Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.09.2014


BPatG 29.09.2014 - 24 W (pat) 21/14

(Markenbeschwerdeverfahren – "domains2go/domain*go (nationale [deutsche] Wort-Bild-Marke/domain*go (Gemeinschaftsbildmarke)" - Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung)


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
29.09.2014
Aktenzeichen:
24 W (pat) 21/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 075 366

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 28. November 2008 angemeldete, am 30. März 2009 in den Farben Blau, Weiß und Schwarz eingetragene und am 30. April 20109 veröffentlichte Wortmarke 30 2008 075 366

Abbildung

2

genießt Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen:

3

(Klasse 9):

4

Computerprogramme (gespeichert), Computerprogramme (herunterladbar), Compact Disks (ROM, Festspeicher), Magnetdatenträger, optische Datenträger

5

(Klasse 35):

6

Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken, organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich, Online-Werbung in einem Computernetzwerk, Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien, Schaltung von kontextsensitiven Werbeanzeigen für Dritte, Vermittlung von Werbeanzeigen, Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken, Sponsoring in Form von Werbung, Vermittlung von Abonnements für Telekommunikationsdienste für Dritte, Vermietung von Werbeflächen im Internet, Aktualisierung von Werbematerial, Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln

7

(Klasse 38):

8

Auskünfte über Telekommunikation, Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk, Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk, Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen, Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet, elektronische Nachrichtenübermittlung (E-Mail-Dienste), Bereitstellen des Zugriffs auf Systeme zur Registrierung und Verwaltung von Domain-Namen, elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Internetforen, Sprachübermittlungsdienste (Sprachmitteilungsdienste), Telefondienste, Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet, Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken, Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging), elektronische Übermittlung von Ton-, Text- und Bildnachrichten sowie von Audiodateien, Weiterleitungen von Webzugriffen auf andere Webpräsenzen, Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet, Betrieb von Internetportalen

9

 (Klasse 42):

10

Aktualisieren von Computersoftware, Aktualisierung von Internetseiten, Benutzer- und Rechteverwaltung in Computernetzwerken, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Beratung für Telekommunikationstechnik, Computerhard- und Softwareberatung, Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte, Installieren von Computersoftware, Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz vor illegalen Netzwerkzugriffen und unerwünschter elektronischer Kommunikation, Zertifizierungen, Überprüfung von digitalen Signaturen, Wartung von Computersoftware, softwaregestützte und kontextsensitive Verknüpfung von Werbung mit redaktionellen Inhalten für Internetportale, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Bereitstellung von Suchmaschinen für das Internet, Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten, Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting), Verifizierung der Identität von Nutzern über das Internet, softwaretechnische Dienstleistungen in Bezug auf digitale Unterschriften und Personenverifizierung mit Hilfe elektronischer Medien, digitale Verschlüsselung und Unterschriftenverifizierung, Versehen von Nachrichten mit einem Zeitstempel, Betrieb von Nameservern für Dritte zur Ermöglichung der Herstellung von Telekommunikationsverbindungen, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Wissenschaft und Forschung.

11

Gegen diese Marke ist Widerspruch erhoben worden aus der am 28. März 2003 angemeldeten und am 2. Juli 2003 in den Farben Rot und Weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke 303 16 597

Abbildung

12

(Widerspruchsmarke zu 1)).

13

Diese Marke beansprucht Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen:

14

(Klasse 35):

15

Dateiverwaltung mittels Computer, Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, auch im Internet, Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien, Standortermittlung von Güterwaggons durch Computer, Vermietung von Werbeflächen, auch im Internet (Bannerexchange), Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet, Werbung im Internet für Dritte;

16

(Klasse 38):

17

Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, Bereitstellen von Internetzugängen, Bereitstellen von Informationen im Internet, Bereitstellung von Plattformen im Internet, Bereitstellung von Portalen im Internet, Betrieb von Chatlines, Chatrooms und Foren, E-Mail-Dienste, Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internetadressen (Webmessaging);

18

(Klasse 42):

