Entscheidungsdatum: 07.07.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2014 014 863.7
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der Richter Brandt, Dr. Friedrich und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2014 014 863.7 und der Bezeichnung „Linearimpulsantrieb für bewegte Objekte“ wurde am 6. Oktober 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.
Die Prüfungsstelle für Klasse F03H hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften
D1 DE 42 15 048 A1
D2 DE 37 42 904 A1
D3 DE 43 15 943 A1 und
D4 DE 10 2007 004 507 A1
verwiesen und im einzigen Prüfungsbescheid vom 6. Juli 2015 unter Verweis auf § 1 PatG ausgeführt, dass die anmeldungsgemäße Lehre nicht patentierbar sei, denn zum einen verstoße diese Lehre gegen anerkannte physikalische Gesetze, im vorliegenden Fall das dritte Newtonsche Gesetz (actio = reactio), und zum anderen beruhe der Antrieb gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 hinsichtlich des ermittelten Stands der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG), denn die Druckschriften D1 bis D4 zeigten allesamt Vorrichtungen, die in Übereinstimmung mit der anmeldungsgemäßen Lehre durch Rotation von gegenläufigen Rotationskörpern einen linearen Impuls erzeugen sollen. Mit Eingabe vom 24. September 2015 ist der Anmelder auf die Ausführungen der Prüfungsstelle insofern eingegangen, als er hervorgehoben hat, dass es sich beim Gegenstand der Anmeldung nicht um ein geschlossenes, sondern um ein offenes System handele und dass deshalb das dritte Newtonsche Gesetz nicht verletzt sei. Bezüglich der Frage der Patentfähigkeit hat der Anmelder lediglich ausgeführt, dass er sich nicht gehalten sehe, zum ermittelten Stand der Technik Stellung zu beziehen, denn der von der Prüfungsstelle ermittelte Stand der Technik habe nicht zu einem anerkannten Patent geführt. Da der Anmelder in seiner Eingabe weder die Anmeldeunterlagen geändert noch eine Anhörung beantragt hat, ist daraufhin die Anmeldung von der Prüfungsstelle durch Beschluss vom 9. November 2015 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass sie für eine Patenterteilung nicht geeignet sei, da ihr Gegenstand gegen anerkannte physikalische Gesetze verstoße.
Gegen diesen dem Anmelder am 13. November 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 25. November 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde mit Beschwerdebegründung.
Da keine gegenüber den ursprünglichen Unterlagen geänderten Unterlagen eingereicht worden sind, stellt der Anmelder mit seiner Beschwerde sinngemäß den Antrag:
1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F03H des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. November 2015 aufzuheben und
2. ein Patent zu erteilen auf Grundlage der geltenden ursprünglichen Unterlagen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht beantragt.
Der geltende, ursprüngliche Anspruch 1 lautet, mit einer Gliederung versehen:
(a) Linearimpulsantrieb
(b) für bewegte Objekte,
(c) ohne Abstoßung an äußeren Medien,
wird dadurch gekennzeichnet,
(d) dass zwei Rotationskörper tangential an der Peripherie angetrieben werden und in eine beschleunigte Rotationsbewegung versetzt werden.
(e) Da das Antriebssystem mit dem Objekt mechanisch verbunden ist, wird auf das Objekt während der beschleunigten Rotation eine gerichtete Kraft ausgeübt, die als Antrieb wirkt.
(f) Gegenkräfte im Objekt können nicht auftreten, da die Achsen der Rotationskörper kraft neutral bleiben.
(g) Durch die spiegelsymmetrische Anordnung der gleichzeitig angetriebenen Rotationskörper im Objekt, werden Drehmomente auf das Objekt neutralisiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Anmelders ist zulässig. Sie erweist sich aber als nicht begründet, denn der Antrieb nach Patentanspruch 1 ist nicht patentierbar, da er zum einen gegen anerkannte physikalische Gesetze – im vorliegenden Fall das dritte Newtonsche Gesetz (actio = reactio) – verstößt und zum anderen gegenüber dem in der Druckschrift D4 offenbarten Antrieb nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
Bei dieser Sachlage kann die Frage der erfinderische Tätigkeit dahingestellt bleiben (vgl. BGH GRUR 1991, 120-122, insbesondere 121, II.1 - Elastische Bandage).
1. Die Anmeldung betrifft einen Linearimpulsantrieb für bewegte Objekte, ohne dass ein äußeres oder nach außen abgestoßenes Medium benötigt wird.
