Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.04.2014


BPatG 10.04.2014 - 21 W (pat) 14/10

Patentbeschwerdeverfahren – „Gradientenspule“ – zur Patentfähigkeit - zur Offenbarung eines Merkmals kann die Darstellung in einer Zeichnung genügen, auf die sich die Beschreibung der Druckschrift bezieht


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
10.04.2014
Aktenzeichen:
21 W (pat) 14/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 019 897.8-54

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2008 019 897.8 ist am 21. April 2008 mit der Bezeichnung „Gradientenspule“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und am 31. Dezember 2009 offengelegt worden.

2

Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften

3

D1 DE 196 29 404 C1

4

D2 DE 196 09 645 A1

5

in Betracht gezogen worden.

6

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2009 hat die Prüfungsstelle für Klasse G 01 R die Anmeldung auf der Grundlage der ursprünglichen Ansprüche zurückgewiesen. In der Begründung hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 – wie bereits im Erstbescheid vom 14. November 2008 mitgeteilt – in Anbetracht des aus der Druckschrift D1 bekannten Standes der Technik nicht patentfähig sei.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 beantragt:

8

den angefochtenen Beschluss vom 9. Dezember 2009 aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage folgender Unterlagen:

1.

9

- Patentansprüche 1 bis 5,

10

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014

11

- Zeichnung, gemäß Offenlegungsschrift (Hauptantrag)

12

2. hilfsweise

13

- Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1,

14

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6, gemäß Hilfsantrag 1 jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014

15

- Zeichnung, gemäß Offenlegungsschrift (Hilfsantrag 1)

16

3. weiter hilfsweise

17

- Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 2,

18

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6, gemäß Hilfsantrag 2 jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014

19

- Zeichnung, gemäß Offenlegungsschrift (Hilfsantrag 2).

20

Die Anmelderin regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zu der Frage,

21

inwieweit bei der Interpretation von Zeichnungen die Gesamtzusammenschau des im Verfahren befindlichen Stands der Technik zu berücksichtigen ist.

22

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet gegliedert:

23

M1 Gradientenspule (GS) für ein Magnetresonanzgerät,

24

M2 - bei der die Gradientenspule (GS) eine erste Leiterstruktur (LS1) und eine zweite Leiterstruktur (LS2) aufweist,

25

M2a die miteinander verbunden sind, so dass Wicklungen der Gradientenspule (GS) gebildet werden,

26

M3 - bei der die erste Leiterstruktur (LS1) flächige, elektrisch leitende Elemente, die voneinander isoliert sind, aufweist, und

27

M4 - bei der zweite Leiterstruktur (LS2) voneinander isolierte leitende Drähte (D) aufweist.

28

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet gegliedert:

29

M1 Gradientenspule (GS) für ein Magnetresonanzgerät,

30

M2 - bei der die Gradientenspule (GS) eine erste Leiterstruktur (LS1) und eine zweite Leiterstruktur (LS2) aufweist,

31

M2a die miteinander verbunden sind, so dass Wicklungen der Gradientenspule (GS) gebildet werden,

32

M3 - bei der die erste Leiterstruktur (LS1) flächige, elektrisch leitende Elemente, die voneinander isoliert sind, aufweist, und

33

M4’ - bei der die zweite Leiterstruktur (LS2) voneinander isolierte leitende Drähte (D) aufweist,

34

M5 - wobei von der ersten Leiterstruktur (LS1) und der zweiten Leiterstruktur (LS2) Bereiche mit unterschiedlicher Dichte von Leitern gebildet werden.

35

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet gegliedert:

36

M1 Gradientenspule (GS) für ein Magnetresonanzgerät,

37

M2 - bei der die Gradientenspule (GS) eine erste Leiterstruktur (LS1) und eine zweite Leiterstruktur (LS2) aufweist,

38

M2a die miteinander verbunden sind, so dass Wicklungen der Gradientenspule (GS) gebildet werden,

39

M3 - bei der die erste Leiterstruktur (LS1) flächige, elektrisch leitende Elemente, die voneinander isoliert sind, aufweist, und

40

M4’ - bei der die zweite Leiterstruktur (LS2) voneinander isolierte leitende Drähte (D) aufweist,

41

M5 - wobei von der ersten Leiterstruktur (LS1) und der zweiten Leiterstruktur (LS2) Bereiche mit unterschiedlicher Dichte von Leitern gebildet werden,

42

M6 wobei die Elemente durch das Einbringen einer linienförmigen Aussparung (AUS) in eine elektrisch leitende Platte (P) gebildet sind, wobei die Aussparung (AUS) die Platte (P) vollständig durchdringt,

43

M7 und wobei - die elektrisch leitende Platte (P) aus Aluminium gefertigt ist und - die Drähte aus Kupfer gefertigt sind.