19

Zur-Verfügung-Stellen von Webspace (Webhosting), Aktualisieren von Computersoftware, Aktualisieren von Internetseiten, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Beratung für Telekommunikationstechnik, Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen, Betrieb von Suchmaschinen für das Internet, Computersystemdesign, Datensicherung, Datenverwaltung auf Servern, Design von Computersoftware, Design von Homepages und Webseiten, Dienstleistungen einer Datenbank, EDV-Beratung, Erstellen von Webseiten, Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte, Hard- und Softwareberatung, Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken, Installieren von Computerprogrammen, Konfiguration von Computernetzwerken durch Software, Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung), Konzeptionierung von Webseiten, Kopieren von Computerprogrammen, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte, redaktionelle Betreuung von Internetauftritten, Serveradministration, Styling (industrielles Design), technische Beratung, Vergabe und Registrierung von Domainnames, Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (Hosting), Vermietung von Computersoftware, Vermietung von Speicherplatz im Internet, Vermietung von Webservern, Wartung von Internetzugängen, Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazitäten zur externen Nutzung (Webhousing), Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet.

20

Dieselbe Widersprechende hat außerdem Widerspruch erhoben aus der am 8. Oktober 2003 angemeldeten und am 31. Oktober 2010 in den Farben Rot und Weiß eingetragenen Gemeinschaftsmarke 3 355 658

Abbildung

21

(Widerspruchsmarke zu 2)).

22

Diese Marke beansprucht ebenfalls Schutz für die Waren und Dienstleistungen:

23

(Klasse 35):

24

Dateiverwaltung mittels Computer, Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, auch im Internet, Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien, Standortermittlung von Güterwaggons durch Computer, Vermietung von Werbeflächen, auch im Internet (Bannerexchange), Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet, Werbung im Internet für Dritte;

25

(Klasse 38):

26

Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, Bereitstellen von Internetzugängen, Bereitstellen von Informationen im Internet, Bereitstellung von Plattformen im Internet, Bereitstellung von Portalen im Internet, Betrieb von Chatlines, Chatrooms und Foren, E-Mail-Dienste, Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internetadressen (Webmessaging);

27

(Klasse 42):

28

Zur-Verfügung-Stellen von Webspace (Webhosting), Aktualisieren von Computersoftware, Aktualisieren von Internetseiten, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Beratung für Telekommunikationstechnik, Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen, Betrieb von Suchmaschinen für das Internet, Computersystemdesign, Datensicherung, Datenverwaltung auf Servern, Design von Computersoftware, Design von Homepages und Webseiten, Dienstleistungen einer Datenbank, EDV-Beratung, Erstellen von Webseiten, Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte, Hard- und Softwareberatung, Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken, Installieren von Computerprogrammen, Konfiguration von Computernetzwerken durch Software, Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung), Konzeptionierung von Webseiten, Kopieren von Computerprogrammen, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte, redaktionelle Betreuung von Internetauftritten, Serveradministration, Styling (industrielles Design), technische Beratung, Vergabe und Registrierung von Domainnames, Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (Hosting), Vermietung von Computersoftware, Vermietung von Speicherplatz im Internet, Vermietung von Webservern, Wartung von Internetzugängen, Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazitäten zur externen Nutzung (Webhousing), Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet.

29

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Widersprüche in zwei Beschlüssen am 27. September 2010 und am 1. Oktober 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ausgehend von Dienstleistungsidentität und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zu 1) und zu 2) wahre die jüngere Marke in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht den zum Ausschluss einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG jeweils erforderlichen Abstand zu den älteren Zeichen hinreichend. Die sich gegenüberstehenden Marken unterschieden sich, wie die Markenstelle näher ausgeführt hat, jeweils deutlich voneinander.

30

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie geht mit der Markenstelle von teilweiser Dienstleistungsidentität und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zu 1) und zu 2) aus, hält die Kollisionszeichen jedoch für klanglich, schriftbildlich und begrifflich verwechselbar ähnlich.

31

Klanglich überwögen die Gemeinsamkeiten beider Zeichen, denn die Widerspruchsmarken würden als „domain go“ ausgesprochen; die angegriffene Marke werde demgegenüber mit „domains-to-go“ nur wenig anders artikuliert. Schriftbildlich stünden sich die Kennzeichen als „domains2go“ und „domain*go“ gegenüber, wobei die Unterscheidung in den eingefügten Bestandteilen „s2“ und „*“ ohne weiteres übersehen werde. Begrifflich deuteten beide Kennzeichen in Anlehnung an „To-Go-Produkte“ auf eine einfache und schnelle Abwicklung hin.

