Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.06.2010


BPatG 09.06.2010 - 20 W (pat) 52/05

Patentbeschwerdeverfahren - "Optoelektronische Sensoreinrichtung" – zum routinemäßigen fachmännischen Handeln - Abwägung von Vor- und Nachteilen - Anpassung an praktischen Bedarfsfall


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsdatum:
09.06.2010
Aktenzeichen:
20 W (pat) 52/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 199 37 594.1-52

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, den Richter Dipl.-Phys. Dr. Hartung, die Richterin Werner sowie den Richter Dipl.-Ing. Gottstein

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 9. August 1999 von der L… GmbH & Co. KG, L…, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung betrifft eine „Optoelektronische Sensoreinrichtung“.

2

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 W hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 15. März 2005 zurückgewiesen. Dem Zurückweisungsbeschluss lagen die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 zugrunde. In der Beschlussbegründung nimmt die Prüfungsstelle Bezug auf die im Prüfungsbescheid vom 14. Februar 2000 genannte Druckschrift

3

1) DE 40 19 066 A1

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und führt aus, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

5

Diesen Beschluss hat die Anmelderin L… GmbH & Co. KG mit der am 11. April 2005 eingelegten Beschwerde angegriffen. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2005 hat die Anmelderin ihre Beschwerde begründet und die Auffassung vertreten, dass die dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegenden Patentansprüche durch den Stand der Technik weder neuheitsschädlich offenbart, noch für den Fachmann nahegelegt seien. Zwar seien in der Entgegenhaltung zwei Befestigungsmethoden für eine Sensoreinrichtung beschrieben, diese würde aber der Fachmann als durchaus zufrieden stellend erachten. Dagegen finde sich in der genannten Druckschrift keinerlei Hinweis auf einen Gegenstand, wie ihn die der Erfindung zugrunde liegende Anmeldung fordere.

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Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

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„1. Optoelektronische Sensoreinrichtung zur Erfassung der Benetzung der äußeren Oberfläche der Windschutzscheibe (1) eines Kraftfahrzeugs mit Niederschlag, umfassend ein Gehäuse (2) sowie einen mit diesem kraftschlüssig verbundenen, durch eine von Anpreßmitteln aufgebrachte Anpreßkraft über ein transparentes, elastisches Koppelmedium (3) an die Windschutzscheibe (1) optisch angekoppelten Strahlenleitkörper; wobei die Anpreßmittel an einem mit der Windschutzscheibe (1) stoffschlüssig verbundenen Befestigungspunkt abgestützt sind, dadurch gekennzeichnet, daß der mit der Windschutzscheibe (1) stoffschlüssig verbundene Befestigungspunkt der aufgeklebte Befestigungssockel (4) für einen Innenrückspiegel (5) ist und daß die Anpreßmittel als eine zumindest einen dem Gehäuse zugeordneten Federarm aufweisende Spannvorrichtung (6) ausgeführt sind.“

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Mit der Erfindung soll eine Befestigung einer Sensoreinrichtung an der Scheibe ermöglicht werden, die ohne zusätzlich aufgeklebte Befestigungselemente erfolgen kann und somit eine Einsparung dieser zusätzlichen Teile sowie des Mehraufwandes für deren Aufklebung auf die Scheibe ermöglicht (vgl. Offenlegungsschrift DE 199 37 594 A1, Spalte 1, Zeilen 22 bis 28).

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin ist, wie mit Schriftsatz vom 3. Mai 2010 mitgeteilt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie hat mit der Beschwerdebegründung vom 28. Juni 2005, vgl. Blatt 4, sinngemäß den Antrag gestellt:

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den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 W des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2005 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu erteilen.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

12

1. Die zulässige Beschwerde konnte keinen Erfolg haben, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für den Fachmann, einen Entwicklungsingenieur auf dem Gebiet der Messtechnik, mit besonderer Erfahrung auf dem Fachgebiet optoelektronischer Sensoreinrichtungen und mit Kenntnissen der dabei zum Einsatz gelangenden Befestigungstechniken, gegenüber einem Stand der Technik, wie er durch die Druckschrift 1) belegt ist, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

