Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.09.2016


BPatG 06.09.2016 - 24 W (pat) 15/16

Markenbeschwerdeverfahren - "sira (Wort-Bild-Marke)/SERA (Unionsmarke)" - rechtserhaltende Benutzung - Warenidentität und -ähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft - klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
06.09.2016
Aktenzeichen:
24 W (pat) 15/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 013 654

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie des Richters Schmid und der Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 5. März 2011 angemeldete, farbig gestaltete (gelb, grün) Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 4. August 2011 unter der Nr. 30 2011 013 654 für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 29, 30 und 32 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:

3

Kl. 29: Tomaten-Püree;

4

Kl. 30: Gewürzmischungen;

5

Kl. 32: alkoholfreie Getränke.

6

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 9. September 2011 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der am 6. Januar 1998 angemeldeten und am 13. Oktober 1999 u. a. für die Waren

7

Kl. 29: Tomatenpüree;

8

Kl. 30: Gewürzmischungen;

9

eingetragenen Unionsmarke Nr. 714 832

10

SERA

11

Widerspruch erhoben.

12

Die Markenstelle für Klasse 30 des DPMA hat auf diesen Widerspruch hin mit Beschluss vom 22. Januar 2015 die Löschung der angegriffenen Marke verfügt, weil zwischen den Vergleichszeichen in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Im Rahmen der insofern erforderlichen Abwägung aller Einzelfallumstände sei für den Warenvergleich von der Registerlage auszugehen, da die von der Inhaberin der angegriffenen Marke ausdrücklich als hilfsweise erhobene Nichtbenutzungseinrede unbeachtlich sei. Danach seien die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „Tomaten-Püree“ und „Gewürzmischungen“ gegenüber den registrierten, entsprechenden Waren der Widerspruchsmarke identisch. Ferner seien die Waren „alkoholfreie Getränke“ der angegriffenen Marke gegenüber den Waren der Widerspruchsmarke zumindest entfernt ähnlich. Die Widerspruchsmarke verfüge über einen durchschnittlichen Schutzumfang. Aus der Bedeutung „Gewächshaus, Treibhaus“, die dem Wort „SERA“ im Türkischen zukomme, ergebe sich keine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Die Mehrheit der angesprochenen inländischen Verkehrskreise sei nämlich der türkischen Sprache nicht mächtig und ordne dem Zeichen daher keinen sachbezogenen Aussagegehalt zu. Im Rahmen der Gesamtabwägung halte die von ihrem Wortelement „sιra“ geprägte angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke „SERA“ in klanglicher Hinsicht in Bezug auf sämtliche für die angegriffene Marke eingetragenen Waren nicht ein. Dabei sei auch von einer Aussprache der Marken auszugehen, die der deutschen Sprache entspricht, so dass eine klangliche Wiedergabe des Wortelements „sιra“ der angegriffenen Bildmarke als „sira“ zu berücksichtigen sei. Zur von der Inhaberin der angegriffenen Marke angeregten Kostenauferlegung bestehe kein Anlass.

13

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie ist der Auffassung, dass zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Dies sei auch das Ergebnis eines Rechtsstreits zwischen den Beteiligten in der Türkei gewesen. Der angefochtene Beschluss der Markenstelle beruhe auf Verfahrensfehlern, weil die Markenstelle sich nicht hinreichend mit dem Vortrag der Markeninhaberin auseinandergesetzt habe. Die zunächst hilfsweise erhobene Nichtbenutzungseinrede sei bereits im Fortgang des Amtsverfahrens unbedingt geltend gemacht worden. Die Vergleichszeichen seien ferner nicht hinreichend ähnlich, insbesondere sei, wie auch das für den Rechtsstreit in der Türkei zuständige Istanbuler Gericht ausgeführt habe, eine klangliche Ähnlichkeit nicht zu bejahen, nachdem die Zeichen auf der Grundlage ihrer Aussprache im Türkischen ohne weiteres zu unterscheiden seien. Die Markenstelle könne insoweit ihre Auffassung nicht ohne sachverständige Feststellungen zur Verkehrsauffassung zugrunde legen. Die Vergleichszeichen würden zudem einen unterschiedlichen Begriffsgehalt aufweisen, die angegriffene Marke habe sich zudem im Verkehr durchgesetzt und sei von der Widersprechenden aufgrund einer im Jahre 2005 oder 2006 beendeten Vertriebsvereinbarung am deutschen Markt eingeführt worden. Die Widersprechende versuche nun, die Markeninhaberin vom deutschen Markt zu verdrängen und handele rechtsmissbräuchlich.

