Entscheidungsdatum: 07.06.2010
In der Einspruchssache
…
betreffend das Patent 199 17 862
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Werner sowie des Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt
beschlossen:
Der Einspruch gegen das deutsche Patent 199 17 862 wird als unzulässig verworfen.
I.
Gegen das Patent 199 17 862 mit der Bezeichnung „Ultraschallsensor“, dessen Erteilung am 31. März 2005 im Patentblatt veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende am 27. Juni 2005 Einspruch eingelegt.
Die Einsprechende macht geltend, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei (fehlende erfinderische Tätigkeit), § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.
Sie stützt ihr Vorbringen im Einspruchsschriftsatz auf die Druckschriften:
E1 JP 9-284896 A
E2 DE 35 05 872 C2
E3 DE 43 30 745 C1
Im Schriftsatz vom 16. April 2007 nennt die Einsprechende zusätzlich die Druckschrift
DE 37 32 410 A1.
Die Einsprechende beantragt,
das deutsche Patent 199 17 862 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hält den Einspruch für unzulässig, widerspricht dem Einspruch im Übrigen vollumfänglich und beantragt
das deutsche Patent 199 17 862 aufrechtzuerhalten.
Das erteilte Patent umfasst einen unabhängigen Sachanspruch 1 und diesem untergeordnete Unteransprüche 2 bis 8. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
„1. Ultraschallsensor (30; 50; 60), mit folgenden Merkmalen:
einem Gehäusebauglied (31; 51) mit einem Hohlraum (33 ; 53) in demselben und einem einstückig mit dem Gehäusebauglied (31; 51) ausgebildeten Bodenabschnitt (32; 52), der an einem Ende des Hohlraums (33; 53) vorgesehen ist, wobei der Bodenabschnitt (32; 52) einen dicken Abschnitt (32a; 52a), der sich entlang einer ersten Richtung erstreckt, und ein Paar von dünnen Abschnitten (32b; 52b), die eine kleinere Dicke aufweisen als der dicke Abschnitt (32a; 52a) und die auf bezüglich des dicken Abschnitts (32a; 52a) gegenüberliegenden Seiten des Bodenabschnitts (32; 52) entlang einer zweiten Richtung, die sich von der ersten Richtung unterscheidet, vorgesehen sind, aufweist; und
einem piezoelektrischen Element (35) zum Abstrahlen und/oder Erfassen von Ultraschall, wobei das piezoelektrische Element (35) in einem Zentrum des dicken Abschnitts (32a; 52a) auf einer inneren Oberfläche des Bodenabschnitts (32; 52) vorgesehen ist.“
Bezüglich des Wortlauts der sonstigen erteilten Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.
II.
Der Einspruch war als unzulässig zu verwerfen. Die Einsprechende hat ihren Einspruch zwar in rechter Frist und Form erhoben (§ 59 Abs. 1, Satz 1 und 2 PatG) und zulässigerweise auch auf mangelnde Patentfähigkeit als einen der Widerrufsgründe des § 21 PatG gestützt (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG). Den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen wird der Einspruch jedoch nicht gerecht.
1. Die Erfindung betrifft einen Ultraschallsensor. Derartige Sensoren dienen dem Abstrahlen und/oder Erfassen von Ultraschallenergie, insbesondere, um die Existenz von Objekten zu erfassen oder einen Abstand zu einem Objekt zu messen, der beispielsweise als ein Hinderniserfassungssensor, ein Fahrzeugrückwärtssonar oder ein Eckensonar usw. verwendet wird (Absatz [0001] der Patentschrift).
Die Erfindung geht aus von bekannten Ultraschallsensoren, wie sie in den Druckschriften
E1 JP 9-284896 A und
DE 41 20 681 A1
beschrieben sind (beide Druckschriften werden in den Absätzen [0002] bis [0009] der Patentschrift genannt). Hierbei wird besonderer Bezug auf die Druckschrift JP 9-284896 A (im Folgenden „Druckschrift E1“ genannt) genommen. Aus dieser Druckschrift ist ein in den Figuren 1 bis 3 dargestellter Ultraschallsensor 11 bekannt, der ein Gehäusebauglied 13 aufweist, in dem ein Hohlraum 12 ausgebildet ist. Ein scheibenförmiges piezoelektrisches Element 2 ist an einem unteren Abschnitt 13a des Gehäusebauglieds 13 angebracht (Absatz [0005] der Patentschrift).