44

Wegen der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag, der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 1 und der rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 nach Hilfsantrag 2 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II

45

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig; sie hat aber keinen Erfolg, da sich die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 sowohl in der Fassung des Hauptantrags als auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1 und 2 für den Fachmann aus dem Stand der Technik in naheliegender Weise ergibt.

46

2. Die Anmeldung betrifft eine Gradientenspule eines Magnetresonanzgeräts (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0001]).

47

Magnetresonanzgeräte weisen ein Gradientenspulensystem auf, das drei (Teil-) Gradientenspulen beinhaltet. Mit Hilfe einer ersten Gradientenspule wird beispielsweise ein magnetischer Feldgradient in X-Richtung erzeugt, während mit Hilfe einer zweiten Gradientenspule ein magnetischer Feldgradient in Y-Richtung erzeugt wird. Eine dritte Gradientenspule schließlich erzeugt einen magnetischen Feldgradienten in Z-Richtung. Dabei werden die XY-Gradientenspulen aufgrund ihres geformten Aufbaus als sogenannte „Sattelspulen“ bezeichnet (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0002], [0003]).

48

Gemäß der Beschreibungseinleitung der Anmeldung (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0004]-[0007]) ist es bekannt, Sattelspulen mit Hilfe von gebündelten, einzelnen Drähten aufzubauen. Bei diesem Spulenaufbau werden Leiterschleifen, die aus typischerweise ein bis sechs gebündelten Einzeldrähten bestehen, auf einer Trägerplatte fixiert, beispielsweise durch Aufkleben. Die Einzeldrähte einer Leiterschleife sind untereinander mit einer Lackisolationsschicht versehen und damit untereinander isoliert. Derartige Sattelspulen ermöglichen in einem vorgegebenen zentralen Spulenbereich die Realisierung einer optimierten Stromdichte, um im Untersuchungsbereich das gewünschte Magnetfeld auszubilden.

49

Dabei bieten Spulenwicklungen aus Einzeldrähten den Vorteil, dass in einem vorbestimmten zentralen Spulenbereich eine hohe Anzahl an Spulenwicklungen angeordnet werden kann. Nachteilig ist hier jedoch ein relativ hoher ohmscher Widerstand, bedingt durch die verwendeten Einzeldrähte.

50

Auch ist es gemäß der Beschreibungseinleitung der Anmeldung (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0008]-[0015]) bekannt, Sattelspulen unter Verwendung einer elektrisch leitenden Platte auszubilden. In die elektrisch leitende Platte werden beispielsweise elliptisch verlaufende Trennstrukturen als so genannte Spuren eingebracht und nachfolgend wird die Platte in Sattelform gebogen.

51

Der Vorteil einer aus einer elektrisch leitenden Platte erstellten Gradientenspule besteht darin, dass die Gradientenspule einen sehr geringen ohmschen Widerstand aufweist, weil als Leiterstruktur eine großflächige, leitende Fläche zur Verfügung steht, die lediglich durch die Breite der Spur geschmälert wird. Dadurch ist eine maximale Stromdichte in einem mittleren Bereich der Platte erreichbar, was eine geringere Leistungsaufnahme des Gradientensystems aus dem Stromnetz ermöglicht. Nachteilig ist jedoch, dass eine dichte Leiterbahnbelegung in zentralen Spulenbereichen nur schwer realisierbar ist, weil aus Gründen der Isolationsfestigkeit ein vorbestimmter Windungsabstand eingehalten werden muss.

52

Der Anmeldung liegt daher die Aufgabe (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0016]) zugrunde, eine verbesserte Gradientenspule anzugeben, die sowohl eine dichte Leiterbahnbelegung als auch einen geringen ohmschen Widerstand aufweist.

53

Nach den Angaben der Anmeldung (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0018]-[0020]) wird die Aufgabe durch eine Gradientenspule mit einer ersten Leiterstruktur und einer zweiten Leiterstruktur gelöst, die miteinander verbunden sind und die die Wicklungen der Gradientenspule bilden, wobei

54

- die erste Leiterstruktur flächige, elektrisch leitende und voneinander isolierte Elemente und

55

- die zweite Leiterstruktur voneinander isolierte leitende Drähte

56

aufweist.