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2. Aus der Druckschrift 1), vgl. die Figuren 1 bis 4 und die dazugehörige Beschreibung Spalte 2, Zeilen 21 ff, ist eine optoelektronische Sensoreinrichtung zur Erfassung der Benetzung der äußeren Oberfläche der Windschutzscheibe (17) eines Kraftfahrzeuges mit Niederschlag mit den Merkmalen im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 als bekannt entnehmbar. Die bekannte Sensoreinrichtung umfasst ein Gehäuse (10) sowie einen mit diesem Gehäuse kraftschlüssig verbundenen, an die Windschutzscheibe optisch angekoppelten Strahlenleitkörper (Folienstücke 20, Prismen 21). Die kraftschlüssige Verbindung erfolgt gemäß dem in den Figuren 1 und 2 beschriebenen Ausführungsbeispiel der Druckschrift 1) durch eine von Anpressmitteln (Schraubverbindung 28, 30) aufgebrachte Anpresskraft über ein transparentes, elastisches Koppelmedium (Folienstücke 20), wobei die Anpressmittel an einem mit der Windschutzscheibe stoffschlüssig verbundenen Befestigungspunkt (auf die Windschutzscheibe aufgeklebte Basisplatte 29) abgestützt sind, vgl. Druckschrift 1), Spalte 3, Zeilen 37 bis 49.

14

Des Weiteren entnimmt der Fachmann der Druckschrift 1) gemäß dem in den Fig. 3 und 4 beschriebenen Ausführungsbeispiel Anpressmittel in Form einer Spannvorrichtung, die als ein dem Gehäuse der Sensoreinrichtung zugeordneter Federarm ausgeführt sind. Dabei wird die Anpresskraft für den Sensor durch den als Federarm ausgebildeten Fuß (35) eines Innenrückspiegels (36) erzeugt, vgl. Druckschrift 1), Spalte 4, Zeilen 48 bis 53.

15

Die in der Druckschrift 1) alternativ aufgezeigten Befestigungsmöglichkeiten für eine optoelektronische Sensoreinrichtung veranlassen den Fachmann, die Vor- und Nachteile hinsichtlich des mit diesen Befestigungsmöglichkeiten jeweils verbundenen Material- und Montageaufwands abzuwägen. Daraus erwächst dem Fachmann ohne weiteres die Erkenntnis, dass ein mit der Windschutzscheibe stoffschlüssig verbundener Befestigungspunkt, an dem die Anpressmittel für die Sensoreinrichtung abgestützt sind, auch als - auf die Windschutzscheibe aufgeklebter - Befestigungssockel für den Innenrückspiegel dienen kann. Eine solche Anordnung weist ersichtlich den Vorteil auf, dass nur ein einziger mit der Windschutzscheibe stoffschlüssig verbundener Befestigungspunkt, nämlich der Befestigungssockel für den Innenrückspiegel, an der Windschutzscheibe angebracht werden muss.

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Damit ist der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelangt.

17

Der in der Beschwerdebegründung vorgebrachte Einwand der Anmelderin, dass die beiden in der Druckschrift 1) als komplementär zueinander geschilderten Befestigungsmethoden für eine Sensoreinrichtung auch jede für sich gesehen vom Fachmann als zufrieden stellend erachtet worden seien, greift zu kurz. Eine solche Argumentation lässt außer acht, dass der Fachmann die aus dem Stand der Technik entnehmbaren Gegenstände nicht nur isoliert (jede für sich gesehen) betrachtet, sondern der Fachmann prüft diese Gegenstände unter Einsatz seines Fachwissens dahingehend, welche Vor- und Nachteile sie aufweisen, insbesondere auch bzgl. des damit verbundenen Material- und Montageaufwands, wie vorstehend aufgezeigt. Das Abwägen solcherart bekannter Vor- und Nachteile und die daraus sich ergebende Anpassung an den praktischen Bedarfsfall ist routinemäßiges fachmännisches Handeln.

18

3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die auf ihn direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8, da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist, und ein eigenständiger Erfindungsgehalt der Unteransprüche von der Anmelderin nicht geltend gemacht wurde, vgl. GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät; BGHZ 173, 47 - Informationsübermittlungsverfahren II; zuletzt bestätigt in GRUR 2010, 87 - Schwingungsdämpfer. Ein solcher eigenständiger patentfähiger Gehalt der Unteransprüche ist angesichts der aus der Druckschrift 1) als bekannt entnehmbaren optoelektronischen Sensoreinrichtung auch für den Senat nicht ersichtlich.