Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.03.2013


BPatG 19.03.2013 - 21 W (pat) 45/08

Patentbeschwerdeverfahren – „Präzisionskoaxialkabel“ – zur Patentfähigkeit - keine ausführbare Offenbarung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
19.03.2013
Aktenzeichen:
21 W (pat) 45/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Präzisionskoaxialkabel

1. Offenbart eine Erfindung ein Verfahren, durch das ein Erzeugnis erhalten werden kann, dessen physikalische Eigenschaften in einen einseitig offenen Bereich fallen, rechtfertigt dies den Patentschutz für das Erzeugnis nicht, wenn dessen physikalische Eigenschaften allein durch diesen einseitig offenen Bereich gekennzeichnet sind (in Fortführung der Entscheidung BGH GRUR 2010, 414 ff. – Thermoplastische Zusammensetzung).

2. Eine mündliche Verhandlung wird auch dann durchgeführt, wenn der Beteiligte seinen Antrag auf deren Durchführung zurücknimmt, die mündliche Verhandlung aber zur Er-örterung des Sachverhalts vom Senat als sachdienlich erachtet wird.

3. Einem Antrag auf Zurückverweisung an das DPMA kann – ebenso wie einem Antrag auf Rückkehr ins schriftliche Verfahren – nicht stattgegeben werden, wenn die Sache nach Ansicht des Senats im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung zur Entscheidung reif ist.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 103 92 260.1-34

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Schmidt-Bilkenroth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 103 92 260.1 ist am 10. Februar 2003 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der zwei japanischen Patentanmeldungen 2002-33044 vom 8. Februar 2002 und 2002-114451 vom 17. April 2002 mit der Bezeichnung „Geschäumtes Koaxialkabel mit hoher Präzision und Verfahren zur Herstellung desselben“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und am 17. Februar 2005 in deutscher Übersetzung offengelegt worden.

2

Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften

3

D1 DE 33 32 905 C2

4

D2 EP 0 655 751 A2

5

D3 JP 2003-051220 A

6

D4 DE 692 21 154 T2

7

D5 EP 1 103 987 A1

8

D6 EP 0 748 509 B1

9

D7 WO 95/21450 A1

10

D8 US 4 638 114

11

D9 DE 694 15 583 T2

12

D10 DE 199 18 539 A1

13

in Betracht gezogen worden.

14

Auf die Ladung zur Anhörung haben die Anmelderinnen in ihrer Eingabe vom 7. Juni 2007 mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht zur Klärung der im Ladungszusatz aufgelisteten Fragen eine mündliche Anhörung nicht erforderlich erscheint. Sie haben daher darum gebeten, das Verfahren schriftlich fortzusetzen und diesem die neu beigefügten Patentansprüche 1 und 14 sowie die bisherigen, aus der Eingabe vom 7. Mai 2007 stammenden Patentansprüche 2 bis 13 und 15 bis 22 zugrunde zu legen.

15

Mit Beschluss vom 13. Mai 2008 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung zurückgewiesen. Darin ist ausgeführt, dass im Patentanspruch 1 gefordert ist, dass

16

- die Toleranz des Außendurchmessers des Innenleiters 4/1000 mm oder weniger beträgt,

17

- die Toleranz der Außendurchmessergröße des geschäumten Isolators ± 0,02 mm beträgt,

18

- die Toleranz der Außendurchmessergröße des Außenleiters ±2 % des Außendurchmessermittelwertes beträgt,

19

- die Gestalt desselben als eine vollständig kreisrunde Gestalt gebildet ist; und

20

- die Toleranz des Wellenwiderstandswerts zwischen dem Innenleiter und dem Außenleiter mit dem dazwischen eingefügten geschäumten Isolator ±1 W beträgt.

21

Jedoch werde durch den Patentanspruch 1 ein Zusammenhang zwischen diesen zweifellos wünschenswerten Eigenschaften des Koaxialkabels und konkreten konstruktiven Maßnahmen nicht hergestellt. Somit sei der Patentanspruch 1 nicht geeignet, ein zweifelsfreies Schutzrecht zu begründen, da gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in den Patentansprüchen anzugeben ist, wofür Schutz begehrt wird.