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Ultraschallsensor zu schaffen, der anisotrope Strahlungs- und Erfassungs-Charakteristika bezüglich einer horizontalen und einer vertikalen Richtung aufweist, selbst wenn der Sensor klein ist (Absatz [0010] der Patentschrift). Üblicherweise verliert sich die Richtungsabhängigkeit der Strahlungs- und Erfassungs-Charakteristik bei zunehmender Miniaturisierung des Sensors immer mehr.
Dazu schlägt die Erfindung einen Ultraschallsensor (30; 50; 60) vor, der folgende Merkmale aufweist:
1. ein Gehäusebauglied (31; 51) mit einem Hohlraum (33; 53) in demselben und
2. ein einstückig mit dem Gehäusebauglied (31; 51) ausgebildeter Bodenabschnitt (32; 52), der an einem Ende des Hohlraums (33; 53) vorgesehen ist,
3. wobei der Bodenabschnitt (32; 52)
a) einen dicken Abschnitt (32a; 52a),
b) der sich entlang einer ersten Richtung erstreckt, und
c) ein Paar von dünnen Abschnitten (32b; 52b),
d) die eine kleinere Dicke aufweisen als der dicke Abschnitt (32a; 52a) und
e) die auf bezüglich des dicken Abschnitts (32a; 52a) gegenüberliegenden Seiten des Bodenabschnitts (32; 52) entlang einer zweiten Richtung, die sich von der ersten Richtung unterscheidet, vorgesehen sind, aufweist; und
4. ein piezoelektrisches Element (35) zum Abstrahlen und/oder Erfassen von Ultraschall, wobei das piezoelektrische Element (35) in einem Zentrum des dicken Abschnitts (32a; 52a) auf einer inneren Oberfläche des Bodenabschnitts (32; 52) vorgesehen ist.
2. a) Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, sind bis zum Ablauf der Einspruchsfrist „im Einzelnen“ anzugeben, § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG. Die Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände darin so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (BGHZ 100, 242 - Streichgarn [unter II.2.c]; BGHZ 102, 53 - Alkyldiarylphosphin [unter II.2]; BGH, Beschluss vom 26. Mai 1988 - X ZB 10/87, BlPMZ 1988, 289 - Messdatenregistrierung [unter II.1]). Dasselbe gilt im Rahmen der hier anzuwendenden Regelung des § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bezogen auf den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts.
b) Im Hinblick auf die Merkmale des Patentanspruchs 1 hat die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragen:
„Aus der - im Prüfungsverfahren berücksichtigten und in der Einleitung des Streitpatents ausführlich und zutreffend diskutierten - JP 92-84896 A (E1) ist ein Ultraschallsensor mit anisotropen Eigenschaften (siehe dazu [0005] der Streitpatentschrift) mit folgenden (in der etwas mühsamen Terminologie des Streitpatents) Merkmalen bekannt:
einem Gehäusebauglied mit einem Hohlraum in demselben und einem einstückig mit dem Gehäusebauglied ausgebildeten Bodenabschnitt, der an dem einen Ende des Hohlraums vorgesehen ist, wobei der Bodenabschnitt einen ersten Abschnitt, der sich entlang einer ersten Richtung erstreckt und ein Paar von zweiten Abschnitten, die eine kleinere Dicke aufweisen als der erste Abschnitt und die auf bezüglich des ersten Abschnitts gegenüberliegenden Seiten des Bodenabschnitts entlang einer zweiter Richtung, die sich von der ersten Richtung unterscheidet, vorgesehen sind, aufweist; und
einem piezoelektrischen Element zum Abstrahlen und/oder Erfassen von Ultraschall, wobei das piezoelektrische Element in einem Zentrum des ersten Abschnitts auf einer inneren Oberfläche des Bodenabschnitts vorgesehen ist.“,
um sodann zu schlussfolgern, dass sich der Gegenstand des Hauptanspruchs des Streitpatents von dem nach der Druckschrift E1 nur dadurch unterscheide, dass der zweite Bodenabschnitt eine geringere Dicke als der erste, das piezoelektrische Element tragende Bodenabschnitt habe (Merkmal 3d).