14

Die Markeninhaberin beantragt,

15

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2015 aufzuheben und den Widerspruch aus der Unionsmarke 714 832 zurückzuweisen.

16

Ferner beantragt sie, der Widersprechenden die Kosten des Widerspruchs- und Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

17

Die Widersprechende beantragt,

18

die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

19

Die Widersprechende meint, die Markenstelle habe zutreffend das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr angenommen. Zur Benutzung der Widerspruchsmarke hat sie eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers vom 12. September 2012 und vom 11. Dezember 2015 sowie weitere Benutzungsunterlagen (u. a. Produktkataloge) vorgelegt.

20

Die Widerspruchsmarke werde, wie sich aus den von der Widersprechenden eingereichten Benutzungsunterlagen ergebe, intensiv für ein umfangreiches Warensortiment benutzt, wobei die entsprechenden Umsatzzahlen ein Indiz für eine hohe Bekanntheit der Widerspruchsmarke seien. Die Vergleichsmarken seien nicht nur klanglich, sondern auch schriftbildlich ähnlich, so dass eine hochgradige Verwechslungsgefahr gegeben sei. Da von einer einheitlichen Verkehrsauffassung auszugehen sei und der weit überwiegende Anteil der inländischen Verkehrskreise nicht Türkisch spreche, komme es auf das Verständnis und die Aussprache der Streitzeichen durch Verbraucher, die des Türkischen mächtig sind, nicht an.

21

Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

22

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Kollisionszeichen besteht eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr, so dass die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 43 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG.

23

1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH, GRUR 2010, 933, Tz. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH, GRUR 2012, 64, Tz. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382, Tz. 22 – BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.

24

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend für das angesprochene Publikum die Gefahr von Verwechslungen.

25

a) Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke unabhängig davon, sie die Benutzung der angegriffenen Marke bereits im Verfahren vor dem DPMA in rechtserheblicher Weise bestritten hat, jedenfalls durch Erklärung mit Schriftsatz vom 11. Juli 2015 wirksam die Nichtbenutzungseinrede erhoben hat, hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zumindest in Bezug auf die eingetragenen Ware „Tomatenpüree“ und für von dem eingetragenen Oberbegriff „Gewürzmischungen“ umfasste „Grillgewürzmischungen“ glaubhaft gemacht, vgl. Art. 15 Abs. 1 Unionsmarkenverordnung (vormals Art. 15 Abs. 1 Gemeinschaftsmarkenverordnung) i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG.

26

Dies ergibt sich aus den eidesstattlichen Versicherungen ihres Geschäftsführers vom 12. September 2012 und vom 11. Dezember 2015 sowie den weiteren Benutzungsunterlagen, insbesondere den als Anlage zu diesen eidesstattlichen Versicherungen beigefügten Produktkatalogen, die hinsichtlich Art und Form der benutzten Marke, warenmäßiger Gegenstand, Ort und Umfang der Benutzung ausreichend konkrete Tatsachenangaben in Bezug auf die beiden relevanten Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG, nämlich den Zeitraum vom 9. September 2006 bis 9. September 2011 sowie für den Zeitraum vom 6. September 2011 bis 6. September 2016, enthalten. Insbesondere bezieht die Benutzung, die sich nach den vorgenannten Versicherungen wenigstens auf das Gebiet Deutschlands und der Niederlanden erstreckt hat, auf ein erhebliches Gebiet der Europäischen Union (vgl. EuGH, GRUR 2013, 182 – ONEL/OMEL).

27

Ungeachtet dessen, dass die Widerspruchsmarke nach den vorgelegten Benutzungsunterlagen für eine spezifische „Grillgewürzmischung“ verwendet worden ist, kann bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ohne Beschränkung auf die konkrete Zusammensetzung der tatsächlich verwendeten Gewürzzubereitung jedenfalls von dem Oberbegriff „Grillgewürzmischungen“ ausgegangen werden. Insoweit handelt es sich nämlich um eine nach Zweck, Darreichung und regelmäßiger stofflicher Zusammensetzung homogene Produktgruppe, deren Zuschnitt auch dem Interesse an der Freihaltung des Registers von Marken, die für einen Teil der Waren und Dienstleistungen nicht benutzt werden, Rechnung trägt (vgl. zur sog. erweiterten Minimallösung, BGH, GRUR 2013, 833, 837, Tz. 61 – Culinaria/Villa Culinaria; m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 26 Rdn. 260).

28

Inwieweit die Widersprechende auch eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für weitere eingetragene Waren glaubhaft gemacht hat, kann dahingestellt bleiben, da der Widerspruch auch ausgehend von den vorgenannten Waren durchgreift.