32

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

33

die Beschlüsse der Markenstelle für die Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 2010 und vom 1. Oktober 2013 aufzuheben und wegen der Widersprüche aus den Marken 303 16 597 und EM 003 355 658 die Löschung der Marke 30 2008 075 366 anzuordnen.

34

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

35

die Beschwerde zurückzuweisen

36

und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

37

Sie schließt sich der Argumentation der Markenstelle im Ergebnis an und betont, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, den Zusatz „*“ in der Mitte der Widerspruchsmarken als „to“ auszusprechen und diesen Marke den Begriffsinhalt „Internetadressen zum Mitnehmen“ zuzuordnen. Bei den in allen drei Zeichen übereinstimmenden Wortbestandteilen „domain“ und „go“ handele es sich um kennzeichnungsschwache Bestandteile, aus denen sich eine Verwechslungsgefahr nicht herleiten lasse. Graphisch wichen die Zeichen in Design, Farbe, Schriftart sowie aufgrund von zusätzlichen Bestandteilen der angegriffenen Marke in der Gesamtbetrachtung deutlich voneinander ab.

38

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die Durchführung einer  mündlichen Verhandlung hat keine der Verfahrensbeteiligten beantragt.

II.

39

Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen jeweils nicht die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen i. S. d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

40

Da keine der Verfahrensbeteiligten die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt hat, § 69 Nr. 1 MarkenG, und der Senat eine solche nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit oder zum Zwecke der Beweiserhebung für erforderlich erachtet hat, § 69 Nr. 2 u. 3 MarkenG, ist im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

41

1. Widerspruch aus der Marke 303 16 597

42

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

a)

43

Nach der Registerlage beanspruchen die Vergleichsmarken in den Klassen 35, 38 und 42 teilweise Schutz für identische und hochgradig ähnliche Dienstleistungen. So beanspruchen in Klasse 35 beide Kollisionszeichen Schutz für die Dienstleistungen „Präsentationen von Firmen im Internet und anderen Medien; Vermietung von Werbeflächen im Internet“. Der „Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken“ sowie der „Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken“, für die die Inhaberin der angegriffenen Marke Schutz beansprucht, steht die „Dateiverwaltung mittels Computer“ gegenüber, für die die Widerspruchsmarke zu 1) geschützt ist. In Klasse 38 beanspruchen die Inhaber beider Kollisionsmarken Schutz für Telekommunikationsdienstleistungen, in dem Bereitstellen von Internetzugängen, Plattformen und Portalen in Internet und in dem Betrieb von Internetforen bestehen. In Klasse 42 sind schließlich beide sich gegenüberstehenden Zeichen u. a. für die Dienstleistungen „Aktualisieren von Computersoftware, Aktualisierung von Internetseiten, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Beratung für Telekommunikationstechnik, Installieren von Computerprogrammen“ geschützt.

44

Zu den durch diese Dienstleistungen - und zu den durch Software und Datenträger der Klasse 9 der angegriffenen Marke - angesprochenen Verkehrskreisen zählen der jeweilige Fachverkehr sowie auch der allgemeine, angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher mit Interesse an der Nutzung des Internets für private Zwecke sowie am Erwerb von Software u. a. zur Gestaltung einer eigenen Website.

b)

45

Entgegen der diesbezüglichen Auffassung der Markenstelle ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung von einer insgesamt deutlich geschwächten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die hier beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35, 38 und 42 auszugehen. Denn mit „domain“ und „go“ verbindet die Widerspruchsmarke zwei Wortbestandteile, denen - für sich allein genommen und für die hier beanspruchten, internetbezogen zu erbringenden Dienstleistungen - das zu einer Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt, weil sie, wie „domain“, entweder lediglich einen Sachhinweis auf eine Internetadresse darstellen oder, wie „go“, als Imperativ im Sinne von „Los!“ lediglich werbeüblich zum Zwecke der Beschleunigung des Kaufentschlusses zur Inanspruchnahme der so bezeichneten Dienstleistungen auffordern (vgl. BPatG 27 W (pat) 244/89, B. v. 30.07.1991 – go). In ihrer Gesamtheit verfügt die Widerspruchsmarke zu 1) aufgrund ihres Sinngehalts „Domain – Los!“ ihres Wortelements, auch unter Berücksichtigung ihrer in Rot und Weiß gehaltenen graphischen Ausgestaltung mit einem Asterisk in der Mitte, ohne I-Punkt und unter Verwendung der werbeüblichen Schriftart „Arial“ mit kursiven Lettern über eine deutlich geschwächte Kennzeichnungskraft.

