Entscheidungsdatum: 23.06.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 065 354.5
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Heimen und Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Am 21. Dezember 2012 wurde das Wort
Commerzienrat
als Wortmarke für die folgenden Dienstleistungen zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet:
Klasse 35: Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung und -kontrolle, Öffentlichkeitsarbeit, Preisverleihungen für Werbezwecke, Organisation von Symposien für wirtschaftliche und Werbezwecke;
Klasse 36: Finanzwesen, Geldgeschäfte, finanzielle Förderung;
Klasse 42: Wissenschaftliche Dienstleistungen, Preisverleihung für wissenschaftliche Leistungen;
Klasse 45: Juristische Dienstleistungen.
Mit Beschlüssen vom 26. Juni 2013 und vom 18. Dezember 2013 hat die Markenstelle für Klasse 42 des DPMA die unter Nr. 30 2012 065 354.5 geführte Anmeldung u. a. wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, die Angabe „Commerzienrat“ entspreche, abgesehen von der abgewandelten Schreibweise mit „C“ statt „K“, dem ehemals in Deutschland verliehenen Titel „Kommerzienrat“.
Das angemeldete Wort enthalte somit den Sachhinweis, dass die beanspruchten Dienstleistungen von einem ausgewiesenen Wirtschaftsfachmann erbracht würden. Die Abänderung des moderneren „K“ in das ältere „C“ sei werbeüblich und ändere nichts an der fehlenden Unterscheidungskraft.
Dagegen richtet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde.
Er vertritt die Auffassung, dass der Titel „Commerzienrat“ im Inland nicht verwendet werde. Der Titel „Kommerzienrat“ werde allenfalls im europäischen Ausland (Österreich) verwendet. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher werde die angemeldete Bezeichnung als eindeutiges Produktkennzeichen für die beanspruchten Dienstleistungen wahrnehmen, so dass die Angabe die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise.
Es bestehe auch kein Freihaltebedürfnis.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des DPMA vom 26. Juni 2013 und vom 18. Dezember 2013 aufzuheben.
Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Anmelder nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil einer Eintragung des angemeldeten Wortes bezüglich sämtlicher Dienstleistungen, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Tz. 60] - Libertel). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. Alber, GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des EuGH mit weiteren Nachweisen). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8, Rdn. 40, 42). Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des jeweiligen Zeichens an (BGH GRUR 2013, 1143, Tz. 15 – Aus Akten werden Fakten).
Gemessen daran fehlt dem Wort „Commerzienrat“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung setzt sich unmittelbar erkennbar aus den Wortelementen „Commerzien“ und „rat“ zusammen. Die Angabe „Kommerzien“ von „Kommerz“ bedeutet „den Handel bzw. Geschäftsverkehr betreffend“. Der weitere Bestandteil „rat“ kann dabei sowohl eine hochrangige einzelne Person (Geheimrat, Landrat), als auch ein mit Entscheidungsbefugnis ausgestattetes Gremium bezeichnen (Gemeinderat, Betriebsrat, Ministerrat). Im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff „rat“ i. V. m. der Erbringung von Dienstleistungen geeignet, den Eindruck einer besonderen Qualifikation zu vermitteln, wobei die Angabe „Commerzien“ den Bereich der Qualifikation bezeichnet.
Der angesprochene Verkehr wird daher vor diesem Hintergrund die Angabe „Commerzienrat“ als Bezeichnung insbesondere einer Person ansehen, die über eine besondere Qualifikation im Bereich des Handels und/oder des Wirtschaftslebens verfügt. Die Bedeutung liegt besonders nahe, weil der Titel „Kommerzienrat“ im Deutschen Reich bis zur Gründung der Weimarer Republik 1919 an Personen des Wirtschaftslebens verliehen wurde, die langjährig eine wirtschaftliche Funktion ausgeübt hatten, dabei besondere Verdienste erworben hatten und das Ansehen eines ausgezeichneten Fachmannes genossen. Die ähnliche Bezeichnung „Kommerzialrat“ wird im deutschsprachigen Ausland weiterhin als Ehrentitel verliehen. Im Inland ist die Angabe „Rat“ als Amtsbezeichnung für eine Person, die eine öffentliche Funktion bekleidet, gesetzlich vorgesehen, regelmäßig zusammen mit einer Tätigkeits- bzw. Laufbahnangabe (vgl. Anlage I zu § 20 Absatz 2 Satz 1 BBesG: „Rat“ [„Amtsrat“, „Polizeirat“, „Regierungsrat“; „Rechnungsrat“, „Studienrat“]).