Dabei liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, in einem beweglichen Objekt eine Antriebskraft zu erzeugen, ohne dass in dem Objekt eine Gegenkraft entsteht, die den Antrieb aufheben würde, vgl. die Beschreibungsseite 1 (rechts unten mit „-2-“ bezeichnet), Zeilen 4 bis 9.
Gelöst wird diese Aufgabe durch den Linearimpulsantrieb nach Anspruch 1.
Dieser Antrieb zeichnet sich dadurch aus, dass er geeignet sein soll, Objekte ohne Abstoßung an äußeren Medien zu bewegen, und dass er dazu mit dem bewegten Objekt mechanisch verbunden ist und zwei Rotationskörper aufweist, die tangential an der Peripherie angetrieben und in eine beschleunigte Rotationsbewegung versetzt werden, wobei die gleichzeitig angetriebenen Rotationskörper im Objekt spiegelsymmetrisch angeordnet sind.
Auf welche Weise der tangentiale Antrieb der beiden Rotationskörper erfolgt, ist in Anspruch 1 nicht angegeben, so dass sowohl mechanische als auch elektrische bzw. magnetische Antriebe umfasst werden, wobei in der Beschreibung als Ausführungsbeispiel der magnetische Antrieb der Rotationskörper erläutert ist, vgl. Beschreibungseite 1 (rechts unten mit „-2-“ bezeichnet), Zeilen 17 bis 22.
2. Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener Ingenieur des Maschinenbaus oder Physiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu definieren, der mit der Entwicklung von Antrieben betraut ist.
3. Die anmeldungsgemäße Lehre ist nicht patentierbar, denn sie gibt dem Fachmann keine zu einem Erfolg führende Lehre zum technischen Handeln, da sie gegen anerkannte physikalische Gesetze, insbesondere das dritte Newtonsche Gesetz (actio gleich reactio) verstößt. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist zudem auch nicht patentfähig, da er aus der Druckschrift D4 zum Anmeldezeitpunkt bereits bekannt war und somit nicht neu ist (§ 3 PatG). Dabei stellt die am 31. Juli 2008 veröffentlichte Druckschrift D4 einen vorveröffentlichten Stand der Technik für die vorliegende Anmeldung mit dem Anmeldetag 6. Oktober 2014 dar, der bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Anmeldung gemäß Druckschrift D4 zu einem Patent geführt hat oder nicht.
4. Die Anmeldung betrifft nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 einen Linearimpulsantrieb für bewegte Objekte, ohne dass eine Abstoßung an äußeren Medien erfolgt. Gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 soll dies dadurch erreicht werden, dass der Antrieb mit dem bewegten Objekt mechanisch verbunden ist und zwei Rotationskörper aufweist, die tangential an der Peripherie angetrieben und in eine beschleunigte Rotationsbewegung versetzt werden, wobei die gleichzeitig angetriebenen Rotationskörper im Objekt spiegelsymmetrisch angeordnet sind. Dabei soll die Aufgabe gelöst werden „in einem beweglichen Objekt eine Antriebskraft zu erzeugen, ohne dass in dem Objekt eine Gegenkraft entsteht, die den Antrieb aufheben würde“.
Da der Antrieb des Anspruchs 1 somit ohne Abstoßung an äußeren Medien funktionieren soll, darf das bewegte Objekt sich weder an anderen Objekten abstoßen noch selber Masse ausstoßen. Entgegen den Ausführungen des Anmelders betrifft Anspruch 1 somit kein offenes, sondern ein geschlossenes System. Denn nach der Lehre des Anspruchs 1 steht das Objekt in keiner Wechselwirkung mit seiner Umgebung und es verlässt auch keine Masse das Objekt. In diesem Fall kann allein durch die gegenläufige Rotation der beiden Rotationskörper aber kein Vortrieb (linearer Impuls) erzeugt werden, da dies gegen das dritte Newtonsche Gesetz verstoßen würde.
Die Argumentation des Anmelders, dass es sich um ein „offenes“ System handele, weil „Energie“ in Form von linearem Impuls über die Grenze des Systems fließe, ist nicht nachvollziehbar, denn das bewegte Objekt soll sich ja gerade nicht an äußeren Medien abstoßen und folglich auch nicht mit äußeren Medien zwecks Vortrieb wechselwirken.
Die anmeldungsgemäße Lehre ist folglich nicht patentierbar, denn sie gibt dem Fachmann keine zu einem Erfolg im Hinblick auf das Erzeugen eines Linearimpulsantriebs führende Lehre zum technischen Handeln, weil sie gegen das dritte Newtonsche Gesetz (actio gleich reactio) verstößt.