Konkrete Textstellen oder Zeichnungen der Entgegenhaltung E1, aus denen die in Form einer Wiederholung des Anspruchswortlauts angegebenen Merkmale hervorgehen würden, hat die Einsprechende nicht benannt.
Zur Druckschrift DE 35 05 872 (E2) trägt sie noch wie folgt vor: Aus dieser Druckschrift sei die Ausbildung des Bodens mit Abschnitten unterschiedlicher Dicke bekannt. Außerdem werde dem Fachmann durch diese Druckschrift nahegelegt, die zweiten Bodenabschnitte so auszubilden, dass sie auf bezüglich des ersten Bodenabschnitts gegenüberliegenden Seiten entlang einer zweiten Richtung, die sich von der ersten Richtung unterscheide, mit einer gegenüber dem ersten Abschnitt geringeren Dicke auszubilden seien, um so die aus der Druckschrift E1 bekannte anisotrope Ausbildung zu bewirken. Das gälte insbesondere deswegen, weil der Fachmann der Druckschrift E2 bereits in Spalte 4, Absatz 2 die anisotrope Wirkung eines neben und längs des Außenumfangs angeordneten (dünneren) Abschnitts, nämlich die Querschwingung, die vom Umfang des piezoelektrischen Elements ausgehe, am ringförmigen Abschnitt zu absorbieren oder abzumildern, entnehmen könne; daran könne der Fachmann erkennen, dass Ultraschallsensoren mit Bodenabschnitten unterschiedlicher Dicke anisotrope Eigenschaften besäßen.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts genügt grundsätzlich eine pauschale Bezugnahme auf eine dem Oberbegriff eines Patentanspruchs zugrundeliegende Vorveröffentlichung in der Regel nicht dem Erfordernis der Angabe der Tatsachen im einzelnen, die den Einspruch rechtfertigen (BPatGE 49, 202 - Türantrieb). Dabei ist es unerheblich, ob die Vorveröffentlichung bereits in der Streitpatentschrift genannt ist. Es obliegt vielmehr der Einsprechenden, anhand konkret bezeichneter Textstellen vorzutragen, wo die ihrer Meinung nach bekannten Merkmale in der Entgegenhaltung vorbeschrieben sind.
Dies gilt auch, wenn der Anspruch einteilig aufgebaut ist und die Bekanntheit aller Merkmale außer einem behauptet wird.
Als unzureichend hat das Bundespatentgericht auch die bloße Wiederholung des Anspruchswortlauts angesehen (so BPatGE 22, 119 für den Fall der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung; BPatGE 47, 186 - Leiterplattenbeschichtung - für den Fall der behaupteten widerrechtlichen Entnahme). Dies gilt auch für den Fall einer druckschriftlichen Vorveröffentlichung.
In Ausnahmefällen hat das Bundespatentgericht zwar eine pauschale Bezugnahme auf eine Vorveröffentlichung zugelassen, nämlich dann, wenn ein kurzer Oberbegriff nicht weiter diskussionswürdigen „herkömmlichen“ Stand der Technik betraf und die erfindungswesentlichen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu finden waren (BPatGE 49, 202 - Türantrieb). In einem solchen Fall könne auch ein pauschaler Verweis auf Patentschriften oder andere Druckschriften als Tatsachenvortrag anerkannt und bei einfachen Sachverhalten auf die Angabe der relevanten Textstellen in der Vorveröffentlichung verzichtet werden (Schulte Patentgesetz, 8. Aufl. § 59, Rdn. 104), wenn sich der Zusammenhang aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser von selbst ergibt und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund geradezu aufdrängt (BGH GRUR 1972, 593 „Sortiergerät“).
d) Den genannten Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt der Einspruch nicht.
