Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.12.2012


BPatG 06.12.2012 - 21 W (pat) 30/12

Patentbeschwerdeverfahren – "Eliminierung von freien Radikalen mittels Blutwäsche" – zur Patentschutzfähigkeit: therapeutisches Verfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
06.12.2012
Aktenzeichen:
21 W (pat) 30/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 015 528.4-41

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, des Richters Dipl.-Ing. Veit und der Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2010 015 528 wurde am 20. April 2010 unter der Bezeichnung "Eliminierung von freien Radikalen mittels Blutwäsche" beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Die Unterlagen wurden als Nachanmeldung zu Az: 10 2009 053 657 eingereicht. Eine innere Priorität wurde nicht angegeben. Die Offenlegung erfolgte am 12. Januar 2012.

2

Auf den Bescheid der Prüfungsstelle vom 13. Juli 2010 wurde mit dem Schriftsatz vom 9. August 2010 die Teilung der Anmeldung sinngemäß wie folgt erklärt:

3

- Die "Eliminierung freier Radikale" soll in der Anmeldung 10 2010 015 528 verbleiben.

4

- Die Themen "Stammzellen" und "Eliminierung von Alterungsgenen mittels Zellteilung" sollen jeweils durch Teilung aus der vorliegenden Patentanmeldung in neue Patentanmeldungen aufgenommen werden.

5

Für die Anmeldung 10 2010 015 528 wurden mit der Teilungserklärung neue Unterlagen (4 Seiten Beschreibung und 1 Seite Neuerung der Patentanmeldung, Patentansprüche 1 bis 3, 2 Bilder) eingereicht. Die weiteren Teilungsanmeldungen werden vom Deutschen Patent- und Markenamt unter den Aktenzeichen 10 2010 056 624 und 10 2010 056 626 geführt.

6

Die Prüfungsstelle hat mit Beschluss vom 11. April 2011 den Antrag als Zusatzanmeldung abgelehnt. Die damit eigenständige Anmeldung, anhängig unter dem Aktenzeichen 10 2010 015 528 wurde am 25. Januar 2012 aus Gründen des Bescheids vom 7. Dezember 2011 zurückgewiesen. In diesem Bescheid wird die mangelnde Patentfähigkeit wegen fehlender Ausführbarkeit dargelegt und es wird weiter auf gravierende Mängel, u. a. den Patentausschluss aufgrund (§ 2a, Abs. 1 S. 2 PatG, verwiesen.

7

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 30. Januar 2012.

8

Er beantragt,

9

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage folgender Unterlagen:

10

Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 9. August 2010;

11

übrige Unterlagen, gemäß Offenlegungsschrift.

12

Die geltenden Patentansprüche lauten:

13

1. Eliminierung von freien Radikalen mittels Blutwäsche wird dadurch gekennzeichnet, dass sich das neue Verfahren des Apherese-Verfahrens bedient, indem die Radikalen mittels chemischer Verfahren gekennzeichnet und mittels der Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik und einer IT-Plattform gebunden werden. Das Verfahren ist abhängig vom Punkt 2 und 3 der Patentansprüche.

14

2. Das neue Verfahren wird dadurch gekennzeichnet, dass eine Erweiterung des Apherese-Verfahrens um die Nanotechnologie und der Mikrosystemtechnik erfolgt.

15

3. Das neue Verfahren wird dadurch gekennzeichnet, dass die Erweiterung der Hardware für die Blutwäsche/Dialyse um eine IT-Plattform erweitert wird, die alle Prozesse steuert und überwacht. Die Plattform ermöglicht es, auch Vergrößerung um > 10000 zu realisieren.

16

Das gesamte IT-System steuert auch die medizinischen Vorgaben, die strukturiert zu allen Anwendungen vorgegeben sind.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

18

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form-und fristgerecht eingelegt (§ 73 Abs. 1, Abs. 2 PatG). In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen (§ 79 PatG).

1.

19

Die Erfindung betrifft die Eliminierung von freien Radikalen mittels Blutwäsche.

20

Nach der Beschreibungseinleitung spielen Radikale, etwa reaktive Sauerstoffspezies, bei einer Vielzahl biologischer Prozessen eine wichtige Rolle, rufen aber auch Zellschäden hervor, die u. a. zur Entstehung von Krebserkrankungen beitragen. Ferner werde für die Entstehung der Arteriosklerose, der Alzheimerschen Krankheit, der Leberschädigung durch Alkohol und des Lungenemphysems durch Tabakrauch der durch freie Radikale vermittelten Oxidation verschiedener Stoffe eine bedeutsame Rolle zugeschrieben (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0003]).

21

Die Beschreibung enthält weiter Erläuterungen zu NF-KB, Mikrosystemtechnik, Nanotechnologie, Stammzellen, Alterungsgen und Zellteilung (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0005] bis [0018], [0034]-[0048]).