57

Eine erfindungsgemäß ausgestaltete Gradientenspule zeigt die Fig. 1:

Abbildung

58

Als hier zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Spulenanordnungen für Magnetresonanztomographen an, der aufgrund seiner Tätigkeit auch über Kenntnisse zu Eigenschaften der für Spulenanordnungen einzusetzenden Materialien verfügt.

59

3. Zulässigkeit der Patentansprüche nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2

60

Mit Hauptantrag verfolgt die Anmelderin die Patentansprüche 1 bis 5 in der ursprünglich eingereichten Fassung, die damit zweifelsohne zulässig sind.

61

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist – abgesehen von der korrigierenden Einfügung des bestimmten Artikels „die“ im Merkmal M4’ – gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 durch das Merkmal M5 ergänzt. Dabei gibt das Merkmal M5 zusammenfassend das an, was in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4 in den Zeilen 5 bis 13 (siehe Abs. [0021] und [0022] in der Offenlegungsschrift) angegeben ist, so dass der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 als zulässig erachtet werden kann.

62

Die Patentansprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 1 sind die ursprünglichen und damit zulässig.

63

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 schließlich ist gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 noch durch die weiteren Merkmale M6 und M7 eingeschränkt. Diese entspringen dem Kennzeichen der ursprünglichen Ansprüche 2 und 3, wobei sich die Anmelderin beim Merkmal M7 hinsichtlich der Auswahl der Materialien in zulässiger Weise eingeschränkt hat.

64

Die Ansprüche 2 und 3 nach Hilfsantrag 2 entsprechen den ursprünglichen Ansprüche 4 und 5 und sind damit auch zulässig.

65

Damit mögen die geltenden Patentansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 zwar zulässig sein, jedoch ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in keiner der beantragten Fassungen patentfähig.

66

4. Zum Hauptantrag

67

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mit den Merkmalen M1, M2, M2a, M3 und M4 ist breiter als der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2, der durch das Merkmal M4’, das dem Merkmal M4 inhaltlich entspricht, gekennzeichnet ist und durch die zusätzlichen Merkmale M5, M6 und M7 weiter eingeschränkt ist. Da, wie im Folgenden ausgeführt wird, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und daher nicht patentfähig ist, ist auch der breitere Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht patentfähig.

68

5. Zum Hilfsantrag 1

69

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 mit den Merkmalen M1, M2, M2a, M3, M4’ und M5 ist breiter als der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2, der durch die zusätzlichen Merkmale M6 und M7 weiter eingeschränkt ist. Da, wie im Folgenden ausgeführt wird, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und daher nicht patentfähig ist, ist auch der breitere Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht patentfähig.

70

6. Zum Hilfsantrag 2

71

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist zwar neu, er wird jedoch von der Druckschrift D1 in Verbindung mit dem Fachwissen des Fachmanns nahegelegt.

72

Die Druckschrift D1 beschreibt (siehe Bezeichnung, Abs. [0001]) eine Gradientenspule zum Erzeugen geschalteter Magnetfeldgradienten in einer Kernspinresonanz (NMR)-Apparatur, die aus auf der Oberfläche eines geometrischen Körpers angeordneten, in Windungen verlaufenden Leiterbahnen aufgebaut ist [= „Gradientenspule (GS) für ein Magnetresonanzgerät“ gemäß Merkmal M1].

73

Sie geht dabei von einer „streamline“-Gradientenspule 10 nach dem Stand der Technik aus, wie sie in Fig. 2 schematisch gezeigt ist:

Abbildung

74

Diese „streamline“-Gradientenspule 10 weist (siehe Spalte 3 Zeilen 14 bis 21 und 37 bis 60) einerseits zwei Leiterbahnen c und andererseits eine Stromzuführung 12, eine Stromabführung 13 und einen inneren Leiterabschnitt 14 auf [= „bei der die Gradientenspule (GS) eine erste Leiterstruktur (LS1) und eine zweite Leiterstruktur (LS2) aufweist“ gemäß Merkmal M2].