Denn die Druckschrift D4 mit der Bezeichnung „Impulsabsorptionsantrieb“ offenbart in den Worten des Anspruchs 1 einen
(a) Linearimpulsantrieb (vgl. den Titel: „Impulsabsorptionsantrieb“)
(b) für bewegte Objekte (vgl. Anspruch 1: „Sekundärantrieb für Raumfahrzeuge zur positiven und negativen Beschleunigung [...]“),
(c) ohne Abstoßung an äußeren Medien (vgl. Zusammenfassung, vorletzter Absatz: „Beim Impulsabsorptionsantrieb wird die Antriebsmasse (m1 und m2, Figur 6) nicht entlassen, sondern ihr wird ein Teil der translatorischen Wirkung durch die Umwandlung in Drehimpuls entzogen. Die Absorptionsscheiben nehmen die Antriebsmassen auf, erhalten dadurch ihre Symmetrie und einen Drehimpuls. Der Impuls p- des Systems (m3, Figur 6) bleibt translatorisch. Somit sind die Impulse p und p- nicht mehr symmetrisch und es erfolgt eine Geschwindigkeitsänderung mit der Richtung von p-“),
(d) wobei zwei Rotationskörper tangential an der Peripherie angetrieben werden und in eine beschleunigte Rotationsbewegung versetzt werden (vgl. Fig. 4 bis 7 auf S. 8/13 bis 11/13 und Abs. [0008]: „Der Impulsabsorptionsantrieb besteht aus einem Grundkörper, auf dem zwei Achsen symmetrisch angeordnet sind, welche wiederum zwei gleiche Scheiben so halten, dass mit dem Eintreffen der Antriebsmasse m1 und m2 der Schwerpunkt mit der Achse identisch ist. Der Impulstausch zwischen m1, m2 und m3 findet einmal direkt statt und zum anderen Mal über die Scheiben, wobei die Achsen als Überträger des Impulses fungieren.“).
(e) Da das Antriebssystem mit dem Objekt mechanisch verbunden ist, wird auf das Objekt während der beschleunigten Rotation eine gerichtete Kraft ausgeübt, die als Antrieb wirkt (vgl. Abs. [0006]: „[...]Diese teilweise Umwandlung des Impulses der Antriebsmasse in einen Drehimpuls kann nur deshalb stattfinden, weil erst mit dem Eintreffen der Antriebsmasse am vorgesehenen Platz auf der Absorptionsscheibe die symmetrische Massenverteilung der Scheiben hergestellt wird, die Scheiben und somit keine aus der dabei entstehenden Rotation entspringende Kraft auf die Achse wirken kann (Fall von Euler) und der Impuls des Systems selbst weiterhin translatorisch wirkt und keinen Zugriff auf den Drehimpuls haben kann, da die Achse der Scheiben als kräftefrei bezeichnet werden kann. Nur das Trägheitsmoment der Scheiben verhindert eine vollkommene Umwandlung des Impulses der Antriebsmassen in einen Drehimpuls, weshalb entsprechend der Größe des Trägheitsmomentes ein Teil des Impulses der Antriebsmasse translatorisch an das System abgegeben wird.“)
(f) Gegenkräfte im Objekt können nicht auftreten, da die Achsen der Rotationskörper kraft neutral bleiben (vgl. obigen Abs. [0006]).
(g) Durch die spiegelsymmetrische Anordnung der gleichzeitig angetriebenen Rotationskörper im Objekt werden Drehmomente auf das Objekt neutralisiert (vgl. die Figuren der D1 und die Merkmale d.) und g.) des Anspruchs 1: „d.) der Auftreffpunkt der Antriebsmassen so gewählt ist, dass sich die Scheiben jeweils paarweise synchron aber gegenläufig drehen, [...] g.) anschließend alle Scheiben synchron zum Stillstand gebracht werden, weshalb ein jeder Drehimpuls seinen Gegendrehimpuls hat und das System nicht in Eigenrotation verfällt, womit die teilweise Absorption des Impulses der Antriebsmassen vollzogen ist, bei dem ein Teil der Energie beim Abbremsen zurückgewonnen werden kann [...]“).
Der Antrieb gemäß Anspruch 1 der Anmeldung ist demnach nicht neu (§ 3 PatG) und damit auch nicht patentfähig.
6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde des Anmelders zurückzuweisen.