22

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderinnen, die mit Schriftsatz vom 13. August 2008 beantragen:

23

1. den Zurückweisungsbeschluss vom 13. Mai 2008 aufzuheben und

24

2. die Sache zur weiteren Prüfung an das DPMA zurückzuverweisen,

25

3. hilfsweise ein Patent auf Grundlage der Unterlagen gemäß Schreiben vom 7. Juni 2008 zu erteilen,

26

4. hilfsweise die Sache zur weiteren Prüfung der diesem Schriftsatz beigefügten Patentansprüche 1 bis 22 an DPMA zurückzuverweisen,

27

5. hilfsweise ein Patent auf Grundlage der diesem Schriftsatz beigefügten Patentansprüche 1 bis 22 zu erteilen,

28

6. hilfsweise Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

29

Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2013 wird der hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.

30

Der mit Eingabe vom 7. Juni 2007 am 8. Juni 2007 eingegangene Patentanspruch 1 lautet gegliedert:

31

M1 Geschäumtes Koaxialkabel mit hoher Präzision, umfassend:

32

M2 einen Innenleiter mit einer Vielzahl von silberplattierten Weichkupferdrähten, die miteinander verdrillt sind;

33

M3 einen geschäumten Isolator mit einer niedrigen dielektrischen Konstanten,

34

M3a der aus einem porösen Bandkörper hergestellt ist, der auf einem Außenumfang des Innenleiters gebildet ist;

35

M4 einen Außenleiter, der aus einer Anzahl von Weichkupferdrähten mit einer doppelschichtigen plattierten Schicht aus unterer silber- oder nickelplattierter Schicht und oberer zinnlegierungsplattierter Schicht hergestellt ist, die auf dem Außenumfang des geschäumten Isolators geflochten sind; und

36

M5 eine äußere Ummantelung, die aus Harz mit Hitzebeständigkeit hergestellt und auf dem Außenumfang des Außenleiters gebildet ist,

37

M6 worin die Toleranz des Außendurchmessers des Innenleiters 4/1000 mm oder weniger beträgt;

38

M7 die Toleranz der Außendurchmessergröße des geschäumten Isolators ± 0,02 mm beträgt,

39

M8 die Toleranz der Außendurchmessergröße des Außenleiters ±2 % des Außendurchmessermittelwertes beträgt,

40

M9 die Gestalt desselben als eine vollständig kreisrunde Gestalt gebildet ist; und

41

M10 die Toleranz des Wellenwiderstandswerts zwischen dem Innenleiter und dem Außenleiter mit dem dazwischen eingefügten geschäumten Isolator ±1 W beträgt.

42

Der mit Schriftsatz vom 13. August 2008 am 14. August 2008 eingegangene Patentanspruch 1 lautet gegliedert:

43

M1 Geschäumtes Koaxialkabel mit hoher Präzision, umfassend:

44

M2‘ einen Innenleiter (1) mit einer vollständig kreisrunden Gestalt und mit einer Vielzahl von silberplattierten Weichkupferdrähten, die miteinander verdrillt und bewegbar sind;

45

M3‘ einen geschäumten Isolator (2) mit einer niedrigen dielektrischen Konstanten,

46

M3a‘ der aus einem porösen Bandkörper (21) mit einer Porösität von 60 % oder mehr hergestellt ist, der auf einem Außenumfang des Innenleiters (1) gebildet ist;

47

M4‘ einen Außenleiter (3), der aus einer Anzahl von Weichkupferdrähten mit einer doppelschichtigen plattierten Schicht aus unterer silber- oder nickelplattierter Schicht und oberer zinnlegierungsplattierter Schicht hergestellt ist, die auf dem Außenumfang des geschäumten Isolators (2) geflochten sind; und

48

M5‘ eine äußere Ummantelung (4), die aus Harz mit Hitzebeständigkeit hergestellt und auf dem Außenumfang des Außenleiters (3) gebildet ist,

49

M6‘ wobei die Toleranz des Außendurchmessers des Innenleiters 4/1000 mm oder weniger beträgt;

50

M11 die Toleranz des Außendurchmessers der silberplattierten Weichkupferdrähte, die den Innenleiter bilden, 2/1000 mm beträgt und

51

M12 die Gestalt des Isolators (2) und des Außenleiters (3) vollständig kreisrund ist,

52

M7‘ die Toleranz des Außendurchmessers des geschäumten Isolators (2) auf ± 0,02 mm und

53

M8‘ die Toleranz des Außendurchmessers des Außenleiters (3) ±2 % durch

54

M8a einen Formschritt, in dem der Isolator (2) in innigem Kontakt mit dem Innenleiter gebracht wird, und

55

M8b einen Formschritt, in dem der Außenleiter (3) in innigem Kontakt mit dem Isolator (2) gebracht wird, eingestellt sind.

