Entscheidungsdatum: 01.07.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 003 825.5
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Am 29. März 2012 wurde die Wortfolge
DAS GRÜNE WUNDER
als Wortmarke für die folgenden Waren zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet:
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; biologisch abbaubare Reinigungsflüssigkeiten;
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Eimer aus Blech, Aluminium, Kunststoff oder aus anderen Materialien; kleine handbetätigte Geräte für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Putzzeug; Putz- und Reinigungsgeräte; kleine handbetätigte Geräte zum Putzen und Reinigen von Haushalt und Küche; Putz- und Reinigungstücher.
Mit Erstbeschluss vom 1. Oktober 2012 hat die Markenstelle für Klasse 3 des DPMA die unter Nr. 30 2012 003 825.5 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, vollständig zurückgewiesen, auf die Erinnerung der Anmelderin hin hat die Markenstelle mit weiterem Beschluss vom 28. Februar 2013 die Zurückweisung mit Ausnahme der Waren "Eimer aus Blech, Aluminium, Kunststoff oder aus anderen Materialien; Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln)" bestätigt.
Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der angemeldeten, spruchartigen Wortfolge fehle es hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren an Unterscheidungskraft. Das Zeichen setze sich aus den allgemein verständlichen Wortbestandteilen "DAS" (= Artikel), "GRÜNE" (= von grüner Farbe oder auch dem Umweltschutz verpflichtet, ihn fördernd: "grüne Produkte") und "WUNDER" (= etw., was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte, Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt), sprachüblich zusammen. Der Begriff "grün" werde mittlerweile nicht nur im Sinne der Farbe Grün, sondern auch umfassend in der Bedeutung "umweltfreundlich, ökologisch" verwendet und verstanden und stelle in dieser Bedeutung auch ein Werbeschlagwort dar. Dem Begriff "Wunder" komme hier die Bedeutung einer Qualitätsberühmung zu, er werde in der Werbesprache dazu verwendet, um etwas als "besonders, außergewöhnlich" herauszustellen. Die Angabe sei insgesamt geeignet, nach Art eines werblich anpreisenden Sachhinweises auf ein umweltfreundliches Wundermittelprodukt oder auf ein Wundermittelprodukt von grüner Farbe hinzuweisen.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.
Sie hält die Angabe für unterscheidungskräftig, insbesondere könne der Wortfolge "DAS GRÜNE WUNDER" auch in Bezug auf die von der Teilzurückweisung erfassten Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Gehalt oder enger beschreibender Bezug entnommen werden, jedenfalls sei dazu mehr als ein gedanklicher Schritt erforderlich. Die von der Markenstelle zugrunde gelegte Sachaussage im Sinne von "umweltfreundliche, mit geheimnisvollen/ erstaunlichen Eigenschaften versehene Ware" lasse sich nicht unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erschließen.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Anmelderin hat mit der Beschwerdeschrift sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 vom 1. Okto-ber 2012 und vom 28. Februar 2013 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke bezüglich der beschwerdegegenständlichen Waren, nämlich "Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; biologisch abbaubare Reinigungsflüssigkeiten" (Klasse 3) und "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); kleine handbetätigte Geräte für Haushalt und Küche; Putzzeug; Putz- und Reinigungsgeräte; kleine handbetätigte Geräte zum Putzen und Reinigen von Haushalt und Küche; Putz- und Reinigungstücher" (Klasse 21), jedenfalls das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG insoweit zurückgewiesen.
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Tz. 60] - Libertel). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. Alber, GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des EuGH mit weiteren Nachweisen). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des jeweiligen Zeichens an (BGH GRUR 2013, 1143, Tz. 15 – Aus Akten werden Fakten).
