend ist aber - wie oben dargelegt - der Schutzumfang der Widerspruchsmarke äußerst gering, so dass die jüngere Kombinationsmarke nicht in den Schutzbereich der älteren Marke eingreift.

36

Mithin verbleibt es bei der Zurückweisung des Widerspruchs hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen, die jetzt noch Gegenstand des Verfahrens sind.

37

3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.