56

Wegen des nebengeordneten Patentanspruchs 14 und der übrigen Unteransprüche sowohl gemäß der Eingabe vom 7. Juni 2007 als auch gemäß des Schriftsatzes vom 13. August 2008 wird ebenso auf den Akteninhalt verwiesen wie auch wegen der übrigen Einzelheiten.

II

57

1. Die Beschwerde der Anmelderinnen ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

58

So hat der Senat im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung angesichts der Entscheidungsreife der Sache von einer Zurückverweisung gemäß § 79 Abs. 3 PatG abgesehen und in der Sache selbst entschieden. Auf der Grundlage des vorliegenden Materials war eine abschließende Sachentscheidung möglich (vgl. BGH BlPMZ 1992, 496-498 – Entsorgungsverfahren).

59

Im Übrigen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der Fassung vom 7. Juni 2007 als auch in der Fassung vom 13. August 2008 nicht ausführbar im Hinblick auf § 34 Abs. 4 PatG. Dabei ist die unter 3. beantragte hilfsweise Erteilung des Patents auf der Grundlage des von den Anmelderinnen irrtümlich benannten Schreibens vom 7. Juni 2008 so zu verstehen, dass die Erteilung auf der Grundlage der Eingabe vom 7. Juni 2007 begehrt wird.

60

2. Die Anmeldung betrifft gemäß Beschreibung (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0001]) ein geschäumtes Koaxialkabel mit hoher Präzision, in dem ein Isolator auf dem Außenumfang eines Innenleiters von einem porösen, sich verjüngenden Körper gebildet wird und ein Außenleiter von einem geflochtenen Abschirmkörper gebildet wird. Zusätzlich betrifft die vorliegende Erfindung ein Verfahren zur Herstellung eines geschäumten Koaxialkabels mit hoher Präzision, in dem ein Isolator auf dem Außenumfang eines Innenleiters von einem porösen Bandkörper gebildet wird und ein Außenleiter aus einem Geflechtkörper mit elektrisch leitfähigen dünnen Drähten besteht (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0002]).

61

Laut Beschreibung (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0003]) hat es in den vergangenen Jahren mit der Weiterentwicklung einer hochinformationsorientierten Gesellschaft einen wachsenden Bedarf an einer Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit und Verbesserung der Übertragungspräzision von Informationsübertragungsgeräten gegeben. Somit wird verlangt, dass in einem Koaxialkabel die Übertragungsgeschwindigkeit erhöht und die Übertragungspräzision verbessert wird. Jedoch gibt es bei einem herkömmlichen Koaxialkabel verschiedene Probleme (siehe Offenlegungsschrift Absätze [0006] bis [0016]).

62

Der Anmeldung liegt daher die Aufgabe (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0017]) zugrunde, ein geschäumtes Koaxialkabel mit hoher Präzision bereitzustellen, das die Übertragungsgeschwindigkeit erhöhen, die Präzision hinsichtlich des Wellenwiderstandswertes verbessern, die Biegsamkeit des Kabels verbessern, eine vorab festgelegte mechanische Festigkeit, selbst wenn eine mechanische Beanspruchung, wie zum Beispiel Biegen, Verdrillen, Zusammendrücken oder Schwingen und dergleichen auf das Kabel ausgeübt wird, durch Reduzieren genannter Beanspruchung beibehalten und die Änderung des Wellenwiderstandswertes reduzieren kann.

63

Es ist eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0018]), ein Verfahren zur Herstellung eines geschäumten Koaxialkabels mit hoher Präzision bereitzustellen.

64

Als hier zuständiger Fachmann wird ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik angesehen, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung von Koaxialkabeln verfügt und hinsichtlich der Herstellung solcher Kabel in einem Team mit einem Fertigungstechniker oder Maschinenbau-Ingenieur zusammenarbeitet.