75

Die Leiterbahnen c werden durch einen radial äußeren Teil und radial inneren Teil gebildet, wobei der radial äußere Teil und der radial innere Teil durch den inneren Leiterabschnitt 14 derart verbunden werden, dass gemeinsam mit der Stromzuführung 12 und der Stromabführung 13 zwei Windungen der Gradientenspule 10 entstehen [= „die miteinander verbunden sind, so dass Wicklungen der Gradientenspule (GS) gebildet werden“ gemäß Merkmal M2a].

76

Die Fig. 2 zeigt schematisch die „streamline“-Gradientenspule 10; sie offenbart damit keine exakten Abmessungen, sehr wohl aber das zugrundeliegende Prinzip (BGH GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung, 1. Leitsatz). Dadurch, dass die Beschreibung begrifflich zwischen den Leiterbahnen c einerseits und dem inneren Leiterabschnitt 14 – bei mehr als zwei Windungen bzw. Leiterbahnen c ergeben sich zwangsläufig auch mehrere innere Leiterabschnitte 14 – andererseits unterscheidet und demzufolge hierfür unterschiedliche Bezugszeichen verwendet, entnimmt der Fachmann der Fig. 2 unmittelbar und eindeutig, dass die Strukturen der Leiterbahnen c und des Leiterabschnitts 14 unterschiedlich ausgeführt sind. So sind die Leiterbahnen c im Sinne der „streamline“-Bauweise deutlich breiter dargestellt als der Leiterabschnitt 14. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass die zwei Leiterbahnen c aneinander anliegen und nur durch eine Trennlinie voneinander getrennt sind, wodurch sich zwangsläufig zwei voneinander isolierte Flächenleiter ergeben [= „bei der die erste Leiterstruktur (LS1) flächige, elektrisch leitende Elemente, die voneinander isoliert sind, aufweist“ gemäß Merkmal M3].

77

In Bezug auf die „streamline“-Bauweise führt die Druckschrift D1 weiter aus (siehe Spalte 4 Zeilen 46 bis 49 in Verbindung mit Fig. 3c), dass Leiterbahnen einer „streamline“-Spule jeweils durch Nuten 26 voneinander isoliert sind – der Fachmann liest mit Blick auf die Querschnittsdarstellung in der Fig. 3c selbstverständlich mit, dass die Nuten in eine flächige, leitfähige Schicht mit gewisser Mindestdicke eingebracht werden [= „wobei die Elemente durch das Einbringen einer linienförmigen Aussparung (AUS) in eine elektrisch leitende Platte (P) gebildet sind, wobei die Aussparung (AUS) die Platte (P) vollständig durchdringt“ gemäß Merkmal M6].

78

Auch wenn in der Beschreibung der Druckschrift D1 nicht wortwörtlich angegeben ist, dass der, die zweite Leiterstruktur (LS2) im Sinne des Merkmals M2 bildende innere Leitungsabschnitt 14 als isolierter Draht gemäß Merkmal M4’ ausgestaltet ist, so drängt sich diese Ausgestaltung dem Fachmann beim Blick auf die Fig. 2 unwillkürlich auf, auch wenn sie die Gradientenspule nach dem Stand der Technik nur schematisch zeigt. Denn zur Offenbarung eines Merkmals kann die Darstellung in einer Zeichnung genügen, auf die sich die Beschreibung bezieht; maßgeblich ist, ob die merkmalsgemäße Ausgestaltung aus fachmännischer Sicht als mögliche Ausführungsform erscheint (BGH GRUR 2010, 599 – Formteil). So liegt die Sache auch hier. Im Gegensatz zu den streifen- oder flächenförmigen Leiterbahnen c in „streamline“-Bauweise ist nämlich der Leiterabschnitt 14 gebogen und dünn und damit deutlich schmäler als die Leiterbahnen c dargestellt. Dem Fachmann wird damit die Information zu erkennen gegeben, dass der Leiterabschnitt 14 dünn und gebogen, also biegbar ist, wie dies eben kennzeichnend für einen Draht ist. Dabei kommt zusätzlich zum Tragen, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens beim Fachbegriff „Spule“ ganz automatisch sofort an eine aus einem isolierten Draht bestehende Wicklung denkt, wie er sie beispielsweise aus der Hochfrequenztechnik als Drosseln oder Übertrager aber auch aus der Stromversorgungstechnik als Trafos kennt. Dass der Leitungsabschnitt 14 auch isoliert sein muss, ist für ihn selbstverständlich, denn nur so kann ein Kontakt zu der Stromzuführung 12 und der Stromabführung 13 auf jeden Fall unterbunden werden; anderenfalls käme es ja sonst zu einem Kurzschluss mit der Folge, dass kein Strom durch die Windungen fließt und kein Magnetfeld erzeugt wird. Das Vorsehen einer Isolation gilt natürlich auch für mehrere Leiterabschnitte 14 in dem Fall, dass mehr als die zwei in der Fig. 2 gezeigten Windungen vorhanden sind. Sofern der Fachmann also das Ausbilden des inneren Leiterabschnitts 14 als isolierten Draht bzw. als voneinander isolierte Drähte nicht in der Druckschrift D1 als selbstverständlich mitliest, wird er durch eine Ergänzung durch das Fachwissen dazu hingeführt [= „bei der die zweite Leiterstruktur (LS2) voneinander isolierte leitende Drähte (D) aufweist“ gemäß Merkmal M4’].