22

Vor diesem Hintergrund soll mit der Entfernung der freien Radikale eine Neuerung in der Medizin erzielt werden und mit dem erfindungsgemäßen Verfahren in Abhängigkeit aller Funktionen der Radikale schwerwiegende Krankheiten erfolgreich behandelt werden (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0049]).

23

Die erfindungsgemäße Entfernung der "freien Radikalen" soll außerhalb des Körpers in einem extrakorporalen Kreislauf erfolgen (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0023], [0026], [0027]). Mittels chemischer Kennzeichnung der "freien Radikalen" werden die "freien Radikale" gebunden und können dann mittels des Apherese-Verfahrens entfernt werden (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0024]).

2.

24

Vom Senat wird als Fachmann, an den sich diese technische Lehre wendet, ein Diplom-Chemiker oder Diplom-Physiker mit langjähriger Erfahrung im Entwurf und der Konstruktion extrakorporaler Blutbehandlungsvorrichtungen angesehen, der genaue Kenntnisse über die chemisch-physikalischen Zusammenhänge bei einer Dialyse besitzt und der mit einem Arzt zusammenarbeitet.

3.

25

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob das Verfahren nach Patentanspruch 1 so deutlich und vollständig i. S. v. § 34 Abs. 4 PatG offenbart ist, dass ein Fachmann es ausführen kann, weil das Verfahren nach Patentanspruch 1 nach § 2a Abs. 1 S. 2 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

a.

26

Das Verfahren nach Anspruch 1, ist nach § 2a Abs. 1 S. 2 vom Patentschutz ausgeschlossen, da ein Verfahren zur Eliminierung von freien Radikalen mittels Blutwäsche gemäß Anspruch 1 ein therapeutisches Verfahren darstellt.

27

Therapeutische Verfahren zur Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers sind Verfahren, die dem Schutz oder der Verbesserung des menschlichen oder tierischen Lebens dienen. Sie haben die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, die Linderung von Leiden, Schmerz oder Beschwerden, die Beeinflussung von Funktionsstörungen oder Funktionsschwächen oder die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel, wobei der Erfolg in der Gegenwart wie in der Zukunft liegen kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 2a Rdnr. 75). Der Ausschluss der Patentierbarkeit umfasst sowohl die vorbeugende als auch die heilende Behandlung (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 5 PatG a. F. Rdnr. 29 und 30).

28

Im vorliegenden Verfahren sollen die freien Radikale aus dem Blutplasma entfernt werden (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0022], [0023]). Diese freien Radikale würden "einen großen Schaden anrichten", in der Beschreibung werden dazu Zellvernichtung, Alterungsprozesse und diverse Krankheiten genannt (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0022]).

29

Die therapeutische Wirkung wird dadurch erzielt, dass eine Blutwäsche vorgenommen wird. Bei einem derartigen Aphereseverfahren wird einer Person Blut entnommen, gereinigt - hier die freien Radikalen entfernt -, und anschließend der Person wieder zugeführt (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [Abs. [0021] - [0026]).

30

In der Beschreibung ist dazu dargelegt, dass der Begriff Apherese allgemein medizinische Verfahren bezeichnet, "deren Therapieeffekt auf der Entfernung von Bestandteilen des Blutes besteht".

31

Das Verfahren nach Anspruch 1 stellt somit ein therapeutisches Verfahren dar und ist daher nach § 2a Abs. 1 S. 2 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen.

b.

32

Auch eine Aufnahme eines Disclaimers derart, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht für chirurgische oder therapeutische Anwendungen verwendet werden solle, würde nicht zu einem patentfähigen Anspruch führen, da eine nicht therapeutische Anwendung ursprünglich nicht offenbart ist.

33

Die Aufnahme eines Disclaimers würde eine unzulässige Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung darstellen (§ 38 PatG), da sich in den gesamten Anmeldeunterlagen keine Offenbarung des beanspruchten Verfahrens für eine Anwendung im außertherapeutischen Bereich findet.

34

Aus den gesamten ursprünglichen Anmeldungsunterlagen geht hervor, dass das anmeldungsgemäße Verfahren der Eliminierung von freien Radikalen ausschließlich der therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers dient. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auch die Vorbeugung von Krankheiten (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0003], [0022], [0049], [0050]) und der Schutz des Zellaufbaus der körpereigenen Zellen (vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0030]) als therapeutisches Verfahren anzusehen ist.

35

Ein nicht-therapeutischer Einsatz des Verfahrens, wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2012 geltend gemacht hat, ist in den Anmeldungsunterlagen nicht offenbart.

36

Damit kann vorliegend eine alternative Anwendung des beanspruchten Verfahrens im nichttherapeutischen Bereich mangels entsprechender Offenbarung in der Anmeldung nicht berücksichtigt werden.

4.

37

Mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die Unteransprüche (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 - Schneidhaspel).