29

b) Die eingetragenen Waren der angegriffenen Marke, „Tomaten-Püree“ und „Gewürzmischungen“, und die für die Widerspruchsmarke berücksichtigungsfähigen Waren „Tomaten-Püree“ und „Grillgewürzmischungen“ sind zumindest teilweise identisch. Die für die angegriffene Marke weiter eingetragenen Waren „alkoholfreie Getränke“ weisen im Verhältnis zu den Waren „Tomaten-Püree“ der Widerspruchsmarke eine jedenfalls durchschnittliche Warenähnlichkeit auf, da „alkoholfreie Getränke“ auch die Ware „Tomatensaft“ umfassen, die nach stofflicher Zusammensetzung und Zubereitungsweise deutliche Überschneidungen mit der Ware „Tomaten-Püree“ aufweist.

30

Auf die tatsächlich verwendeten, mit der angegriffenen Marke versehenen Fertiggerichte, auf die sich die Argumentation der Inhaberin der angegriffenen Marke vorrangig bezogen hat, kommt es in vorliegendem Zusammenhang nicht an, da Gegenstand des Widerspruchsverfahrens allein die Frage ist, ob der bestehende – hier auf „Tomaten-Püree, Gewürzmischungen und nichtalkoholische Getränke“ gerichtete – Registerschutz für die angegriffene Marke im Hinblick auf die durch Widerspruch geltend gemachten Rechte Dritter aufrecht erhalten bleiben kann, vgl. § 42 Abs. 1 MarkenG.

31

c) Für die Widerspruchsmarke ist von einer durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft auszugehen.

32

aa) Eine Einschränkung der originären Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ergibt sich nicht daraus, dass das Wort „SERA“ im Türkischen unstreitig „Gewächshaus, Treibhaus“ bedeutet und türkischsprachige Verbraucher das Zeichen damit möglicherweise insbesondere in Bezug auf „Tomatenpüree“ als Sachangabe verstehen.

33

Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. BGH, GRUR 2012, 930, Tz. 27 – Bogner B). Die Verkehrsauffassung bemisst am Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen (s. BGH, GRUR 2013, 631, Tz. 64 – Amarula/Marulablu), wobei es auch in Bezug auf eine geltend gemachte ältere Unionsmarke auf das Verkehrsverständnis in dem Mitgliedstaat ankommt, in dem die potentielle Zeichenkollision besteht (vgl. EuGH, GRUR 2008, 343, Rn. 59 – Bainbridge; BGH, GRUR 2013, 631, Tz. 65 – Amarula/Marulablu). Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen nach ihren objektiven Merkmalen zugrunde zu legen (vgl. BGH, GRUR 2013, 725, Tz. 32 – Duff Beer; GRUR 2008, 710, Tz. 32 – VISAGE).

34

Vorliegend sind für die angegriffene Marke „Tomaten-Püree; Gewürzmischungen; alkoholfreie Getränke“ eingetragen und sind für die Widerspruchsmarke „Tomaten-Püree“ und „Grillgewürzmischungen“ zu berücksichtigen. Diese Waren sind sämtlich Lebensmittel des täglichen Bedarfs, die regelmäßig von allgemeinen inländischen Verkehrskreisen konsumiert bzw. zur Zubereitung von Gerichten verwendet werden. Wie auch die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede stellt, verfügt aber der weit überwiegende Anteil der allgemeinen inländischen Verbraucher der betreffenden Lebensmittel nicht über Kenntnisse der türkischen Sprache, die das vorgenannte Verständnis des Wortes „SERA“ in der Bedeutung „Treibhaus, Gewächshaus“ zuließen. Insofern handelt es sich um spezifische Kenntnisse, die nur bei einem geringen Teil des allgemeinen inländischen Publikums anzutreffen sind und über die der maßgebliche Durchschnittsverbraucher, der eine grundsätzlich einheitliche Verkehrsauffassung abbildet, daher nicht verfügt (vgl. BGH, GRUR 2013, 631, Tz. 64 – Amarula/Marulablu).

35

Selbst wenn türkischsprachige Verkehrsgruppen wie insbesondere Handelskreise einzubeziehen wären, wären vorliegend inländische Endverbraucher, die ein Interesse an türkischen Produkten haben, aber nicht der türkischen Sprache mächtig sind, unter Berücksichtigung der jedenfalls anwendbaren Grundsätze einer gespaltenen Verkehrsauffassung als ein für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr selbständig relevanter Verkehrskreis zu berücksichtigen (vgl. BGH, a. a. O. – Amarula/Marulablu).