79

Das Merkmal M5 ist auf der Grundlage der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4 in den Zeilen 5 bis 13 (siehe Abs. [0021] und [0022] in der Offenlegungsschrift) so zu verstehen, dass in Spulenbereichen, die eine hohe Leiterdichte benötigen, Drähte bzw. Drahtleitungen und in Spulenbereichen, die eine geringe Leiterdichte erlauben, flächenhaft ausgestaltete Elemente als Leiterbahnen zur Erstellung von Spulenwindungen verwendet werden. Dieser Sachverhalt trifft auch für die in der Fig. 2 der Druckschrift D1 gezeigte Gradientenspule zu. Vergleicht man nämlich die Fig. 1 der Anmeldung mit der Fig. 2 der Druckschrift D1, so ergibt sich aus beiden als gleichwertig anzusehenden Darstellungen, dass es in der Draufsicht der näherungsweise kreisförmigen Windungen jeweils einen Kreissektor gibt, in dem die Windung durch ein dünnes Leiterelement (Anmeldung: LS2 als Draht D – Druckschrift D1: innerer Leiterabschnitt 14) gebildet wird, wohingegen außerhalb des Kreissektors die Windung durch ein breites Leiterelement (Anmeldung: LS1 als flächiges Element E – Druckschrift D1: Leiterbahn c) realisiert wird. Damit ergibt sich zwangsläufig eine Leiterdichte innerhalb des Kreissektors, der sich von dem außerhalb des Kreissektors unterscheidet [= „wobei von der ersten Leiterstruktur (LS1) und der zweiten Leiterstruktur (LS2) Bereiche mit unterschiedlicher Dichte von Leitern gebildet werden“ gemäß Merkmal M5].

80

Schließlich liegt auch die weitere Ausgestaltung gemäß dem Merkmal M7 im Rahmen des Fachkönnens des Fachmanns, denn es wird ausgehend von der Druckschrift D1 in Verbindung mit dem einschlägigen Fachwissen des Fachmanns nahegelegt.

81

So sieht sich der Fachmann regelmäßig bei der Auswahl der Materialien für die, dem flächigen Element der ersten Leiterstruktur (LS1) entsprechende Leiterbahn c und für den, den Drähten der zweiten Leiterstruktur (LS2) entsprechenden, inneren Leiterabschnitt 14 gefordert, diejenigen Materialien zu berücksichtigen, die die technischen Anforderungen erfüllen und die mit Blick auf deren Materialkosten gleichzeitig eine wirtschaftliche Herstellung ermöglichen.