65

3. Die Patentansprüche 1 bis 22 sowohl in der Fassung vom 7. Juni 2007 als auch in der Fassung vom 13. August 2008 gehen aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 22 hervor und mögen im Rahmen der ursprünglichen Unterlagen zulässig geändert worden sein, da sie keine Angaben enthalten, die den Gegenstand der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung erweitern.

66

Jedoch kann diese Frage im Hinblick auf die folgenden Ausführungen dahingestellt bleiben.

67

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung vom 7. Juni 2007 ist nicht ausführbar im Hinblick auf § 34 Abs. 4 PatG.

68

Die Erfindung ist in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung nämlich deshalb nicht ausführbar offenbart, weil der zu schützende Gegenstand im Patentanspruch durch offene Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften über die dem Fachmann in der Gesamtheit der Unterlagen an die Hand gegebene Lösung hinaus soweit verallgemeinert würde, dass der Patentschutz über den Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik hinausginge (BGH GRUR 2010, 414-416 - Thermoplastische Zusammensetzung).

69

Das beanspruchte Koaxialkabel soll gemäß der Aufgabe ein verbessertes Übertragungsverhalten haben und höhere Anforderungen an die Toleranz des Wellenwiderstands erfüllen. Im Patentanspruch 1 ist das Koaxialkabel neben anderen räumlich-körperlichen Merkmalen durch einseitige Bereichsangaben gekennzeichnet, die Obergrenzen für Herstellungstoleranzen angeben. So ist u. a. gemäß Merkmal M6 vorgesehen, dass „die Toleranz des Außendurchmessers des Innenleiters 4/1000 mm oder weniger beträgt“.

70

Die Anmeldung offenbart durch Angabe eines Herstellungsverfahrens nach Patentanspruch 14 zwar, wie ein solch beanspruchtes Koaxialkabel erhalten werden kann. Damit kann ein Erzeugnis mit diesen Eigenschaften zu Gunsten der Anmelder absolut, d. h. unabhängig von seinem Herstellungsweg, geschützt sein. Die offenen Bereichsangaben in Patentanspruch 1 haben indessen zur Folge, dass der Patentanspruch in dieser Fassung sämtliche Koaxial-Kabel erfasst, bei denen u. a. die Toleranz des Außendurchmessers des Innenleiters 4/1000 mm oder weniger beträgt. Mit dem in der Patentschrift offenbarten Herstellungsverfahren können jedoch nicht sämtliche Koaxialkabel mit einem Innenleiter erzeugt werden, dessen Außendurchmesser eine in diesen Bereich fallende Toleranz, insbesondere die Toleranz 0 mm, aufweist, da Fertigungsungenauigkeiten, auch hinsichtlich der Werkzeuge selbst, einen möglichst genau auf einen Wert zu erzielenden Außendurchmesser des Innenleiters Grenzen setzen. Auch wenn zukünftig noch geringere Toleranzen durch noch hochwertigere Fertigungsvorgänge erzielt werden können, zeigt die gesamte Anmeldung aber keinen Weg auf, wie der Fachmann derartige Koaxialkabel in die Hand bekommen kann (BGH GRUR 2010, 414-416 - Thermoplastische Zusammensetzung, Rdn. 22).

71

Damit verallgemeinert diese generalisierende Formulierung den im Merkmal M6 beanspruchten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus, weil ein einseitig offener Bereich durch eine Toleranzobergrenze definiert wird, ohne dass die Schranken, die sich aufgrund von selbstverständlich immer vorauszusetzenden und damit unvermeidbaren Fertigungsungenauigkeiten ergeben, offenbart sind (BGH GRUR 2010, 414-416 – Thermoplastische Zusammensetzung, Rdn. 23).

72

In einem solchen Fall beansprucht der Satz Geltung, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird, d. h. die ausführbare Offenbarung erfasst in solchen Fällen nur die Bereiche, in denen sich die Ausführbarkeit aus den offenbarten oder dem nacharbeitenden Fachmann geläufigen Maßnahmen ergibt. Damit wird dem Schutz spekulativ beanspruchter, weiter Bereiche, zu deren Erschließung die Erfindung keinen Beitrag leistet und die in vollem Umfang zu erreichen sie den Fachmann nicht in die Lage versetzt, und deren ungerechtfertigter Monopolisierung entgegengewirkt.