In der vorstehend genannten Bedeutung ist das angemeldete Wort geeignet, die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 42 und 45 sachlich hinsichtlich ihrer Merkmale und Eigenschaften zu beschreiben, nämlich den Erbringer. Bei den Dienstleistungen „Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung und -kontrolle; Öffentlichkeitsarbeit: Organisation von Symposien für wirtschaftliche und Werbezwecke“ der Klasse 35, den Dienstleistungen „Finanzwesen, Geldgeschäfte, finanzielle Förderung“ der Klasse 36, und, damit in engem Zusammenhang stehend, auch bei den Dienstleistungen „juristische Dienstleistungen“ der Klasse 45, beispielsweise solchen auf dem Gebiet des Steuer und/ oder Wirtschaftsrechts, handelt es sich um solche, die von einer Person, die über besondere Qualifikationen verfügt, erbracht werden können.
Vor dem geschilderten historischen Hintergrund und der im deutschsprachigen Ausland weiterhin geübten Praxis, Vertretern der Wirtschaftslebens gleiche oder ähnliche Ehrentitel zu verleihen (vgl. die dem Anm. mit Hinweisvfg. vom 10.11.2014 als Anlagen 1-4 übersandten Belege), wird der im Inland angesprochene Verkehr annehmen, dass der Begriff „Commerzienrat“ im Zusammenhang mit der in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistung „Preisverleihungen für Werbezwecke und im Zusammenhang mit der in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistung „Preisverleihungen für wissenschaftliche Leistungen“ lediglich die Angabe des zu verleihenden Titels enthält.
Schließlich werden relevante Teile des Verkehrs zudem annehmen, dass die beanspruchten Dienstleistungen von Personen erbracht werden, die entsprechende ausländische Titel innehaben und im Rahmen der Freiheiten des europäischen Binnenmarktes im Inland tätig werden dürfen.
Die fehlende Unterscheidungskraft wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der Begriff „Commerzienrat“ (mit „C“) lexikalisch nicht nachweisbar ist. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft kommt es nicht darauf an, ob die angemeldete Bezeichnung eine Neuschöpfung ist oder ob sie bereits im Verkehr verwendet wird oder lexikalisch nachweisbar ist. Das gilt umso mehr, als der Verkehr daran gewöhnt ist, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen und Abbildungen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden. Ebenso ist bekannt, dass sich solche Kreationen nicht an grammatikalischen Regeln oder einem ausgeprägten Stilempfinden orientieren. Demnach können auch bisher noch nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, aber gleichwohl verständliche Sachaussagen durchaus als solche erkannt und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; BPatG GRUR 1996, 489 - Hautactiv). Soweit der Anmelder darauf verweist, dass die angemeldete Bezeichnung „Commerzienrat““ mit dem Buchstaben „C“ anstelle des Buchstaben „K“ beginnt, hat dies keinen Einfluss auf das Vorliegen der erforderlichen Unterscheidungskraft, da die Wortbildung nicht ungewöhnlich ist. Die Buchstaben „K“ und „C“ werden vielfach als austauschbar betrachtet (z. B. „Code – Kode“; „Casino – Kasino“). Der Verkehr ist vielmehr gerade durch die häufige Verwendung von Begriffen der englischen Sprache im Geschäftsleben (z. B. „commerce“) an alternative Schreibweisen mit „c“ gewöhnt.
Demgemäß war die Beschwerde zurückzuweisen.
Ob der Anmeldung darüber hinaus auch das Schutzhindernis eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann angesichts dessen dahinstehen.