Der Einspruch hat sich zwar vollumfänglich mit dem Gegenstand des einzigen unabhängigen Patentanspruchs 1 auseinandergesetzt. Zum überwiegenden Teil der Merkmale des Patentanspruchs 1 hat die Einsprechende jedoch unter pauschalem Verweis auf Absatz [0005] der Patentschrift lediglich deren Bekanntheit aus der Druckschrift E1 behauptet, ohne hierfür konkrete Textstellen zu benennen. Vielmehr hat sie einfach den Anspruchswortlaut, soweit sie ihn für aus der Druckschrift E1 vorbekannt hält, wortwörtlich wiederholt.
Es kann dahinstehen, ob sich die Merkmale 1, 2 und 4 dem Fachmann beim Betrachten der Figuren 1 bis 3 der Druckschrift E1 geradezu aufdrängen und es deshalb keiner näheren Angaben dazu bedurfte, aus welcher konkreten Textstelle oder Figur die Merkmale bekannt seien. Denn die behauptete Ausgestaltung des Bodenabschnitts des Sensors in der Form, dass
„der Bodenabschnitt einen ersten Abschnitt, der sich entlang einer ersten Richtung erstreckt und ein Paar von zweiten Abschnitten, die auf bezüglich des ersten Abschnitts gegenüberliegenden Seiten des Bodenabschnitts entlang einer zweiter Richtung, die sich von der ersten Richtung unterscheidet, vorgesehen sind, aufweist“,
geht jedenfalls aus der japanischsprachigen Druckschrift E1 nicht ohne weitere Erläuterungen hervor. Aus welcher Textpassage oder welcher Zeichnung sich ergeben soll, dass der Bodenabschnitt 13a in irgendeiner Weise in Abschnitte - einen ersten Abschnitt und ein Paar von zweiten Abschnitten - untergliedert oder strukturiert wäre, gibt die Einsprechende nicht an. Sie hat es vielmehr der Patentinhaberin und dem Senat überlassen, eine entsprechende Offenbarungsstelle zu identifizieren. Auf nähere Darlegungen zum genannten Merkmal konnte vorliegend auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden, da sich die Gliederung des Bodenabschnitts in einen ersten Abschnitt und ein Paar von zweiten Abschnitten auch nicht ohne Weiteres aus der Druckschrift E1 oder dem Wissen des Fachmanns ergibt - hier eines Diplom-Ingenieurs (FH) der Fachrichtung Elektronik oder eines Physiker, der über mehrjährige Berufserfahrungen bei der Entwicklung und Fertigung von Ultraschall-Sensoren verfügt. Eine Untergliederung des Bodenabschnitts in die genannten Abschnitte ist für den Gegenstand der Druckschrift E1 nämlich ohne Belang und an keiner Stelle angesprochen. Die Druckschrift E1 offenbart vielmehr lediglich einen homogenen, ungegliederten Bodenabschnitt. Worin die Einsprechende dennoch die maßgeblichen Abschnitte erblicken möchte, hätte zumindest mit Hinweis auf konkrete Textstellen oder Zeichnungsdetails, z. B. anhand von Bezugszeichen, angegeben werden müssen, um es der Einsprechenden und dem Senat zu ermöglichen, das Vorkommen dieses Merkmals zu prüfen.
Dies ist nicht geschehen. Damit sind die Angaben der „Tatsachen im Einzelnen“ unvollständig.
Auf den weiteren Vortrag zu dem aus Sicht der Einsprechenden einzigen Unterscheidungsmerkmal 3d („dass der Bodenabschnitt eine geringere Dicke als der erste, das piezoelektrische Element tragende Bodenabschnitt hat“), in dem die Einsprechende auf konkreten Textstellen aus der Druckschrift E2 verwiesen hat und erläutert hat, warum sie es als durch die Druckschrift E2 nahegelegt ansieht, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
Nach alledem war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Für eine Sachprüfung ist unter diesen Umständen kein Raum.