73

Die Lehre der Anmeldung besteht nicht darin, ein Koaxialkabel mit den raumkörperlichen Merkmalen erstmals zur Verfügung zu stellen, sondern deren Herstellung so zu verbessern, dass insbesondere der Außendurchmesser des Innenleiters innerhalb maximaler Toleranzen liegt. Zur Lösung dieses Problems stellt die Anmeldung ein Verfahren zur Verfügung, wie sich ein Koaxialkabel herstellen lässt, dessen Innenleiter einen Außendurchmesser mit zuvor nicht erreichbarer Toleranz bezogen auf einen Idealwert aufweist. Der Beitrag zum Stand der Technik erschöpft sich darin, einen neuen Bereich für die maximale Toleranz des Innenleiterdurchmessers eines Koaxialkabels zu erschließen. Mit der vorliegenden Anmeldung kann deshalb nur Schutz für denjenigen Bereich beansprucht werden, der durch die erfindungsgemäße Lehre zugänglich gemacht worden ist. Da der Außendurchmesser des Innenleiters des Koaxialkabels nach Patentanspruch 1 aber nicht auf die maximale Toleranz beschränkt ist, die mit dem in der Anmeldung beschriebenen Verfahren erreicht werden kann, rechtfertigt die Offenbarung den beanspruchten umfassenden Patentschutz nicht (BGH GRUR 2010, 414-416 – Thermoplastische Zusammensetzung, Rdn. 24).

74

Im vorliegenden Fall gelten diese Überlegungen analog für die Merkmale M7 und M8 des Gegenstands des Patentanspruchs 1. Nach diesen Merkmalen beträgt die Toleranz der Außendurchmessergröße des geschäumten Isolators ± 0,02 mm und die Toleranz der Außendurchmessergröße des Außenleiters ±2 % des Außendurchmessermittelwertes. Diese Angaben stellen keine beidseitig geschlossenen Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften dar. Vielmehr geben diese beiden Merkmale an, dass die Außendurchmessergröße des geschäumten Isolators höchstens 0,02 mm von einem idealen Sollwert und die Außendurchmessergröße des Außenleiters höchstens 2 % vom Außendurchmessermittelwert abweicht, so dass auch hier einseitig offene Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften vorliegen.

75

5. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung vom 13. August 2008 erfüllt nicht die gesetzliche Anforderung des § 34 Abs. 4 PatG.

76

Die Merkmale M6‘, M7‘ und M8‘ dieses Patentanspruchs 1 sind inhaltlich nicht gegenüber den entsprechenden Merkmalen M6, M7 und M8 des Gegenstands des Patentanspruchs 1 in der Fassung vom 7. Juni 2007 geändert. Damit aber trifft - unbeachtlich der übrigen Änderungen im Patentanspruch – die obige Beurteilung auch für den Patentanspruch 1 in der Fassung vom 13. August 2008 zu.

77

6. Da weder der Patentanspruch 1 in der Fassung vom 7. Juni 2007 noch der Patentanspruch 1 in der Fassung vom 13. August 2008 den gesetzlichen Anmeldeerfordernissen genügen, fallen aufgrund der Antragsbindung notwendigerweise auch der jeweils nebengeordnete Patentanspruch 14 sowie die jeweiligen übrigen Unteransprüche 2 bis 13 und 15 bis 22 (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

78

7. Die Entscheidung ergeht aufgrund der mündlichen Verhandlung, die der Senat für sachdienlich erachtet hat (§ 78 Nr. 3 PatG) und daher trotz Rücknahme des Antrags der Anmelderinnen auf mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

79

Ein Übergang ins schriftliche Verfahren mit der Möglichkeit einer weiteren Anpassung der Patentansprüche war nicht veranlasst. Den Anmelderinnen war im Beschwerdeverfahren sowie im vorausgegangenen Amtsverfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Dadurch, dass die Anmelderinnen auf die Teilnahme an der anberaumten mündlichen Verhandlung und damit auf die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung ihre Anträge dem Ergebnis der Erörterung anzupassen, verzichtet haben, haben sie sich ihres Anspruchs auf Wahrung des rechtlichen Gehörs freiwillig begeben. Wie ihnen bereits mit der Terminsladung mitgeteilt wurde, hatten sie damit zu rechnen, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden würde.