36

bb) Auch für eine durch eine umfangreiche Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ergibt sich eine im Bundesgebiet zum Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke erhöhte inländische Bekanntheit der Widerspruchsmarke für die relevanten Waren „Tomaten-Püree“ und „Grillgewürzmischungen“ nicht im Ansatz aus den im Rahmen der Glaubhaftmachung der Benutzung vorgetragenen Umsatzangaben, denen für sich ohnehin nur eine geringe Aussagekraft zukommt (vgl. Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 158).

37

d) Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke in Bezug auf die eingetragenen Waren, auch soweit in Bezug auf nichtalkoholische Getränke von durchschnittlicher Warenähnlichkeit auszugehen ist, jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Dabei kann in Bezug auf die betroffenen Lebensmittel, die regelmäßig Gegenstand routinemäßiger Besorgungen sind, allenfalls eine durchschnittliche Aufmerksamkeit der Verbraucher bei der Wahrnehmung von Produktkennzeichen angenommen werden.

38

Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 254 m. w. N.).

39

Auch in diesem Zusammenhang ist, was den Fall maßgeblich von den zwischen den Parteien in der Türkei geführten Streit unterscheiden wird, jedenfalls auch von einem Durchschnittsverbraucher, der der türkischen Sprache nicht mächtig ist (s. o. unter c) aa)), auszugehen. Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, ist danach eine Wiedergabe der angegriffenen Marke mit dem Lautwert „sira“ zu erwarten, ohne dass eine grundsätzlich andere Betonung als für die Widerspruchsmarke „SERA“ Platz greift. Der Bildbestandteil der angegriffenen Marke, der in einer werbeüblichen Schreibweise des Wortes besteht und keinen wesentlichen kennzeichnenden Gehalt aufweist, tritt insoweit im Interesse einer einfachen Aussprache gegenüber dem als Herkunftshinweis geeigneten Wortbestandteil als solchem zurück. Dabei liegt es für einen Durchschnittsverbraucher ohne Kenntnisse der türkischen Sprache nahe, den Wortbestandteil „sιra“ der angegriffenen Bildmarke wie „sira“ auszusprechen, da er den Buchstabe „ι“ trotz Fehlens eines Punktes jedenfalls in der konkreten Anordnung zwischen zwei Konsonanten als eine sprachliche Variante des Buchstaben „i“ verstehen wird. Ausgehend davon unterscheiden die Zeichen sich lediglich in Bezug auf die beiden hellen Vokale „i“/„e“ voneinander, was auch bei Berücksichtigung der Kürze der Wörter keine zuverlässige Unterscheidung der Marken, die dem Publikum regelmäßig nicht zeitgleich begegnen und daher nur nach dem Erinnerungsbild verglichen werden können, zulässt. Ob eine verwechslungsbegründende Zeichenähnlichkeit auch anzunehmen wäre, wenn ausgehend von Verbrauchern, die der türkischen Sprache mächtig sind, in Bezug auf die Streitmarken eine Wiedergabe nach den Regeln der türkischen Sprache zugrunde zu legen wäre, kann nach den vorgenannten Grundsätzen dahingestellt bleiben.

40

Im Unterschied zum Sachverhalt der Entscheidung BGH GRUR 2010, 235  – AIDA/AIDU, auf die die Inhaberin der angegriffenen Marke hingewiesen hat, kommt ausgehend von einem inländischen Durchschnittsverbraucher auch keiner der Marken ein klar erkennbarer Sinngehalt zu.

41

Die Feststellung des Verkehrsverständnisses beruht auf der Anwendung typisierender Erfahrungssätze, die Ausdruck der allgemeinen Lebenserfahrung sind. Über die dazu erforderliche Sachkunde verfügt der Senat selbst (vgl. Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 17), zumal die Mitglieder des Senats selbst dem angesprochenen Publikum angehören. Der Beauftragung eines Sachverständigen, die die Inhaberin der angegriffenen Marke angeregt hat, bedurfte es daher hierzu nicht.

42

e) Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke dem Widerspruch im Übrigen u. a. entgegenhält, dass sie die angegriffene Marke bereits geraume Zeit benutzt habe und die Widersprechende selbst mit der angegriffenen Marke gekennzeichnete Waren der Inhaberin der angegriffenen Marke in Deutschland vertrieben habe, handelt es sich um persönliche Einwendungen, die nicht Gegenstand des registerrechtlichen Widerspruchsverfahrens sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 42 Rn. 62).

43

2. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung der Markenstelle hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht erkennbar, vgl. § 63 Abs. 1 MarkenG.

44

Die Beschwerde war nach alledem insgesamt zurückzuweisen. Eine Auferlegung von Kosten im Beschwerdeverfahren ist ebenfalls nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).