c)

46

Angesichts dessen hält die angegriffene Marke den unter Berücksichtigung von Dienstleistungsidentität gebotenen Zeichenabstand ein:

47

Eine für die Beurteilung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen. Insoweit reicht es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich aus, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9, Rdn. 224 m. w. N.). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9, Rdn. 211 m. w. N.). Die angegriffene Marke hebt sich vorliegend aber klanglich, schriftbildlich und begrifflich jedoch hinreichend deutlich von der Widerspruchsmarke zu 1) ab, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben ist.

aa)

48

Eine relevante schriftbildliche Ähnlichkeit beider Zeichen liegt nicht vor:

49

Die schriftbildlich in beiden Vergleichszeichen übereinstimmenden Wortbestandteile „domain“ und „go“ vermögen weder für sich allein genommen, noch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung beider Zeichen Grundlage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr zu sein. Denn die Übereinstimmung beider Zeichen beschränkt sich insoweit, wie oben zur Kennzeichnungskraft ausgeführt, auf beschreibende, für sich genommen schutzunfähige Zeichenbestandteile (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., Rn. 258, 160, 167 zu § 9 m. w. N.). Der Verkehr entnimmt einer Übereinstimmung beider Zeichen in den Wortbestandteilen „domain“ und „go“ daher allenfalls dieselbe beschreibende Aussage und schließt daraus nicht auf eine übereinstimmende betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. hierzu auch BGH, GRUR 2012, 1040, 1042, - pjur/pure; Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 258 zu § 9 m. w. N.).

50

Die die in beiden Marken identisch enthaltene Bestandteile „domain“ und „go“ weisen zudem weder eine die jüngere Marke prägende Funktion auf, noch nehmen sie innerhalb dieser Marke eine kollisionsbegründende Stellung ein. Da beide Wortelemente von den angesprochenen Verkehrskreisen als für die in Frage stehenden Waren bzw. Dienstleistungen beschreibend verstanden werden, treten die graphischen Elemente der angegriffenen Marke nicht in einer Weise zurück, dass diese für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 41 – HABM/Shaker [Limoncello]; EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr.  28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 18 – Malteserkreuz I; GRUR 2007, 888 Rdnr. 22 u. 31 – Euro Telekom; MarkenR 2008, 405, 406 Rdnr. 18 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2009, 772, 776 Rdnr. 57 – Augsburger Puppenkiste).

51

Und im Übrigen weisen beide Marken ein völlig unterschiedliches Schriftbild auf:

52

Abbildung

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
.

53

Die angegriffene Marke verfügt auf ihrer linken Seite zusätzlich über ein in einem Rahmen abgesetztes Logo in Form einer stilisierten Weltkugel mit den drei Top-Level-Domains „.de“, „.eu“ und „.com“.Der Hintergrund der angegriffenen Marke weist von links nach rechts gesehen einen Farbverlauf von hellblau nach dunkelblau auf und wird durch einen weißen Streifen in der rechten unteren Ecke ergänzt.Während die in den Farben Weiß und Rot gehaltene Widerspruchsmarke kursiv geschrieben ist weist die angegriffene Marke einen in Normalschrift geschriebenen Schriftzug auf. Des Weiteren wird bei der Widerspruchsmarke auf den i-Punkt verzichtet, was bei der angegriffenen Marke nicht der Fall ist, wobei dies allerdings beim Markenvergleich nicht wesentlich ins Gewicht fällt.Der Schriftzug „domains2go“ der angegriffenen Marke wirkt durch die ohne Leerzeichen eingeschobene „2“ zudem wie ein einzelnes Wort. Bei der Widerspruchsmarke bildet der Asterisk „*“ dagegen eine Zäsur zwischen den Wortbestandteilen „domain“ und „go“, von denen „domain“ im Unterschied zum angegriffenen Zeichen zusätzlich im Singular verwendet wird. In ihrer Gesamtheit führen die vorgenannten Unterschiede zu deutlichen Abweichungen im Schriftbild, so dass insoweit keine relevante Markenähnlichkeit vorliegt.