Schlagwortartige Wortfolgen, wie die hier vorliegende Markenanmeldung unterliegen weder strengeren noch geringeren, sondern den gleichen Schutzvoraussetzungen wie andere Wortmarken. Einerseits reicht allein die Tatsache, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, - für sich gesehen - nicht aus, um die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Es ist auch nicht erforderlich, dass schlagwortartige Wortfolgen einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Ferner kann selbst dann, wenn die jeweilige Marke zugleich oder sogar in erster Linie als Werbeslogan aufgefasst wird, deren Schutzfähigkeit in Betracht kommen, sofern sie zugleich auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 45 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Andererseits ist auch bei schlagwortartigen Wortfolgen die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn - wie bei anderen Markenkategorien auch - ein zumindest enger beschreibender Bezug zu den jeweils konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorliegt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Slogans oder schlagwortartigen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn diese eine bloße Werbefunktion ausüben - diese kann z. B. darin bestehen, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen - es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zu ihrer behaupteten Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die angemeldete Bezeichnung als betrieblicher Herkunftshinweis hinsichtlich sämtlicher beschwerdegegenständlicher Waren ungeeignet. Wie bereits die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, besitzt die Wortfolge "DAS GRÜNE WUNDER" eine für die angesprochenen Verkehrskreise, die hier sowohl den Fachverkehr, also Industrie und Handel, als auch den allgemeinen Endverbraucher umfassen, einen unmittelbar erkennbaren, rein sachbezogenen Begriffsinhalt.
Das Wortelement "GRÜNE" wird nicht nur als Farbangabe, sondern auch als schlagwortartiger Hinweis auf umweltschonende, ökologisch einwandfreie Eigenschaften verwendet (vgl. z. B. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., S. 757: "grün" = dem Umweltschutz verpflichtet, ihn fördernd), insbesondere auch für Produkte im hier einschlägigen Warenbereich (vgl. die Beispiele in den Anlagen 1 – 3, übersandt mit Ladungsvfg. vom 5. Mai 2014). Das weitere Wortelement "Wunder" ist als eine werbeübliche Anpreisung zu werten, mit der auf über das übliche Maß hinausgehende und überraschende bzw. erstaunliche Eigenschaften oder Wirkungen der entsprechenden Produkte hingewiesen wird (vgl. Anla-gen 4 - 6, übersandt mit Ladungsvfg. vom 5. Mai 2014). Die von den beschwerdegegenständlichen Waren angesprochenen, breiten Verkehrskreise verstehen die Wortfolge "DAS GRÜNE WUNDER", wenn ihnen diese im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren begegnet, somit als eine bloße Sachangabe dahingehend, dass diese Waren entweder grün gefärbt sind oder besonders umweltschonend hergestellt oder verwendet oder entsorgt werden und zudem über qualitativ besondere, über das normale Maß hinausgehende, gleichsam "wunderbare" Eigenschaften verfügen.
Ausgehend von diesem Bedeutungsinhalt werden die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Wortfolge als Ganzes in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 3 und 21, bei denen es sich im Wesentlichen um Reinigungsmittel bzw. –utensilien sowie Geräte für den Haushalt handelt, lediglich als eine sloganartige, werbemäßige Anpreisung eines ökologisch unbedenklichen "Wundermittels" für z. B. Reinigungsarbeiten im Haushalt auffassen, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Hierzu ist nach Überzeugung des Senates auch keine mehrere Gedankenschritte erfordernde, analysierende Betrachtungsweise erforderlich, vielmehr drängt sich ein derartiges Verständnis den vorgenannten Verkehrskreisen geradezu auf.
2. Auf die Frage, ob zugleich die Voraussetzungen des zusätzlich erwähnten Schutzhindernisses eines entgegenstehenden Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegen, kam es nicht entscheidungserheblich an, weil einer Eintragung bereits das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.
3. Soweit die Anmelderin auf eine aus ihrer Sicht identische, frühere Eintragung der angemeldeten Wortfolge verwiesen hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Frühere identische Eintragungen oder andere möglicherweise vergleichbare Voreintragungen sind zwar zu berücksichtigen, vermögen aber keine für den zu entscheidenden Fall rechtlich bindende Wirkung zu entfalten (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS; GRUR 2008, 229 - BioID; GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 428 – Henkel; BGH GRUR 2008, 1093 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BPatG GRUR 2007, 333 – Papaya; BPatG, B. v. 14.4.2014, Az. 24 W (pat) 519/12 - EXTRACOM). Dies folgt bereits daraus, dass die bei der Feststellung der Unterscheidungskraft notwendig zu berücksichtigende Verkehrswahrnehmung nicht statisch ist, sondern stetigen Wandlungen unterworfen ist, so dass die Beurteilung der Bestandteile der Marke am Beginn des vorherigen Jahrzehnts nicht mit derjenigen zum Zeitpunkt der neuerlichen Anmeldung identisch sein muss. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist zudem keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.