82

Dabei ist dem Fachmann bekannt, dass im Hinblick auf die hohen gepulsten Ströme in den Gradientenspulen zum Einen das Spulenmaterial eine hohe Leitfähigkeit haben muss und zum Anderen die Gradientenspule starken Vibrationen ausgesetzt ist. Abgesehen von den aus Kostengründen ausscheidenden Materialien Silber und Gold haben nur Kupfer und Aluminium eine ausreichend hohe Leitfähigkeit, wobei Kupfer etwa die 1,5-fache Leitfähigkeit, aber die mehr als dreifache Dichte von Aluminium hat. Damit weiß der Fachmann, dass Aluminium bei gleichem Gewicht ein noch besserer elektrischer Leiter als Kupfer ist; es ist aber voluminöser, so dass Kupfer bei gleichem Leitungsquerschnitt den elektrischen Strom besser leitet. Zudem ist der Materialpreis von Kupfer deutlich höher als der von Aluminium. Schließlich weist die Druckschrift D1 noch darauf hin (siehe Spalte 2 Zeilen 39 bis 42), dass streamline-förmige Gradientenspulen besonders große Leiterquerschnitte und damit besonders geringe ohmsche Verluste aufweisen. Damit ergibt es sich für den Fachmann aufgrund fachmännischer Überlegungen, dass in den Spulenbereichen, in denen ein großer Leiterquerschnitt zur Verfügung steht, also im Bereich der, dem flächigen Element der ersten Leiterstruktur (LS1) entsprechende Leiterbahn c, als Material Aluminium zum Einsatz kommt, da Aluminium günstiger und leichter als Kupfer ist und dennoch aufgrund des größeren Querschnitts die erforderliche Stromtragfähigkeit hat [= „und wobei die elektrisch leitende Platte (P) aus Aluminium gefertigt ist“]. Dagegen liegt es für den Fachmann nahe, als Material für den inneren Leiterabschnitt 14 Kupfer zu verwenden, da der innere Leiterabschnitt 14 einen geringeren Leiterquerschnitt aufweist und mithin die höhere Leitfähigkeit von Kupfer erfordert [= „und die Drähte aus Kupfer gefertigt sind“]. Im Hinblick auf die Vibrationen bei Gradientenspulen weiß der Fachmann Drähte aus Kupfer auch deshalb zu schätzen, da diese eine besondere hohe Ermüdungsbruchfestigkeit haben und deshalb allgemein für mechanisch hochbeanspruchte Kabel und Leitungen eingesetzt werden.

83

Nach alledem wird also der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 von der Druckschrift D1 in Verbindung mit dem Fachwissen des Fachmanns nahegelegt.

84

Bei dieser Sachlage führt auch der Einwand der Anmelderin, dass der schematischen Darstellung der Fig. 2 nicht entnommen werden könne, wie die praktische Realisierung der Gradientenspule und insbesondere des inneren Leiterabschnitts aussähe, zu keiner anderen Beurteilung. Die Fig. 2 der Druckschrift D1 offenbart nämlich das grundlegende Prinzip einer Gradientenspule mit zwei unterschiedlichen Leiterelementen, die durch flächige Leiterbahnen einerseits und einem dünnen gebogenen Leiterabschnitt andererseits gebildet werden. Auch wenn die Druckschrift D1 eigentlich die Wirbelstrombildung in der Gradientenspule verringern will, wird der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, eine Gradientenspule mit dichter Leiterbahnbelegung und gleichzeitig geringem ohmschen Widerstand zu entwickeln, dieses grundlegende Prinzip der Fig. 2 in der Druckschrift D1 aufgreifen und in Verbindung mit seinem Fachwissen sowohl für die Leiterbahn als auch für den Leiterabschnitt die Art der Ausführung und das Material entsprechend anpassen.

85

7. Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in keiner der nach Haupt- und den Hilfsanträgen beantragten Fassungen patentfähig ist, fallen aufgrund der Antragsbindung notwendigerweise auch die jeweils auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche (vgl. BGH GRUR 1997, 120 ff. - elektrisches Speicherheizgerät).

86

8. Die Anregung der Anmelderin auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 PatG war nicht aufzugreifen.

87

Danach ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

88

Keine dieser Varianten liegt hier vor.

89

a) Es kann dahinstehen, ob die von der Anmelderin gestellte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Denn sie müsste, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, entscheidungserheblich sein. Ist hingegen aus anderen Gründen zu Ungunsten des Beschwerten, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt hat, zu entscheiden, kommt eine Zulassung nicht in Betracht, weil es auf die Beantwortung der Rechtsfrage nicht ankommt (vgl. Schulte PatG, 9. Aufl., § 100 Rdn. 16).

90

Die von der Anmelderin aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit bei der Interpretation von Zeichnungen die Gesamtzusammenschau des im Verfahren befindlichen Stands der Technik zu berücksichtigen sei, ist für die Begründung der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht relevant.

91

Denn nach den oben ausgeführten Gründen ist für die Entscheidung über die Patentfähigkeit der Anmeldung allein die Druckschrift D1 in Verbindung mit dem einschlägigen Fachwissen maßgeblich, nicht hingegen die Gesamtzusammenschau des im Verfahren befindlichen Stands der Technik.

92

b) Zur Fortbildung des bestehenden Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht zuzulassen. Denn die Entscheidung bewegt sich im Einklang der Spruchpraxis des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofes. Eine Abweichung ist jedenfalls nicht zu erkennen und auch nicht geltend gemacht worden.