54

bb)Eine klangliche Verwechslungsgefahr beider Zeichen scheidet ebenfalls aus:

55

Auch in klanglicher Hinsicht schließt der Verkehr, wie oben ausgeführt, aus einer Übereinstimmung beider Zeichen in den - für sich genommen schutzunfähigen - Wortbestandteilen „domain“ und „go“ auch im Rahmen der sich gegenüberstehenden Zeichen in ihrer Gesamtheit nicht auf eine übereinstimmende betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. hierzu auch BGH, GRUR 2012, 1040, 1042, - pjur/pure; Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 258 zu § 9 m. w. N.).

56

Angesichts dessen kann im Ergebnis dahinstehen, ob ein markenrechtlich erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise den in der Wortmitte der Widerspruchsmarke zu 1) angeordneten Asterisk, wie die Wiedersprechende meint, zum Anlass nehmen könnte, diesem u. a. als Platzhalter verwendbaren Zeichen „*“ die Bedeutung „to“ beizumessen und die Widerspruchsmarke demzufolge als „domain-to-go“ auszusprechen.

57

Weitere, mindestens ebenso nahe liegende Aussprachevarianten der Widerspruchsmarke zu 1) wie „domain-Sternchen–go“ oder „Domain-Asterisk-go“ unterscheiden sich von der Klangfolge des Wortbestandteils der angegriffenen Marke „domains-to-go“ ohnehin deutlich.

cc)

58

Eine begriffliche Ähnlichkeit der Kollisionszeichen ist ebenfalls zu verneinen: Soweit die Widersprechende dazu tendiert, beiden Marken den Begriffsinhalt „Internetadressen zum Mitnehmen“ zuzuordnen, wäre hierzu ebenfalls an die, wie oben ausgeführt, für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile „domain“ und „go“ der Widerspruchsmarke zu 1) anzuknüpfen, was für die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr jedoch ohne Folgen bliebe (vgl. zur fehlenden Unterscheidungskraft der Markenanmeldung 304 44 302.6 „Fruit to go“ u. a. für Waren der Klasse 30 BPatG 32 W (pat) 130/05, B. v. 14. Februar 2007 – Fruit to go). Wegen ihrer für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Bedeutung haben diese Bestandteile bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit außer Betracht zu bleiben. Auch in ihrer Gesamtheit weisen die Vergleichszeichen keine relevante begriffliche Ähnlichkeit auf, zumal eine begriffliche „Übersetzung“ der Widerspruchsmarke im vorgenannten Sinne nicht naheliegend erscheint.

59

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Kollisionszeichen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG scheidet somit aus.

d)

60

Die Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Widersprechende hat nicht vorgetragenen, etwa Inhaberin einer benutzten Zeichenserie zu sein, in die sich das angegriffene Zeichen einfügte. Wer die Unterschiede zwischen beiden Zeichen erkennt, wird nicht aufgrund einer Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Kennzeichen davon ausgehen, dass die Hersteller bzw. Erbringer von mit „domain2go“ und „domain*go“ gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen identisch oder wirtschaftlich miteinander verbunden sind.

e)

61

Aus diesen Gründen hatte die Beschwerde der Widersprechenden gegen die Zurückweisung ihres Widerspruchs aus der Marke 303 16 597 durch die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle keinen Erfolg, soweit sich die Vergleichsmarken im Zusammenhang mit identischen Dienstleistungen begegnen können. Erst recht gilt dies in Bezug auf diejenigen verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen, die einander lediglich im Ähnlichkeitsbereich begegnen.

62

2. Widerspruch aus der Marke EM 003 355 658

63

Es gilt das oben unter 1. zum Widerspruch aus der Marke 303 16 597 Ausgeführte entsprechend.

64

3. Kosten

65

Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, war zurückzuweisen, denn zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

66

Nach dieser Vorschrift hat jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst zu tragen, es sei denn, es entspricht der Billigkeit, einem Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen. Voraussetzung für eine Kostenauferlegung ist, dass besondere Umstände eine Abweichung von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gegen eine auf den Verfahrensausgang abstellende generelle Kostenerstattung billig erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; Knoll, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 71 Rn. 12). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Sie können sich aus einem Verhalten ergeben, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Weder aus dem Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, noch aus dem Verfahrensgang ergeben sich jedoch Anhaltspunkte für einen derartigen Verstoß der Widersprechenden gegen ihre allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht.