Entscheidungsdatum: 20.01.2015
In der Einspruchsbeschwerdesache
betreffend das Patent 103 00 301
…
…
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Müller und der Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 103 00 301.0 wurde am 2. Januar 2003 unter der Bezeichnung „Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat“ beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 2. Juli 2009. Patentinhaberin ist die S… GmbH in B….
Gegen das Patent hat die B1… H… GmbH & Co. KG in B2… (Einsprechende I) mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2009, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 6. Oktober 2009, und die S1… AG in B3… (Einsprechen- de II) mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2009, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 8. Oktober 2009, Einspruch erhoben.
Die Einsprechende I hat unzulässige Erweiterung, fehlende Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit und fehlende Ausführbarkeit, die Einsprechende II unzulässige Erweiterung, fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht.
Zum Stand der Technik verwiesen die Einsprechenden auf die Druckschriften
E1 EP 1062916 A2
E2 US 6231342 B1
E3 US 6126445
E4 US 6398554 B1
E5 EP 1252867 A1
E6 JP 10277059 A1
E7 DE 19654055 A1
E8 EP 1023876 A2
E9 The procera abutment – the fith generation abutment for dental implants, veröffentlicht im September 2000 in « Journal of the Canadian Dental association »
E10 US 4988297
E11 US 5716215
E12 EP 0904743 A2
E13 US 5092022.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 6. April 2010 formal entgegengetreten und beantragte, das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag, Ansprüche 1 bis 14, siehe Schriftsatz vom 6. April 2010), hilfsweise mit den im Schriftsatz vom 6. April 2010 eingereichten, geänderten Patentansprüchen 1 bis 13 (Hilfsantrag 1, siehe Schriftsatz vom 6. April 2010), weiter hilfsweise mit den im Schriftsatz vom 6. September 2010 eingereichten, geänderten Patentansprüchen 1 bis 13 aufrecht zu erhalten (Hilfsantrag 2, siehe Schriftsatz vom 6. September 2010).
Die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts hat am Ende der Anhörung vom 28. September 2010 die Einsprüche für zulässig erklärt und das Patent aufgrund unzulässiger Erweiterung des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 und aufgrund mangelnder Ausführbarkeit des Gegenstandes gemäß Hilfsantrag 2 widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin vom 17. November 2010.
Sie beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. September 2010 aufzuheben und das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit den folgenden Unterlagen,
1. Patentanspruch 1 nach Hauptantrag vom 20. Januar 2015, Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Schriftsatz vom 17. November 2010, übrige Unterlagen wie erteilt
2. hilfsweise Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 20. Januar 2015, übrige Unterlagen wie Hauptantrag
3. weiter hilfsweise Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 vom 20. Januar 2015, übrige Unterlagen wie Hauptantrag
4. weiter hilfsweise Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 17. November 2010, übrige Unterlagen wie Hauptantrag (Hilfsantrag 3)
5. weiter hilfsweise Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 vom 17. November 2010, übrige Unterlagen wie Hauptantrag (Hilfsantrag 4).
Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der erteilte Anspruch 1 lautet:
Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
- Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
- Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
- Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur (1, 2);
gekennzeichnet durch:
- automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil (1) und einen zweiten Teil (2)
- Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der im Einspruch geltende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur
Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form,
umfassend folgende Schritte:
- Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten
klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
- Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
- Berechnen einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2) anhand der erfassten
digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
- automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2)
und einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2)
- Optimierung der Form eines Abutments (2)
- Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem
Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der im Einspruch geltende Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 lautet:
Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
- Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten
klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
- Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
- Berechnen einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2) anhand der erfassten
digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
- automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment 2
und einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2), wobei beim Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur aus einer bekannten Occlusalfläche von Nachbarzähnen (32, 33) die Größe und die Orientierung der für das Implantat benötigten Zahnkrone bestimmt wird,
- Optimierung der Form eines Abutments (2)
- Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem
Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der im Einspruch geltende Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 lautet:
Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur
Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
- Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten
klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
- Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
- Berechnen einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2) anhand der erfassten
digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
- automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2)
und einen zweiten Teil als Zahnkrone (1), und automatische Formgebung des Abutments (2), wobei beim Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur aus einer bekannten Occlusalfläche von Nachbarzähnen (32, 33) die Größe und die Orientierung der für das Implantat benötigten Zahnkrone bestimmt wird, wobei eine zerviscale Bestimmungslinie eines aus einer Zahnbibliothek ausgewählten Büchereizahns wird in mesio-distaler Richtung leicht unter das Niveau gelegt, das durch ein Ausgleichsteil gemessen wurde,
wobei eine Zerviscalfläche der herzustellenden Suprastruktur zusammen mit der bekannten Lage eines Implantatkopfes berechnet wird
- Optimierung der Form eines Abutments (2)
- Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem
Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hauptantrags lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zum erteilten Anspruch unterstrichen):
M1 Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form,
umfassend folgende Schritte:
M2 - Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
M3 - Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
M4 - Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur (1, 2);
gekennzeichnet durch:
M5 - automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2) und in einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2);
M6 - Optimierung der Form eines Abutments (2) bezüglich einer oder mehrerer oder aller der folgenden Parameter:
M6.1 o ein Mindestmass für die Schulterbreite;
M6.2 o eine maximale Stumpfhöhe begrenzt durch den Neigungswinkel der Suprastruktur gegenüber der Längsachse (5) des Implantats (3), die Geometrie des Rohlings (11) und die Höhe der Okklusalfläche (22),
M6.2.1 wobei die maximale Stumpfhöhe so bemessen ist, dass sie um ein Höchstmass unterhalb der Höhe der Okklusalfläche (22) liegt;
M6.3 o eine minimale Stumpfhöhe, welche durch die Lage des Kopfes einer Okklusalschraube ist;
M6.4 o einen Drehwinkel des Abutments um die Längsachse im Rohling (11), der sich aus der relativen Lage des Implantats (3; 13) in der klinischen Situation ergibt;
M7 - Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hilfsantrag 1 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zum Hauptantrag unterstrichen):
M1 Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form,
umfassend folgende Schritte:
M2 - Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
M3 - Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
M4‘ - Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur (1, 2) anhand der erfassten digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
M5 - automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2) und in einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2);
M6 - Optimierung der Form eines Abutments (2) bezüglich einer oder mehrerer oder aller der folgenden Parameter:
M6.1 o ein Mindestmass für die Schulterbreite;
M6.2 o eine maximale Stumpfhöhe begrenzt durch den Neigungswinkel der Suprastruktur gegenüber der Längsachse (5) des Implantats (3), die Geometrie des Rohlings (11) und die Höhe der Okklusalfläche (22),
M6.2.1 wobei die maximale Stumpfhöhe so bemessen ist, dass sie um ein Höchstmass unterhalb der Höhe der Okklusalfläche (22) liegt;
M6.3 o eine minimale Stumpfhöhe, welche durch die Lage des Kopfes einer Okklusalschraube ist;
M6.4 o einen Drehwinkel des Abutments um die Längsachse im Rohling (11), der sich aus der relativen Lage des Implantats (3; 13) in der klinischen Situation ergibt;
M7 - Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hilfsantrags 2 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zum Hilfsantrag 1 unterstrichen/durchgestrichen):
M1 Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form,
umfassend folgende Schritte:
M2 - Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
M3 - Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
M4‘‘ - Berechnen der einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2) anhand der erfassten digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
M5 - automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2) und in einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2);
M6 - Optimierung der Form eines Abutments (2) bezüglich einer oder mehrerer oder aller der folgenden Parameter:
M6.1 o ein Mindestmass für die Schulterbreite;
M6.2 o eine maximale Stumpfhöhe begrenzt durch den Neigungswinkel der Suprastruktur gegenüber der Längsachse (5) des Implantats (3), die Geometrie des Rohlings (11) und die Höhe der Okklusalfläche (22),
M6.2.1 wobei die maximale Stumpfhöhe so bemessen ist, dass sie um ein Höchstmass unterhalb der Höhe der Okklusalfläche (22) liegt;
M6.3 o eine minimale Stumpfhöhe, welche durch die Lage des Kopfes einer Okklusalschraube ist;
M6.4 o einen Drehwinkel des Abutments um die Längsachse im Rohling (11), der sich aus der relativen Lage des Implantats (3; 13) in der klinischen Situation ergibt;
M7 - Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hilfsantrags 3 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zum Hilfsantrag 2 unterstrichen):
M1 Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
M2 - Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
M3 - Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
M4‘‘ - Berechnen einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2), anhand der erfassten digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
M5 - automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2) und in einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2);
M5.1 wobei beim Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur aus einer bekannten Okklusalfläche von Nachbarzähnen (32, 33) die Größe und die Orientierung der für das Implantat benötigten Zahnkrone bestimmt wird;
M6 - Optimierung der Form eines Abutments (2) bezüglich einer oder mehrerer oder aller der folgenden Parameter:
M6.1 o ein Mindestmass für die Schulterbreite;
M6.2 o eine maximale Stumpfhöhe begrenzt durch den Neigungswinkel der Suprastruktur gegenüber der Längsachse (5) des Implantats (3), die Geometrie des Rohlings (11) und die Höhe der Okklusalfläche (22),
M6.2.1 wobei die maximale Stumpfhöhe so bemessen ist, dass sie um ein Höchstmass unterhalb der Höhe der Okklusalfläche (22) liegt;
M6.3 o eine minimale Stumpfhöhe, welche durch die Lage des Kopfes einer Okklusalschraube ist;
M6.4 o einen Drehwinkel des Abutments um die Längsachse im Rohling (11), der sich aus der relativen Lage des Implantats (3; 13) in der klinischen Situation ergibt;
M7 - Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hilfsantrags 4 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung, Unterschiede zum Hilfsantrag 2 unterstrichen):
M1 Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
M2 - Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
M3 - Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
M4‘‘ - Berechnen einer optimalen Form der Suprastruktur (1, 2), anhand der erfassten digitalen Daten;
gekennzeichnet durch:
M5 - automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil als Abutment (2) und in einen zweiten Teil als Zahnkrone (1) und automatische Formgebung des Abutments (2);
M5.1 wobei beim Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur aus einer bekannten Okklusalfläche von Nachbarzähnen (32, 33) die Größe und die Orientierung der für das Implantat benötigten Zahnkrone bestimmt wird;
M5.2 wobei eine zerviscale Bestimmungslinie eines aus einer Zahnbibliothek ausgewählten Büchereizahns wird in mesio-distaler Richtung leicht unter das Niveau gelegt, das durch ein Ausgleichsteil gemessen wurde,
M5.3 wobei eine Zerviscalfläche der herzustellenden Suprastruktur zusammen mit der bekannten Lage eines Implantatkopfes berechnet wird.
M6 - Optimierung der Form eines Abutments (2) bezüglich einer oder mehrerer oder aller der folgenden Parameter:
M6.1 o ein Mindestmass für die Schulterbreite;
M6.2 o eine maximale Stumpfhöhe begrenzt durch den Neigungswinkel der Suprastruktur gegenüber der Längsachse (5) des Implantats (3), die Geometrie des Rohlings (11) und die Höhe der Okklusalfläche (22),
M6.2.1 wobei die maximale Stumpfhöhe so bemessen ist, dass sie um ein Höchstmass unterhalb der Höhe der Okklusalfläche (22) liegt;
M6.3 o eine minimale Stumpfhöhe, welche durch die Lage des Kopfes einer Okklusalschraube ist;
M6.4 o einen Drehwinkel des Abutments um die Längsachse im Rohling (11), der sich aus der relativen Lage des Implantats (3; 13) in der klinischen Situation ergibt;
M7 - Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
An den Patentanspruch 1 in der Fassung des geltenden Hauptantrags und der geltenden Hilfsanträge 1 bis 4 schließen sich die Unteransprüche 2 bis 13 an.
Bezüglich der jeweiligen Unteransprüche und auf das übrige Vorbringen der Beteiligten wird auf die Akte verwiesen.
II
Die frist- und formgerecht erhobene und damit zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn das Patent hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keinen Bestand, da der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag und die Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 unzulässig sind.
1.
Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens der Einsprechenden I und II hat ergeben, dass der Einspruch von den Einsprechenden I und II zulässig ist, denn die Einspruchsschriftsätze sind innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden (Einsprechende I unzulässige Erweiterung, fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit, fehlende Ausführbarkeit und Einsprechende II: mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit, unzulässige Erweiterung, unzureichende Offenbarung/Ausführbarkeit). Die Zulässigkeit ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
2.
Die Erfindung betrifft nach der Patentschrift ein Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur, insbesondere eines Abutments mit einer Krone, zur Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form. Das Verfahren umfasst ein Erfassen der klinischen Situation oder einer gestalteten klinischen Situation des Implantats als digitale Daten, eine Analyse dieser Situation und eine Bestimmung der Implantatachse sowie eine Berechnung der optimalen Form der Suprastruktur (siehe Patentschrift Abs. [0001]).
Die Suprastruktur kann dabei ein- oder mehrteilig sein. Bei mehrteiligen Suprastrukturen für die Versorgung von dentalen Implantaten dient ein Teil der Suprastruktur, nämlich das Abutment, sowohl dem biomechanischen wie dem ästhetischen Zweck, einen Ausgleich der Winkeldifferenz zwischen Implantatachse und Okklusalrichtung herbeizuführen, um bei ästhetisch sinnvollen Lösungen eine gute Übertragung der Kaukräfte auf das Implantat zu gewährleisten (siehe Patentschrift Abs. [0002]).
Gemäß der Beschreibungseinleitung wurden die Formen individueller Abutments bisher vom Zahntechniker oder vom behandelnden Zahnarzt festgelegt. Im bekannten Stand der Technik werden dabei nur Standard-Abutments verwendet. Um den Winkel zwischen Implantatachse und Okklusion auszugleichen, sind allerdings Standard-Abutments mit festen Kippwinkeln auf dem Markt erhältlich (siehe Patentschrift Abs. [0004]).
Weiter sei in der EP 1 062 916 A2 ein Verfahren vorgestellt, bei dem in einen konventionellen Abdruck ein sogenanntes Manipulier-Implantat eingebracht wird und damit auf dem Modell eine Situation hergestellt wird, wie sie im Mund des Patienten nach dem Einbringen des Implantats vorliegt. Diese klinische Situation wird dann mit Hilfe eines Scanners vermessen mit dem Ziel, Abutments und gegebenenfalls einen dazugehörigen zweiten Teil der Suprastruktur herzustellen. Mit diesem Verfahren würden die Arbeiten, die der Zahntechniker auch heute schon nach dem Stand der Technik ausführen muss, unter Einsatz eines Rechners weitergebildet, d. h. basierend auf einem digitalisierten 3D-Modell werden die auszuführenden Zwischenstufen Modellation von Abutment, Gerüst und Verblendung im Rechner ausgeführt, um schließlich die benötigten Suprastrukturen mit Hilfe eines CAD/CAM-Prozess herzustellen (siehe Patentschrift Abs. [0005]).
Die in der Beschreibung angegebene, der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe besteht ausgehend vom Stand der Technik darin, die Form des individuellen Abutments unter Berücksichtigung der gegebenen Randbedingungen automatisch zu erstellen (siehe Patentschrift Abs. [0009]).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
Verfahren zur automatischen Erzeugung einer dentalen Suprastruktur zur
Verbindung mit einem Implantat anhand einer digitalen Modellbeschreibung der Form, umfassend folgende Schritte:
- Erfassen einer tatsächlichen klinischen Situation oder einer gestalteten
klinischen Situation des Implantats (3; 13) als digitale Daten;
- Analyse dieser Situation und Bestimmung der Implantatachse (5; 16);
- Berechnen der optimalen Form der Suprastruktur (1, 2);
gekennzeichnet durch:
- automatisches Trennen der Suprastruktur in einen ersten Teil (1) und einen
zweiten Teil (2)
- Herstellen der Einzelteile mit einer Bearbeitungsmaschine aus mindestens einem
Rohling (11) anhand der digitalen Daten.
Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Streitpatentschrift und zeigt in der Figur 1 ein Schemabild für eine zweiteilige Suprakonstruktion für ein digitales Implantat (3) mit einem Abutment (2) und einer Zahnkrone (1).
3.
Der Senat legt den in der mündlichen Verhandlung diskutierten Merkmale M4, M4‘ und M4‘‘ folgendes Verständnis zu Grunde:
Als zuständiger Fachmann sieht der Senat dabei einen Zahntechniker berufen, der eng mit dem Kieferorthopäden bzw. Zahnarzt zusammenarbeitet, um die medizinischen und wirtschaftlichen Anforderungen und die Patientenwünsche zu erfüllen. Hinsichtlich der Anforderungen an die Simulation und automatisierte Herstellung wird er einen Spezialisten (Informatiker und/oder Dipl.-Ingenieur) auf dem Gebiet des CAD/CAM (computer-aided design/computer-aided manufacturing) heranziehen. Aufgrund der Fokussierung auf die Automatisierung der Erstellung der dentalen Suprastruktur ist als Fachmann deshalb ein Team aus Zahntechniker und Spezialist auf dem Gebiet des CAD/CAM anzusehen, der bei Bedarf einen Kieferorthopäden hinzuzieht.
Unter Suprastruktur werden nach der Patentschrift „alle Bauteile verstanden, die direkt auf einem Implantat befestigt werden können. Dies sind insbesondere Abutments, aber auch Teleskope und anderes“ (vgl. Streitpatent Abs. [0018]). „Die Suprastruktur kann dabei ein- oder mehrteilig sein. Bei mehrteiligen Suprastrukturen für die Versorgung von dentalen Implantaten dient ein Teil der Suprastruktur, nämlich das Abutment, sowohl dem biomechanischen wie dem ästhetischen Zweck, einen Ausgleich der Winkeldifferenz zwischen Implantatachse und Okklusalrichtung herbeizuführen,...“ (vgl. Streitpatent Abs. [0002]). Mit Merkmal M5 besteht die Suprastruktur nach Patentanspruch 1 (zumindest) aus Abutment und Zahnkrone.
Dabei kennt - wie auch in der mündlichen Verhandlung diskutiert - der Fachmann verschiedene Lösungsmethoden, um die Form, d. h. die Außengeometrie einer Suprastruktur zu ermitteln.
Zu den Kriterien oder Parametern der bzw. einer optimalen Form der Suprastruktur oder zumindest der wichtigsten Aspekte zur Optimierung wird in der Beschreibung keine Angabe gemacht. Der Fachmann wird daher diesen Begriff mittels seines Fachwissens auslegen. Er versteht dabei unter optimaler Form die unter den gegebenen Voraussetzungen und im Hinblick auf das zu erreichendes Ziel bestmögliche Form.
4. Hauptantrag und Hilfsantrag 1
Da die Beschwerdeführerin das Streitpatent ausschließlich in einer gegenüber der erteilten Fassung geänderten Fassung verteidigt hat, ist die Zulässigkeit der verteidigten Anspruchsfassung von Amts wegen zu prüfen.
Der Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 ist unzulässig, weil ein Verfahren mit dem Merkmal M4 bzw. M4‘ nicht ausführbar ist.
Die Erfindung liegt auf dem technischen Gebiet der Zahntechnik und beinhaltet das automatische Erzeugen einer Suprastruktur. Hierzu soll die optimale Form der Suprastruktur berechnet werden [Merkmal M4], konkretisiert in der Fassung nach Hilfsantrag anhand der erfassten digitalen Daten [Merkmal M4‘].
Zu den Kriterien oder Parametern der optimalen Form der Suprastruktur oder zumindest der wichtigsten Aspekte zur Optimierung wird in der Beschreibung keine Angabe gemacht. Je nach Ziel, Nutzung, medizinischer Anforderung, Herstellverfahren, Kosten usw. können dabei verschiedene ideale Formen entstehen. Es erfordert aufgrund der fehlenden Angaben der Kriterien zur einzigen bestmöglichen Form eine über das Fachwissen oder orientierende Versuche hinausgehende technische Lehre, die jedoch in der Beschreibung nicht angegeben ist. Damit ist die technische Lehre nach Patentanspruch 1 nicht ausführbar.
Von der Patentinhaberin wurde ausgeführt, dass als Ausgangspunkt der Erfindung eine beliebige, dem Fachmann bekannte optimale Form der Suprastruktur dient, und dass dem Fachmann eine Vielzahl von Verfahren zur Berechnung dieser optimalen Suprastruktur zur Verfügung standen.
Wie auch die Einspruchsabteilung zutreffend feststellte, standen dem Fachmann zum Anmeldungszeitpunkt eine Vielzahl an Methoden und Verfahren zur digitalen Erfassung einer klinischen Zahnsituation und zur Bestimmung der Form und Teileanzahl von Implantataufbauten zur Verfügung. Jedoch folgt damit – entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - nicht, dass der Fachmann aus der Vielzahl an Verfahren ein Verfahren zur Bestimmung der optimalen (bestmöglichen) Form der Suprastruktur kannte. Die optimale Form erfordert Kriterien, die über das allgemeine Fachwissen hinausgehen. Der Fachmann kann mit den Angaben in der Beschreibung nicht erkennen, wodurch sich die übliche Form der Suprastruktur von der optimalen Form der Suprastruktur nach Merkmal M4 bzw. M4‘ unterscheidet.
Die in den Hilfsanträgen angegebene Kriterien, die die Patentinhaberin zur Stützung der Ausführbarkeit der optimalen Form eingeführt hat, sind unbeachtlich, da sie in der Beschreibung lediglich als Maßnahmen zur Berechnung einer idealen bzw. beliebigen Form herangezogen werden und die Optimierung mittels dieser Kriterien nicht offenbart ist. Die Patentinhaberin geht in ihrer Argumentation davon aus, dass jede Form, die der zuständige Zahntechniker modelliert, eine optimale Form darstellt. Nach Auffassung des Senats ist jedoch zwischen einer beliebigen vom Zahntechniker gewählten Form und einer optimalen Form zu unterscheiden.
So wird in der Beschreibung unter Bezugnahme auf das Abutment erläutert, dass eine optimale Form eine spezielle Form darstellt, die sich nicht allein aufgrund des Fachwissens ergibt. Für das Abutment ist gezeigt, wie aus einer idealen Form eine optimale Form ermittelt wird (vgl. Streitpatent Abs. [0047]-[0061]). Der Fachmann wird somit von Unterschieden zwischen einer idealen und einer optimalen Form bei einem Abutment ausgehen und legt diesen Maßstab auch bei der Formgebung der Suprastruktur an. Damit muss auch eine optimale Suprastruktur andere Kriterien erfüllen als eine ideale oder beliebige vom Zahntechniker modellierte Suprastruktur und es sind ausgehend von einer beliebigen Suprastruktur weitere Maßnahmen erforderlich.
Dabei führt jedoch die Offenbarung der Bestimmung der optimalen Form des Abutments in der Beschreibungseinleitung nicht zu der optimalen Form der Suprastruktur, da die Suprastruktur weitere Teile (u. a. Krone) enthält. Hierfür enthält die Beschreibung keine Handlungsanweisungen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass für eine ausführbare Offenbarung nicht notwendig die (vollständige) Offenbarung einer Ausführungsform erforderlich ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann. Die Ermittlung der optimalen Form der Suprastruktur geht jedoch über diese orientierenden Versuche hinaus, da dem Fachmann keinerlei Hinweise gegeben, nach welchen Kriterien er die Ermittlung dieser speziellen Form beurteilen soll. Somit kann der Fachmann mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen zusammen mit den in der Anmeldung enthaltenen Angaben die Erfindung nicht erfolgreich ausführen.
5. Hilfsanträge 2 bis 4
Der Anspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 2 bis 4 führt aufgrund des Merkmals M4‘‘ zu einer Erweiterung des Schutzumfangs. Die Patentansprüche 1 in der Fassung der Hilfsanträge 2 bis 4 sind somit nicht zulässig.
Grundsätzlich ist es dem Anmelder unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen. Enthält ein Patentanspruch eine verallgemeinernde Formulierung, kann dies dazu führen, dass sie auch Ausführungsformen umfasst, die in der Beschreibung nicht konkret angesprochen sind. Daraus folgt jedoch nicht notwendig, dass die Erfindung insgesamt oder teilweise nicht mehr so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
Dagegen verstößt eine generalisierende Formulierung in einem Patentanspruch gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinert (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 – X ZB 8/12 –, BGHZ 198, 205-215, BPatGE 53, 317).
Im vorliegenden Fall ist der Patentinhaberin eine Verallgemeinerung hinsichtlich der Offenbarung der optimalen Form der Suprastruktur auf eine optimale Form der Suprastruktur als ursprünglich offenbart anzusehen, da dies eine nach den Grundsätzen der BGH-Entscheidung X ZB 8/12 mögliche Verallgemeinerung darstellt.
Jedoch erweitert diese Änderung den Schutzbereich des erteilten Patents, da grundsätzlich jede Verallgemeinerung mehr Möglichkeiten umfasst als der konkrete Fall, im vorliegenden Fall als die konkrete bestmögliche Form der Suprastruktur. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin wird der Fachmann diese Änderung auch nicht als sprachliche Erweiterung auffassen, die technisch keine Rolle spielen würde. Im vorliegenden Fall ist durch das nunmehr beanspruchte Verfahren nach den Hilfsanträgen 2 bis 4 nicht mehr nur die Berechnung der [einzigen] optimalen Form der Suprastruktur geschützt, sondern das Verfahren wird auf das Berechnen beliebiger optimaler Suprastrukturen ausgeweitet. Unabhängig von der Frage der Ausführbarkeit ist damit eine Erweiterung des Schutzumfangs verbunden.
Die Patentansprüche 1 in der Fassung der Hilfsanträge 2 bis 4 sind daher nicht zulässig, da diese das Merkmal M4‘‘ enthalten.
6.
Mit den nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 in den beantragten Fassungen fallen aufgrund der Antragsbindung auch die Unteransprüche und die nebengeordnete Patentansprüche in den verschiedenen Anspruchsfassungen (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 - Schneidhaspel). Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch ihre Gegenstände nicht patentfähig sind.